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Internationales Forschungsteam aus Deutschland, Österreich, Kanada, den Niederlanden und den USA wendet neues Verfahren zur Karbonat-Analyse auf Eierschalen von Dinosauriern, Reptilien und Vögeln an
Troodon,
ein mit heutigen Vögeln eng verwandter Dinosaurier, war zwar ein Warmblüter.
Sein Fortpflanzungssystem jedoch ähnelte dem von Reptilien. Dies hat ein internationales
Forschungsteam unter Leitung der Goethe-Universität Frankfurt jetzt
festgestellt. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler wandten eine neue
Methode zur genauen Bestimmung der Temperatur an, bei der die Kalkschalen der
Dinosauriereier gebildet wurden. Außerdem zeigten die Forschenden, dass ein
Troodon-Gelege vier bis sechs Eier umfasste. Da Nester mit bis zu 24 Eiern
gefunden wurden, schließen die Forschenden, dass mehrere Troodon-Weibchen ihre
Eier in Gemeinschaftsnester legten.
FRANKFURT. In Millionen von Jahren und als Folge
vieler kleiner Veränderungen entwickelte sich eine bestimmte Gruppe von
Dinosauriern, die Theropoden, zu den Vögeln, die wir heute auf unserem Planeten
fliegen sehen. Vögel sind damit die einzigen Nachfahren der Dinosaurier, die
das katastrophale Aussterben überlebten, das vor 66 Millionen Jahren die
Kreidezeit beendete.
Troodon war ein solcher Theropode. Der fleischfressende Dinosaurier
war etwa zwei Meter lang und bevölkerte vor etwa 75 Millionen Jahren die weiten,
halbtrockenen Landschaften Nordamerikas. Wie einige seiner
Dinosaurier-Verwandten besaß Troodon einige vogelähnliche Merkmale wie hohle
und leichte Knochen. Troodon bewegte sich auf zwei Beinen fort und hatte voll
entwickelte, gefiederte Flügel. Da er jedoch recht groß war, konnte er nicht
fliegen. Stattdessen lief er wahrscheinlich recht schnell und fing seine Beute
mit seinen starken Krallen. Troodon-Weibchen legten Eier, die mehr den
asymmetrischen Eiern moderner Vögel glichen als den runden Eiern von Reptilien,
den ältesten Verwandten aller Dinosaurier. Die Troodon-Eier waren gefärbt und wurden
halb in den Boden eingegraben aufgefunden. Sie wurden von Troodon wahrscheinlich
sitzend bebrütet.
Ein internationales Wissenschaftsteam um Dr. Mattia Tagliavento
und Prof. Jens Fiebig von der Goethe-Universität Frankfurt hat nun das
Kalziumkarbonat einiger gut erhaltener Troodon-Eierschalen untersucht. Die
Forscher nutzten dafür eine von Fiebigs Arbeitsgruppe im Jahr 2019 entwickelte
Methode, die „dual clumped isotope thermometry“. Damit konnten sie messen,
inwieweit schwere Elementvarianten (Isotope) von Sauerstoff und Kohlenstoff im Karbonat
nebeneinander gruppiert vorkommen. Das Ausmaß dieser „Isotopengruppierung“ ist
temperaturabhängig und ermöglichte es daher den Wissenschaftlern, die
Temperatur zu bestimmen, bei der die Karbonate kristallisierten.
Bei der Analyse der Troodon-Eierschalen stellte das Forscherteam fest,
dass diese bei Temperaturen von 42 und 30 Grad Celsius gebildet wurden. Mattia
Tagliavento, Erstautor der Studie, erklärt: "Die Isotopenzusammensetzung
der Troodon-Eierschalen zeigt, dass diese ausgestorbenen Tiere eine
Körpertemperatur von 42°C hatten und in der Lage waren, diese auf etwa 30°C zu
senken, wie moderne Vögel."
Um herauszufinden, ob Troodon modernen Vögeln oder Reptilien
ähnlicher war, untersuchten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Isotopenzusammensetzung
der Eierschalen verschiedener Reptilien (Krokodil, Alligator und verschiedene
Schildkrötenarten) und Vögel (Huhn, Spatz, Zaunkönig, Emu, Kiwi, Kasuar und
Strauß). Sie fanden zwei unterschiedliche Isotopenmuster: Die Schalen von
Reptilieneiern haben eine Isotopenzusammensetzung, die einer Bildung bei der Umgebungstemperatur
entspricht. Dies rührt daher, dass die Tiere kaltblütig sind und ihre Eier
langsam bilden. Bei Vögeln hingegen ist eine sogenannte „nicht-thermische
Signatur“ in der Isotopenzusammensetzung erkennbar, die darauf hindeutet, dass
die Eierschalenbildung sehr schnell erfolgt. Tagliavento: „Wir glauben, dass
diese sehr hohe Produktionsrate damit zusammenhängt, dass Vögel im Gegensatz zu
Reptilien nur einen Eierstock haben. Da sie jeweils nur ein Ei nach dem anderen
produzieren können, müssen Vögel dies schneller tun“.
In den Troodon-Eierschalen konnten die Forscher die für Vögel typische
Isotopenzusammensetzung nicht feststellen. Tagliavento ist überzeugt: „Dies
zeigt, dass Troodon seine Eier auf eine Weise gebildet hat, die eher mit der moderner
Reptilien vergleichbar ist, und es deutet darauf hin, dass sein
Fortpflanzungssystem noch aus zwei Eierstöcken bestand.“
Unter der zusätzlichen Berücksichtigung des bereits bekannten
Körper- und Eierschalengewichts von Troodon berechneten die Forscherinnen und
Forscher anhand ihrer Analysen, dass Troodon nur 4 bis 6 Eier pro Fortpflanzungsphase
produzierte. „Diese Beobachtung ist besonders interessant, weil Troodon-Nester
normalerweise groß sind und bis zu 24 Eier enthalten“, erklärt Tagliavento. „Wir
denken, dass dies ein deutlicher Hinweis darauf ist, dass Troodon-Weibchen ihre
Eier in Gemeinschaftsnester legten. Ein solches Verhalten beobachten wir
heutzutage bei modernen Straußen.“
Dies seien sehr spannende Erkenntnisse, findet Jens Fiebig: „Ursprünglich
haben wir die ‚dual clumped isotope'-Thermometrie entwickelt, um die
Temperaturen der Erdoberfläche vergangener geologischer Epochen genau zu
rekonstruieren. Unsere neue Untersuchung zeigt, dass unsere Methode nicht nur
eine zuverlässige Rekonstruktion der Temperatur erlaubt, sondern auch ermöglicht
zu untersuchen, wie sich die Biomineralisierung von Karbonaten im Laufe der
Erdgeschichte entwickelt hat.“
Publikation: Mattia Tagliavento, Amelia J. Davies, Miguel Bernecker, Philip T. Staudigel, Robin R. Dawson, Martin Dietzel, Katja Goetschl, Weifu Guo, Anne S. Schulp, François Therrien, Darla K. Zelenitsky, Axel Gerdes, Wolfgang Müller, Jens Fiebig: Evidence for heterothermic endothermy and reptile-like eggshell mineralization in Troodon, a non-avian maniraptoran theropod. PNAS (2023) https://www.pnas.org/cgi/doi/10.1073/pnas.2213987120
Bilder zum Download: https://www.uni-frankfurt.de/134845598
Bildtext: So könnte es ausgesehen
haben: Zwei Troodons mit einem gemeinsamen Nest. Bild:
Alex Boersma/PNAS
Beteiligte
Partner:
Institute of Geosciences, Goethe
University Frankfurt, Germany
Frankfurt Isotope and Element Research Center (FIERCE), Goethe University
Frankfurt, Germany.
Institute of Applied Geosciences, Graz University of Technology, Austria.
Royal Tyrrell Museum of Palaeontology, Drumheller, Canada.
Department of Geoscience, University of Calgary, Canada.
Naturalis Biodiversity Center, Leiden, the Netherlands
Department of Earth Sciences, Universiteit Utrecht, the Netherlands
Department of Geosciences, University of Massachusetts, USA
Morrill Science Center, Amherst, USA
Department of Geology and Geophysics, Woods Hole Oceanographic Institution, USA
Hintergrund:
Thermometer
für die Erdgeschichte: „Dual clumped isotope“-Methode zur Karbonatanalyse (2020)
https://aktuelles.uni-frankfurt.de/forschung/geowissenschaften-exakte-klimadaten-aus-der-vergangenheit/
Weitere Informationen:
Goethe-Universität
Frankfurt
Institut
für Geowissenschaften
Dr. Mattia Tagliavento
Tel. +49 176 64735849
Tagliavento@geo.uni-frankfurt.de
apl. Prof. Dr. Jens Fiebig
Tel: +49 (0) 69 798 40182
Jens.Fiebig@em.uni-frankfurt.de
Naturalis Biodiversity Center und Utrecht University,
Leiden/Utrecht, Niederlande
Prof. Dr. Anne S. Schulp (Englisch, Deutsch, Niederländisch)
Tel: +31 6 51229317
anne.schulp@naturalis.nl / a.s.schulp@uu.nl
Twitter-Handles:
@goetheuni @UUGeo @UMass @UniGraz @WHOI @Naturalis_Sci @RoyalTyrrell @UCalgarySWC @anneschulp @Naturalis_Sci @museumnaturalis
Redaktion: Dr. Markus Bernards, Referent
für Wissenschaftskommunikation, Büro für PR & Kommunikation, telefon 069 798-12498, Fax 069 798-763-12531, bernards@em.uni-frankfurt.de
Auszeichnung für wissenschafts- und hochschulpolitische Themen wird zum achten Mal seit 2008 verliehen.
FRANKFURT. Das wissenschaftliche Scheitern als Chance, die Gefahren staatlicher Einflussnahme und die Vorbildfunktion wissenschaftlicher Biographien: Faszinierende Themen stehen im Fokus der Verleihung des diesjährigen Goethe-Medienpreises für wissenschafts-und hochschulpolitischen Journalismus an drei herausragende Autorenteams bzw. Einzelautoren renommierter Medien. Prämiert werden drei Arbeiten, die 2021 und 2022 in Print- und Hörfunkmedien erschienen sind.
Jeanette Schindler befasst sich in ihrem Radiofeature mit einem oftmals tabuisierten Thema in der Wissenschaft: mit dem Scheitern. Jede*r Wissenschaftler*in möchte ein Forschungsprojekt erfolgreich zu Ende führen, Misserfolge sind nicht intendiert. Aber birgt nicht auch ein Irrweg, so die Ausgangshypothese in Schindlers Feature, ein Erkenntnispotenzial? Sogenannte „Nullbefunde“ werden bislang im Wissenschaftsbetrieb nicht publiziert oder dokumentiert, obwohl die Forschungsdaten nützlich sein könnten. Jeanette Schindler zeigt in ihrem Beitrag ebenfalls auf, dass gerade Nachwuchswissenschaftler*innen unter großem Druck stehen, sich zu bewähren. In der Corona-Pandemie reagierten viele Menschen, auch Politiker*innen, verärgert und misstrauisch, wenn Wissenschaftler*innen falsche Annahmen in Bezug auf das Corona-Virus korrigieren mussten. Die Jury erkannte dieser mit interessanten und vielfältigen Stimmen angereicherten Arbeit („Scheitern in den Wissenschaften“, Radiofeature SWR 2, gesendet am 3. März 2022) den ersten Preis zu, der mit 4000 € dotiert ist.
Fördert die deutsche Wissenschaft indirekt das chinesische Militär? Sind die
deutschen Wissenschaftler*innen und Universitäten sich der Gefahr eines
Know-How-Transfers bewusst und wie gehen sie damit um? Diesen Fragen ist ein
Autoren- und Rechercheteam von Süddeutsche Zeitung, Correctiv, Deutsche Welle
und Deutschlandfunk in einer Recherche zusammen mit weiteren europäischen
Partnern nachgegangen. Die Beiträge im Rahmen der “China Science Investigation"
erschienen am 19. und 20.Mai 2022, dafür erhält das Team von der Jury den mit
1800 € dotierten zweiten Preis. Die Journalist*innen werteten tausende
wissenschaftliche Paper aus und recherchierte im chinesischen Netz zu den
persönlichen Verstrickungen zahlreicher chinesischer Wissenschaftler mit dem
chinesischen Militärapparat. Mit der Recherche konnte aufgezeigt werden, dass
in vielen Fällen die Universitäten, an denen chinesische Kolleg*innen arbeiten,
dem chinesischen Militär nahe oder sind ihm sogar ganz unterstellt sind. Mit
der Recherchearbeit konnten der deutschen Wissenschaftspolitik wichtige Impulse
gegeben werden, um das Verhältnis gegenüber China nachhaltig auf den Prüfstand
zu stellen.
Die
mit 1000 € dotierte dritte Preisträgerarbeit von Friederike Haupt („Vorbilder“,
erschienen in der Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung vom 5.12.2021) befasst
sich mit zwei Physikerinnen, die die Welt verändert haben, wenn auch in ganz
unterschiedlichen Epochen und gesellschaftlichen Sphären: Es geht um eine
biographische Parallelität, auch um die Bedeutung von Vorbildern, um sich in
bewegten Zeiten orientieren zu können. Friederike Haupt zeichnet in ihrem
Beitrag einfühlsam und anschaulich nach, wie stark die Wissenschaftlerin Marie
Curie die Politikerin Angela Merkel auf ihrem Weg geprägt hat. Merkel war 18
Jahre Bundesvorsitzende der CDU, 16 Jahre lang Bundeskanzlerin; auch wenn sie
zum Ende ihrer Amtszeit betont hat, dass Politiker*innen keine Vorbilder sein
müssten, hat sie in Reden immer wieder Bezug auf Marie Curie genommen, um
gerade junge Mädchen und Frauen zu motivieren, ihren Weg zu gehen, auch und
gerade in die Wissenschaft.
Der
Präsident der Goethe-Universität, Prof. Enrico Schleiff, sagt:
„Wichtige und relevante wissenschaftliche oder gesellschaftliche Themen, oft
mit komplizierten Hintergründen und Zusammenhängen, so aufzuarbeiten, dass
sowohl die Frage als auch die Antwort verständlich und greifbar für die Breite
der Gesellschaft wird, ist eine hohe Kunst und von unschätzbarem Wert. Das
deutsche Wissenschaftssystem hat viel für die Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaft
zu bieten, und dies durch Wissenschaftskommunikation auf höchstem Niveau zu
vermitteln ist wichtiger denn je. Mit dem Goethe-Medienpreis wird zum
wiederholten Mal außerordentliche Qualität im wissenschafts- und
hochschulpolitischen Journalismus ausgezeichnet. Die prämierten Beiträge
diskutierten die Funktionsweise der Wissenschaft, den Wert der
wissenschaftlichen Bildung für die Selbstbestimmung des Individuums und ihre
Verantwortung in der internationalen Zusammenarbeit - drei Fragen mit Relevanz
für die Akzeptanz der wissenschaftlichen Erkenntnisse. Wir danken unseren
Partnern, der FAZIT-Stiftung und dem Deutschen Hochschulverband, für die
Möglichkeit, seit langem herausragende Leistungen im Wissenschaftsjournalismus
auch als Role Model für zukünftige Arbeiten auszeichnen zu können.“
Für
die Jury erklärte Carsten Knop, Herausgeber der Frankfurter Allgemeine
Zeitung (FAZ): „Die ausgezeichneten Arbeiten sind Musterbeispiele für
sorgfältige Recherche, kenntnisreiche Darstellung und für eine Sprache, die
ihrem Thema gerecht wird. Der nachforschende, nachfragende, nachdenkliche
Journalismus ist nicht von gestern, sondern sehr lebendig. Und das gilt
natürlich nicht nur für geschriebene Texte, sondern auch für die Audio- und
Videoformate im Wettbewerb. Die Jury findet: Die Beiträge von Jeanette
Schindler, Lea Weinmann (et al.) und Friederike Haupt sind ausgezeichneter
Journalismus, und sie stehen für das, was den Beruf immer ausgezeichnet hat und
ausmachen wird.“
Der Präsident des Deutschen Hochschulverbandes (DHV), Prof. Dr. Bernhard Kempen: „Journalistinnen und Journalisten erklären der Öffentlichkeit nicht nur die Hochschulwelt oder die Forschung. Zu ihren Kernaufgaben gehört vielmehr auch, zu hinterfragen und einzuordnen, mithin kritisch und unbequem zu sein, weil sie Distanz haben und wahren müssen. Mein herzlicher Glückwunsch geht an die diesjährigen Preisträgerinnen und Preisträger, die diesen Anspruch in herausragender Weise erfüllen. Ihre Arbeiten stehen für qualitätsbewussten wissenschafts- und hochschulpolitischen Journalismus, für den der Goethe-Medienpreis als bundesweit erste Auszeichnung dankenswerter Weise seit nunmehr 15 Jahren eine Bresche schlägt.“
Der
2008 von der Goethe-Universität ins Leben gerufene und von der FAZIT-Stiftung
unterstützte, unabhängige Medienpreis prämiert 2022/23 zum achten Mal
stilistisch und inhaltlich herausragende Beispiele für hochschul- und
wissenschaftspolitischen Journalismus. Mit dem Preis wollen die Jury und die
Initiatoren des Preises einen Impuls geben, um dieser Gattung von Journalismus
mehr Beachtung zu verschaffen. Der Goethe-Medienpreis wurde am 3. April 2023 im
Rahmen der „Gala der Deutschen Wissenschaft“ des DHV im Berliner Schauspielhaus
verliehen.
„Ideenwettbewerb Biodiversität Frankfurt“ zeichnet kreative Konzepte von Frankfurter Bürgerinnen und Bürgern aus
Gemeinsame Pressemitteilung
Goethe-Universität Frankfurt, Palmengarten,
Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung, Stadt Frankfurt und Frankfurter
Sparkasse
Ein MainWäldchen, Wildpflanzenbiotope für Nachtfalter sowie
Totholzinseln sind die Projektideen von drei Frankfurter Initiativen, die am
Mittwoch im Rahmen des „Ideenwettbewerbs Biodiversität Frankfurt“ in einem
Festakt preisgekrönt wurden. Zehn Projekte für mehr Biodiversität und
Gemeinwohl in der Stadt standen der Jury zur Auswahl.
FRANKFURT. Eine
Kleinstwildnis inmitten der Stadt, die heimischen Baumarten, Vögeln und
Insekten ein Zuhause bietet – Vorbild für das Projekt des 1. Preisträgers
„MainWäldchen – der Tiny Forest in Frankfurt a.M.“ des „Ideenwettbewerbs
Biodiversität Frankfurt“ ist die Pflanzmethode des Japaners Akira Miyawaki. In
dieser wird durch die Regeneration des Bodens und eine dichte, standortangepasste
Bepflanzung mit heimischen Bäumen und Sträuchern eine – bislang ökologisch
wertlose – Fläche in kurzer Zeit zu einem hochdiversen Waldsystem für
zahlreiche Insekten- und Vogelarten. Für ihr Projekt – der erste Tiny Forest in
Frankfurt – erhielt die Initiative Citizen Science Projekt „MainStadtBaum“ und
Greenpeace Frankfurt ein Preisgeld von 15.000 Euro.
Der Ideenwettbewerb von Goethe-Universität, Palmengarten,
Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung, Dezernat für Klima, Umwelt und
Frauen der Stadt Frankfurt und Frankfurter Sparkasse hat zum Ziel, Projekte aus
der Stadtgesellschaft zu unterstützen, die die urbane Artenvielfalt erhalten
oder fördern. Zehn Projekte kamen nach der Ausschreibung im September 2022
in die engere Auswahl. Deren Vertreterinnen und Vertreter waren bei der
Preisvergabe ebenso anwesend wie die Jury aus den beteiligten Institutionen:
Prof. Dr. Enrico Schleiff, Goethe-Universität, Dr. Julia Krohmer, Senckenberg
Gesellschaft für Naturforschung, Dr. Katja Heubach, Palmengarten, Stadträtin
Rosemarie Heilig, Dezernat für Klima, Umwelt und Frauen der Stadt Frankfurt,
und Bernd Jenne von der Frankfurter Sparkasse, die die Preisgelder anlässlich
ihres 200-jährigen Jubiläums zur Verfügung stellte. Die Laudationen hielt Nele Kress,
Referentin des im vergangenen Jahr gegründeten Nachhaltigkeitsbüros der
Goethe-Universität, das den Ideenwettbewerb betreut hat.
Den 2. Platz, dotiert mit 10.000 Euro, sprach die
Jury dem Projekt „Nektar-Bar für Nachtschwärmer“ von Christoph Schuch und
Monika Peukert zu. Das Pilotprojekt sieht kleine Wildpflanzenbiotope
nachtaktiver Flora in der Stadt vor – sie sollen als ein Standardmodell für
Biotope dienen, welche die Population wichtiger Bestäuberinsekten wie etwa
Nachtfalter und Fledermäuse erhöhen. Die Jury hob lobend hervor, dass das
Projekt mit wenig Mitteln einen Lebensraum für Lebewesen schaffen will, die
ansonsten wenig wahrgenommen werden.
Den 3., mit 5.000 Euro dotierten Preis erhielt das Projekt
„Ist das Lebensraum oder kann das weg? Totholz für ein lebendiges Frankfurt“ von
Tim Milz und Aaron Kauffeldt. Das Konzept der beiden Studenten
der Goethe-Universität sieht Totholzinseln in der Stadt vor, die den Lebensraum
für eine Vielzahl von Organismen fördern. Die Totholzinseln, so die Jury,
verbesserten nicht nur die Fähigkeit, Wasser im Boden zu halten; sie trügen
auch zur Bodenbildung wie zur Speicherung von Kohlenstoff bei und seien mit
einfachen Mitteln nachahmbar.
„Die Biodiversität ist gefährdet wie noch nie – dabei ist diese so
immens wichtig für unser Leben in Zeiten des Klimawandels. Schnelles globales
und lokales Handeln ist das Gebot der Stunde! Und diese Aufgabe können wir nur
als Gesellschaft lösen. Der Ideenwettbewerb Biodiversität Frankfurt soll
wachrütteln und die städtische Öffentlichkeit zum Nachdenken und zum Mitmachen
bewegen“, so Universitätspräsident Enrico Schleiff. „Wir suchten – und bekamen!
– kreative und pragmatische Projekte, die leicht kleine Inseln zur Förderung
der lokalen Biodiversität im städtischen Asphaltdschungel schaffen, indem sie
von jedermann und jederfrau selbst vor der Haustür umgesetzt werden können. Wir
haben die Hoffnung, die Ideen, die wir riefen, nicht wieder loszuwerden!“ Als
Stadtgesellschaft gemeinschaftlich vorzugehen, spielt in vielen Projekten eine
zentrale Rolle – etwa durch das Ansprechen von Nachbarschaften, von
angrenzenden Kindergärten, Schulen und Seniorenresidenzen. Zudem haben die
Projektmitglieder bereits mögliche Standorte erkundet und Vorgespräche mit
Institutionen geführt, die in die Umsetzung der Projekte miteinbezogen werden
müssen.
Schleiff betonte das hohe Engagement aller Beteiligten, auch der
nicht prämierten Projekte, deren Mitgliedern der Generaldirektor der
Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung Prof. Dr. Klement Tockner seine
Anerkennung aussprach. Er ermunterte die Projektinitiator*innen sich
untereinander weiterhin zu vernetzen und bei ihren Projekten unterstützend zu
begleiten.
Die Auswahl der Initiativen erfolgte in einem zweistufigen
Verfahren: Aus den 38 eingesandten Vorschlägen wählte die Jury zunächst zehn
Ideen, die sogenannte „Shortlist“, aus. Die ausgewählten Gruppen oder Personen
wurden dann zur Ausarbeitung eines detaillierten Konzepts aufgefordert – von
Patinnen und Paten fachlich begleitet und unterstützt durch einen Workshop, der
im Februar im Palmengarten mit den Partnerinstitutionen ausgerichtet wurde.
Zum Hintergrund:
Was ist Biodiversität?
Schwindende Populationen von Feldhamster und Hummel sind keine
Bagatelle – als Biodiversität gilt eine Vielfalt der Ökosysteme, genetische
Vielfalt und ein Reichtum an Arten bei Tieren, Pflanzen, Pilzen und
Mikroorganismen. Nur sie geben der Natur den Spielraum, auf Umweltveränderungen
zu reagieren und sich zu regenerieren. Am Beispiel des Insektenschwunds zeigt
sich, wie der Verlust einiger Mitspieler das Ökosystem aus dem Gleichgewicht
bringen kann: Mehr als 80 Prozent der Erträge im Pflanzen- und Obstbau sind
hierzulande von der Insektenbestäubung abhängig.
Der Weltbiodiversitätsrat (IPBES) schätzt, dass weltweit rund eine
Million Arten vom Aussterben bedroht sind. Veränderungen der Land- und
Meeresnutzung, direkte Ausbeutung von Organismen, Klimaveränderungen,
Verschmutzung und invasive Arten bewirken den massiven Rückgang von Arten und
den Verlust von Ökosystemen. Dieser Entwicklung entgegenzuwirken ist eine der
zentralen Aufgaben unserer Zeit, die eng verwoben ist mit drängenden Themen wie
Ernährungssicherheit, Klimaschutz und -anpassung oder funktionierenden
Stoffkreisläufen.
“Shortlist" der ausgezeichneten Initiativen im
„Ideenwettbewerb Biodiversität Frankfurt“ (alphabetische Reihenfolge):
Eine
kurze Vorstellung der Ideen findet sich auf der Projektwebseite www.ideen-biodiversitaet-frankfurt.de.
Bilder zum Download: https://www.uni-frankfurt.de/134749029
Bildtext:
Wollen
Inseln zur Förderung der lokalen Biodiversität im städtischen Asphaltdschungel
schaffen: die Mitwirkenden des Ideenwettbewerbs Biodiversität Frankfurt (Foto:
Jürgen Lecher/Goethe-Universität)
Weitere Informationen
Nele
Kress
Referentin
Nachhaltigkeitsbüro
Telefon +49
(0)69 798 12356
E-Mail: kress@nachhaltigkeit.uni-frankfurt.de
Redaktion: Pia Barth, Referentin für Öffentlichkeitsarbeit, Büro für
PR & Kommunikation, Telefon 069 798-12481, Fax 069 798-763-12531p.barth@em.uni-frankfurt.de
Die Linguisten Helmut Weiß und Ewa Trutkowski weisen nach, dass maskuline Personenbezeichnungen im Deutschen stets generisch interpretierbar waren
Gendersternchen oder Binnen-i? Unterstrich oder Doppelpunkt? Die feinteilige Diskussion um Notwendigkeit und Ausgestaltung einer „gendergerechten“ Sprache hält an. Prof. Helmut Weiß, der an der Goethe-Universität deutsche Sprachgeschichte lehrt, ist dem sprachhistorischen Aspekt der Debatte auf den Grund gegangen und plädiert für eine Versachlichung.
FRANKFURT. Den
tatsächlichen Sprachgebrauch in früheren Epochen des Deutschen haben Prof.
Helmut Weiß und Dr. Ewa Trutkowski in einer Studie untersucht, die in der
Zeitschrift „Linguistische Berichte“ veröffentlicht worden ist. Im Mittelpunkt
stand die Frage, inwiefern maskuline Personenbezeichnungen zu früheren Zeiten
„generisch“ verwendet wurden. Mit dem Ausdruck „generisch“ bezeichnet man in
der Grammatiklehre die Möglichkeit, solche Substantive geschlechtsabstrahierend
zu verwenden. Weiß und Trutkowski, die gemeinsam in der DFG-Forschungsgruppe
„Relativsätze“ forschten, führen den Nachweis darüber, dass maskuline
Substantive bereits im Althochdeutschen für beide biologischen Geschlechter
verwendet wurden – ebenso wie heute zum Beispiel das grammatikalisch feminine
Wort Person oder das Neutrum Mitglied.
Der Auslöser für die Studie sei die E-Mail einer
gendersprachkritischen Studentin gewesen, sagt Prof. Weiß, dessen
Forschungsschwerpunkt eigentlich in der historischen Grammatik liegt. Die
Studentin schrieb, dass das Wort „Studenten“ zwar aufgrund gesellschaftlicher
Verhältnisse in der Vergangenheit nicht schon immer sowohl Männer als auch
Frauen „gemeint habe“, in der Gegenwart aber durchaus generisch zu verstehen
sei. Grammatikalisch maskuline Personenbezeichnungen könnten stets generisch
interpretiert werden, antwortete Weiß spontan, hatte dann aber das Gefühl: Das
müsste man einmal gründlicher betrachten. So nahmen er und Trutkowski dies als
Ausgangshypothese für ihre sprachhistorische Untersuchung.
Für ihre Untersuchung nahmen sich die beiden Linguisten nicht in
erster Linie Berufsbezeichnungen vor, sondern Personenbezeichnungen und
Charakterisierungen, die seit jeher auch auf Frauen angewandt wurden. Indem man
auf diese Weise nicht-linguistische Einflussfaktoren wie die Rolle der Frau in
der Gesellschaft möglichst außen vor ließ, habe man das weit verbreitete
Argument gegen den Gebrauch des generischen Maskulinums entkräften wollen –
nämlich dass dieses eine sprachgeschichtlich sehr junge Erscheinung sei, die
erst mit dem Vordringen der Frauen in Männerberufe entstanden sei. Denn das
Gegenteil sei der Fall: Das Generische sei sozusagen schon immer im Deutschen
fest verankert.
Beispiele wie das Messer, die Gabel, der Löffel machten, so
Weiß, schon dem sprachwissenschaftlichen Laien deutlich, dass die Kategorie
Genus kaum 1:1 mit einem etwaigen biologischen Geschlecht zusammenhänge. „Für
die Verteilung des grammatischen ‚Geschlechts' gibt es durchaus Regeln, aber
die sind nicht semantischer Art“, sagt er. Es sei wissenschaftlich
nachgewiesen, dass die Genera ursprünglich Belebtes (maskulin) und Unbelebtes
(neutrum) und Kollektiva (feminin) voneinander unterschieden. Das Genussystem
hat vor allem einen syntaktischen Zweck: Da zugeordnete Wörter wie Adjektive
formal übereinstimmen (kongruent sind), hilft es bei der Strukturierung von
Sätzen und bei der Herstellung von Bezügen zwischen nominalen Ausdrücken
(z.B. „Otto kennt Maria, seit er/sie 10 ist“). Zwar
besteht durchaus eine Beziehung zwischen Genus und Sexus – allerdings nur in
die eine Richtung: Sexus kann sich im Genus bemerkbar machen, der Umkehrschluss
ist jedoch nicht zulässig.
Weiß und Trutkowski haben sich allgemeine Personenbezeichnungen
vorgenommen wie Freund, Feind, Gast, Nachbar, Sünder – und konnten
nachweisen, dass diese im Alt- und Mittelhochdeutschen keineswegs
geschlechtsspezifisch verwendet wurden, sondern vielmehr generisch. So schrieb
der althochdeutsche Dichter Otfrid von Weißenburg im 9. Jahrhundert von Jesus
und Maria als Gästen der Hochzeit von Kana: „Ni ward io in wóroltzitin,
/ thiu zisámane gihitin, / thaz sih gésto guati / súlihhero rúamti. / Thar was
Kríst guater / joh sélba ouh thiu sin múater“ („Zu keiner Zeit hat sich ein
Hochzeitspaar rühmen können, so hohe Gäste zu haben (wie diese): Der heilige
Christus und auch seine Mutter waren da erschienen.“). Oder im
mittelhochdeutschen Frauenbuch von 1257 heißt es: „ir bedörft ein wîp ze
friunde niht“ („ihr bedürft eines Weibes zum Freunde nicht“). Auch für die
besonders in der Kritik stehenden Personenbezeichnungen auf -er belegt
die Untersuchung eine sexusneutrale Verwendung, etwa in dem Satz: „die von
alter har burgere zu Straßburg gewesen sind, es sigent frowen oder man“ („die
von alters her Bürger in Straßburg gewesen sind, es seien Frauen oder Männer“).
Die Endung -er wird auf die lateinische Endung -arius
zurückgeführt, die im Althochdeutschen noch in einer maskulinen (-ari) und
femininen Form (-âra) vorkam.
Der vor kurzem erschienene Beitrag sei in einer Vorversion von
einem Preprint-Server (Lingbuzz) inzwischen mehr als zweieinhalbtausend mal
heruntergeladen worden, berichtet Prof. Weiß. Die Reaktionen seien vor allem
zustimmend. Insgesamt hofften er und Trutkowski, dass die Studie zur
Versachlichung der Debatte beitrage. Weiß selbst ist überzeugt, dass sich die
„gendergerechte“ Sprache allenfalls in Teilen der Sprachgemeinschaft
durchsetzen werde.
Publikation: Ewa Trutkowski u. Helmut Weiß, Zeugen gesucht! Zur Geschichte des
generischen Maskulinums im Deutschen. In: Linguistische Berichte 273/2023. https://doi.org/10.46771/9783967692792_2
Weitere Informationen
Prof. Dr. Helmut Weiß
Professur für Geschichte der deutschen Sprache
Institut
für Linguistik
Goethe-Universität
Frankfurt am Main
Telefon
069 798-32674
E-Mail:
weiss@lingua.uni-frankfurt.de
Homepage: https://www.uni-frankfurt.de/59458358/Prof_-Dr_-Weiss
Redaktion: Dr. Anke Sauter, Referentin für Wissenschaftskommunikation,
Büro für PR & Kommunikation, Telefon 069 798-13066, Fax 069 798-763-12531, sauter@pvw.uni-frankfurt.de
Veranstaltung im House of Labour erörtert, welche Bedeutung politische Bildung und Mitbestimmung für demokratische Gesellschaftssysteme und ihre Stabilität haben.
FRANKFURT. „Durch SA und Kriminalpolizei wurde gestern Nachmittag 5:15 Uhr die Akademie der Arbeit geschlossen.“ Mit diesen nüchternen Worten teilte Prof. Dr. Ernst Michel, der damalige Leiter der Akademie der Arbeit, dem Kuratorium der Goethe- Universität die gewaltsame Schließung AdA am Vortag, dem 31.03.1933 mit. Anlässlich der 90. Jährung der gewaltsamen Schließung soll sich genauer mit dem Tag, seinem Kontext und seiner Bedeutung befasst werden. Im Mittelpunkt der Veranstaltung soll dabei die Frage stehen, welche Bedeutung politische Bildung und Mitbestimmung für demokratische Gesellschaftssysteme und ihre Stabilität haben.
... damit er nicht
betrachte, wenn er handeln solle." (Hugo Sinzheimer, 1921)
Veranstaltung zur
90. Jährung der gewaltsamen Schließung der AdA
31. März 2023, 17.00 bis 19.00 Uhr,
House of Labour,
Eschersheimer
Landstr. 155-157,
60323 Frankfurt.
Programm:
17.00 – 17.05 Uhr: Begrüßung durch den Kuratoriumsvorsitzenden der EAdA - Rainer Gröbel, Kanzler der University of Labour
17.05 – 17.20 Uhr: Historische Einführung, Die Schließung der Akademie der Arbeit - Tobias Schmitz, wissenschaftlicher Referent der EAdA
17.20 – 17.50 Uhr: Grußworte der Stifter:innen - Ina Hartwig, Kulturdezernentin der Stadt Frankfurt; Rolf Keil, Referatsleiter, Hessisches Ministerium für Soziales u. Integration; Michael Rudolph, Vorsitzender des DGB Hessen-Thüringen
17.50 – 18.10 Uhr: Impulsvortrag - Wie können wir unsere Demokratie sichern und welche Rolle haben die Gewerkschaften? Christiane Benner, 2. Vorsitzende der IG Metall
18.10 – 18.30 Uhr: Impulsvortrag - Bedeutung der politischen Bildung für demokratische Gesellschaftssysteme. Prof. Dr. Martin Allespach, Leiter und Direktor der EAdA
18.30 – 19.00 Uhr: Abschlussdiskussion
Es
wird um eine Anmeldung per E-Mail gebeten an info@eada.uni-frankfurt.de.
Redaktion: Dr. Dirk Frank, Pressereferent / stv. Leiter, Büro für PR &
Kommunikation, Telefon 069
798–13753, frank@pvw.uni-frankfurt.de
Die Goethe-Universität veröffentlicht ihr neues Programm der Bürger-Uni
Den Dialog zwischen Frankfurter Bürger*innen und Wissenschaftler*innen zu fördern ist das Ziel der Bürger-Universität, die die Goethe-Universität jedes Semester veranstaltet. Ein Highlight des aktuellen Programms: Die Frankfurter Poetikvorlesung von Clemens Setz, einem der experimentierfreudigsten Schriftsteller der Gegenwartsliteratur.
FRANKFURT. Wie
erforschen Naturwissenschaftler*innen das Klima der Vergangenheit? Wie kann die
neue Generation Künstlicher Intelligenz wie ChatGTP für das Lehren in Schulen
und Hochschulen produktiv genutzt werden? Und: Haben neue Formen der
Bürgerbeteiligung in den vergangenen Jahrzehnten ihre Versprechen erfüllt?
Mit Vorträgen zu diesen und weiteren Themen lässt die Bürger-Uni
die Stadtgesellschaft an der Forschung der Goethe-Universität teilhaben. Das
Programm des Sommersemesters reicht von Fallbeispielen der interdisziplinären
Rechtsmedizin über Gespräche über den Romantiker Ludwig Tieck bis hin zu
Einblicken in die moderne Herzmedizin und Tumor-Patientenberatung.
Zahlreiche Veranstaltungen nehmen das 175-jährige Jubiläum der
Nationalversammlung der Stadt Frankfurt im Mai zum Anlass: Die Frankfurter
Filmtage etwa sind „Demokratie, Konflikt und Streit“ gewidmet, die
Vortragsreihe „1848 in Perspektive“ untersucht die Rolle der Religion in
krisenhaften Umbruchsituationen und eine weitere Vorlesungsreihe beleuchtet
„die Paulskirche als Bauwerk der Demokratie“.
Im Projekt „Vergangene Warmzeiten“ arbeiten Spezialist*innen der
Goethe-Universität eng mit Kolleg*innen der Senckenberg Gesellschaft für
Naturforschung zusammen – etwa um Klimaszenarien für die Zukunft unserer Erde
zu entwerfen. Den Prozess dieser Forschung können Bürger*innen in der
Ausstellung „Klimawissen schaffen“ verfolgen – und bei Formaten wie Meet the
scientists und Science garden mit Expert*innen direkt ins Gespräch
kommen.
Im Rahmen der Frankfurter Poetikvorlesung spricht im Mai zudem der
prominente Schriftsteller und Autor Clemens Setz. Seine Vorträge werden von
einer studentischen Ausstellung in der Universitätsbibliothek und einer Lesung
im Frankfurter Literaturhaus begleitet.
Das Programm der Bürger-Universität wird an einschlägigen Stellen
in der Stadt ausgelegt und ist auf der Webseite der Goethe-Universität
einsehbar unter: www.buerger.uni-frankfurt.de/
Die erste Bürger-Universität startete im Jahr 2008. In diesem Jahr
kehrte die Goethe-Universität zu ihren Wurzeln als Stiftungsuniversität zurück,
als die sie 1914 von Frankfurter Bürgerinnen und Bürgern gegründet worden war.
Seitdem fördert die Bürger-Universität den lebendigen Dialog mit den
Bürgerinnen und Bürgern aus Stadt und Region.
Redaktion: Pia Barth, Referentin für Öffentlichkeitsarbeit, Büro für
PR & Kommunikation, Telefon 069 798-12481, Fax 069 798-763-12531, p.barth@em.uni-frankfurt.de
Festveranstaltung mit Vorträgen und Diskussionen. 28./29.03.2023, Campus Bockenheim. Erinnert wird auch an den langjährigen Vorstandsvorsitzenden Prof. Günther Böhme, der in diesem Jahr 100 geworden wäre.
FRANKFURT. Im Rahmen einer Festveranstaltung auf dem Campus Bockenheim wird das 40jährige Bestehen der U3L gefeiert und der 100. Geburtstag Günther Böhmes gewürdigt. Die Vorträge werden die bisherige Entwicklung aufzeigen und Überlegungen für die Zukunft vorstellen. Austausch und gemeinsamer Ausblick sind ebenfalls Teil des Programms. Die Tagung wird durch eine Fotoausstellung und ein Get-together abgerundet. Grußworte werden Dr. Nargess Eskandari-Grünberg, Bürgermeisterin der Stadt Frankfurt a. M., Prof. Dr. Enrico Schleiff, Präsident der Goethe-Universität, Prof. Dr. Christian Winter, Vorsitzender der U3L, sowie Thomas Bertram, Vorsitzender der Bundesarbeitsgemeinschaft Wissenschaftliche Weiterbildung für Ältere (BAG WiWA), sprechen.
Herzlich eingeladen sind U3L-Studierende und -Lehrende, Wissenschaftler*innen,
Fachkräfte aus Institutionen der Bildungsarbeit und der Politik, regulär
Studierende und alle, die sich für das Thema interessieren:
Lust an der Bildung
– Festtagung 40 Jahre U3L
28. und 29. März
2023,
Campus Bockenheim
der Goethe-Universität,
Hörsaal V,
Hörsaaltrakt, Gräfstraße 50-54
Die
Teilnahme ist kostenfrei, eine Anmeldung ist nicht erforderlich.
Im
Wintersemester 1982/83 erschien erstmals ein Vorlesungsverzeichnis der
„Universität des 3. Lebensalters“. Auf Initiative der Psychologieprofessorin
und Gerontologin Anitra Karsten wurde ein Bildungsprogramm für Menschen in der
nachberuflichen Lebensphase konzipiert, das einen Dialog zwischen
Lebenserfahrung und wissenschaftlichen Ansichten ermöglichen sollte. Inzwischen
hat die U3L sich zu einer der größten Einrichtungen der Wissenschaftlichen
Weiterbildung für Ältere in Deutschland entwickelt. Das Programm ist orientiert
am breiten fachlichen Spektrum der Goethe-Universität, charakterisiert durch
die Bildungsinteressen, Motive und Beiträge der Teilnehmenden, durch
hervorragende Lehrende und ihre gehaltvollen Veranstaltungen sowie durch
partizipative Projekte.
Eine besondere Prägung hat die U3L durch
Professor Günther Böhme (1923 - 2016) erfahren, dessen Geburtstag sich im Jahr
2023 zum hundertsten Mal jährt. Als Vorstandsvorsitzender hat er die U3L von
1984 bis 2012 geleitet und sowohl durch seine Persönlichkeit geprägt, als auch
durch seine theoretischen und empirischen Forschungsarbeiten für ein solides
wissenschaftliches Fundament gesorgt.
Mehr
zum Programm: https://tinygu.de/ALpCZ
Website zum Jubiläum: https://tinygu.de/nRJl4
Die
Veranstaltung wird außerdem über den YouTube-Kanal der U3L gestreamt,
nähere Infos dazu werden bald auf der Homepage verfügbar sein.
Kontakt:
Universität des 3.
Lebensalters an der Goethe-Universität Frankfurt am Main (U3L)
Tel.: 069 /
7 98-2 88 61; E-Mail: u3l@em.uni-frankfurt.de; www.u3l.uni-frankfurt.de
Redaktion: Dr. Dirk Frank, Pressereferent / stv. Leiter, Büro für PR & Kommunikation,
Telefon 069 798–13753, frank@pvw.uni-frankfurt.de
Vortrag von Prof. Christian Metz über das weltberühmte Gedicht aus Hölderlins Spätwerk
BAD HOMBURG. Friedrich Hölderlin lebte in den Jahren 1798 bis 1800 und 1804 bis 1806 in Homburg. Zwischen diesen beiden Aufenthalten hat er sein weltberühmtes Gedicht „Patmos“ vollendet, das er dem im Homburger Schloss residierenden Landgrafen Friedrich V. widmete und schenkte. Es ist nach der griechischen Insel Patmos benannt, auf der Johannes der Evangelist seine göttliche Offenbarung erhielt. Wie lässt sich das Gedicht und seine besondere Komposition aus der lokalen Homburger Konstellation und Perspektive verstehen?
Dieser Frage geht der Literaturwissenschaftler und -kritiker Prof.
Christian Metz in einem öffentlichen Vortrag mit dem Titel „‚Patmos’ in
Homburg. Die lokale Konstellation eines weltberühmten Gedichtes“
am
Freitag, 24. März, um 18 Uhr
im
Forschungskolleg Humanwissenschaften
(Am
Wingertsberg 4, 61348 Bad Homburg vor der Höhe)
nach. Der Frankfurter Literaturwissenschaftler Prof. Achim
Geisenhanslüke führt in das Thema des Abends ein. Anschließend entfaltet
Christian Metz eine Homburger Perspektive auf „Patmos“, indem er einen Bogen
spannt von der Ankunft des Gedichts in Homburg im Jahr 1803 bis zu Horst
Hoheisels Kunstwerk „Patmos, eine Spur von Hölderlin“ von 1989, das die Gruft
der Landgrafen von Homburg in der Bad Homburger Schlosskirche abdeckt.
Christian Metz ist Literaturkritiker und Professor für
Neuere Deutsche Literatur an der Universität Aachen. Der gebürtige Bad
Homburger war viele Jahre als Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der
Goethe-Universität tätig und zugleich Geschäftsführer des Fortbildungsprogramms
„Buch- und Medienpraxis“ (2003 bis 2010). Vertretungsprofessuren und
Lehraufträge führten ihn nach Berlin, Münster, Zürich, Wien und München. Als
Literaturkritiker schreibt er für die Frankfurter Allgemeine Zeitung und für
den Deutschlandfunk. 2020 wurde er mit dem Alfred-Kerr-Preis für
Literaturkritik ausgezeichnet.
Der Vortrag beschließt einen Workshop am Forschungskolleg
Humanwissenschaften, den Prof. Achim Geisenhanslüke und Dr. Thomas Schröder vom
Institut für Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft der
Goethe-Universität leiten. Seit dem Hölderlin-Jahr 2020/21 finden jährlich
Workshops über „Hölderlins Homburger Arbeiten oder Die Revolution der
poetischen Sprache“ statt, die Hölderlin-Forscher zum regelmäßigen Austausch über
das Spätwerk des Dichters in Bad Homburg zusammenbringen. In diesem Jahr nehmen
u.a. Prof. Klaus-Michael Bogdal (Bielefeld), Prof. Anja Lemke (Köln), Prof.
Alexander Honold (Basel) und der Referent des Abendvortrags Prof. Christian
Metz (Aachen) teil.
Anmeldung
zum Vortrag: Um
vorherige Anmeldung per Email an anmeldung@forschungskolleg-humanwissenschaften.de wird gebeten.
Weitere
Informationen: www.forschungskolleg-humanwissenschaften.de
Redaktion: Dr. Anke Sauter, Referentin für Wissenschaftskommunikation, Büro PR & und Kommunikation, Telefon 069 798-13066, E-Mail sauter@pvw.uni-frankfurt.de
Neue Veranstaltungsreihe von Kulturdezernat und Normative Orders
Was sagt die Kritische Theorie der „Frankfurter Schule“ zur gegenwärtigen Lage der Gesellschaft – ob lokal, national oder international? Das Forschungszentrum „Normative Ordnungen“ der Goethe-Universität und das Dezernat für Kultur und Wissenschaft der Stadt Frankfurt am Main bieten den derzeitigen Vertreterinnen und Vertretern der berühmten Denkschule ein Podium: In der Reihe „Frankfurter Schule“ werden aktuelle Themen diskutiert.
FRANKFURT.
Gesellschaftliche Normen, in Institutionen und Ordnungen manifestiert, bilden
das Fundament unseres sozialen und politischen Zusammenlebens. In der ersten
Hälfte des 20. Jahrhunderts hatte sich die sogenannte Frankfurter Schule
vorgenommen, diese Normen und ihre Widersprüche im Sinne einer umfassenden
„Kritischen Theorie“ ganzheitlich und (ideologie-)kritisch in den Blick zu
nehmen – eine Herangehensweise, deren Bedeutung und internationale Wirkmacht
bis heute ungebrochen sind. Doch was sagt die Frankfurter Schule, die
Gesellschaftsanalysen stets mit Ideologiekritik verbunden hat, zur derzeitigen
Lage der Gesellschaft? Welche Antworten gibt die sogenannte „dritte und vierte
Generation“ auf weltweite Krisen und Konflikte?
Darum soll es in einer neuen Veranstaltungsreihe gehen, zu der das
Dezernat für Kultur und Wissenschaft der Stadt Frankfurt am Main und das
Forschungszentrum „Normative Ordnungen“ der Goethe-Universität von März an
gemeinsam einladen. Der Titel der neuen Reihe lautet „Frankfurter Schule“. Zu
Gast sind Persönlichkeiten, die – geschult am „Frankfurter Denken“ – Position
beziehen zu aktuellen Problemlagen. Kooperationspartner der einzigartigen Reihe
sind das Institut für Sozialforschung, das Museumsufer Frankfurt und
hr2-kultur.
Bei der Auftaktveranstaltung
am
Montag, 20. März, um 18 Uhr
im
MUSEUM MMK MODERNE KUNST
Domstraße
10, 60311 Frankfurt am Main
sprechen der Philosophieprofessor Christoph Menke
(Goethe-Universität, Normative Orders) und der Autor Cord Riechelmann über das
Thema „Was ist Befreiung?“. Im Mittelpunkt des Abends steht Menkes erst jüngst
im Suhrkamp Verlag erschienenes Buch Theorie der Befreiung. Darin geht
der Philosoph von der Diagnose aus, dass bisherige Befreiungsbewegungen stets
in neue Abhängigkeitsordnungen gemündet seien und zeigt auf, wie Freiheit und
Herrschaft unauflöslich miteinander verwoben sind.
Christoph Menke, geboren 1958 in Köln, hat
Germanistik und Philosophie in Heidelberg und Konstanz studiert, wo er 1987
promoviert wurde. Die Habilitation Tragödie im Sittlichen. Hegel und die
Freiheit der Moderne erfolgte 1995. Seit 2009 ist er Professor für
Praktische Philosophie mit Schwerpunkt Politische Philosophie und
Rechtsphilosophie an der Goethe-Universität und Mitglied des Forschungszentrums
„Normative Ordnungen“.
Cord Riechelmann, geboren 1960 in Celle,
studierte Biologie und Philosophie an der Freien Universität Berlin. Er war
Lehrbeauftragter für das Sozialverhalten von Primaten und für die Geschichte
biologischer Forschung. Außerdem arbeitete er als Kolumnist und
Stadtnaturreporter für die Berliner Seiten der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.
„Die Kritische Theorie ist heute wichtiger denn je. Aber eine
Denktradition kann nur bestehen bleiben, wenn sie sich fortentwickelt. Sie muss
nicht nur auf neue soziale, gerade auch globale, Herausforderungen eingehen,
sondern hat, das ist das Besondere an dem Frankfurter Ansatz, einen umfassenden
systematischen Anspruch. Auch dieser muss stetig überdacht werden; er läuft im
Kern darauf hinaus, die Unvernunft dessen sichtbar zu machen, was im
konventionellen Sinne als vernünftig gilt. Was das konkret bedeutet, wollen wir
im Dialog mit der Stadtgesellschaft diskutieren“, sagt Prof. Rainer Forst,
Direktor des Forschungszentrums Normative Ordnungen, zum Start der Reihe.
„Die Frankfurter Schule hat Frankfurt und die deutsche
Nachkriegsöffentlichkeit geprägt wie keine andere Denkschule sonst und
entscheidend dazu beigetragen, dass sich eine demokratische Öffentlichkeit
herausbilden konnte“, sagt Kultur- und Wissenschaftsdezernentin Dr. Ina
Hartwig. Die freiheitliche Ordnung, in der wir heute leben, sei dabei nicht
weniger umstritten als in jenen Jahren. „Es gibt drängende Fragen unserer Zeit.
Und es gibt Antworten, kritische Antworten, Frankfurter Antworten. Die
Gesellschaft braucht den kritischen Blick der Frankfurter Schule, um Lösungen
für aktuelle Probleme zu finden – etwa das Auseinanderdriften von Arm und Reich
oder die zunehmende Polarisierung der Gesellschaft“, so Hartwig weiter.
Susanne Pfeffer, Leiterin des Museums für Moderne Kunst, gab ihrer
Freude Ausdruck, dass die neue Diskussionsreihe in Frankfurter
Kultureinrichtungen stattfinden soll. „Museen sind wichtige Orte, um
Diskussionen zu führen. So haben wir eine weitere Möglichkeit, einen Beitrag zu
einer relevanten Thematik in der Stadt zu leisten.“
Die Reihe wird quartalsweise in den Frankfurter Museen
fortgesetzt, beginnend im MMK Museum für Moderne Kunst.
Das
Veranstaltungsplakat zum Download unter: https://www.uni-frankfurt.de/134094396
Weitere Informationen
Anke
Harms
Referentin
für Wissenschaftskommunikation
des
Forschungszentrums „Normative Ordnungen“ der Goethe-Universität
anke.harms@normativeorders.net
069/798-31407
www.normativeorders.net
Redaktion: Dr. Anke Sauter, Referentin für Wissenschaftskommunikation,
Büro für PR & Kommunikation, Telefon 069 798-13066, Fax 069 798-763-12531, sauter@pvw.uni-frankfurt.de
Die Ausstellung wird vom 31. März – 27. August 2023 gezeigt.
FRANKFURT. Erstmals stellt das MGGU – Museum Giersch der Goethe-Universität den spannenden Künstler Ernst Weil (1919–1981) in seiner Geburtsstadt Frankfurt am Main umfassend vor. Mit etwa 120 Werken von privaten wie öffentlichen Leihgeber*innen wird das vielseitige Schaffen Weils in seiner ganzen Breite präsentiert. Die gezeigten Arbeiten bewegen sich zwischen Abstraktion und Gegenständlichkeit und umfassen dabei Malerei, Zeichnung, Druckgraphik und angewandte Kunst. Basierend auf einer Teilübernahme der 2020 in der Kunstvilla Nürnberg gezeigten Retrospektive von Weils malerischen Arbeiten setzt die Ausstellung im MGGU auf die Sichtbarmachung der fruchtbaren Vernetzung des zeichnerischen und angewandten Schaffens mit den Gemälden des Künstlers.
„Der Titel der Ausstellung ‚Spontan und konstruktiv' bezieht sich
auf zwei wichtige Merkmale von Weils Arbeiten, die zwischen spontaner Geste und
sorgfältiger Konstruktion des Bildraums changieren. Gleichzeitig zeigen Weils
Arbeiten eigentlich immer einen Rückbezug auf die klassischen Bildformen wie
Landschaften, Stillleben oder menschliche Figur“, so die Kuratorin der
Ausstellung Laura Domes.
Der Präsident der Goethe-Universität Enrico Schleiff kommentiert:
„Die Ausstellungen des MGGU bereichern seit Jahren das breite
Forschungsspektrum der Goethe-Universität. Die Ausstellung zu Ernst Weil, der
einen engen Bezug zur Stadt Frankfurt hat, ist ein weiteres Beispiel dafür, wie
eine wissenschaftliche Begleitung eine Ausstellung bereichert und wie diese
wiederum zu einem Beitrag der Wissenschaft und auch der
Wissenschaftskommunikation unserer Goethe-Universität wird.“
Nach dem Zweiten Weltkrieg an der Münchener Kunstakademie
ausgebildet, verdiente Weil seinen Lebensunterhalt zunächst als
Gebrauchsgraphiker und Raumgestalter. Zeitgleich entwickelte er in seinen
freien Arbeiten ein eigenes Verständnis kubistischer Darstellung von Landschaften
und Stillleben in der Tradition der klassischen Moderne. Von 1957 bis 1965
lebte er in Frankreich, wo er sich in seinen Zeichnungen und seiner Malerei auf
die durch schnelle Geste erfasste menschliche Figur konzentrierte. Immer wieder
war Weil in dieser Zeit mit seinen Arbeiten bei den Ausstellungen der
Künstler*innengruppierung „Frankfurter Sezession“ präsent. 1965 kehrte der
Künstler nach Deutschland zurück, um in Nürnberg eine Professur für Freie
Malerei an der Akademie der Bildenden Künste anzutreten. In dieser Zeit
beschäftigte er sich mit der Entwicklung einer eigenen Farbtheorie. In seinen
späten Landschaftsdarstellungen und figurativen Bildern betonte er das
Gestische und Rhythmische, wobei die Farbe weiterhin eine wichtige Stellung
einnahm. Seine Kompositionen verlieren trotz hohem Abstraktionsgrad nie den
Bezug zur wahrnehmbaren Umwelt.
Eigentlich sollte Ernst Weil bereits vor zwei Jahren im MGGU
gezeigt werden, als Übernahme der Retrospektive „Ernst Weil – Abstraktion in
Nürnberg“ der Kunstvilla Nürnberg. Die Bilder waren sogar schon im Depot in
Frankfurt am Main. Dann allerdings sorgten die Corona-Pandemie und die
technische Sanierung des Museums für eine Verschiebung der Planungen. Doch
nicht immer sind solche Verzögerungen von Nachteil: Durch die zusätzliche Zeit
ergab sich die Möglichkeit für eine Erweiterung des Ausstellungkonzepts. So
widmet sich die Schau Weils Verbindung zur „Frankfurter Sezession“. Darüber
hinaus wurden nun graphische und angewandte Arbeiten in das kuratorische
Konzept miteinbezogen, wodurch die Ausstellung die Vielseitigkeit des Künstlers
betont. Ernst Weil zeigte keinerlei Berührungsängste und entwarf für die
unterschiedlichsten Orte, Techniken und Materialien. In der Ausstellung
ergänzen daher knapp 60, zum Teil noch nie gezeigte Zeichnungen, Druckgraphiken
und angewandte Arbeiten wie Illustrationen und Trickfilme sowie ein Beispiel
einer Raumausstattung die chronologische Übersicht der malerischen Entwicklung.
Dabei wird die besondere Bedeutung der Handzeichnungen für Ernst Weil sichtbar:
Durch das ständige zeichnerische Erfassen von Seheindrücken gelang es ihm, sich
ein Motivrepertoire anzueignen, das ihm in seinen malerischen Arbeiten als
stilistischer und thematischer Fundus diente.
Kuratorin der Ausstellung: Laura Domes
Pressekonferenz: Mittwoch, 29. März 2023, 11 Uhr
Bitte um vorherige Anmeldung an presse@mggu.de
Podium:
• Katrin Kolk und Susanne Wartenberg, Kommissarische Leitung MGGU
• Laura Domes, Kuratorin der Ausstellung
Bilder und Texte zum Download unter: https://www.mggu.de/presse/
Zur
Ausstellung erscheint ein Begleitheft mit einem Essay von Laura Domes,
Kuratorin der Ausstellung. Der Ausstellungkatalog „Ernst Weil – Das malerische
Werk“ der Kunstvilla Nürnberg ist ebenfalls im Museumsshop erhältlich.
Die
Ausstellung wird zudem begleitet von einem vielfältige Bildungs- und
Vermittlungsangebot in analoger und digitaler Form. Aktuelle Informationen über
alle Veranstaltungen finden Sie immer aktualisiert auf unserer Website: www.mggu.de
Museum
Giersch der Goethe-Universität, Schaumainkai 83, 60596 Frankfurt am Main
Eintritt:
Erwachsene 7,- € / Ermäßigt 5,- €. Personen unter 18 Jahren haben freien
Eintritt.
Öffnungszeiten:
Di, Mi, Fr, Sa, So 10–18 Uhr, Do 10–20 Uhr
An
Feiertagen 10–18 Uhr geöffnet
Informationen: Christine Karmann, Kommunikation und Marketing Museum Giersch der
Goethe-Universität, Tel: 069/138210121, E-Mail: presse@mggu.de
Adresse: Museum Giersch der
Goethe-Universität, Schaumainkai 83, 60596 Frankfurt am Main
Redaktion: Dr. Olaf Kaltenborn, Leiter Büro für PR &
Kommunikation, Tel.: 069
798-13035, Fax: 069 798-763 12531, kaltenborn@pvw.uni-frankfurt.de
Internationales Team von Goethe-Uni und University of Kent identifiziert Nitroxolin als mögliches Medikament
Die Mpox – landläufig bekannt unter dem Namen „Affenpocken“ – verbreiten sich derzeit weltweit. Ein grenzüberschreitendes Forschungsteam von Goethe-Universität und University of Kent hat nun einen Wirkstoff identifiziert, der gegen die Krankheit helfen könnte. Die Studie ist in der Fachzeitschrift „Journal of Medical Virology“ erschienen.
FRANKFURT. Nitroxolin
heißt der neue Arzneistoffkandidat, der womöglich zur Behandlung von Mpox
eingesetzt werden kann. Identifiziert haben ihn Wissenschaftlerinnen und
Wissenschaftler der Goethe-Universität und der University of Kent in einer
standortübergreifenden Studie. Die Ergebnisse ihrer Forschung ermöglichen nun
den baldigen Start klinischer Studien.
Der derzeitige Mpox-Ausbruch ist der erste in dieser Größe
außerhalb von Afrika und zugleich der erste Mpoxausbruch, der durch
Mensch-zu-Mensch Übertragung verursacht wird. Insbesondere Personen mit einem
geschwächten Immunsystem sind stark gefährdet. In experimentellen Modellen
wurden bereits antivirale Wirkstoffe getestet, die Replikation des Mpoxvirus
hemmen können. Am Menschen konnte die Wirksamkeit dieser Stoffe jedoch noch
nicht bestätigt werden. Einige der Wirkstoffe können erhebliche Nebenwirkungen
haben. Außerdem sind derzeit nicht für alle Mpoxpatienten solche Medikamente
verfügbar. Und gegenüber Tecovirimat, dem bisher vielversprechendsten
Mpoxmedikament, sind bereits Resistenzen aufgetreten.
In der vorliegenden Studie hat das von Professor Jindrich Cinatl
(Goethe-Universität und Dr. Petra Joh-Haus, Frankfurt am Main) und Professor
Martin Michaelis (School of Biosciences, University of Kent) geleitete Konsortium
mit dem für den Menschen gut verträglichen Antibiotikum Nitroxolin ein weiteres
Medikament identifiziert, das die Vermehrung von Mpoxviren in
Zellkulturmodellen und Gewebekulturen menschlicher Haut effektiv hemmt.
Nitroxolin ist darüber hinaus gegen einen Tecovirimat-resistenten
Mpoxvirusstamm wirksam, sowie gegen weitere bakterielle und virale
Krankheitserreger, die häufig gemeinsam mit Mpoxviren übertragen werden. Daher
unterdrückt Nitroxolin gleichzeitig mehrere Krankheisterreger, die häufig an
schweren Mpoxverläufen beteiligt sind. Da Nitroxolin ein gut verträgliches
Antibiotikum ist, das seit langem zur Behandlung von Menschen eingesetzt wird,
kann es direkt in klinischen Studien gegen Mpox getestet werden.
„Die Entstehung von resistenten Virusstämmen gibt Anlass zu
ernsthafter Besorgnis“, sagt Professor Jindrich Cinatl von der
Goethe-Universität und dem Dr. Petra Joh-Haus. „Daher ist die Wirkung von
Nitroxolin gegenüber Tecovirimat-resistenten Viren besonders vielversprechend.”
Professor Martin Michaelis von der University of Kent fügt hinzu:
„Je mehr unterschiedliche Medikamente zur Behandlung von viralen Erkrankungen
zur Verfügung stehen, umso besser. Wir hoffen, dass Nitroxolin zur effektiven
Behandlung von Mpoxpatienten beitragen wird.”
Publikation:
Denisa Bojkova, Nadja Zöller, Manuela Tietgen, Katja Steinhorst, Marco Bechtel,
Tamara Rothenburger, Joshua Kandler, Sandra Ciesek, Holger Rabenau, Jindrich
Cinatl (Goethe-University Frankfurt); Mark Wass, Martin Michaelis (University
of Kent); Julia Schneider, Victor Corman (Charité Berlin), Repurposing of the
antibiotic nitroxoline for the treatment of mpox. In: Journal of Medical
Virology
DOI: https://doi.org/10.1002/jmv.28652
Weitere Informationen
Prof.
Jindrich Cinatl
Arbeitsgruppenleiter
Institut für Medizinische Virologie
Goethe-Universität
Telefon 069 6301-6409
E-Mail Cinatl@em.uni-frankfurt.de
https://www.kgu.de/einrichtungen/institute/zentrum-der-hygiene/medizinische-virologie/forschung/research-group-cinatl/
Redaktion: Dr. Anke Sauter, Referentin für Wissenschaftskommunikation,
Büro für PR & Kommunikation, Telefon 069 798-13066, Fax 069 798-763-12531, sauter@pvw.uni-frankfurt.de
Festakt in der Frankfurter Paulskirche – Ehrung der Hauptpreisträger Frederick W. Alt und David G. Schatz und des Nachwuchspreisträgers Leif S. Ludwig
Für die Entdeckung von Molekülen und Mechanismen, die unser Immunsystem zu der erstaunlichen Leistung befähigen, Milliarden verschiedener Antigene von Bakterien, Viren und anderen Eindringlingen schon beim ersten Kontakt zu erkennen, werden die Immunologen Frederick W. Alt und David G. Schatz heute in der Frankfurter Paulskirche mit dem mit 120.000 Euro dotierten Paul Ehrlich- und Ludwig Darmstaedter-Preis 2023 ausgezeichnet. Den Nachwuchspreis erhält der Biochemiker und Arzt Leif S. Ludwig für ein von ihm erfundenes Verfahren zur Analyse der Abstammung und Entwicklung menschlicher Blutzellen, zu denen auch die Zellen des Immunsystems gehören.
FRANKFURT. Kiefertragende Wirbeltiere wie wir Menschen
verfügen anders als primitivere Organismen nicht nur über ein angeborenes,
sondern auch über ein adaptives Immunsystem, das in der Lage ist, sich auf alle
möglichen Angreifer einzustellen. Denn irgendwann im Lauf der Evolution ist es
einem unserer Vorfahren offenbar gelungen, einen DNA-Parasiten zu zähmen, der
sich in sein Genom eingenistet hatte. So wurde aus dem Parasiten das Gen für ein
Enzym, das zur Schaltzentrale immunologischer Diversität avancierte. Dieses
Enzym RAG1/2 schneidet aus der DNA bestimmter Chromosomen in heranreifenden
Immunzellen (Lymphozyten) Bruchstücke aus und rekombiniert sie in einem
lotterieähnlichen Verfahren zu funktionsfähigen Genen. Diese somatische
Rekombination vervielfacht die Variabilität von Antikörpern und
T-Zell-Rezeptoren. Sie ist eine Voraussetzung dafür, dass unser Körper rund
zehn Milliarden verschiedene Antikörper bilden kann, obwohl er nur rund 20.000
Proteinbaupläne in Form von Genen besitzt. David G. Schatz hat das Enzym
RAG1/2 entdeckt, Frederick W. Alt die Enzyme, die die von RAG1/2
zerschnittene DNA reparieren. „Alt und Schatz haben in jahrzehntelanger
Forschung Licht in die zuvor verborgene Entstehung unserer adaptiven Immunität
gebracht und damit unser Wissen über die Entwicklung des Immunsystems auf eine
neue Stufe gehoben“, würdigte Prof. Dr. Thomas Boehm, der Vorsitzende des
Stiftungsrates der Paul-Ehrlich-Stiftung, die Leistung der beiden
Hauptpreisträger.
Das Enzym RAG1/2 ist der Motor der somatischen Rekombination. Ohne
ihn können keine funktionstüchtigen B- und T-Zellen, kann keine wirksame
adaptive Immunabwehr entstehen. Viele Fälle schwerer Immundefizienz werden von
Mutationen der RAG-Gene verursacht und manche Lymphome und Leukämien
stehen mit Fehlfunktionen der von diesen Genen codierten Enzyme in
Zusammenhang. Umso wichtiger ist es, neben dem molekularem Mechanismus auch
deren evolutionären Ursprung und deren Verhalten im lebendigen Zellkern zu kennen.
Nach den Erkenntnissen von Schatz stammt RAG1/2 von einem Gen
ab, das vor Jahrmillionen als eine Art eigennütziger Schmarotzer nach Belieben durch
das Genom unserer sehr frühen Vorfahren zu springen begann. In
strukturbiologischen Studien hat Schatz diese Sprünge (Transpositionen) über
mehrere Stufen der Evolution nachvollzogen. Er hat gezeigt, mit welchen
biochemischen Tricks es uns Wirbeltieren dabei gelang, das springende Gen
RAG1/2 an einer bestimmten Stelle zu fixieren und für das Immunsystem nutzbar
zu machen.
Während sie durch den Zellkern unreifer Lymphozyten wandern,
führen RAG-Enzyme Chromatinknäuel, in denen die DNA platzsparend aufgewickelt ist,
immer wieder vorübergehend zu Rekombinationszentren zusammen. Dort nehmen sie
ein Chromatin-Scanning vor, das Alt erstmals beschrieben hat. Sie ziehen
einen Chromatinfaden, der mehr als eine Million DNA-Buchstaben lang sein kann, wie
eine Schlaufe durch das Rekombinationszentrum. So liegen weit entfernte
Genabschnitte plötzlich einander gegenüber und können sicher miteinander
verknüpft werden.
Die B- und die T-Lymphozyten, auf denen die erworbene Immunität
gründet, sind Bestandteile unseres Blutes, in dem beim gesunden Menschen täglich
mindestens 500 Milliarden alte Zellen durch neue ersetzt werden. Sie entstehen aus
hämatopoetischen Stammzellen im Knochenmark, aus denen sie wie alle anderen
Blutkörperchen auf divergierenden Entwicklungslinien über mehrere Stufen
ausreifen. Die daraus resultierenden Stammbäume und Verwandtschaftsbeziehungen
zu bestimmen, ist medizinisch von größtem Interesse, beispielsweise um
festzustellen, an welcher Abzweigung eine Leukämiezelle entsteht. Der
diesjährige Nachwuchspreisträger
Leif S. Ludwig hat ein Verfahren erfunden,
dass der Humanmedizin erstmals die Möglichkeit eröffnet, dies relativ
preiswert, schnell und zuverlässig zu tun. Ludwigs bereits an einzelnen
Patienten erprobte Methode verknüpft die Analyse von Mutationen in
Mitochondrien mit neuesten Technologien zur Gensequenzierung einzelner Zellen.
Paul
Ehrlich- und Ludwig-Darmstaedter-Preis 2023
https://www.uni-frankfurt.de/124912621/2023_Alt_Schatz
Frederick W. Alt, Ph.D., ist Charles A.
Janeway Professor of Pediatrics und Director of the Program in Cellular
and Molecular Medicine am Boston Children's Hospital, ein Howard Hughes
Medical Institute Investigator sowie Professor of Genetics an der Harvard
Medical School. https://www.childrenshospital.org/research/labs/alt-laboratory-research
David G. Schatz, Ph.D., ist Professor
of Molecular Biophysics and Biochemistry an der Yale University und Chairperson
of the Department of Immunobiology an der Yale School of Medicine. https://medicine.yale.edu/profile/david-schatz/
Paul Ehrlich-
und Ludwig Darmstaedter-Nachwuchspreis 2023
https://www.uni-frankfurt.de/131228185/2023_Ludwig
Dr. rer. nat. Dr. med. Leif S. Ludwig leitet die Emmy
Noether-Forschungsgruppe „Stammzelldynamiken und Mitochondriale Genomik“ am
Berlin Institute of Health in der
Charité und dem Max Delbrück Center. https://www.mdc-berlin.de/de/ludwig
Weitere Informationen
Pressestelle
der Paul Ehrlich-Stiftung
Joachim Pietzsch
Tel.: +49 (0)69 36007188
E-Mail: j.pietzsch@wissenswort.com
www.paul-ehrlich-stiftung.de
Redaktion: Joachim Pietzsch / Dr. Markus
Bernards, Referent für Wissenschaftskommunikation, Büro PR & Kommunikation,
Telefon 069 798-12498, Fax 069
798-763-12531, bernards@em.uni-frankfurt.de
Fehler in der Gensteuerung ist für hohes Leukämiekrebsrisiko bei Kindern mit Down-Syndrom verantwortlich – biochemische Analyse schafft Grundlage für Therapieentwicklung
Menschen mit einem dritten Chromosom 21, einer so genannten Trisomie 21, erkranken mit höherer Wahrscheinlichkeit an einer aggressiven Form des Blutkrebses, der Akuten Myeloischen Leukämie (AML). Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler unter Federführung der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin am Universitätsklinikum Frankfurt haben jetzt die Ursache dafür aufgedeckt: Das zusätzliche Chromosom 21 führt zwar zu einer Veränderung vieler Gene, doch scheint vor allem die Störung des so genannten RUNX1-Gens für die AML-Entstehung verantwortlich zu sein, eines Gens, dass viele weitere Gene reguliert. Die gezielte Behandlung des gestörten Regulators könnte den Weg für neue Therapien ebnen.
FRANKFURT.
Blutkrebs, sogenannte Leukämien, sind bösartige und aggressive Erkrankungen der
blutbildenden Zellen im Knochenmark. Heilung kann nur durch eine sehr intensive
Chemotherapie und teilweise durch Knochenmarktransplantation erzielt werden.
Leukämien gehen wie alle Krebsarten auf Veränderungen des Erbmoleküls DNA zurück,
das in menschlichen Zellen in Form von 46 Chromosomen vorliegt. Bei vielen
Leukämien sind große Teile von Chromosomen verändert. Sehr gefährdet sind
Menschen mit Down-Syndrom, bei denen das Chromosom 21 dreimal vorkommt
(Trisomie 21): Kinder mit Down-Syndrom haben in ihren ersten vier Lebensjahren
ein 100-fach erhöhtes Risiko, an der aggressiven Akuten Myeloischen Leukämie
(AML) zu erkranken. Das Down-Syndrom ist die häufigste angeborene
Generkrankung, etwa eines von 700 Neugeborenen ist davon betroffen.
Transkriptionsfaktor RUNX1 ist verantwortlich
Die Arbeitsgruppe von Prof. Jan-Henning Klusmann, Direktor der
Klinik für Kinder- und Jugendmedizin am Universitätsklinikum Frankfurt, hat nun
herausgefunden, wie das zusätzliche Chromosom 21 AML begünstigen kann. Mit
Hilfe einer Genschere (CRISPR-Cas9) haben sie jedes der 218 Gene auf dem
Chromosom 21 auf seine krebsfördernde Wirkung untersucht. Dabei stellte sich
heraus, dass das Gen RUNX1 für die spezifischen krebsbegünstigenden
Eigenschaften des Chromosoms verantwortlich ist. In weiteren Analysen konnten
die Forscher:innen nachweisen, dass nur eine bestimmte Variante des Gens die
Entstehung einer Leukämie befördert. Klusmann erläutert: „Andere Varianten von
RUNX1 waren sogar in der Lage, die Entartung der Zellen zu verhindern. Das
erklärt, warum RUNX1 in mehreren Jahrzehnten intensiver Krebsforschung bislang
nicht aufgefallen ist.“
Das Gen RUNX1 codiert für ein Protein, das die Aktivität anderer
Gene steuert, einen so genannten Transkriptionsfaktor. RUNX1 reguliert viele
Prozesse, einschließlich der embryonalen Entwicklung und der frühen und späten
Blutbildung. Die Störung dieses wichtigen Regulators ist daher ein
Schlüsselereignis in der Entwicklung einer AML. „Dank unserer
Forschungsergebnisse können wir nun die Ereignisse bei der Leukämieentstehung
besser verstehen“, erklärt Klusmann. „Die Studie unterstreicht, wie wichtig es
ist, alle Genvarianten bei der Krebsentstehung zu untersuchen. Die Bildung
dieser Varianten ist häufig durch bestimmte Mutationen in Krebszellen
verändert“, so der Kinderonkologe.
Entwicklung verfeinerter Therapieansätze
Die Forschungsresultate seien wichtig, um die komplexen
Mechanismen der Krebsentstehung besser zu verstehen, erläutert Klusmann: „Wir
haben damit die Grundlage für die Entwicklung verfeinerter Behandlungsansätze
gelegt. Durch unsere biochemische Untersuchungen wissen wir nun, wie genau die
Genvariante die Blutzellen verändert. Daraufhin konnten wir spezifische
Substanzen einsetzen, die den Krankheitsmechanismus blockieren.“ Die Wirkung
dieser Substanzen soll nun für die Umsetzung in der medizinischen Versorgung
weiter untersucht werden. Klusmann: „Basierend auf unserer Expertise wollen wir
nun Therapien zur Korrektur dieser Fehlsteuerung entwickeln. Deren klinischer Einsatz
wird sicherlich noch einige Jahre dauern, aber sie werden hoffentlich dazu
führen, dass unseren kleinen Patientinnen und Patienten in Zukunft schwere
Chemotherapien erspart bleiben.“
Publikation: Gialesaki S, Bräuer-Hartmann D, Issa H, Bhayadia R, Alejo-Valle O,
Verboon L, Schmell AL, Laszig S, Regenyi EM, Schuschel K, Labuhn M, Ng M,
Winkler R, Ihling C, Sinz A, Glaß M, Hüttelmaier S, Matzk S, Schmid L, Strüwe
FJ, Kadel SK, Reinhardt D, Yaspo ML, Heckl D, Klusmann JH. RUNX1 isoform disequilibrium promotes the development of trisomy 21
associated myeloid leukemia. Blood (2023) https://doi.org/10.1182/blood.2022017619
Bilder zum Download:
https://www.uni-frankfurt.de/131982088
Bildtext 1: Prof. Dr. med. Jan-Henning Klusmann, Universitätsklinikum
Frankfurt. Foto: Klaus Waeldele, Universitätsklinikum Frankfurt
https://www.uni-frankfurt.de/131981757
Bildtext 2: Knochenmarkausstrich eines Kindes mit Down-Syndrom, das an einer
Leukämie erkrankt ist. Die violett gefärbten unreifen Leukämiezellen (Blasten)
verdrängen die normale Blutbildung. Foto: Jan Klusmann, Universitätsklinikum
Frankfurt
Weitere Informationen
Prof.
Dr. med. Jan-Henning Klusmann
Direktor
Klinik für Kinder- und Jugendmedizin
Universitätsklinikum Frankfurt
Telefon: +49 69 6301-5094
kkjm-direktor@kgu.de
www.kgu.de
www.leukemia-research.de
Twitter:
@UK_Frankfurt @goetheuni
Virtueller Aktionstag informiert zu Studienangeboten elf hessischer Hochschulen
FRANKFURT. Die hessische Ministerin für Wissenschaft und Kunst Angela Dorn ist Schirmherrin des Jubiläums, das die Hochschulen mit einem gemeinsamen Studienorientierungstag am 29. März 2023 ab 14.30 Uhr feiern. In ihrem virtuellen Grußwort betont die Ministerin: „Hessens Hochschulen bieten ein zukunftsorientiertes und spannendes Studienangebot. Beim Aktionstag erhalten Studieninteressierte Einblicke in unterschiedliche Fachbereiche, Infos zur Bewerbung und können Studierende nach ihren ganz persönlichen Erfahrungen fragen“, so Wissenschaftsministerin Angel Dorn. „Besonders angesprochen sind Studieninteressierte mit besonderen Herausforderungen; etwa, weil sie chronische Krankheiten haben oder die ersten sind, die in ihrer Familie studieren. Die Vielfalt an unseren Hochschulen wächst seit Jahren – das ist gut so, denn unsere Gesellschaft braucht unterschiedliche Perspektiven und Erfahrungen, um voranzukommen. Deshalb fördern wir zum Beispiel Initiativen und Programme, die Menschen zum Studienbeginn motivieren, für die dieser Weg nicht selbstverständlich ist.“
Für den Aktionstag wurde eine neue Landingpage erstellt. Sie ist unter www.studiereninhessen.de erreichbar und präsentiert das ansprechende Vortragsprogramm. Auch nach dem Aktionstag wird sie aktuelle Informationen zur Studienorientierung und zum Studienangebot in Hessen bereitstellen. Trotz digitalen Erstinformationen bleibt die persönliche Beratungssituation das Kerngeschäft der Studienberatungen: „Die Expertise in unseren Studienberatungen ist nach der Corona-Zeit wichtiger denn je. Der vielfältige Zugang zu digitalen Informationen ersetzt niemals das persönliche Gespräch in einer Studienberatung“, so Prof. Dr. Ute Clement, die als Präsidentin der Universität Kassel Vorsitzende der Konferenz hessischer Universitäten (KHU) ist. Als Sprecherin der Hochschulen für angewandte Wissenschaften ergänzt Prof. Dr. Eva Waller, Präsidentin der Hochschule RheinMain (HSRM): „Die Studienberatung begleitet Menschen auf ihrem persönlichen Bildungs- und Lebensweg und unterstützt sie dabei, ihre selbstgesteckten Ziele zu erreichen. In Zeiten eines immer größeren und differenzierteren Studienangebots bietet sie Orientierung."
Insbesondere junge Studieninteressierte fühlen sich mit Blick auf ihre
berufliche Zukunft und die vielfältigen Studienmöglichkeiten oft verunsichert.
Die Zentralen Studienberatungen der Hochschulen bieten seit 50 Jahren
umfassende und stets aktuelle Beratung zur Studien- und Berufsorientierung. Zum
Jubiläum zeigen sie in 25 Vorträgen zu Themen wie „Die Umwelt gestalten“,
„Entwicklung fördern“ oder „Kreativ mit Formeln, Zahlen und Regeln“, welche
hessischen Hochschulen passende Studiengänge bereithalten. Dabei gehen sie auf
die Unterschiede zwischen den stärker forschungsorientierten und mehr
anwendungsbezogenen Studienangeboten ein. Weitere hochschulübergreifende
Vortragsthemen sind zum Beispiel „Studieren mit Behinderung oder chronischer
Erkrankung“, „Dual Studieren in Hessen“ und „Hochschulzugang für beruflich
Qualifizierte“. Auch Eltern und Lehrkräfte erhalten in zwei Angeboten
Informationen darüber, wie sie Schüler*innen bei der Studien- und
Berufsorientierung unterstützen können. Zudem berichten Studierende darüber,
wie sie den Studieneinstieg bewältigt haben und sprechen über den Unterschied
von Schule und Studium. Im letzten Zeitfenster um 18 Uhr stellen sich die
beteiligten Hochschulen vor und bieten Raum für konkrete Studieninformationen
und Rückfragen.
Der
schon lange gesetzlich verankerte Auftrag der Studienberatung ist die
Unterstützung zukünftiger Studierender bei der Hochschul- und Fächerwahl, die
Information über Anforderungen und Inhalte des Studiums, die Beratung bei
Entscheidungskonflikten und die Verbesserung der Passgenauigkeit der
Studienwahl für Studieninteressierte. Das setzt eine ergebnisoffene,
vertrauliche Beratung und grundlegende Kenntnisse verschiedener
Bildungsmöglichkeiten und des Studienangebots voraus. Aktuelles Wissen zur
Bildungslaufbahngestaltung und hohe Sensibilität für ungleiche, konflikthafte
Voraussetzungen und Diversität bringen die Studienberater*innen durch
regelmäßige Fortbildung mit.
Das
Programm im Überblick
Einen Überblick über das vielseitige
Programm und weitere Informationen gibt es unter: www.studiereninhessen.de. Neben der
Informationsveranstaltung besteht auch jederzeit die Möglichkeit, individuelle
Beratungstermine bei den Studienberatungen der einzelnen Hochschulen zu
vereinbaren.
• Frankfurt
University of Applied Sciences
•
Goethe-Universität Frankfurt
•
Hochschule Darmstadt
•
Hochschule Fulda
•
Hochschule Geisenheim
•
Hochschule RheinMain
•
Justus-Liebig-Universität Gießen
•
Philipps-Universität Marburg
•
Technische Hochschule Mittelhessen
•
Technische Universität Darmstadt
•
Universität Kassel
Kontakt
und Rückfragen:
Marco
Blasczyk, Abteilungsleitung Orientierung und Beratung, Studium Lehre
Internationales. Goethe-Universität Frankfurt. Telefon +49 (0)69 798 13835;
E-Mail: blasczyk@em.uni-frankfurt.de
Redaktion: Dr. Dirk Frank, Pressereferent / stv. Leiter, Büro für PR & Kommunikation, Telefon 069 798–13753, frank@pvw.uni-frankfurt.de
Hessischer Lohnatlas gibt Aufschluss über Gegenmaßnahmen
FRANKFURT. Im Jahr 2023 verdienen Frauen im Schnitt immer noch weniger als Männer, und zwar beträchtlich weniger. Bis zum 7. März hätten Frauen umsonst gearbeitet – ginge man vom selben Monatslohn aus wie bei Männern. Zum diesjährigen „Equal Pay Day“ am 7. März laden das Institut für Wirtschaft, Arbeit und Kultur und das Hessische Sozialministerium ein, um über Lösungsmöglichkeiten zu informieren, wie sie im Hessischen Lohnatlas erarbeitet worden sind. Im Zentrum der Veranstaltung, die
am Dienstag, 7.
März,
von 10 bis 12 Uhr
auf der
Onlineplattform Zoom
stattfindet, steht der Hessische Lohnatlas.
Das vom Institut für Wirtschaft, Arbeit und Kultur (IWAK) der
Goethe-Universität im Auftrag der Landesregierung erstellte Datenwerk schafft
Transparenz und macht deutlich, wo die Entgeltlücken noch groß sind und
entsprechend Handlungsbedarf besteht. Ziel ist es, möglichst effektiv zur
Verbesserung der Entgeltgleichheit beizutragen.
Mit dem Hessischen Lohnatlas liegt in
Hessen ein besonderes Instrument vor, um die Probleme zu lösen. „Kein anderes
Bundesland hat eine solch umfangreiche Datenaufbereitung zum Thema
Entgeltlücken zwischen Frauen und Männern wie das Land Hessen“, sagt Anne Janz,
Staatssekretärin im Hessischen Ministerium für Soziales und Integration. Auf
mehr als 700 Seiten werden Ergebnisse von Entgeltanalysen vorgestellt, seit
Dezember 2022 im digitalen Format. Das umfassende Werk ist klar strukturiert,
es spricht jeweils spezifische Nutzergruppen an wie Unternehmen,
Gewerkschaften, Zivilgesellschaft und Entscheider in Kommunen. „Wir haben
gezielt Informationen zusammengestellt, die jeweils in spezifischen Bereichen
eingesetzt werden können“, sagt Christa Larsen, Leiterin des IWAK.
Bei der virtuellen Veranstaltung anlässlich
des Equal Pay Days stellen Vertreterinnen einschlägiger Organisationen vor, wie
sie die Informationen nutzen: Elke Reuschel, Vorstandsmitglied im hessischen
Landesverband des Verbands der deutschen Unternehmerinnen erläutert, wie vor
allem Führungskräfte darin eine wichtige Grundlage für ihre Arbeit, aber auch
für Kampagnen und Veranstaltungen des Verbandes finden. Juliane Elpelt,
Gewerkschaftssekretärin für Frauen- und Gleichstellungspolitik bei ver.di
Hessen zeigt, wie Daten im Dialog zwischen Gewerkschaften, Arbeitgebern und der
Politik eingesetzt werden. Judith Kolbe schließlich berichtet, wie sie in ihrer
Funktion als Gleichstellungsbeauftragte des Kreises Groß-Gerau die Daten aus
dem Lohnatlas gezielt zur Sensibilisierung von Entscheidern für das Thema
Lohngleichheit einsetzt.
„Wir freuen uns sehr, dass an diesem
wichtigen Tag für die Gleichstellung von Frauen und Männern in Hessen die
Goethe-Universität und die Landesregierung gemeinsam zur Diskussion darüber
einladen, wie wir der Entgeltgleichheit näherkommen können“, sagt Dr. Anja Wolde,
die zentrale Gleichstellungsbeauftragte der Goethe-Universität, die in die
Veranstaltung einführen wird.
Alle
Informationen zum Hessischen Lohnatlas können auf der Webseite www.hessischer-lohnatlas.de
eingesehen, heruntergeladen oder gedruckt werden. Darüber hinaus besteht die
Möglichkeit, eigene Analysen durchzuführen.
Einladung und Programm finden Sie
unter https://www.iwak-frankfurt.de/wp-content/uploads/2022/12/Einladung-und-Programm-fur-Equal-Pay-Day-_7-Marz-2023.pdf
Die
Teilnahme ist per Zoom möglich unter folgendem Link: https://uni-frankfurt.zoom.us/j/66568766040?pwd=bEpmbStVcTl1eHQrWkNpTlBPMkxqQT09
Meeting-ID:
665 6876 6040
Kenncode:
741630
Weitere Informationen
Dr.
Christa Larsen
Institut
für Wirtschaft, Arbeit und Kultur (IWAK) der Goethe-Universität
Telefon
069 798-22152
E-Mail
c.larsen@em.uni-frankfurt.de
Redaktion: Dr. Anke Sauter, Referentin für Wissenschaftskommunikation, Büro für PR & Kommunikation, Telefon 069 798-13066, E-Mail sauter@pvw.uni-frankfurt.de
Künftig anlassbezogene Gestaltung der Zusammenarbeit/Kooperation mit Fudan-Universität soll weiterentwickelt werden
FRANKFURT. Die Goethe-Universität bewertet ihre bisherige, seit 2008 bestehende vertragliche Kooperation mit dem Frankfurter Konfuzius-Institut (KIF) neu. Der bisher bestehende Kooperationsvertrag, der bis Ende Februar 2023 galt, wurde nicht mehr verlängert. Stattdessen soll die Kooperation mit dem KIF anlassbezogen fortgesetzt werden – zum Beispiel durch die Nutzung chinesischer Sprachkurse durch Angehörige oder Einheiten der Goethe-Universität.
Die
Neuausrichtung der Kooperation findet im Kontext einer grundsätzlichen
Überprüfung wissenschaftlicher Kooperationen der Goethe-Universität mit
nationalen und internationalen Partnerorganisationen statt. Für Partnerschaften
gilt künftig die Maxime, dass diese einen konkreten Mehrwert für das
Forschungs- und Lehrprofil der Goethe-Universität erbringen sollen. Nach
grundsätzlicher Überprüfung bestehender Kooperationsbeziehungen hat sich die
Goethe-Universität daher in Abstimmung mit dem Akademischen Senat u.a.
entschieden, den seit 2008 bestehenden Kooperationsvertrag mit der
Trägergesellschaft der Konfuzius-Institute zum Betrieb des Frankfurter
Konfuzius-Instituts (KIF) auslaufen zu lassen.
Parallel
strebt die Goethe-Universität an, ihre institutionelle und wissenschaftliche
Kooperation mit der Fudan-Universität in Shanghai auszuweiten und hat dazu
bereits erste Schritte unternommen. Mit der renommierten chinesischen
Universität verbindet die Goethe-Universität bereits seit längerem ein für
beide Seiten fruchtbarer studentischer Austausch: „Wir freuen uns darauf,
diesen Austausch auch auf wissenschaftlicher Basis weiter zu entwickeln –
vorurteilsfrei, jedoch auch mit dem nötigen Augenmaß, was die Freiheit von
Forschung und Lehre betrifft“, sagte der für Strategische
Organisations- und Qualitätsentwicklung zuständige Vizepräsident
Prof. Dr. Michael Huth.
Der
Neubewertung der Kooperation mit dem Konfuzius-Institut vorangegangen war eine
Überprüfung durch eine unabhängige Expertenkommission. Die Kommission hob
hervor, dass die seit 2008 bestehende Kooperation insofern positiv bewertet
werde, als keine erkennbare Einflussnahme chinesischer Stellen auf Forschung
und Lehre der Goethe-Universität stattgefunden habe. Vizepräsident Huth: „Wir
danken den Verantwortlichen des KIF – insbesondere der Geschäftsführung um Frau
Werum-Wang – für die langjährige gute und vertrauensvolle Zusammenarbeit.“ Auch
wenn die Goethe-Universität keine Notwendigkeit für einen Kooperationsvertrag
mehr sieht, so schließt sie anlassbezogene Zusammenarbeiten auch in Zukunft
nicht aus.
Angesichts
der grundsätzlichen Neuausrichtung der Forschungs- und Lehrkooperationen sei es
jetzt an der Zeit, die gemeinsame Zusammenarbeit neu zu definieren und mit den
bewährten chinesischen Expert*innen fortzusetzen. Die Angebote des KIF könnten
Lehrende und Forschende der Goethe-Universität bei Bedarf und Interesse
individuell weiterhin nutzen.
Redaktion: Dr. Olaf Kaltenborn, Leiter Büro für PR & Kommunikation, Tel: 069 798-13035, Fax: 069 798-763 12531, kaltenborn@pvw.uni-frankfurt.de
Machbarkeitsstudie des IWAK der Goethe-Universität zeigt, wie Betriebe und Berufsschulen digital besser miteinander vernetzt werden können
Die duale Berufsausbildung in Deutschland gilt im Ausland als
Erfolgsmodell. Doch längst hat dieser Weg ins Arbeitsleben an Attraktivität
eingebüßt. Die Zahl der Bewerber ist seit Jahren rückläufig – was gerade
angesichts des wachsenden Fachkräftemangels alarmierend ist. Eine
Machbarkeitsstudie des Instituts für Wirtschaft, Arbeit und Kultur zeigt, wie
die duale Ausbildung im digitalen Zeitalter attraktiver werden könnte.
FRANKFURT. Insbesondere eine bessere digitale Vernetzung könnte die Attraktivität steigern.
Deshalb hat das Institut für Wirtschaft, Arbeit und Kultur (IWAK) der
Goethe-Universität in Kooperation mit der hessischen Wirtschaft eine
Machbarkeitsstudie erstellt. Schließlich soll die Ausbildung auf eine
Arbeitswelt vorbereiten, die bereits heute in hohem Maße von digitalen
Technologien bestimmt wird – mit steigender Tendenz.
Der Kern der dualen Ausbildung
ist die Verzahnung von Theorie und Praxis in Form der systematischen
Kooperation der Lernorte Ausbildungsbetrieb und Berufsschule. Diese Verzahnung
würde mit Hilfe der Digitalisierung der Lernortkooperation erheblich
vereinfacht werden, was sich positiv auf das kollaborative Lernen der
Auszubildenden auswirken würde, die praktisches Knowhow und theoretisches
Wissen einfacher verknüpfen könnten. So würde der Mehrwert einer dualen
Ausbildung noch gesteigert.
Doch dies ist in Hessen noch
Zukunftsmusik. Hier wird die Lernort-Kooperation bisher vor allem analog
umgesetzt, erst wenige Kooperationen sind (teil)digitalisiert. Dabei handelt es
sich zumeist um standortbezogene Einzellösungen, die zu den jeweiligen
Rahmenbedingungen passen und stark vom Engagement der beteiligten Ausbilder und
Lehrkräfte der Berufsschulen abhängen. Solche „Insellösungen“ sind weder
strukturell verankert noch skalierbar, also auf andere Bereiche übertragbar.
Sie bringen die notwendige hessenweite Digitalisierung also nicht gezielt
voran. „Bis heute hängt es vom Engagement und den Ressourcen des Betriebs und
der Berufsschule ab, ob Auszubildende digitale Rahmenbedingungen vorfinden oder
eben nicht“, stellt Dr. Christa Larsen, Leitung des IWAK fest. Gerade
Auszubildende in kleinen Betrieben hätten oft das Nachsehen.
Machbarkeitsstudie erstellt
Zukunftsszenarien
Die Machbarkeitsstudie
„Digitale Lernort-Kooperation in der Dualen Ausbildung. Bestandsaufnahme und
hessenweite Umsetzungsszenarien“ (digi-leokop) soll jetzt Wege aufzeigen, wie
die Lernort-Kooperation in Hessen flächendeckend digitalisiert werden kann.
Dabei wurden die Erfahrungen, Praktiken und Wünsche der an der Lernort-Kooperation
Beteiligten einbezogen. Von Januar bis Dezember 2022 hat das IWAK
Experteninterviews geführt, einschlägige Pilotstudien untersucht und die
Befunde mit den Spitzen der hessischen Wirtschaft diskutiert. Die
Machbarkeitsstudie zeigt nun die Eckpunkte einer erfolgreichen digitalen
Lernort-Kooperation auf und spezifiziert drei Szenarien zur Umsetzung. In
Szenario 1 stellt das Land eine zentrale digitale Plattform zur Verfügung,
steuert und finanziert diese auch. Ausbildungsbetriebe und Berufsschulen würden
dabei unterstützt, dass sie sich die notwendigen Kompetenzen aneignen. Über
eine Expertengruppe fließen die bereits vorliegenden Erfahrungen ein. Diese
Lösung scheint auch deshalb den höchsten Beitrag zur Modernisierung der
Lernort-Kooperation zu leisten, weil sich alle Betriebe und Berufsschulen mit
geringem zeitlichem Aufwand daran beteiligen könnten. Diese „Landeslösung“
würde eine flächendeckende Digitalisierung der Lernort-Kooperation in Hessen
rasch voranbringen. Die beiden anderen Szenarien, die in der Machbarkeitsstudie
vorgelegt werden, lassen zwar eine Verbesserung der Lage erwarten, würden die
hessenweite Digitalisierung der Lernort-Kooperation aber nicht im selben Ausmaß
voranbringen können.
Die Machbarkeitsstudie wurde
mit Mitteln aus dem Förderprogramm Distr@l der Hessischen Staatskanzlei im
Bereich der Ministerin für Digitale Strategie und Entwicklung unterstützt.
Initiiert und begleitet wurde die Machbarkeitsstudie durch die Vereinigung der
Hessischen Unternehmerverbände (VhU), die Arbeitgeberverbände HESSENMETALL und
HessenChemie, die Arbeitsgemeinschaft der Hessischen Handwerkskammern (ARGE)
sowie den Hessischen Industrie- und Handelskammertag (HIHK). Entsprechend
stellt Prof. Bernhard Brüne, der an der Goethe-Universität für das Thema
Transfer zuständige Vizepräsident, fest: „Diese Machbarkeitsstudie zeigt, wie
die Kooperation der Goethe-Universität mit den Spitzen der hessischen
Wirtschaft wichtige Grundlagen für die Modernisierung des Ausbildungssystems
schafft. Die Digitalisierung ist für die berufliche Bildung ebenso wichtig wie
für die akademische Bildung. Wir müssen junge Menschen auf die digitale Zukunft
der Arbeitswelt vorbereiten und in allen Bildungsgängen optimale Bedingungen
schaffen.“ Die Goethe-Universität leiste einen wichtigen Beitrag zur
Fachkräftesicherung in Hessen durch die angewandte Forschung in Zusammenarbeit
mit Wirtschaft und Politik.
Die Machbarkeitsstudie kann vom 28. Februar 2023 an
heruntergeladen werden unter: https://www.iwak-frankfurt.de/wp-content/uploads/2023/02/Machbarkeitsstudie-zur-digitalen-Lernort-Kooperation-in-der-dualen-Ausbildung_Bestandsaufnahme-und-hessenweite-Umsetzungsszenarien_-digi_leokop.pdf
Weitere Informationen:
Dr.
Christa Larsen, Institut für Wirtschaft, Arbeit und Kultur (IWAK) der
Goethe-Universität
Telefon
069 798- 22152, E-Mail c.larsen@em.uni-frankfurt.de
Redaktion: Dr. Anke Sauter, Referentin für Wissenschaftskommunikation,
Büro für PR & Kommunikation, Telefon 069 798-13066, Fax 069 798-763-12531, sauter@pvw.uni-frankfurt.de
Archäologie der Goethe-Uni wirkt an neuem DFG-geförderten Projekt mit – Kooperation mit Landesamt für Denkmalpflege und Unis Mainz und Kiel
Der Landgraben, das Gewässer zwischen Groß-Gerau und Trebur, mündet nordwestlich von Astheim in den Rhein. Sein Name geht auf den Landgrafen Georg I. (1547-1596) von Hessen-Darmstadt zurück, dem der Ursprung dieses künstlichen Gewässers bisher zugeschrieben wurde. Archäologen vermuten aber eine andere Entstehungsgeschichte. Ein Team des Landesamts für Denkmalpflege Hessen und der Universitäten Frankfurt, Mainz und Kiel kann nun mit Mitteln der DFG nach der römischen Vergangenheit forschen.
FRANKFURT. Archäologische
Untersuchungen im Hessischen Ried haben erste Hinweise darauf erbracht, dass
der Kanal deutlich früher angelegt worden sein könnte als bisher angenommen.
Vermutet wird, dass es das römische Militär war, das bei der Eroberung und
Erschließung des rechtsrheinischen Rieds im 1. Jahrhundert nach Christus das
künstliche Gewässer angelegt hat. Der Landgraben, der bei Trebur in den
heutigen Schwarzbach überging, diente wahrscheinlich zur Material- und
Warenversorgung des römischen Kastells und der zugehörigen Zivilsiedlung in
Groß-Gerau. Nun können weitere Forschungen in Angriff genommen werden.
Gefördert werden die Untersuchungen durch die Deutsche
Forschungsgemeinschaft (DFG) mit 370.000 Euro. Mit Hilfe dieser Mittel kann
durch geophysikalische Untersuchungen, Bohrungen und kleinere archäologische
Ausgrabungen der ursprüngliche Verlauf des Kanals gesucht und die entlang
seines Verlaufes gelegenen römischen Siedlungsstellen in Berkach, Groß-Gerau,
Wallerstädten, Trebur und Astheim sowie ihr Verhältnis zum Gewässer näher
betrachtet werden. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse bilden die Grundlage für
zwei Dissertationen in den Fächern Archäologie und Geographie an den
Universitäten Frankfurt und Mainz.
Aktuell wird im Bereich von Groß-Gerau – Wallerstädten nach dem
römischen Landgrabenverlauf gesucht. Im Rahmen des Geländepraktikums der
Universität Mainz vermisst eine Studierendengruppe das Areal, nimmt Messungen
des elektrischen Widerstands im Untergrund vor und bohrt an ausgewählten
Stellen, um den Bodenaufbau zu klären sowie Datierungsanhalte für das
ursprüngliche Aussehen des Geländes zu gewinnen. Gleichzeitig führt die
Universität Kiel großflächige geophysikalische Messungen durch, um das
Verhältnis des römischen Siedlungsplatzes und des Landgrabens in diesem Bereich
zu klären.
Dass die Römer bereits über die technischen Fähigkeiten verfügten,
Gewässer zu lenken und zu manipulieren oder gar künstliche Kanäle anzulegen,
das belegen sowohl schriftliche Überlieferungen als auch entsprechende Befunde
wie der sogenannte Kanal des Corbulo in den Niederlanden. Sollten die nun
anstehenden Untersuchungen die Hypothese vom römischen Ursprung des Landgrabens
erhärten, wäre dies der erste Nachweis eines solchen Bauwerks aus der Römerzeit
in Deutschland. Dass die Römer damit einen massiven und nachhaltigen Eingriff
in die Landschaft vorgenommen hätten, würde die Existenz des Landgrabens als
Gewässer bis heute deutlich zeigen.
Für die Anfangsdatierung des Landgrabens sei das römische Kastell
„Biebelslache“ bei Wallerstädten von entscheidender Bedeutung, gewesen, erklärt
Prof. Markus Scholz, Archäologe an der Goethe-Universität. Das Kastell grenze
direkt an den Kanal oder – das gelte es zu überprüfen – werde von diesem
geschnitten. Im ersten Fall wäre der Kanal mindestens so alt wie das Lager. Im
zweiten Fall würde das Lager, das von etwa 40 bis 70 n. Chr. bestand, einen
Terminus post quem für den Bau des Kanals liefern. „Im Kastell ‚Biebelslache'
fanden zwischen 2008 und 2012 Lehrgrabungen unseres Instituts statt“, erklärt
Scholz. Nun biete sich die Chance, die Ausgrabungen unter der neuen
Fragestellung auszuwerten. Der Doktorand Henrik Leif Schäfer werde in seiner
Dissertation auch andere römische Fundplätze entlang des Grabens datieren und
analysieren. Den Studierenden biete sich im Rahmen des Projekts die Gelegenheit
für Feldpraktika.
Bilder zum Download unter: https://www.uni-frankfurt.de/132990291
Bild 1: Beim Ortstermin im Hessischen Ried: Prof. Andreas Vött (von
links), Universität Mainz, Prof. Markus Scholz, Goethe-Universität, Dr. Thomas
Becker, Landesamt für Denkmalpflege Hessen, Prof. Udo Recker, Landesamt für
Denkmalpflege Hessen. (Foto: Lars Görze, Landesamt für Denkmalpflege)
Bild 2: Mithilfe geophysikalischer Untersuchungen, Bohrungen und
kleinerer archäologischer Ausgrabungen soll die Geschichte des Landgrabens
erforscht werden. (Foto: Lars Görze, Landesamt für Denkmalpflege)
Bild 3: Die Untersuchungen am Landgraben werden mehrere Jahre in Anspruch
nehmen. Dr. Thomas Becker (von links), Landesamt für Denkmalpflege Hessen,
Prof. Dr. Markus Scholz, Goethe-Universität. (Foto: Lars Görze, Landesamt für
Denkmalpflege)
Informationen:
Prof. Dr.
Markus Scholz, Archäologie und Geschichte der römischen Provinzen
Institute
für archäologische Wissenschaften
Goethe-Universität
Frankfurt am Main
Tel. +49
(0)69 798 32265
Fax +49
(0)69 798 32268
E-Mail: m.scholz@em.uni-frankfurt.de
Redaktion: Dr. Anke Sauter, Referentin für
Wissenschaftskommunikation, Büro für PR & Kommunikation,
Telefon 069 798-13066, Fax
069 798-763-12531, sauter@pvw.uni-frankfurt.de
Marketing-Gag des Weinguts „Domaine du Météore“ entpuppt sich wirklich als Einschlagkrater – Forscher:innen der Goethe-Universität Frankfurt um Frank Brenker und Andreas Junge widerlegen Jahrzehnte alten wissenschaftlichen Irrtum
Um eine attraktive Weinmarke zu schaffen, verweist das Weingut „Domaine du Météore“ nahe der südfranzösischen Stadt Béziers mit seinem Namen auf eine lokale Besonderheit: Eines der Weinfelder befindet sich in einer runden Senke von 200 Metern Durchmesser, die einem Einschlagkrater ähnelt. Wissenschaftler:innen um den Kosmochemiker Prof. Frank Brenker von der Goethe-Universität Frankfurt stellten jetzt durch Gesteins- und Bodenanalysen fest, dass der Krater einst tatsächlich durch den Einschlag eines Eisen-Nickel-Meteoriten entstanden ist. Damit widerlegten sie eine knapp 60 Jahre alte wissenschaftliche Einschätzung, derentwegen der Krater nie näher geologisch untersucht wurde.
FRANKFURT.
Zahllose Meteoriten haben die Erde in der Vergangenheit getroffen und die
Geschichte unseres Planeten geprägt. So nimmt man beispielsweise an, dass ein
Großteil des Wassers einst mit Meteoriten auf die Erde gelangt ist. Auch das
Aussterben der Dinosaurier ist möglicherweise durch den Einschlag eines sehr
großen Meteoriten ausgelöst worden.
Heute noch sichtbare Einschlagkrater von Meteoriten sind selten:
Die meisten Spuren der Himmelskörper sind durch Erosion und Verschiebeprozesse
der Erdkruste, die Plattentektonik, längst wieder verschwunden. Gerade einmal
190 Meteoritenkrater weltweit listet die „Earth Impact Database“ auf. In ganz
Westeuropa waren bislang nur drei bekannt: Rochechouart im französischen
Aquitanien, das Nördlinger Ries zwischen Schwäbischer und Fränkischer Alb sowie
Steinheimer Becken im baden-württembergischen Landkreis Heidenheim. Allerdings
sind die drei Einschlagkrater infolge der Millionen von Jahren wirkenden Erosion
für Laien kaum noch als solche zu erkennen.
Nun wird ein neuer Meteoritenkrater die Liste der „Earth Impact
Database“ verlängern, ist der Geologe und Kosmochemiker Prof. Frank Brenker von
der Goethe-Universität überzeugt. Während eines Urlaubs wurde er auf das
Weingut „Domaine du Météore“ aufmerksam. Eines deren Weinfelder liegt in einer
runden Senke von etwa 220 Metern Durchmesser und 30 Metern Tiefe, und die
Besitzer nutzen die scheinbar längst widerlegte wissenschaftliche These, es
handele sich um den Einschlagskrater eines Meteoriten, als Marketing-Gag für
ihren Wein. Diese These war zwar in den 1950er Jahren von einigen Geologen
aufgestellt, einige Jahre darauf jedoch von renommierten Kollegen verworfen
worden.
Frank Brenker erklärt: „Krater können auf viele Weisen entstanden
sein, und Meteoritenkrater sind in der Tat sehr selten. Allerdings haben mich
die verschiedenen anderen Deutungen, wie diese Senke entstanden sein könnte,
aus geologischer Sicht nicht überzeugt.“ Also sammelten seine Frau und er
Gesteinsproben für die Analyse in den Laboren der Frankfurter
Goethe-Universität ein – und fanden tatsächlich die ersten Hinweise auf einen
Impaktkrater. Brenker: „Dunkle Lagen in einem der Schiefer, die meist einfach
aus einen höheren Glimmeranteil bestehen, erwiesen sich durch die Mikroanalyse
als mögliche Schockadern, die durch Zerreiben und Zerbrechen des Gesteins
entstehen und von einem Einschlag herrühren könnten.“ Dazu kamen so genannte
Brekzien, eckige Gesteinstrümmer, die durch eine Art Kitt zusammengehalten
werden, die ebenfalls durch Meteoriteneinschläge auftreten können.
Im Folgejahr nahm Brenker seinen Kollegen Andreas Junge, Professor
für Angewandte Geophysik an der Goethe-Universität, und eine Gruppe Studierende
mit nach Südfrankreich, um den Krater gemeinsam systematisch zu untersuchen.
Das Ergebnis: Das Erdmagnetfeld ist im Krater etwas schwächer als in der
Umgebung. Das ist typisch für Einschlagkrater, denn durch den Einschlag wird
das Gestein zertrümmert und sogar aufgeschmolzen und kann so weniger stark zum
Erdmagnetfeld beitragen.
Außerdem fanden die Forscher:innen mithilfe starker Magneten, die
an einer Platte befestigt waren, winzige Eisenoxidkügelchen von bis zu einem
Millimeter Durchmesser. Solche Kügelchen wurden bereits an anderen
Einschlagkratern gefunden. Die spätere Laboranalyse zeigte, dass diese auch
nickelhaltiges Eisen enthielten und einen Kern aus Mineralien umschlossen, die
typisch für die Kraterumgebung sind. Zudem konnten zahlreiche Mikrodiamanten
entdeckt werden, die durch den hohen Druck während des Meteoriteneinschlags
entstanden waren.
Frank Brenker erläutert: „Solche Mikrosphären bilden sich entweder
durch Abrieb des Meteoriten in der Atmosphäre oder erst beim Aufschlag, wenn
ein Großteil des Eisen- Meteoriten schmilzt und dann mit dem Sauerstoff der
Luft reagiert. Beim Aufschlag kann dann auch zertrümmertes Material vom
Aufschlagsgebiet eingeschlossen werden. Zusammen mit dem verringerten
Magnetfeld und den weiteren geologischen und mineralogischen Funden lässt dies
kaum einen anderen Schluss zu: Hier ist tatsächlich ein Meteorit
eingeschlagen.“ Dadurch werde der Ort auch für geologische Laien sehr spannend,
findet Brenker, denn „hier kann jede Besucherin und jeder Besucher erfahren,
welche immensen Energien bei einem solchen Einschlag freigesetzt werden.“
Publikation/Abstract: Frank E. Brenker, Andreas Junge. Impact
origin of the “Domaine du Meteore"-crater, France. Compelling mineralogical and
geophysical evidence for an unrecognized destructive event in the heart of
Europe. LPSC Houston, #1910 (2023) https://www.hou.usra.edu/meetings/lpsc2023/pdf/1910.pdf
Bilder zum Download:
https://www.uni-frankfurt.de/132616835
Bildtext:
1. Das „Trou du Météore“: Der Krater auf dem Weingut „Domaine du
Météore“ stammt wirklich von einem Meteoriteneinschlag. Foto: Frank
Brenker, Goethe-Universität Frankfurt
2. Mikrosphäre vom Meteoriten: Das am Krater der „Domaine du Météore“
gefundene Eisenoxidkügelchen enthielt einen Kern aus Mineralien, die typisch
für die Kraterumgebung sind, sowie viele Mikrodiamanten. Foto: Frank Brenker,
Goethe-Universität Frankfurt
Weitere Informationen
Prof.
Dr. Frank E. Brenker
NanoGeoscience / Cosmochemistry
Institut für Geowissenschaften
Goethe-Universität Frankfurt
Tel: +49 151 68109472
f.brenker@em.uni-frankfurt.de
Twitter: @goetheuni
Redaktion: Dr. Markus Bernards, Referent für Wissenschaftskommunikation,
Büro für PR & Kommunikation, Telefon 069 798-12498, Fax 069 798-763-12531, bernards@em.uni-frankfurt.de
Lehrgrabung der Provinzialrömischen Archäologie der Goethe-Universität in Bad Ems widerlegt bisherige Vermutungen
Auf der Suche nach Silbererz haben die Römer im 1. Jahrhundert nach Christus in der Gegend von Bad Ems zwei Militärlager errichtet. Das ergaben Forschungen im Rahmen einer mehrjährigen Lehrgrabung der Archäologie und Geschichte der römischen Provinzen der Goethe-Universität in Kooperation mit dem Land Rheinland-Pfalz. Dabei kam durchaus Überraschendes zutage. Die spannende Forschungsgeschichte brachte dem jungen Archäologen Frederic Auth den 1. Platz beim Wiesbadener Science Slam ein.
FRANKFURT. Als
Prof. Markus Scholz, der an der Goethe-Universität das Fach Archäologie und
Geschichte der römischen Provinzen lehrt, gegen Ende der Grabungsarbeiten mal
wieder nach Bad Ems reiste, staunte er nicht schlecht: Sein Mitarbeiter
Frederic Auth hatte ihm lediglich Bilder von ein paar Holzstückchen gemailt.
Was er nun zu Gesicht bekam, darauf war er nicht vorbereitet: Es handelte sich
um eine hölzerne Abwehrkonstruktion, ein „Annäherungshindernis“, bestehend aus
zugespitzten Holzpfählen. Das martialisch wirkende Konstrukt sollte etwaige
Feinde von einem Angriff auf das Lager abschrecken. Von solchen Anlagen, die
sich in ihrer Wirkung vielleicht mit einem Stacheldraht vergleichen lassen,
wusste man aus der Literatur – Caesar hatte sie erwähnt –, gefunden hatte man
sie bislang nicht. Im feuchten Boden des Blöskopfes herrschten offenbar ideale
Bedingungen, so blieben die hölzernen Spieße, die wahrscheinlich den gesamten,
nach unten spitz zulaufenden Graben um das Lager spickten, gut erhalten.
Zwei Militärlager hat es in der Umgebung von Bad Ems dies- und
jenseits des Emsbachtals gegeben, beide waren bis vor kurzem unbekannt – bis
das Areal in den Blick der Frankfurter Archäologen und von Dr. Peter Henrich
von der Generaldirektion Kulturelles Erbe Rheinland-Pfalz rückte. Auslöser für
diese Grabungen waren die Beobachtungen eines Jägers, der im Jahr 2016 von seinem
Hochsitz aus Farbunterschiede im Getreidefeld entdeckte, die auf Strukturen
unter der Oberfläche hindeuteten. Ein Drohnenfoto von der Erhebung, die den
schönen Namen „Ehrlich“ trägt, bestätigte: Den Acker durchzog eine Spur, die
von einem riesigen Traktor hätte stammen können. In Wirklichkeit handelte es
sich jedoch um einen doppelten Graben, der ein römisches Lager umrahmte. Die
geomagnetische Prospektion schließlich zeigte ein acht Hektar großes
Militärlager mit rund 40 Türmen aus Holz. Die archäologischen Grabungen, die in
zwei Kampagnen unter der örtlichen Leitung von Dr. Daniel Burger-Völlmecke
durchgeführt wurden, brachten weitere Details hervor: Das Lager, das offenbar
solide gebaut werden sollte, wurde nie fertiggestellt. Nur ein festes Gebäude, ein
Speicher und Magazinbau, befand sind dort. Die wahrscheinlich um 3000 Soldaten
mussten wohl in Zelten schlafen. Brandspuren zeigen, dass das Lager nach
wenigen Jahren niedergebrannt worden war. Aber warum?
Das zweite, deutlich kleinere Lager identifizierte das
studentische Team, das von Frederic Auth angeleitet wurde, in zwei Kilometern
Luftlinie auf der anderen Seite des Emsbachtals. Der „Blöskopf“ war
archäologisch kein unbeschriebenes Blatt: Seit Sondierungsgrabungen im Jahr
1897 wähnte man dort ein römisches Hüttenwerk, wo vor Ort gefundenes Silbererz
weiterverarbeitet worden war. Der Fund von Mauerfundamenten, Brandresten und
Metallschlacken legte diese Vermutung nahe. Darüber hinaus nahm man lange Zeit an,
dass das Hüttenwerk in Verbindung zum Limes stand, der um 110 nach Christus 800
Meter weiter östlich errichtet worden war. Diese Jahrzehnte lang gültigen
Annahmen sind nun widerlegt: Bei dem vermeintlichen Ofen handelt es sich in
Wirklichkeit um einen Wachturm eines kleinen, ca. 40 Mann fassenden
Militärlagers. Und er wurde wohl bewusst in Brand gesetzt, bevor die Garnison
das Lager verließ. Buchstäblich am vorletzten Tag der Grabung dann der
spektakuläre Fund der hölzernen Abwehrkonstruktion – und der einer im Jahr 43
nach Christus geprägten Münze, die bezeugte, dass das Bauwerk nicht in
Zusammenhang mit dem Limes entstanden sein kann.
Doch warum haben die Römer das große Lager nicht fertiggestellt und
beide Areale nach wenigen Jahren aufgegeben? Wozu haben die Anlagen gedient?
Einen möglichen Hinweis haben die Archäologen bei dem Geschichtsschreiber
Tacitus gefunden: Er beschreibt, wie unter dem römischen Statthalter Curtius
Rufus 47 nach Christus der Versuch gescheitert sei, in der Gegend Silbererz
abzubauen. Die Ausbeute sei zu gering gewesen. Und tatsächlich konnte das Team
der Frankfurter Archäologie ein Schacht-Stollen-System identifizieren, das auf
römische Herkunft schließen ließ. Der Stollen liegt wenige Meter über dem Bad
Emser Gangzug, der den Römern 200 Jahre Silberabbau gewährt hätte – hätten sie
nur davon gewusst. Ausgebeutet wurde das Silber erst in späteren Jahrhunderten.
Die Hoffnung der Römer auf einen lukrativen Edelmetallabbau würde auch die
Anwesenheit des Militärlagers erklären: Man wollte sich gegen schlagartige
Überfälle zur Wehr setzen können, die angesichts des wertvollen Rohstoffes
nicht unwahrscheinlich waren. „Um all dies zu verifizieren, sind allerdings
weitere Studien notwendig“, sagt Prof. Scholz. Interessant wäre etwa, ob auch
das große Lager von „Annäherungshindernissen“ umgeben war. Holzspieße fand man
dort bislang nicht, aber vielleicht lassen sich Spuren davon in dem wesentlich
trockeneren Boden entdecken.
Dass die Römer ein umfangreiches Unterfangen jäh abbrachen, ist
nicht ohne Beispiel. Hätten sie gewusst, dass Jahrhunderte später in der
Neuzeit 200 Tonnen Silber aus dem Boden bei Bad Ems geholt werden würden, hätten
sie vielleicht nicht so schnell aufgegeben. Die Soldaten, die man in diesem
Fall zum Stollengraben verdonnert hatte, waren von der schweren Arbeit offenbar
nicht begeistert: Tacitus berichtet, sie hätten an Kaiser Claudius in Rom
geschrieben, er möge den Befehlshabern vorab die Triumphalinsignien verleihen,
dann müssten sie ihre Soldaten nicht sinnlos schuften lassen.
Alles in allem eine spannende Forschungsgeschichte, die Frederic
Auth, der seit 2019 die Grabungen in Bad Ems leitete, auch spannend zu erzählen
weiß. Kein Wunder, dass er beim 21. Wiesbadener Science Slam im ausverkauften
Schlachthof Anfang Februar in einem interdisziplinären Bewerberfeld den ersten
Preis davontrug. Der junge Archäologe ist bereits für weitere Auftritte
gebucht: Frederic Auth tritt am 2. März in Heidelberg an, am 7. März in Bonn,
am 19. März in Mannheim. Nähere Informationen zu diesen Veranstaltungen finden
Sie unter: https://www.science-slam.com/
Die Forschungen in Bad Ems wurden gemeinsam mit der Direktion
Landesarchäologie in der Generaldirektion Kulturelles Erbe Rheinland-Pfalz, dem
Institut für Ur- und Frühgeschichte der Universität Erlangen-Nürnberg und der
Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin durchgeführt. Auch der Jäger und
ehrenamtliche Denkmalpfleger Jürgen Eigenbrod und sein Kollege Hans-Joachim du
Roi sowie mehrere Sondengänger mit den erforderlichen Genehmigungen der
Denkmalbehörden waren beteiligt. Finanziert wurde das Projekt unter Förderung
der Gerhard-Jacobi-Stiftung, der Gesellschaft für Archäologie an Mittelrhein
und Mosel und der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Die
Holzspieße wurden inzwischen am Römisch-Germanischen Zentralmuseum in Mainz
konserviert.
Publikation: Eine Monographie zu den archäologischen Grabungen in Bad Ems wird
derzeit erstellt.
Bilder zum Download: https://www.uni-frankfurt.de/132551146
Bildtexte:
Bild 1: „Traktorspuren“: Angestoßen wurden die Forschungen in Bad Ems
durch J. Eigenbrod, der von einem Hochsitz aus verdächtige Spuren im Feld
ausmachte. Bei den Spuren handelt es sich um Veränderungen im Bewuchs, die
Bodeneingriffe anzeigen, in diesem Fall die Gräben des römischen Lagers auf dem
„Ehrlich“ (Foto: H.-J. du Roi)
Bild 2: Die geomagnetische Prospektion bestätigt die Vermutung, dass
unter den Feldern im Boden Spuren früherer Nutzung des Hügels „Ehrlich“ zu
finden sein würden. (Aufnahme: C. Mischka, FAU Erlangen-Nürnberg).
Bild 3: Eine große Überraschung erlebten die Archäologen in den letzten
Tagen der Grabungskampagne: Im feuchten Boden des Berges „Blöskopf“ hatte sich
eine Konstruktion aus hölzernen Spießen erhalten, die potenzielle Angreifer
abschrecken sollte. (Foto: Auth)
Bild 4: Caesar hatte von vergleichbaren Annäherungshindernissen
berichtet, doch bislang hatte man keine physischen Belege dafür gefunden, dass
es sie wirklich gab. Die hölzernen Abwehrkonstruktionen haben die Jahrhunderte
meist nicht überdauert. (Foto: Auth)
Bild 5: Konnte sich im interdisziplinären Bewerberfeld beim 21.
Wiesbadener Science Slam durchsetzen: Archäologe Frederic Auth (3. von links)
von der Goethe-Universität mit Moderator Rainer Holl (von links) und den
Science Slammern Maria Bruhnke, Christopher Synatschke, Nina Lanzer und Uwe
Gaitzsch. (Foto: science-slam.com)
Weitere Informationen
Prof.
Dr. Markus Scholz
Archäologie
und Geschichte der römischen Provinzen
Institut
für Archäologische Wissenschaften, Abt. II
Goethe-Universität
Telefon
+49 (0)69 798 32265
Fax
+49 (0)69 798 32268
E-Mail m.scholz@em.uni-frankfurt.de
Redaktion: Dr. Anke Sauter, Referentin für Wissenschaftskommunikation,
Büro für PR & Kommunikation, Telefon 069 798-13066, Fax 069 798-763-12531, sauter@pvw.uni-frankfurt.de