​​​​​​​Pressemitteilungen ​​​​​​ ​

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Pressestelle Goethe-Universität

Theodor-W.-Adorno Platz 1
60323 Frankfurt 
presse@uni-frankfurt.de

 

Jul 21 2020
12:32

​Geowissenschaftler der Goethe-Universität erstellen anhand von Sedimenten ein Archiv mit jährlicher Auflösung

2000 Jahre Stürme in der Karibik

FRANKFURT. Die Wirbelstürme in der Karibik wurden häufiger und ihre Stärke variierte deutlicher um dieselbe Zeit, als die klassische Mayakultur in Zentralamerika ihren endgültigen Niedergang erlitt: Diese und andere Erkenntnisse kann man bei einem Blick in das Klimaarchiv gewinnen, das unter Federführung von Geowissenschaftlern der Goethe-Universität erstellt wurde – präsentiert in einem Beitrag im Nature-Journal „Scientific Reports“ am 16. Juli.

Tropische Wirbelstürme im Atlantik (Hurrikane) stellen eine substantielle Gefahr für Leben und Besitz der Bewohner der Karibik und angrenzender Gebiete wie des Südostens der USA dar. Die zunehmende Stärke der Stürme, beschrieben im 15. Kapitel des Berichts des Weltklimarats (Intergovernmental Panel on Climate Change/IPCC-Reports), erhöht die Wahrscheinlichkeit ökologischer und sozialer Katastrophen, wie das Auftreten der Wirbelstürme in den zurückliegenden 20 Jahren gezeigt hat, die verheerende Schäden anrichteten. Bisherigen Klima-Modellen, die die Gefahr besser einschätzen helfen könnten, liegen Daten zugrunde, denen es jedoch an räumlicher und zeitlicher Tiefe fehlt. Instrumentelle Klimadaten, wie regelmäßige Messungen der Oberflächentemperaturen der Ozeane sowie verlässliche Aufzeichnungen über Hurrikane, reichen maximal bis ins 19. Jahrhundert zurück.

Die Arbeitsgruppe Biosedimentologie am Institut für Geowissenschaften des FB 11 (Prof. Dr. Eberhard Gischler) der Goethe-Universität konnte im Rahmen eines von der DFG geförderten Forschungsprojektes (Gi 222/31) nun ein sedimentäres „Sturmarchiv“ gewinnen und analysieren, das fast die gesamte moderne Zeitrechnung (2000 Jahre) in jährlicher zeitlicher Auflösung umfasst. Es handelt sich um feinkörnige, jährlich geschichtete Sedimente vom 125 m tiefen Grund des Blue Hole, einer überfluteten Karsthöhle im Lighthouse Reef Atoll vor der Küste von Belize (Zentralamerika). Dort sammeln sich Jahr für Jahr 2,5 mm Kalkschlamm, bestehend aus Schalenresten von Organismen aus der Rifflagune mit wechselnden Gehalten an organischer Substanz an. In diese feinkörnigen Sedimente sind gröbere und bis zu mehreren Zentimetern dicke Lagen eingeschaltet, die Tempestite (Sturm-Sedimente) darstellen. Sie bestehen zum Großteil aus Schalenresten von Rifforganismen, die am Rand des Atolls leben. Der fast 9 Meter lange Bohrkern vom Boden des Blue Hole, der mit Hilfe eines elektrischen Vibrationslotes gewonnen wurde, umfasst die letzten 1885 Jahre mit insgesamt 157 Sturmlagen.

Im Rahmen der umfassenden Untersuchungen des Doktoranden Dominik Schmitt und Kooperationen der AG Biosedimentologie mit Kollegen von der Universität Bern (Schweiz) hat sich gezeigt, dass sowohl kurz- als auch langfristige Klimaphänomene wie die El Niño-Southern Oscillation (ENSO), die Nordatlantische Oszillation (NAO) und die Atlantische Multidekadische Oszillation (AMO) das Sturmgeschehen der vergangenen 2000 Jahre beeinflusst haben und sich im neuen Klima-Archiv widerspiegeln. Der Beginn der Mittelalterlichen Warmzeit (ca. AD 900-1100) stellt eine wichtige Übergangszeit dar, in der sich die Aktivität tropischer Wirbelstürme deutlich veränderte, vermutlich in Zusammenhang mit der Verschiebung der Intertropischen Konvergenzzone (Tiefdruckzone, wo Nord- und Südpassatwinde aufeinandertreffen) nach Süden: Von AD 100-900 war die Sturmaktivität in der Region eher stabil und schwächer ausgeprägt, während sie seit AD 900 bis heute variabler und stärker entwickelt ist. Interessanterweise ist dieser Wechsel der Zunahme der Wirbelsturm-Häufigkeit mit dem Auftreten einiger sehr dicker und grobkörniger Sturmlagen gekennzeichnet und fällt mit dem endgültigen Niedergang der klassischen Mayakultur in Zentralamerika zusammen. Möglicherweise waren verstärkt Hurrikan-Einschläge am mittelamerikanischen Festland verbunden mit großflächigen Überflutungen im Anbaugebiet des Maya-Tieflandes und niederschlagsbedingter Erosion im Hinterland der Maya-Berge von Belize – neben den bereits bekannten wiederkehrenden Dürreperioden –  ein weiterer Umwelt-Faktor, der das Ende der Maya-Hochkultur beeinflusste.
 

Publikation: https://www.nature.com

Bilder zum Download finden Sie unter folgendem Link: www.uni-frankfurt.de/90131465

Bildtext:
Bild 1: Luftbild des Blue Hole, einer überfluteten Karsthöhle im Lighthouse Reef, Belize, wo das Team der Frankfurter Forscher eine 2000-jährige Sedimentabfolge erschließen konnte. (Foto: Gischler)

Bild 2: Dieser Bohrkernabschnitt aus dem Blue Hole zeigt die jährliche Schichtung (grün-beige) und die Sturmereignisse (hell). (Foto: Schmitt)

Informationen: Prof. Dr. Eberhard Gischler, Institut für Geowissenschaften, Campus Riedberg, Telefon: 798 40183, E-Mail: gischler@em.uni-frankfurt.de

 

Jul 20 2020
14:47

„Forschung Frankfurt“ zum Thema Digitalisierung: Wie Rechtswissenschaft und Informatik gemeinsam vor Diskriminierung durch digitale Dienste schützen können

Was wir wen mit unserem Handy wissen lassen 

FRANKFURT. Wenn alle das nutzen, wird es schon nicht so schlimm sein – beim Handy- und Computergebrauch auf „Schwarmintelligenz“ zu setzen, ist nicht unbedingt eine gute Idee. „Denn wir wissen zum einen nicht, wer unsere Daten hat, wir wissen aber auch nicht, was über uns gewusst wird – und was mit diesem Wissen unternommen wird“, so die Frankfurter Datenrechtsexpertin Prof. Indra Spiecker in einem Beitrag im Wissenschaftsmagazin „Forschung Frankfurt“ der Goethe-Universität. Schwerpunktthema der gerade erschienenen jüngsten Ausgabe ist die digitale Transformation. Nur ein Zusammenspiel zwischen Rechtswissenschaft und Informatik, so die Direktorin der Forschungsstelle Datenschutz an der Goethe-Universität Frankfurt, könne Einzelne und bestimmte gesellschaftliche Gruppen vor Diskriminierung schützen.

Wie soll ein Hotelgast, der aus einem bundesweit bekannten Problemviertel stammt, wissen, dass ihm ein Hotelzimmer zu einem höheren Preis angeboten wird als jemandem aus einem bürgerlichen Viertel? Nicht immer sind es konkrete Daten zu einer bestimmten Person, die zu einer Benachteiligung führen können. Moderne Datenauswertung mithilfe künstlicher Intelligenz arbeite längst damit, so Spiecker, „den Einzelnen Gruppen zuzuordnen und ihn nach den Kriterien der Gruppe zu beurteilen. Auf dieser Basis werden dann Preise für Produkte je nach Zielgruppe variabel bestimmt.“

Dabei kommt es nicht immer zu einer „Diskriminierung im juristischen Sinne“, erklärt die Professorin für Öffentliches Recht, Informationsrecht, Umweltrecht und Verwaltungswissenschaften. Diskriminierung könne auch verdeckt erfolgen – indem Ersatzkriterien gewählt werden, die vordergründig in keinem Zusammenhang mit Zuordnungen wie Geschlecht, Rasse, Herkunft oder Religion stehen. Die aber denselben Effekt haben. Solche Ersatzkriterien sind mit Hilfe digitaler Technik leicht zu finden – aber von Datenschützern schwer aufzudecken. So liegt es nicht auf der Hand, dass die Vorliebe einer Fernsehzuschauerin für eine bestimmte Serie ihre Kreditwürdigkeit senkt. Der wirklichen Ursache für die Benachteiligung ist kaum auf den Grund zu kommen, rechtliche Schritte dagegen sind folglich unmöglich.

Rechtswissenschaftlerin Spiecker plädiert deshalb für ein „enges Zusammenspiel von Technologie und der Werteordnung des Rechts“: Es müssten technische Lösungen gefunden werden, die rechtlichen Anforderungen entsprechen. Und umgekehrt müssten rechtliche Anforderungen so formuliert werden, dass sie technische Lösungen akzeptieren könnten. Auch müsse vom konkreten Programmierer oder seinem Unternehmen mehr Verantwortung eingefordert werden.

Hat der Einzelne dennoch eine Chance, sich vor dem ungewollten Datenabfluss zu schützen? „Was immer hilft“, sagt Spiecker im Interview mit „Forschung Frankfurt“, „ist die Macht der Masse.“ Wer seinem Kind nicht beibringe, „google das mal“, als ob es keine alternativen Suchmaschinen gäbe, oder beim Fernsehkauf nicht nur „toll, internetfähig!“ ausrufe, sondern auch mal nachhake, wer denn sonst noch von den familiären Sehgewohnheiten erfahre, trage dazu bei, dass Märkte sich verändern. Jeder intelligente Nutzer, der sein Verhalten ändere, könne etwas bewirken.

Die aktuelle Ausgabe von „Forschung Frankfurt“ (1/2020) kann von Journalisten kostenlos bestellt werden bei: ott@pvw.uni-frankfurt.de.

Im Web: www.forschung-frankfurt.de. Unter www.aktuelles.uni-frankfurt.de/forschung-frankfurt-englisch finden Sie ausgewählte Beiträge in englischer Übersetzung.

 

Jul 20 2020
11:58

Schneller und einfacher zu hochaufgelösten dreidimensionalen elektronenmikroskopischen Bildern von Biomolekülen 

Smarte hauchdünne Nanoblätter fischen Proteine 

FRANKFURT/JENA. Eine Art Köder, um gezielt Proteinkomplexe aus Mischungen fischen zu können, hat ein interdisziplinäres Team aus Frankfurt und Jena entwickelt. Dank dieses „Köders“ ist das gewünschte Protein wesentlich schneller für die weitere Untersuchung im Elektronenmikroskop verfügbar. Diese neuartige Schicht aus hauchdünnem molekularen Kohlenstoff taufte das Forschungsteam „smartes Nanoblatt“. Mit Hilfe der Neuentwicklung lassen sich beispielsweise Krankheiten und deren Behandlung mit Medikamenten besser verstehen.

„Mit unserem Verfahren lassen sich innerhalb einer Woche neuartige Proteine aus Mischungen isolieren und charakterisieren“, erklärt Daniel Rhinow vom Frankfurter Max-Planck-Institut für Biophysik. „Bisher war alleine die Isolierung der reinen Proteine oft Teil einer mehrjährigen Doktorarbeit“. Zusammen mit Andreas Terfort (Goethe-Universität Frankfurt) und Andrey Turchanin (Friedrich-Schiller-Universität Jena) entstand vor einigen Jahren die Idee, die gewünschten Proteine direkt aus Mischungen herauszufischen, indem man ein Nanoblatt mit Erkennungsstellen ausrüstet, an die das Zielprotein bindet. Nun ist es den Wissenschaftlern gelungen, Proteine dank eines „smarten Nanoblatt“ umgehend für eine Untersuchung im Kryo-Elektronenmikroskop zugänglich zu machen.

Die Kryo-Elektronenmikroskopie basiert auf dem Schockgefrieren einer Probe bei Temperaturen unter -150 Grad Celsius. Dabei behält das Protein seine Struktur, störende Fixierungs- oder Färbemittel sind nicht nötig, und die Elektronen können das vereiste Objekt leicht durchstrahlen. Es entstehen hochaufgelöste dreidimensionale Aufnahmen kleinster Strukturen – etwa von Viren und DNA, bis fast hinab zur Größenordnung eines Wasserstoffatoms.

Zur Vorbereitung werden die Proteine in einer äußerst dünnen Wasserschicht auf einem winzigen Metallnetz schockgefroren. Bislang mussten die Proben vor einer elektronenmikroskopischen Untersuchung aufwendig und oft unter großen Verlusten gereinigt werden. Nur wenn lediglich eine Sorte von Proteinen in der Wasserschicht gebunden ist, ist die elektronenmikroskopische Untersuchung erfolgreich.

Die Gruppe um Turchanin setzt nun Nanoblätter ein, die lediglich einen Nanometer dünn sind und aus einer vernetzten molekularen selbst-organisierenden Monoschicht bestehen. Dieses Nanoblatt versieht Terforts Arbeitsgruppe mit einem Gelbildner als Grundlage für den zum Gefrieren notwendigen dünnen Wasserfilm. Daran binden die Forscher eine Erkennungsgruppe (eine spezielle Nitriloessigsäure-Verbindung mit Nickelionen). Das Team um Rhinow nutzt die so präparierten „smarten Nanoblätter“, um gezielt Proteine aus einer Mischung zu fischen. Sie wurden vorab mit einer Histidin-Kette markiert, mit der sie an die Erkennungsgruppe binden; alle anderen störenden Teilchen lassen sich abspülen. Das Nanoblatt mit dem gebundenen Protein kann anschließend direkt mit dem Elektronenmikroskop untersucht werden.

„Unsere smarten Nanoblätter sind besonders leistungsfähig, weil die Hydrogelschicht den notwendigen dünnen Wasserfilm stabilisiert und gleichzeitig die unspezifische Bindung störender Teilchen unterdrückt,“ erklärt Julian Scherr von der Goethe-Universität. „Damit kann die molekulare Strukturbiologie nun viel schneller Proteinstrukturen und -funktionen erforschen“. Mit daraus gewonnenen Erkenntnissen lassen sich beispielsweise Krankheiten und deren Behandlung mit Medikamenten besser verstehen.

Das Team hat sich die neuen Nanoblätter patentieren lassen und auch schon einen Hersteller gefunden, der dieses hilfreiche Werkzeug auf den Markt bringen wird.


Publikation: Smart Molecular Nanosheets for Advanced Preparation of Biological Samples in Electron Cryo-Microscopy, ACS Nano 2020, https://doi.org/10.1021/acsnano.0c03052

Julian Scherr, Zian Tang, Maria Küllmer, Sebastian Balser, Alexander Stefan Scholz, Andreas Winter, Kristian Parey, Alexander Rittner, Martin Grininger, Volker Zickermann, Daniel Rhinow, Andreas Terfort und Andrey Turchanin; Abteilung Strukturbiologie, Max-Planck-Institut für Biophysik, Max-von-Laue-Str. 3, 60438 Frankfurt am Main; Fakultät für Biochemie, Chemie, Pharmazie, Goethe-Universität Frankfurt, Max-von-Laue-Str. 7, 60438 Frankfurt am Main; Institut für Physikalische Chemie, Friedrich-Schiller-Universität Jena, Lessingstr. 10, 07743 Jena

Ein Bild zum Download finden Sie unter: www.uni-frankfurt.de/90123573

Bildtext: Das neue Nanoblatt-Verfahren: Der zu untersuchende Proteinkomplex (gelb) wird mithilfe einer Markierung (rote Kette mit Fünfecken) über einen Nickelkomplex an das smarte Nanoblatt gebunden. Unerwünschte Proteine (grau) werden durch das Hydrogel (schwarzes Geflecht) abgestoßen. Nach dem Einfrieren des gesamten Gebildes inklusive eines dünnen Wasserfilms kann es mit Elektronen durchleuchtet werden, um Bilder der gebundenen Proteine zu erhalten. Daraus kann ein Computer die 3D-Struktur des Proteins berechnen.

Informationen: Univ.-Prof. Dr. Andreas Terfort, Institut für Anorganische und Analytische Chemie, Telefon +49-69-798-29181, E-Mail aterfort@chemie.uni-frankfurt.de, https://www.uni-frankfurt.de/53459866/terfort

Univ.-Prof. Dr. Andrey Turchanin, Institut für Physikalische Chemie, Friedrich-Schiller-Universität Jena, Lessingstr. 10, 07743 Jena, andrey.turchanin@uni-jena.de,, +49-3641-48370, www.apc.uni-jena.de

 

Jul 17 2020
11:52

​Forscherinnen und Forscher der Goethe-Universität wagen in der neuen Ausgabe des UniReport eine Zwischenbilanz

Wie hat die Corona-Pandemie die Welt verändert?

FRANKFURT. Nach knapp vier Monaten Corona-Krise stellen sich auch der Wissenschaft viele Fragen: Sind bestimmte Teile der Gesellschaft stärker von den Folgen betroffen, klafft eine Gerechtigkeitslücke? Öffnen sich vielleicht Wege für neue medizinische, wirtschaftliche und ökologische Ansätze? Forscherinnen und Forscher der Goethe-Universität aus den Sozial- und Geisteswissenschaften, aber ebenso aus Medizin und Naturwissenschaft analysieren im UniReport die aktuelle Lage und stellen Prognosen an.

Der Pharmazeut Prof. Theo Dingermann hebt die Transparenz in der Berichterstattung über die Pandemie positiv hervor: Dies werde zu gegebener Zeit ermöglichen, beispielsweise Versorgungskonzepte kritisch zu bewerten. Der Politische Philosoph Prof. Rainer Forst diskutiert aus demokratietheoretischer Perspektive verschiedene Deutungen des Lockdowns: Er warnt davor, dass eine „absolutistische“ Lesart, nach der der Staat den Bürgerinnen und Bürgern die Freiheiten weggenommen habe, bis ihnen wieder zugetraut werde, sie gescheit zu nutzen, die Demokratie gefährde. Die Volkswirtin Nicola Fuchs-Schündeln wiederum beleuchtet kritisch die Schul- und Kitaschließungen; diese beeinträchtigten die Chancengleichheit zwischen Schülern aus unterschiedlichen sozioökonomischen Verhältnissen; sie erwartet, dass sich die Ungleichheit der Geschlechter im Arbeitsmarkt weiter erhöhen wird. Weitere Beiträger sind der Wirtschaftspädagoge Prof. Gerhard Minnameier, der Psychologe Prof. Ulrich Stangier und die Infektiologin Prof. Maria Vehreschild.

Wer kommt gut durch die Corona-Krise, wer verliert und wer profitiert davon? In ihrem Essay „Intersektionalität – ein zentrales Konzept feministischer Gegenwartsanalyse“ gehen Prof. Bettina Kleiner, Prof. Helma Lutz und Dr. Marianne Schmidbaur einleitend auf die sozialen Ungleichheitsverhältnisse ein, wie sie sich unter den Bedingungen der Corona-Krise besonders deutlich zeigen. Davon ausgehend erläutern die Autorinnen, warum sie das Konzept der Intersektionalität nicht nur in der Corona-Pandemie für einen zentralen wissenschaftlichen, juristischen und politischen Zugang zur Analyse und Veränderung von Macht- und Ungleichheitsverhältnissen halten.

Die weiteren Themen im UniReport 4/Juli 2020:

  • „Ich lade alle Mitglieder unserer Universität zur Zusammenarbeit ein“: Prof. Enrico Schleiff tritt sein Amt als Präsident der Goethe-Universität am 1. Januar 2021 an.
  • Nordöstliche Campusseite nimmt Form an: Der Rohbau der Sprach- und Kulturwissenschaften (SKW) ist fertig, das geplante Center for Humanities könnte mit Kunst und Theater das Uni-Schaufenster zur Stadt werden.
  • Begehrt - die Kunstpädagogik: Das „Kleine Fach“ sieht sich zwischen Kunstschaffenden und Vermittelnden.
  • „Das Erbe der Lynchjustiz spukt nach wie vor in den Köpfen herum“: Ein Gespräch mit dem Amerikanisten Prof. Simon Wendt über Rassismus und Protestbewegung in den USA.
  • „Ich bin so gestresst“: Lernräume zu, Nebenjob weg. Auslandsstudium abgesagt – wie die Corona-Krise für Studierende zum Problem wird.
  • Ein Haus für die Bürgergesellschaft und die universitäre Community: Dr. Birgit Sander, neue Leiterin des Museum Giersch der Goethe-Universität, im Gespräch.
  • Lehre ist für sie Herzensangelegenheit: Die Rechtswissenschaftlerin Prof. Katja Langenbucher im Porträt.
  • Die Kinderstube der Honigbienen: Erstmals wurden Videos der kompletten Larvenentwicklung gemacht.
  • Weniger Formalitäten und Besprechungen, mehr Austausch: Die chinesische Mineralogin Qiao Shu genießt ihre Arbeit als Gastwissenschaftlerin am Institut für Geowissenschaften.
  • Transnational unterwegs – in der Wissenschaft wie im Leben: Wilhelm-Bender-Dissertationspreis für die Politikwissenschaftlerin Eva-Maria Schäfferle.
  • Transatlantische Beziehungen neu denken: Die 4. Bad Homburg Conference am Forschungskolleg Humanwissenschaften widmet sich dem belasteten Verhältnis zwischen USA und Europa.
  • 20.000 Funde: Die Archäologin Stephanie Döpper hat im Rahmen eines DFG-Projektes mit Studierenden im Oman nach Objekten von der Steinzeit bis heute gesucht.
  • „Der NSU-Strafprozess“: Prof. Jörg Arnold über ein gemeinsames strafrechtliches Schwerpunktseminar der Universitäten Münster und Frankfurt.

Der UniReport 4/2020 steht zum kostenlosen Download bereit unter https://www.unireport.info/aktuelle-ausgabe

 

Jul 17 2020
11:20

Die jüngste Ausgabe von „Forschung Frankfurt“ fragt nach den psychischen Auswirkungen moderner Technologien

Wahrnehmen, Denken, Handeln im digitalen Zeitalter

FRANKFURT. Welchen Einfluss haben digitale Technologien auf das menschliche Wahrnehmen, Denken und Handeln? Werden Jugendliche durch Computerspiele wirklich aggressiver? Und gibt es so etwas wie eine „digitale Demenz“? Mit derlei Fragen befassen sich in der jüngsten Ausgabe des Wissenschaftsmagazins „Forschung Frankfurt“ zwei Psychologinnen und ein Psychologe der Goethe-Universität. Schwerpunktthema des Heftes, das dieser Tage erschienen ist, sind Chancen und Risiken der Digitalisierung – für den Einzelnen, aber auch für die Gesellschaft.

Auch in Deutschland verbringen Jugendliche mit durchschnittlich rund drei Stunden täglich sehr viel Zeit online. 22,4 Prozent der jugendlichen Teilnehmerinnen und Teilnehmer an einer Studie der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung schätzten ihre eigene Mediennutzung als problematisch ein. Die Psychologen Prof. Dr. Yee Lee Shing, Prof. Dr. Christian Fiebach und Isabelle Ehrlich gehen anhand aktueller Schlüsselbefunde aus den Bereichen der Kognitionspsychologie, der kognitiven Neurowissenschaft und der Entwicklungspsychologie Fragen von allgemeinem gesellschaftlichem Interesse nach.

So stand insbesondere das exzessive Computerspielen bereits im Fokus zahlreicher Studien – spätestens seit dem Massaker an der Columbine High School im US-amerikanischen Bundesstaat Colorado vor 20 Jahren. Die Ergebnisse seien jedoch widersprüchlich, und ein kausaler Zusammenhang zwischen der Beschäftigung mit gewalthaltigen Computerspielen und aggressivem Verhalten ist keineswegs eindeutig nachzuweisen. Außer Frage stehe indes, dass das Spielen von Computerspielen unser Gehirn prägt. So konnte gezeigt werden, dass regelmäßiges Spielen von „Super Mario 64“ zu einer Volumenvergrößerung von Gehirnregionen führt, die mit räumlicher Koordination assoziiert sind. Das regelmäßige Spielen von Action-Spielen bringe zudem u.U. kleine, aber robuste Verbesserungen von Aufmerksamkeitsleistungen mit sich. Die morphologischen Veränderungen im Belohnungssystem wiederum ähneln Veränderungen, die auch bei Drogensucht beobachtbar sind. Inwiefern Computerspiele eingesetzt werden können, um positive Lerneffekte zu erzielen, ist hingegen noch nicht abschließend erforscht.

Welche Rolle spielt jedoch die Nutzungsdauer von digitalen Medien durch Jugendliche? Diese Frage dürfte viele Eltern brennend interessieren. Und auch hier sind die Zusammenhänge komplex, und eine einfache Proportionalität zwischen Dauer und negativen Folgen existiert nicht. Wesentlich wichtiger ist offenbar, welche Vorerfahrungen die Nutzer haben und in welchen Umständen sie aufwachsen. Durchaus besorgniserregend ist eine Art digitale Kluft: Die Risiken sind gerade bei denjenigen Jugendlichen höher, die auch im analogen Leben verletzlicher sind.

Shing, Fiebach und Ehrlich klären zudem die Frage, welche Auswirkungen der Gebrauch von Suchmaschinen als „ausgelagertes Gedächtnis“ habe und wie sich der exzessive Gebrauch von Medien auf die Aufmerksamkeitsspanne auswirkt. Und sie nehmen auch die künstliche Intelligenz in den Blick: Viele Prozesse menschlicher Entscheidungsfindung – von alltäglichen Konsumentscheidungen bis hin zu Investitionsentscheidungen am Finanzmarkt und medizinischen Diagnosen – werden mehr und mehr durch maschinelles Lernen und prädiktive Algorithmen unterstützt. Aber auch hier seien nicht automatisch negative Auswirkungen zu erwarten; Art und Umfang der Nutzung, vermittelt über die Mechanismen von Wahrnehmung, Kognition und neuronaler Plastizität, wirken sich in allen Bereichen differenziert auf das menschliche Denken, Entscheiden und Handeln aus – wobei ein wichtiger Faktor die individuelle Kompetenz im Umgang mit KI-Algorithmen sei. Bei richtigem Einsatz und unter Einbeziehung differenzierter psychologischer Kenntnisse könnten gerade sozial benachteiligte Bevölkerungsgruppen besonders von der neuen Technologie profitieren, meint das Autorenteam.


Die aktuelle Ausgabe von „Forschung Frankfurt“ (1/2020) kann von Journalisten kostenlos bestellt werden bei: ott@pvw.uni-frankfurt.de.

Im Web: www.forschung-frankfurt.de. Im Web: www.forschung-frankfurt.de. Unter www.aktuelles.uni-frankfurt.de/forschung-frankfurt-englisch finden Sie ausgewählte Beiträge in englischer Übersetzung.

 

Jul 15 2020
14:39

„Forschung Frankfurt“ über Digitalisierung: Große Datensätze sollen Früherkennung von Epilepsie ermöglichen

Wenn künstliche Systeme mehr sehen

FRANKFURT. Leidet dieser Patient an Epilepsie? Für eine sichere Diagnose sind viele Informationen notwendig: Mittels eines EEG (Elektroenzephalogramm) müssen Mediziner die Gehirnaktivitäten des Patienten messen und diese dann in einem komplexen Verfahren interpretieren und mit früheren Daten vergleichen. Oft finden sich Messdaten zu einem einzigen Patienten verstreut in mehreren Praxen und Kliniken. Erst die Zusammenschau aller Daten bringt vollständige Sicherheit.

Welche Chancen, aber auch welche Risiken bringt die Digitalisierung mit sich? Damit befasst sich die neueste Ausgabe von „Forschung Frankfurt“, des Wissenschaftsmagazins der Goethe-Universität. In der Medizin etwa verspricht man sich viel davon, die vorhandene Datenfülle von Patienten zukünftig zusammenzuführen – und sie außerdem mittels KI (Künstlicher Intelligenz) intensiver auszuwerten, als es bisher möglich war. So wollen sie Zusammenhänge zwischen Krankheitsbildern erkennen, Krankheiten früher diagnostizieren oder ihnen gar vorbeugen können. Ein Beitrag über die Epilepsieforschung an der Goethe-Universität veranschaulicht die neuen Möglichkeiten.

„Für eine Epilepsiediagnose brauchen wir im Schnitt acht oder zwölf Montagen“, erklärt Prof. Felix Rosenow vom Epilepsiezentrum Rhein-Main in der Klinik für Neurologie und spricht damit an, dass allein schon die Auswertung eines einzigen EEG sehr aufwendig ist. Oft scheitert sie daran, dass das zur Expertise zugesandte EEG auf einem anderen Gerät aufgezeichnet wurde, als es im Epilepsiezentrum benutzt wird. Dann sind die Daten nicht lesbar. Einheitliche EEG-Standards zu bestimmen, ist deshalb das Ziel internationaler Organisationen wie der DICOM, einer internationalen Organisation zur Speicherung von Daten in der Medizin. Einheitlich dokumentierte Daten wären auch ein Fortschritt für das Telemedizin-Projekt zur Epilepsie, das Rosenow mit Landesmitteln 2017 begonnen hat. Am Ende des Pilotprojekts sollen zehn hessische Krankenhäuser und Kinderkliniken sowie zehn Arztpraxen angeschlossen sein.

Daten sind der Rohstoff der Zukunft: Die bereits jetzt vorliegenden großen Datenmengen intensiver nutzen will das Bundesforschungsministerium gemeinsam mit der Deutschen Forschungsgemeinschaft im Rahmen der 2018 initiierten Nationalen Forschungsdateninfrastruktur (NFDI). Das ist auch eine Hoffnung für das Epilepsiezentrum. Das Ziel: große, anonymisierte Datenmengen zu untersuchen, um das Krankheitsbild der Epilepsie, die bislang nicht behandelbar ist, besser zu verstehen.

Die Physiker um Jochen Triesch vom Frankfurt Institute for Advanced Studies (FIAS) haben einen Computer so programmiert, dass sie mithilfe von Deep Learning-Algorithmen charakteristische Muster oder Zusammenhänge in Datensätzen erkennen – völlig unabhängig von menschlichen Vorgaben. Der Algorithmus wurde mit Daten von sechs Ratten trainiert. Bei einer siebten Ratte konnte er dann mit 97-prozentiger Sicherheit unterscheiden, ob das Tier gesund war oder eine Epilepsie entwickelte. „Das Spannende an diesem Ansatz ist“, so Triesch, „dass wir das System dann fragen können, auf welche Merkmale es geachtet hat“ – Merkmale, die Experten nicht im Blick haben.

Das Risiko einer Epilepsie vor dem ersten Anfall bei Menschen einschätzen zu können, davon ist die Medizin jedoch noch weit entfernt. Mindestens zehn Jahre, glaubt Rosenow, könne es dauern, bis mithilfe künstlicher Intelligenz die Vorhersage sicherer sei.

 
Mehr zu diesem Thema lesen Sie im Beitrag von Dr. Anne Hardy, der in der aktuellen Ausgabe von „Forschung Frankfurt“ (1/2020) erschienen ist. Die Ausgabe kann von Journalisten kostenlos bestellt werden bei: ott@pvw.uni-frankfurt.de.

Im Web: www.forschung-frankfurt.de. Unter www.aktuelles.uni-frankfurt.de/forschung-frankfurt-englisch finden Sie ausgewählte Beiträge in englischer Übersetzung.

 

Jul 14 2020
16:08

​Wissenschaftsrat würdigt die erfolgreiche Arbeit des Sigmund-Freud-Instituts seit 2016

Engagierter Neubeginn

FRANKFURT. Das Sigmund-Freud-Institut (SFI) in Frankfurt ist vom Wissenschaftsrat sehr gut bewertet worden. Nach einer ausführlichen Begehung bescheinigten die Gutachter dem Institut, das sich forschend mit der Psychoanalyse und ihren Anwendungen befasst, für die Zukunft gut aufgestellt zu sein – und gab ihm wegweisende Empfehlungen mit. Das vom Land Hessen finanzierte Institut kooperiert eng mit der Goethe-Universität Frankfurt und der Universität Kassel. 2016 gab es einen doppelten personellen Neubeginn an der Spitze des SFI.

In seinem Bericht würdigt der Wissenschaftsrat, der vom Hessischen Ministerium für Wissenschaft und Kunst beauftragt worden war, die Verbindungen von klinischer Psychoanalyse, Sozialpsychologie und kulturwissenschaftlichen Perspektiven, die das Programm des Instituts auszeichnen. Mit Nachdruck hob er die Interdisziplinarität in den als innovativ und zukunftsweisend bewerteten Forschungsprojekten des SFI hervor. Auch hinsichtlich Organisation und Struktur sei intensive Arbeit geleistet worden. „Die Leistungen, die die neue Institutsleitung im Hinblick auf die Konsolidierung und wissenschaftliche Weiterentwicklung des SFI seit 2016 erbracht hat, verdienen große Anerkennung“, heißt es in der Stellungnahme.

Insbesondere unterstreicht der Wissenschaftsrat in seinem Gutachten die Bedeutung des bei der Volkswagenstiftung in deren Förderlinie „Schlüsselthemen für Wissenschaft und Gesellschaft“ eingeworbenen Verbundprojekts „Das vermessene Leben“. Auch mit seinen Präventions- und Evaluationsprojekten, etwa zur Beteiligung an den Psychosozialen Zentren zur Versorgung von Flüchtlingen in Hessen, wie sie vom hessischen Sozialministerium gefördert werden, nehme das Institut eine wichtige Aufgabe wahr. Und nicht zuletzt unterstreicht das Gutachten die wertvollen Verdienste der Ambulanz im klinischen Bereich und begrüßt die Forschung zu psychoanalytischen Therapien bei Zwangserkrankungen. Mit Blick auf die Qualität der Nachwuchsförderung wird das bei der Hans-Böckler-Stiftung eingeworbene Promotionskolleg hervorgehoben, an dem alle Abteilungen des SFI beteiligt sind.

Auch die produktiven Kooperationen des SFI fanden beim Rat viel Zustimmung. Die Professur für psychoanalytisch ausgerichtete Soziologie und Sozialpsychologie an der Goethe-Universität, eine der Leitungspositionen am SFI, sei ein Alleinstellungsmerkmal. Auch erweise sich die Verbindung von Gesellschaftstheorie und Psychoanalyse als wertvoll für die Arbeit des wissenschaftlichen Nachwuchses und die Studierenden. Die inhaltliche Ausrichtung des SFI, das auch mit anderen außeruniversitären Instituten kooperiert, füge sich gut in den sozialwissenschaftlichen Forschungsschwerpunkt der Goethe-Universität ein. Auch die Kooperation mit der Universität Kassel funktioniere gut. Der Rat lobte die Besonderheit, dass das SFI und der Fachbereich Erziehungswissenschaft in Kassel beim Thema Therapie und Entwicklung von Kindern und Jugendlichen eng zusammenwirkten. So könnten in Bildungsforschung und Lehrerbildung psychoanalytische Ansätze einfließen.

Um die positive Entwicklung des Instituts zu unterstützen und dessen Leistungsfähigkeit nicht zu überfordern, empfiehlt der Wissenschaftsrat, das Forschungsprogramm noch stärker zu fokussieren. Mittelfristig sei es ratsam, sich mit ausdifferenzierten Strategien am Wettbewerb um Drittmittel und Internationalisierung zu beteiligen. So könne das erfolgreiche Modell der deutschlandweiten Kooperationen auch im europäischen und außereuropäischen Raum stärker verankert werden. Für eine organisatorische Stärkung des Instituts empfiehlt der Wissenschaftsrat insbesondere eine zusätzliche Kooperationsprofessur mit der Goethe-Universität in Zusammenarbeit mit dem Fachbereich Psychologie einzurichten. Die Geschäftsführende Direktorin Prof. Dr. Vera King und ihre Leitungskollegen Prof. Dr. Patrick Meurs und Prof. Dr. Heinz Weiß (SFI-Ambulanzleitung & Robert-Bosch-Krankenhaus Stuttgart) freuten sich über die positive Bewertung und die wertvollen Anregungen des Wissenschaftsrats.

Ayse Asar, Staatssekretärin im Wissenschaftsministerium und Vorsitzende des SFI-Stiftungsrates: „Das SFI ist eine von nur wenigen Einrichtungen für psychoanalytische Forschung in Deutschland und leistet einen einzigartigen Beitrag zur Erforschung der Ursachen und Funktionsweisen von seelischem Leid und Krankheit. Die Bewältigung von Traumata und das Wiedererlangen psychischer Gesundheit sind Ziel der Arbeit seiner Ambulanz. Projekte zu den psychosozialen Folgen von Migration und Flucht, nicht zuletzt zu den psychischen Folgen der Digitalisierung, zeigen die Aktualität seiner Forschungsfragen. Ich freue mich, dass der Wissenschaftsrat die von der neuen Leitung unternommenen Anstrengungen zur inhaltlich-strategischen Profilschärfung dieses traditionsreichen Instituts so positiv beurteilt.“

„Auch die Goethe-Universität sieht die intensive Zusammenarbeit mit dem SFI sehr positiv und nimmt die Empfehlungen, diese Zusammenarbeit weiter zu intensivieren, gern auf. Prof. Dr. Vera King hat die psychoanalytisch-sozialwissenschaftliche Forschung erfolgreich vorangebracht, auch zum Nutzen unserer Studierenden. Und es ist ein guter Vorschlag, bei einer künftigen Neuberufung in der Psychologie die Bande noch enger zu knüpfen“, sagt Prof. Dr. Birgitta Wolff, Präsidentin der Goethe-Universität. Und Prof. Dr. Reiner Finkeldey, ihr Amtskollege an der Universität Kassel, betont: „Die Kooperation mit dem SFI ist für die Universität Kassel ein großer Gewinn. Es freut mich, dass dies auch in der positiven Evaluation des Wissenschaftsrats entsprechend aufgenommen wurde. Von der Berufung von Prof. Dr. Patrick Meurs zum Institutsdirektor und Professor für Psychoanalyse 2016 profitieren unsere Studierenden und der Fachbereich Humanwissenschaften ganz erheblich.“

Das Sigmund-Freud-Institut (SFI) ist ein Forschungsinstitut für Psychoanalyse in Frankfurt am Main. Es wurde 1960 als Institut und Ausbildungszentrum für Psychoanalyse und Psychosomatik gegründet und trägt seit 1964 den Namen des Begründers der Psychoanalyse Sigmund Freud. Bis 1994 bestand das Institut in der Rechtsform einer Landesbehörde, 1995 wurde es in eine Stiftung öffentlichen Rechts umgewandelt. Seither dient es als reine Forschungseinrichtung.  Mittelgeber der das SFI tragenden Stiftung ist das Land Hessen.


Bilder zum Download finden Sie unter folgendem Link: www.uni-frankfurt.de/90023599

Bildtext: Der gläserne Anbau für die Hörsäle des Sigmund-Freud-Instituts wurde 2015 eröffnet. (Bild: SWAP Architekten)

Informationen: Prof. Dr. Vera King, Geschäftsführende Direktorin des Sigmund-Freud-Instituts, king@soz.uni-frankfurt.de, Homepage des SFI: www.sigmund-freud-institut.de

Link zur Stellungnahme des Wissenschaftsrats zur SFI-Evaluation: https://www.wissenschaftsrat.de/download/2020/8523-20.pdf;jsessionid=55ED3F9F290DE78ED03744158F064903.delivery1-master?__blob=publicationFile&v=3

Link zur Pressemitteilung des Wissenschaftsrates: https://www.wissenschaftsrat.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/PM_2020/pm_2120.html

 

Jul 13 2020
15:11

Neue Ausgabe von „Forschung Frankfurt“ befasst sich mit dem Thema Digitalisierung / Interview mit Arbeitssoziologin Friedericke Hardering

„Wir brauchen immer eine Verzahnung von Online und Offline“

FRANKFURT. Die Corona-Krise hat vieles verändert – auch in der Arbeitswelt. Die Digitalisierung ist auch hier einen großen Schritt vorangekommen. Defizite bei Ausstattung und Infrastruktur wurden dabei schmerzhaft deutlich, aber auch die Bereiche, in denen analoge Formen des Arbeitens nicht zu ersetzen sind. Die jüngste Ausgabe von „Forschung Frankfurt“, die heute erscheint, trägt den Titel: „Wir in der digitalen Welt – Chancen Risiken Nebenwirkungen“. Darin versammelt ist ein facettenreiches Spektrum an Beiträgen aus der Soziologie, der Rechtswissenschaft, der Psychologie, den Wirtschaftswissenschaften und natürlich auch der Informatik. Den Auftakt macht ein Interview mit der Arbeitssoziologin Friedericke Hardering, die auch Fragen zu den Entwicklungen des zurückliegenden Halbjahres beantwortet.

Deutschland hinke bei der Digitalisierung hinterher, diese weit verbreitete Kritik teilt Hardering – allerdings nur begrenzt: „Es gibt inzwischen durchaus genug Akteure, die Deutschland analog zum Silicon Valley zum Silicon Germany machen wollen. Die Relevanz des Themas wird gesehen.“ Deshalb sieht die Soziologin, die an der Goethe-Universität habilitiert wurde, durchaus optimistisch in die Zukunft. Wobei sie auch den Staat in der Pflicht sieht: „Auch das Silicon Valley hätte es ohne staatliche Hilfe so nicht gegeben: Das ist ja nicht durch die Initiative von Unternehmern entstanden, sondern nur auf der Basis massiver Fördergelder. Ohne eine gute Infrastruktur und die entsprechende Förderung kann es nicht funktionieren.“

Dass analoge Formen des Arbeitens und der Begegnung bald der Vergangenheit angehören könnten, diese Möglichkeit sieht Hardering nicht: „Unter normalen Bedingungen – ohne Corona-Krise – brauchen wir immer eine Verzahnung von Online und Offline, in der Arbeitswelt, aber auch darüber hinaus.“ Denn digitale Technologien seien keineswegs ein Allheilmittel für Krisen jeder Art, sondern sie brächten andere Risiken mit sich. Die in der Corona-Zeit vielgenutzte Möglichkeit des Homeoffice habe Hardering zufolge vor allem gezeigt, wie gespalten die Gesellschaft sei in Bezug auf materielle Ausstattung, aber auch in Bezug auf die Kenntnisse. Die Digitalisierung verschärfe die Ungleichheit zwischen den Menschen weiter.

Unabhängig von der Coronakrise bringt die Digitalisierung auch neue Formen der Arbeitsorganisation hervor, zum Beispiel Crowdworking-Plattformen. Dieser wachsende Bereich stelle auch die Gewerkschaften vor große Herausforderungen: „Soloselbstständigkeit ist ja auch unabhängig von Digitaltechnologie immer ein relativ ungeschützter Bereich mit vielen Unsicherheiten und Prekaritäten.“ Die Frage sei, wie man Soloselbstständige zum kollektiven Handeln bringen könne. Auch in anderer Hinsicht verschärfe die Digitalisierung prekäre Arbeitssituationen. Bei der Rasanz der Entwicklung könnten Regulierungsinstanzen oft nicht mithalten.  

Hardering, die derzeit in einem Projekt zur Entfremdung der Menschen von der Arbeit forscht, spricht im Interview auch darüber, wie sich die Erfahrungen von Beschäftigten in Hinblick auf die Digitalisierung ändern, wie diese sich unter den Bedingungen neuer digitaler Technik die Arbeit aneignen. „Ein Phänomen der Entfremdung wäre zum Beispiel, wenn die Leute davon berichten, dass eine bestimmte Form des Zusammenseins früher in der Arbeit gegeben war, die jetzt, zum Beispiel durch Beschleunigungsprozesse, durch immer höheren Zeit- und Leistungsdruck, nicht mehr da ist“, erklärt die Soziologin. Arbeit sei immer auch ein Ort des sozialen Zusammenseins und somit wichtig für die Weltaneignung.

Auch die sonstigen Beiträge im aktuellen „Forschung Frankfurt“ betrachten die Digitalisierung vor allem unter dem Aspekt der Auswirkungen auf den Einzelnen und die Gesellschaft.

Die aktuelle Ausgabe von „Forschung Frankfurt“ (1/2020) kann von Journalisten kostenlos bestellt werden bei: ott@pvw.uni-frankfurt.de.

Im Web: www.forschung-frankfurt.uni-frankfurt.de.

Informationen: Dr. Friedericke Hardering, E-Mail: f.hardering@soz.uni-frankfurt.de

 

Jul 10 2020
14:07

​Führung am Campus Riedberg vermittelt historische und botanische Aspekte. 17. Juli, 16.00-17.30 Uhr

Der Wissenschaftsgarten im Hochsommer

FRANKFURT. Auch im Hochsommer ist der Wissenschaftsgarten der Goethe-Universität immer einen Besuch wert. Immerhin zählte ihn kürzlich die Hessenschau zu den Top 10 unter den Tipps für die Ferienzeit in Hessen. Robert Anton, Landschaftsarchitekt und Technischer Leiter des Wissenschaftsgartens, wird bei dem Rundgang über die botanische Geschichte der Stadt Frankfurt, die planerische Konzeption des neuen Universitätsgartens, aber auch über die darin laufenden wissenschaftlichen Arbeiten sprechen. Die Teilnehmer erwartet ein gepflegter Garten mit Weitblick zur Skyline.

Die Führung beginnt am Eingang an der Infotafel und führt dann durch die gesamte rund drei Hektar große Gartenanlage. Die Anreise ist auch mit der U-Bahn-Linie U8 gut möglich (einfach Beschilderung Wissenschaftsgarten folgen). Treffpunkt ist am Eingang des Wissenschaftsgartens.

„Der Wissenschaftsgarten im Hochsommer“. 17. Juli 2020, 16.00-17.30 Uhr,  Wissenschaftsgarten, Altenhöferallee 1.

Eine Anmeldung ist notwendig unter wissenschaftsgarten@bio.uni-frankfurt.de, maximal sind 15 Teilnehmer möglich.

 

Jul 9 2020
14:19

​Wegen der Corona-Krise müssen sich neugierige Nachwuchsstudis bis 2021 gedulden

Kinder-Uni 2020 wird verschoben

FRANKFURT. Die 18. Frankfurter Kinder-Uni wird erst im nächsten Jahr stattfinden. Der ursprünglich vorgesehene Termin im September 2020 muss wegen der Corona-Beschränkungen abgesagt werden.

Für viele Schülerinnen, Schüler und Lehrkräfte im Frankfurter Raum ist die Kinder-Uni längst eine feste Größe im Schuljahr. Jahr für Jahr zieht sie an vier aufeinander folgenden Tagen mehr als 10.000 Kinder und ihre erwachsenen Begleitpersonen in den großen Hörsaal am Campus Westend. Nun muss die Veranstaltung erstmals seit ihrem Start im Jahr 2003 abgesagt werden: Wegen der coronabedingten Kontaktbeschränkungen wäre die Durchführung in der gewohnten Weise nicht möglich. Zwar hat das Hessische Kultusministerium den Schulklassen Tagesausflüge in gewissem Umfang inzwischen wieder erlaubt, allerdings nicht im Rahmen einer solchen Großveranstaltung. Zudem besteht nach wie vor das Risiko einer zweiten Infektionswelle, die erneut strengere Vorsichtsmaßnahmen notwendig machen würde.

Die mit den Professorinnen und Professoren bereits vereinbarten Vorlesungen werden um ein Jahr verschoben auf den turnusgemäß nächsten Termin in der Woche vom 27. September bis 1. Oktober 2021. Dabei wird es voraussichtlich ums Klima gehen, um Tierrechte, Märchen und amerikanische Geschichte, soviel sei bereits verraten.

„Natürlich tut es uns besonders leid, dass wir diese Veranstaltung absagen müssen“, sagt Unipräsidentin Prof. Dr. Birgitta Wolff. „Die Kinder-Uni liegt mir persönlich am Herzen – nicht etwa, weil es sich um die größte Veranstaltung im Jahreskalender der Goethe-Uni handelt, sondern weil sie sich an unsere jüngste Zielgruppe wendet. Es ist immer etwas Besonderes, wenn die Schulklassen über den Campus ziehen oder auf den Wiesen Picknick machen. Aber die Sicherheit der Schülerinnen und Schüler geht vor“, so Wolff weiter. Der Hauptförderer der Kinder-Uni, die Dr. Marschner-Stiftung, befürwortet die Absage ebenfalls mit großem Bedauern.

Damit die Wartezeit auf die nächste Kinder-Uni nicht zu lang wird, arbeitet das Kinder-Uni-Team derzeit daran, das Videoangebot auf der Website der Goethe-Universität zu verbessern, so dass die bisherigen Vorlesungen sämtlicher Kinder-Unis seit 2004 zu Hause oder im Unterricht nachgeschaut werden können.

 
Bilder zum Download finden Sie unter folgendem Link: http://www.uni-frankfurt.de/89924761

Bildtext: Neugierige Kinder – wie hier 2018 bei einer Vorlesung von Pilzforschering Prof. Meike Piepenbring – müssen sich leider noch etwas gedulden. Erst 2021 heißt es wieder: Hörsaal frei für die Kinder-Uni und damit für die jüngsten Studis der Goethe-Universität. (Foto: Uwe Dettmar)

Informationen: Dr. Anke Sauter, Referentin für Wissenschaftskommunikation, Abteilung PR & Kommunikation, Campus Westend, Telefon 069 789-13066, E-Mail sauter@pvw.uni-frankfurt.de, www.kinderuni.uni-frankfurt.de.

 

Jul 8 2020
15:56

​Schleiff: „Gemeinsam für ambitionierte Ziele in Lehre und Forschung“

Biologe Enrico Schleiff wird Präsident der Goethe-Universität

FRANKFURT. Prof. Dr. Enrico Schleiff, früherer Vizepräsident und Professor für Molekulare Zellbiologie der Pflanzen an der Goethe-Universität, ist am Mittwoch (8. Juli) vom Erweiterten Senat zum Präsidenten der Goethe-Universität gewählt worden. Die Amtszeit beträgt sechs Jahre und beginnt nach der Ernennung durch den Hochschulrat am 1. Januar 2021.
 
Schleiff erreichte im 3. Wahlgang die notwendige absolute Mehrheit von 18 Stimmen. Stimmberechtigt waren 34 Mitglieder des Erweiterten Senats. Nach dem zweiten Wahlgang hatte die amtierende Präsidentin ihre Kandidatur im Interesse des Gesamtwohls der Universität und unter Betonung der eigenen Unabhängigkeit zurückgezogen.
 
„Ich bin sehr froh über die Wahl und danke dem Erweiterten Senat für das damit gewährte Vertrauen. Ich werde mit aller Kraft darauf hinwirken, die in den letzten Wochen in der Universität aufgetretenen Spannungen konstruktiv zu überwinden. Dabei kann ich auch an meine bereits sechsjährige Erfahrung als Vizepräsident der Goethe-Universität anknüpfen.  Ich lade alle Mitglieder unserer Goethe-Universität zur Zusammenarbeit ein. Nur gemeinsam können wir unsere ambitionierten Ziele in Lehre und Forschung erreichen.“
 
„Denn davon“, so Schleiff, „bin ich überzeugt: Die Goethe-Universität braucht jetzt einen Energieschub, um ihre große Forschungsqualität auch in der vor uns liegenden, neuen Runde der Exzellenzinitiative noch besser sichtbar zu machen.“ Programmatisch entwickelte Schleiff das Bild einer „exzellenten, internationalen Universität im digitalen Zeitalter“ mit der wissenschaftlichen Kompetenz für die Fragen von Entwicklung, Nachhaltigkeit und Gerechtigkeit im 21. Jahrhundert. Eine große Bedeutung misst er dabei Förderstrukturen für die Mitglieder der Universität auf allen Ebenen und dem Ausbau der forschungsfördernden Strukturen und Prozesse bei. Sein Ziel ist es, diese zur Schaffung kreativer Freiräume für alle hochschulrelevanten Bereiche zu nutzen. Einen großen Schwerpunkt seiner Arbeit sieht er auch in der Internationalisierung der Lehre und einer nachhaltigen digitalen Transformation der Universität. Mit den Partnern in der Stadtgesellschaft und in der Region will Schleiff die Kooperation vertiefen und die Universität als zentralen Ort gesellschaftlicher Diskurse verankern.
 
„Bei der Verfolgung ihrer Ziele kann sich die Goethe-Universität auf die ganze Breite einer ‚Volluniversität‘ stützen. Sie ist auf allen Wissenschaftsfeldern hervorragend aufgestellt. Eine große Tradition haben vor allen die Geistes- und Sozialwissenschaften, die auch das nächste Präsidium weiter stärken wird. Spitzenleistungen werden auch in den Natur- und Lebenswissenschaften auf dem Riedberg-Campus und in Niederrad in der Medizin erbracht. Ihrer Arbeit kommt ganz besonders die einzigartige Organisationsform der Goethe-Universität als Stiftungsuniversität zugute. Sie verschafft ihr ein hohes Maß an Autonomie, die es für eine optimale Entwicklung zu erhalten und zu nutzen gilt. Die enge Verbindung der Goethe-Universität mit vielen Stifterinnen und Stiftern ist gerade in jüngster Zeit deutlich sichtbar geworden bei der Unterstützung der Covid-19 Forschung.“
 
Der Vorsitzende des Hochschulrats, Prof. Dr. Matthias Kleiner, gratulierte Schleiff zur Wahl als Präsident: „Der Hochschulrat wird dem neuen Präsidenten mit Rat und Tat zur Seite stehen. Wir hatten zwei hervorragende Persönlichkeiten auf der Wahlliste. Daher bin ich überzeugt, dass mit Herrn Schleiff die positive Entwicklung der Universität fortgesetzt wird. Ich freue mich auf die zukünftige Zusammenarbeit.“
 
Kleiner dankte zugleich der bisherigen Amtsinhaberin, Birgitta Wolff: „Die Goethe-Universität hat in Ihrer Amtszeit einen enormen Sprung gemacht in Richtung von mehr Vernetzung und öffentlich sichtbarer innerer und äußerer Dialogbereitschaft. Sie haben die Universität für neue, auch wissenschaftlich fruchtbare Kooperationen geöffnet und auch bei der weiteren Realisierung des universitären Bauprogramms Meilensteine gesetzt. Dafür gebührt Ihnen der Dank der gesamten Universitätsgemeinschaft.“
 
Kleiner äußerte außerdem die Hoffnung, dass die vor der Wahl auch öffentlich gewordenen, unterschiedlichen Perspektiven von Senat und Hochschulrat auf die Governance der Stiftungsuniversität einvernehmlich zusammengeführt werden können. Er betonte, dass das Wahlverfahren zum Gesamtwohl der Goethe-Universität regelgerecht dem Prinzip von „checks and balances“ und damit einer Gewaltenteilung der Gremien folge.
 
Prof. Dr. Enrico Schleiff ist seit 2007 Professor für Molekulare Zellbiologie der Pflanzen an der Goethe-Universität Frankfurt und war u.a. von 2014 bis 2018 als Direktor des Buchmann Institute for Molecular Life Sciences (BMLS) tätig und ist derzeit Direktor des Frankfurt Institute for Advanced Studies (FIAS). Er hat von 2012-2017 das International Training Network „SPOT-ITN“ geleitet, war Vize-Sprecher des Exzellenzcluster „Makromolekulare Komplexe“ und leitet heute den RMU-LOEWE Schwerpunkt „DynaMem“. Von April 2012 bis März 2018 war Enrico Schleiff Vizepräsident der Goethe-Universität Frankfurt mit dem Ressort wissenschaftlicher Nachwuchs, Gleichstellung und akademische Infrastrukturen. Er ist unter anderem seit 2013 stellvertretender Vorsitzender des Universitätsverbandes UniWiND.

 

Jul 8 2020
12:06

DFG bewilligt neues Graduiertenkolleg zur Bildanalyse in den Lebenswissenschaften

Mikroskopie für Fortgeschrittene

FRANKFURT. Moderne Mikroskopietechniken gewähren faszinierende Einblicke in Gewebe, Zellen, ja sogar große Moleküle. Doch die Datensätze sind mittlerweile so groß, dass man zu ihrer Interpretation fortgeschrittene Kenntnisse in der Bildanalyse benötigt. Diese wird nun ein interdisziplinäres Graduiertenkolleg an der Goethe-Universität vermitteln, das an der Schnittstelle von Lebenswissenschaften und Informatik angesiedelt ist. Das Vorhaben wird in den kommenden 4,5 Jahren von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.

„Hochauflösende Bilder sind heute so komplex, dass es immer schwieriger wird, die darin verborgenen Informationen effektiv auszuwerten“, erklärt Prof. Achilleas Frangakis, Experte für Elektronenmikroskopie am Institut für Biophysik. Gemeinsam mit Prof. Ernst Stelzer, der am Institut für Physikalische Biologie die Lichtscheiben-Mikroskopie etabliert hat, will er Doktoranden aus Biologie, Physik und Informatik nun eine gezielte Forschungsausbildung bieten, die sowohl Kenntnisse in der Mikroskopie als auch in der Informatik vermittelt.

Derzeit erwerben Informatiker und Physiker, die Algorithmen für die Bildanalyse entwickeln, erst gegen Ende ihrer Ausbildung Kenntnisse in den Lebenswissenschaften. Diesen Weg haben Frangakis und Stelzer, beide studierte Physiker, selbst beschritten. „Biologen fehlt es dagegen an Datenverarbeitungskompetenz“, sagt Stelzer. „Sie sind sich relevanter Entwicklungen nicht bewusst und können fortschrittliche Technologien nicht eigenständig einsetzen.“

Im Graduiertenkolleg „Verknüpfung von Bildanalyse und Molekularen Lebenswissenschaften“ sollen die Doktorandinnen und Doktoranden nun das Design, die Konstruktion und den automatisierten Einsatz moderner Mikroskopietechniken in multidisziplinären Arbeiten optimieren. Die Goethe-Universität verfügt über zahlreiche Techniken, mit denen sie eine große Breite von zeitlichen und räumlichen Auflösungen abdeckt: Kryo-Elektronentomographie, hochauflösende und lichtscheibenbasierte Fluoreszenzmikroskopie, Raman-Mikroskopie sowie Multiphotonen-Mikroskopie. Im Graduiertenkolleg lernen die Doktoranden, die großen Datensätze mit modernen Algorithmen zu untersuchen. Geplant ist weiterhin, Algorithmen für teilautonome Bildanalysen und Interpretationen auf Supercomputern zu implementieren.


Weitere Informationen:
Prof. Dr. Achilleas Frangakis,
Institut für Biophysik
Buchmann Institut für Molekulare Lebenswissenschaften
Tel.: (069) 798-46462
E-mail: achilleas.frangakis@biophysik.uni-frankfurt.de

Prof. Dr. Ernst Stelzer
Institut für Physikalische Biologie
Buchmann Institut für Molekulare Lebenswissenschaften
Tel.: (069) 798-42547
E-mail: ernst.stelzer@physikalischebiologie.de

 

Jul 7 2020
15:53

​Fonds erreicht mit 2,5 Millionen Euro Hälfte des Spendenziels – Medizinische Forschung im Fokus

Goethe-Corona-Fonds: Mit der Eintracht in die zweite Halbzeit!

FRANKFURT. Eine Spende von Eintracht Frankfurt hat den Goethe-Corona-Fonds jetzt die 2,5 Millionen Euro-Marke übersteigen lassen. Damit ist die Hälfte des anvisierten Spendenziels von fünf Millionen Euro erreicht.

Der Eintracht-Sportvorstand Fredi Bobic erklärt: „Die Solidarität über alle Bereiche hinweg – ob Tageskartenbesitzer, Businesskunden oder Sponsoren – ist einfach bemerkenswert. Es ist ein super Zeichen für Frankfurt, dass jeder, der konnte, uns dieses Vertrauen geschenkt hat und das ihm zugestandene Geld freiwillig weitergegeben hat.“ Der Sportvorstand ist sich zugleich sicher, dass die finanziellen Zuwendungen an der richtigen Adresse landen: „Die Arbeit des Universitätsklinikums während der Coronakrise ist nicht hoch genug zu bewerten“, sagt Bobic während der Scheckübergabe.

Seit Beginn der Spendenaktion von Goethe-Universität und Universitätsklinikum Frankfurt haben neben den Eintracht-Fans weitere 1.500 meist Frankfurter Bürger, Stiftungen und Unternehmen den Fonds unterstützt, darunter auch langjährige Förderer der Goethe-Universität wie die Deutsche Apotheker- und Ärztebank und die Sanacorp eG Pharmazeutische Großhandlung. Und auch Stiftungen haben sich sehr großzügig gezeigt. So zum Beispiel die BHF BANK Stiftung, die Detlef Hübner Stiftung, die Uniscientia Stiftung und die Lilly Deutschland Stiftung. Für eine Plakat-Kampagne in Frankfurt, stellte die Ströer Deutsche Städte Medien GmbH über 300 Litfaßsäulen zur Verfügung. Knapp 200 weitere Säulen machen im Frankfurter Umland auf den Fonds aufmerksam.

Der Pharmazeut und Vizepräsident der Goethe-Universität, Professor Manfred Schubert-Zsilavecz, betonte die Herausforderungen für die Forschung: „Trotz großer Fortschritte ist die Suche nach wirksamen Medikamenten gegen diesen neuen Erreger ein langwieriger Forschungsprozess, der unsere langfristige Unterstützung benötigt. Wir danken allen, die diesen Forschungs-Marathon durch Spenden für den Goethe-Corona-Fonds ermöglichen. In unserem Corona-Marathon haben wir noch ein gutes Stück des Weges vor uns. Bitte begleiten Sie uns und unsere Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auch weiterhin durch Ihre großherzige Unterstützung!“


Spendenmöglichkeiten:

Betterplace:
www.goethe-corona-fonds.betterplace.org
Spendenkonto des Goethe-Corona-Fonds
IBAN DE95 5005 0000 0001 0064 10
Landesbank Hessen-Thüringen
Verwendungszweck: Goethe-Corona-Fonds

Weitere Informationen:
Goethe-Universität
Abteilung Private Hochschulförderung
Susanne Honnef
Telefon 069 798-12433,
E-Mail honnef@pvw.uni-frankfurt.de

 

Jul 6 2020
18:45

Röntgenstrukturanalyse gibt detaillierte Einblicke in molekulare Wirkstoff-Fabrik

Wie bauen Bakterien Naturstoffe auf?

FRANKFURT. Die Wirkstoffe vieler Medikamente sind Naturstoffe, so benannt, weil oft nur Mikroorganismen die komplexen Strukturen herstellen können. Ähnlich wie am Fließband einer Fabrik setzen große Enzymkomplexe diese Wirkstoff-Moleküle zusammen. Einem Team der Goethe-Universität Frankfurt und der Technischen Universität München (TUM) ist es jetzt gelungen, die grundlegenden Mechanismen einer dieser molekularen Fabriken aufzuklären. (Nature Chemistry, DOI: 10.1038/s41557-020-0491-7)

Viele wichtige Medikamente, beispielsweise Antibiotika oder Wirkstoffe gegen Krebs, sind Naturstoffe, die von Mikroorganismen wie zum Beispiel Bakterien oder Pilzen aufgebaut werden. Im Labor können sie diese Naturstoffe oft gar nicht oder nur mit großem Aufwand hergestellt werden. Ausgangsbasis für eine große Zahl solcher Verbindungen sind Polyketide, Kohlenstoffketten, bei denen jedes zweite Atom eine Doppelbindung zu einem Sauerstoffatom besitzt.

In der Zelle eines Mikroorganismus wie des Bakteriums Photorhabdus luminescens entstehen sie mit Hilfe von Polyketidsynthasen (PKS). Um schrittweise die gewünschten Moleküle aufzubauen, arbeiten bei Typ II PKS-Systemen in der ersten Stufe vier Proteine in wechselnden „Teams“ zusammen.

In einer zweiten Stufe werden diese dann durch weitere Enzyme zum gewünschten Naturstoff modifiziert. Beispiele für so hergestellte bakterielle Naturstoffe sind unter anderem die klinisch genutzten Tetracyclin-Antibiotika oder das Krebsmedikament Doxorubicin.

Interdisziplinäre Zusammenarbeit

Während die modifizierenden Schritte der zweiten Stufe für viele Wirkstoffe gut untersucht sind, gab es bisher kaum Einblicke in die grundsätzliche Arbeitsweise der ersten Stufe dieser molekularen Wirkstoff-Fabriken, bei der das sehr reaktive Polyketid-Zwischenprodukt am Enzymkomplex gebunden und geschützt vorliegt, so dass es nicht spontan reagieren kann.

Diese Lücke schließen nun die im renommierten Fachjournal Nature Chemistry veröffentlichten Ergebnisse der Kooperation zwischen den Arbeitsgruppen von Michael Groll, Professor für Biochemie an der TU München, und Helge Bode, Professor für Molekulare Biotechnologie der Goethe-Universität Frankfurt.

Erkenntnisse inspirieren zu neuen Wirkstoffsynthesen

„Im Rahmen dieser Arbeit konnten wir erstmals Komplexe der verschiedenen Partner-Proteine der Typ II Polyketidsynthase mit Hilfe der Röntgenstrukturanalyse analysieren und so den ganzen katalytischen Zyklus im Detail verstehen“, erläutert Michael Groll.

„Basierend auf diesen Erkenntnissen wird es in Zukunft möglich sein, gezielt in die zentralen biochemischen Prozesse einzugreifen und damit die Grundstrukturen zu verändern, anstatt sich auf die dekorierenden Enzyme zu beschränken“, ergänzt Helge Bode.

Bis verbesserte Antibiotika und andere Medikamente entstehen ist es zwar ein weiter Weg, aber beide Gruppen sind optimistisch, dass nun auch die noch fehlenden Teile der molekularen Fabrik in Struktur und Mechanismus aufgeklärt werden können. „Wir haben bereits vielversprechende Daten von den weiteren Protein-Komplexen“, sagt Maximilian Schmalhofer, der als Doktorand in München an der Studie beteiligt war.

Die Arbeiten wurden gefördert mit Mitteln der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) im Rahmen des SPP 1617, des SFB 1035 sowie des Exzellenzclusters Center for Integrated Protein Science München (CIPSM) und des LOEWE Schwerpunkts MegaSyn des Landes Hessen. Röntgenstrukturdaten wurden am Paul Scherrer Institut in Villigen (Schweiz) gemessen. Die Swedish National Infrastructure for Computing stellte Rechenzeit für die theoretische Modellierung zur Verfügung.


Publikation: Alois Bräuer, Qiuqin Zhou, Gina L.C. Grammbitter, Maximilian Schmalhofer, Michael Rühl, Ville R.I. Kaila, Helge B. Bode und Michael Groll: Structural snapshots of the minimal PKS system responsible for octaketide biosynthesis, Nature Chemistry, DOI: 10.1038/s41557-020-0491-7, Link: https://www.nature.com/articles/s41557-020-0491-7


Weitere Informationen:
Goethe-Universität Frankfurt
Prof. Dr. Helge B. Bode
Molekulare Biotechnologie
Fachbereich Biowissenschaften &
Buchmann Institute for Molecular Life Sciences (BMLS)
Tel. +49 (0)69 798 29557
h.bode@bio.uni-frankfurt.de
https://www.bio.uni-frankfurt.de/40690675/Institut_MBW?locale=de

Technische Universität München
Prof. Dr. Michael Groll
Lehrstuhl für Biochemie
Tel.: +49 89 289 13360
michael.groll@tum.de
Web: https://www.department.ch.tum.de/biochemie/

 

Jul 3 2020
12:52

​Straßen nach Naturwissenschaftlern der Goethe-Universität benannt

Drei Schilder für den Campus Riedberg

FRANKFURT. Nun ist es für jedermann sichtbar: Die Mikrobiologin Emmy Klieneberger-Nobel, der Atomphysiker Friedrich Hermann Hund und der Chemiker Sir Alexander Todd sind die mit der Goethe-Universität verbundenen Naturwissenschaftler, die drei bislang namenlosen Straßen auf dem Campus Riedberg einen Namen geben.

Der Ortsbeirat 8 hatte sich im Sommer 2018 für die Namensvorschläge der Universität ausgesprochen; nun wurden die neuen Straßennamen Ende Juni mit dem Anbringen der Schilder öffentlich gemacht.

Vizepräsident Manfred Schubert-Zsilavecz, der im Ortsbeirat engagiert für die drei Wissenschaftler geworben hatte, ist froh über diesen Schritt. „Wir erinnern nicht nur an drei hervorragende Forscher, die mit der Goethe-Universität verbunden sind und von denen zwei – Hund und Todd – in die Geschichte ihres Fachs eingegangen sind. Wir würdigen im Fall von Emmy Klieneberger auch eine Frau und Jüdin, die ihre wissenschaftliche Laufbahn nur unter schwersten Bedingungen beginnen und fortsetzen konnte.“

Die Bakteriologin Emmy Klieneberger-Nobel (1892-1985) war die erste Frau, die in den 20er Jahren an der Universität Frankfurt gegen Widerstände von Kollegen habilitiert wurde. Mit ihr wird nicht nur an eine der wenigen Frauen in den Anfängen der Universität erinnert, sondern auch an das Schicksal der jüdischen Universitätsangehörigen im Nationalsozialismus: 1933 wurde der Bakteriologin aufgrund ihrer jüdischen Abstammung die Lehrbefugnis entzogen. Kurz darauf emigrierte sie nach London, wo sie ihre Forschungen bis zu ihrer Emeritierung fortsetzen und sich als Mitentdeckerin der sogenannten Mykoplasmen einen Namen machen konnte. Ihren Namen trägt nun der Weg am Biologicum.

Die campusinterne Verbindung von Physikalischen und Chemischen Instituten ist nach dem renommierten Atomphysiker Friedrich Hund (1896-1997) benannt. Der Assistent Max Borns und Kollege Werner Heisenbergs war von 1951 bis 1957 in Frankfurt Ordinarius für Theoretische Physik. Mit den berühmten „Hundschen Regeln“ über Elektronen prägte er den Wandel der Quantentheorie in den zwanziger Jahren; er gilt ebenso als Entdecker des später sogenannten, für die Entwicklung der Quantenmechanik bedeutenden „Tunneleffekts“.

Die Zufahrtsstraße von der Altenhöferallee in Richtung Biozentrum erinnert an den Chemiker und Nobelpreisträger Sir Alexander Robertus Todd (1907-1997). Der Brite Todd promovierte an der Universität Frankfurt, danach kehrte er nach Großbritannien zurück, wo er nach mehreren Stationen bis zu seiner Emeritierung an der Universität Cambridge lehrte. Alexander Todd war einer der Pioniere der Erforschung der Nukleinsäuren, mit denen er Grundsteine für die moderne Genetik, Biochemie und Molekularbiologie legte. 1957 wurde ihm der Nobelpreis für Chemie verliehen.

Die Entscheidung für die drei Naturwissenschaftler war in der Goethe-Universität bereits Anfang 2015 gefallen. Mit dem Anbringen der Straßenschilder auf dem Campus der Naturwissenschaften kommt der Prozess der Straßenbenennung nun zu einem Abschluss.

 
Bilder zum Download finden Sie unter folgendem Link: http://www.uni-frankfurt.de/89815490

Bildtext:
(Foto Klieneberger) Die Bakteriologin Emmy Klieneberger-Nobel habilitierte sich als erste Frau an der Universität Frankfurt
(Foto Hund) Friedrich Hund war von 1951 bis 1957 Ordinarius am Fachbereich Physik der Universität Frankfurt
(Foto Todd) Sir Alexander Robertus Todd, Nobelpreisträger im Fach Chemie, promovierte an der Goethe-Universität

 

Jun 24 2020
11:30

​Jahrzehnte altes Rätsel um Krebswirkstoff Nelarabin gelöst

Leukämie effektiver behandeln

FRANKFURT. Die akute lymphatische Leukämie (ALL) ist die häufigste Krebserkrankung bei Kindern. Mit dem Wirkstoff Nelarabin ist T-ALL, eine Unterform, die T-Lymphozyten ähnelt, gut behandelbar. Nicht jedoch die B-ALL, eine Unterform, die B-Lymphozyten ähnelt. Die Ursache für diesen Unterschied war seit den 1980er Jahren für Onkologen ein Rätsel. Ein internationales Forschungsteam unter der Leitung der Goethe-Universität und der University of Kent hat jetzt den Grund dafür gefunden: B-ALL-Zellen enthalten das Enzym SAMHD1, das den Wirkstoff inaktiviert. (Communications Biology, DOI 10.1038/s42003-020-1052-8)

In der aktuellen Ausgabe von „Communications Biology“  berichten Prof. Jindrich Cinatl vom Institut für Medizinische Virologie der Goethe-Universität und Prof. Martin Michaelis von der School of Biosciences an der University of Kent über ihre Untersuchungen mit Neralabin an verschiedenen Zelllinien. „Nelarabin ist eine Vorstufe des Wirkstoffs, ein Prodrug, das erst wirksam wird, wenn es in der Leukämie-Zelle mit drei Phosphatgruppen verknüpft wird“, erklärt Prof. Cinatl. „In Untersuchungen verschiedener ALL-Zelllinien und Leukämiezellen von ALL Patienten konnten wir nun zeigen, dass das Enzym SAMHD1 die Phosphatgruppen wieder abspaltet, sodass das Medikament seine Wirkung verliert.“ Weil B-ALL-Zellen mehr SAMHD1 enthalten als T-ALL-Zellen, ist Nelarabin bei der B- ALL weniger wirksam.

Diese Ergebnisse können die Therapie der ALL künftig verbessern. Denn in seltenen Fällen enthalten B-ALL-Zellen nur wenig SAMHD1, sodass hier Nelarabin zum Einsatz kommen könnte. Umgekehrt gibt es auch seltene Fälle von T-ALL, die viel SAMHD1 aufweisen. Dann wäre das sonst wirksame Nelarabin nicht das geeignete Medikament. Dazu Prof. Michaelis: „SAMHD1 ist demnach ein Biomarker, der es uns erlaubt, die Behandlung mit Nelarabin besser an die individuelle Situation des ALL-Patienten anzupassen.“

Tamara Rothenburger, deren Doktorarbeit durch den Verein „Hilfe für krebskranke Kinder Frankfurt Frankfurt e.V.“ gefördert wurde, blickt zufrieden auf ihre Forschung zurück: „Ich hoffe, dass viele Leukämie-kranke Kinder von den Ergebnissen profitieren werden.“ Die Forschung wurde außerdem von der Frankfurter Stiftung für krebskranke Kinder unterstützt. Weitere Mitglieder der Forschungsgruppe waren die Ludwig-Maximilians-Universität München und das University College London.
 

Publikation: Tamara Rothenburger, Katie-May McLaughlin, Tobias Herold, Constanze Schneider, Thomas Oellerich, Florian Rothweiler, Andrew Feber, Tim R. Fenton, Mark N. Wass, Oliver T. Keppler, Martin Michaelis, Jindrich Cinatl . SAMHD1 is a key regulator of the lineage-specific response of acute lymphoblastic leukaemias to nelarabine. Communications Biology, DOI 10.1038/s42003-020-1052-8, https://rdcu.be/b49lf
 

Weitere Informationen:
Prof. Dr. rer. nat. Jindrich Cinatl
Institut für Medizinische Virologie
Universitätsklinikum Frankfurt
Tel.: (069) 6301-6409
E-mail: cinatl@em.uni-frankfurt.de

 

Jun 22 2020
11:19

Forscher aus Frankfurt stellen in Hefen Tsetse-Lockstoff zur Eindämmung der Schlafkrankheit her

Tsetse-Fliegenfalle: Biotechnologie für Afrikas Landbevölkerung

FRANKFURT. Weil die Tsetse-Fliege die Schlafkrankheit übertragen kann, wird sie in Afrika mit Insektiziden bekämpft oder in Fallen gefangen. Biowissenschaftler der Goethe-Universität Frankfurt haben jetzt ein Verfahren entwickelt, mit dem der Lockstoff für die Fallen in einem biotechnologischen Verfahren in Hefen hergestellt werden kann. Künftig, so hoffen die Frankfurter Wissenschaftler, könnten die Lockstoffe kostengünstig vor Ort in ländlichen Gebieten Afrikas produziert werden. (Scientific Reports, DOI: 10.1038/s41598-020-66997-5)

Südlich der Sahara kommt die Tsetse-Fliege in weiten Teilen Afrikas vor. Die Fliege ernährt sich von menschlichem und tierischem Blut. Dabei kann sie Trypanosomen übertragen, kleine einzellige Organismen, die die Fliege als Zwischenwirt nutzen und bei Mensch und Tier eine gefährliche Entzündung des Lymph- und Nervensystems auslöst. Gegen diese Schlafkrankheit gibt es keine Impfung, unbehandelt führt sie meist zum Tode. In der Landwirtschaft, insbesondere der Rinderzucht, führt die Schlafkrankheit – hier Trypanosomiasis genannt – zu großen Schäden durch krankes und verendendes Vieh.

Neben der Verwendung von Insektiziden gegen Tsetse-Fliegen werden die Insekten in Fallen gefangen. Als Lockstoffe verwendet man unter anderem Substanzen, die auch im Rinderurin vorkommen und Tsetse-Fliegen anlocken. Über chemische Verfahren werden diese Substanzen (chemisch: 3-Ethyl-Phenol und 3-Propyl-Phenol, kurz 3-EP und 3-PP) aus Erdöl-Derivaten oder zum Beispiel aus Extrakten von Cashew-Nussschalen synthetisiert. Beide Verfahren sind aber aufwändig und für ländliche Gemeinschaften in Afrika nicht praktikabel und zu teuer.

In einem Forschungsprojekt des LOEWE-Schwerpunktes MegaSyn ist es Molekularbiologen der Goethe-Universität jetzt gelungen, 3-EP und 3-PP in gentechnisch veränderter Bierhefe (Saccharomyces cerevisiae) herzustellen. Dabei nutzten sie einen Hefestamm, in dem sie zuvor einen neuen Stoffwechselzweig eingeführt hatten und dessen Zuckerstoffwechsel verändert wurde. Dadurch wurden die Hefen in die Lage versetzt, aus Zucker ähnlich hohe Konzentrationen von 3-EP und 3-PP herzustellen, wie sie in Rinderurin vorkommen.

Doktorandin Julia Hitschler vom Institut für Molekulare Biowissenschaften an der Goethe-Universität erklärt: „Unsere Hefen könnten in Afrika idealerweise in Nährlösungen auf der Basis von pflanzlichen Abfallstoffen, Nahrungsmittel- oder Futterresten wachsen. Damit würde eine Produktion der Lockstoffe annähernd kostenfrei möglich. Derzeit suchen wir Partner, mit deren Hilfe wir unsere Hefen vor Ort testen und der Bevölkerung zur Verfügung stellen können.“

Das Potenzial der neuen Hefen gehe sogar über die Tsetse-Lockstoffe hinaus, ergänzt Prof. Eckhard Boles, Leiter des Projektes. In Zukunft könnten auch andere Substanzen, die bisher aus Erdöl oder Kohle gewonnen werden, durch die neuen Hefen hergestellt werden: „Unsere Hefen könnten zur Erzeugung anderer Alkylphenole als 3-EP und 3-PP weiterentwickelt werden. Solche Alkylphenole könnten zur Produktion von Schmieröladditiven oder oberflächenaktiven Substanzen in Reinigungsmitteln genutzt werden.“

Publikation: Julia Hitschler, Martin Grininger, Eckhard Boles: Substrate promiscuity of polyketide synthase enables production of tsetse fly attractants 3-ethylphenol and 3-propylphenol by engineering precursor supply in yeast. Scientific Reports, https://doi.org/10.1038/s41598-020-66997-5


Informationen:
Prof. Dr. Eckhard Boles
Institut für Molekulare Biowissenschaften
Goethe-Universität Frankfurt
Tel: +49 (0)69 798 29513
e.boles@bio.uni-frankfurt.de
http://www.bio.uni-frankfurt.de/boles

 

Jun 18 2020
12:59

​Der Amerikanist Simon Wendt von der Goethe-Universität über rassistisch motivierte Geschehnisse in den USA und Europa

Tief verankerte Ressentiments und Ängste

FRANKFURT. Wie viel Rassismus hält die US-amerikanische Gesellschaft aus? Ist durch die gegenwärtigen – auch weltweiten – Proteste gegen Rassismus ein Wandel zum Besseren in Sicht? Prof. Dr. Simon Wendt, Amerikanist an der Goethe-Universität, ist da weiterhin skeptisch. Seiner Meinung nach können die gegenwärtigen Proteste wie auch schon die in der Vergangenheit keinen grundlegenden Durchbruch zum Besseren bewirken, so lange es keinen fundamentalen Einstellungswandel in der Gesellschaft gibt – sowohl in den USA als auch in Europa. Immerhin: Die neue Qualität der Auseinandersetzung und Reaktionen darauf wie z.B. angekündigte Polizeireformen geben ihm zumindest Anlass für ein wenig Hoffnung.

„Mehrere Städte und Bundesstaaten haben sich sehr zügig dazu entschlossen, die Polizei zu reformieren bzw. umzuorganisieren“, begründet Simon Wendt seine Haltung in einem Interview im Online-Magazin der Goethe-Universität. Allerdings bleibe abzuwarten, ob weitere Bundesstaaten dem Beispiel folgen würden und ob der amerikanische Kongress diese Reformen per Gesetz unterstützen werde. Aber auch schon Veränderungen auf lokaler Ebene seien ein Lichtblick.

Einen Grund für die bei vielen Weißen tief verwurzelten Ressentiments und Ängste gegenüber ihren dunkelhäutigen Landsleuten sieht Wendt in der mangelnden Aufarbeitung der Vergangenheit. „Es gibt in den USA keinen Versuch, mit der Sklaverei oder deren Erbe kritisch umzugehen. Wenn dann sowas passiert wie der Mord an George Floyd, sind die Leute immer so ein bisschen schockiert, mittlerweile auch die Republikaner“, so Wendt. Auch in den Schulen werde vor allem vermittelt, dass die USA eine besondere Nation sei, die zwar in der Vergangenheit Probleme gehabt habe, diese aber gemeistert habe.

Das gesamte Interview lesen Sie im Online-Magazin der Goethe-Universität unter:
https://aktuelles.uni-frankfurt.de/gesellschaft/amerikanist-simon-wendt-im-gespraech-ueber-rassismus-und-protestbewegung-in-den-usa/


Ein Bild von Prof. Wendt zum Download finden Sie unter folgendem Link: http://www.uni-frankfurt.de/89285972

Bildtext: „Ein bisschen Grund zur Hoffnung“: Prof. Dr. Simon Wendt, Amerikanist an der Goethe-Universität. (Foto: privat)

Informationen: Prof. Dr. Simon Wendt, Institut für England- und Amerikastudien, Campus Westend, Telefon 069 798-32368, E-Mail wendt@em.uni-frankfurt.de.

 

Jun 17 2020
13:31

​Eine spieltheoretische Studie zeigt, dass Neid gepaart mit Wettbewerb eine Gesellschaft in eine obere und eine untere Klasse aufspaltet

Neid spaltet die Gesellschaft

FRANKFURT. Können Klassenunterschiede endogen entstehen, also unabhängig von Geburt und Bildung? Dieser Frage ist Prof. Dr. Claudius Gros vom Institut für Theoretische Physik der Goethe-Universität in einer spieltheoretischen Studie nachgegangen. Dabei konnte er zeigen, dass das urmenschliche Bedürfnis, sich mit anderen zu vergleichen, der ursächliche Grund für die Herausbildung sozialer Schichten sein kann.

Es ist allgemein anerkannt, dass Unterschiede in Herkunft und Bildung Klassenunterschiede zementieren. Weniger klar ist hingegen, wann und unter welchen Umständen individualpsychologische Kräfte eine anfänglich homogene soziale Gruppe auseinandertreiben und schlussendlich aufspalten können. Claudius Gros, Professor für Theoretische Physik an der Goethe-Universität, hat diese Fragestellung mit spieltheoretischen Methoden mathematisch-präzise untersucht. „Dabei werden Gesellschaften von Agenten – also handelnden Individuen – simuliert, die ihren eigenen Erfolg nach vorgegebenen Regeln individuell optimieren. Ich wollte in erster Linie herausfinden, ob sich soziale Unterschiede selbstständig auch dann herausbilden, wenn niemand von vornherein im Vorteil ist, d. h., wenn alle handelnden Personen über die gleichen Fähigkeiten und Möglichkeiten verfügen“, erklärt der Physiker.

Die Untersuchung basiert auf der Annahme, dass es in jeder Gesellschaft Dinge gibt, die begehrt, aber knapp sind – Arbeitsplätze etwa, soziale Kontakte und Machtpositionen. Wenn die Topstelle schon vergeben ist und man deshalb den zweitbesten Job annehmen muss, dann führt das zu Ungleichheiten – jedoch noch nicht zu einer Spaltung der Gesellschaft. Mit Hilfe mathematischer Berechnungen konnte Gros nun zeigen, dass Neid, der dem Bedürfnis entspringt, sich mit anderen zu vergleichen, das individuelle Verhalten und damit die Strategien der Agenten charakteristisch verändert. Als Folge des veränderten Verhaltens entstehen dann zwei strikt voneinander getrennte soziale Klassen.

Die Spieltheorie stellt für die Studie von Gros die mathematischen Werkzeuge zur Verfügung, die notwendig sind, um Entscheidungssituationen mit mehreren Beteiligten zu modellieren. Besonders aufschlussreich sind im Allgemeinen Konstellationen, bei denen sich die Entscheidungsstrategien der einzelnen Akteure wechselseitig beeinflussen. Der Erfolg des Einzelnen hängt dann nicht nur vom eigenen Handeln, sondern auch von dem anderer ab, was typisch sowohl für den ökonomischen wie für den sozialen Kontext ist. Die Spieltheorie ist daher fest in der Ökonomie verankert. Der stabile Zustand wird durch das „Nash-Gleichgewicht“ beschrieben, ein Konzept, das John Forbes Nash 1950 in seiner Dissertation am Beispiel von Pokerspielern entwickelt hat. Es besagt, dass es im Gleichgewicht für keinen Spieler vorteilhaft ist, seine Strategie zu ändern, wenn die anderen Spieler ihre Strategien beibehalten. Nur, wenn es sich potentiell auszahlt, probiert das Individuum neue Verhaltensmuster aus. Da diese Ursachenkette auch für evolutionäre Prozesse zutrifft, greifen u. a. auch die Evolutions- und Verhaltenswissenschaften regelmäßig auf spieltheoretische Modelle zurück, zum Beispiel bei der Erforschung von tierischen Verhaltensweisen, wie der Wahl der Vogelflugrouten oder dem Kampf um Nistplätze.

Auch in einer neidinduzierten Klassengesellschaft lohnt es sich für den Einzelnen nicht, seine Strategie zu ändern, so Gros, sie ist also Nash-stabil. In der gespaltenen Neidgesellschaft gibt es einen markanten Einkommensunterschied zwischen der oberen und der unteren Klasse, der für alle Mitglieder der jeweiligen sozialen Schicht derselbe ist. Typisch für die Mitglieder der unteren Klasse ist nach Gros, dass sie ihre Zeit auf eine Reihe unterschiedlicher Tätigkeiten verteilten, was man spieltheoretisch als eine „gemischte Strategie“ bezeichnet. Mitglieder der oberen Klasse konzentrierten sich indes auf eine einzige Aufgabe, d. h., sie verfolgen eine „reine Strategie“. Auffallend ist auch, dass die obere Klasse zwischen unterschiedlichen Optionen wählen kann, während der unteren Klasse nur eine einzige gemischte Strategie zur Verfügung steht. „Die obere Klasse ist daher individualistisch, während Agenten in der unteren Klasse sozusagen in der Masse aufgehen“, resümiert der Physiker.

Im Modell von Claudius Gros ist es Zufall, ob ein Agent am Ende in der oberen oder in der unteren Klasse landet. Nicht die Herkunft entscheidet, sondern die Wettbewerbsdynamik. Für seine Studie hat Gros ein neues spieltheoretisches Modell entwickelt, das „Shopping Trouble Modell“, und eine exakte analytische Lösung ausgearbeitet. Daraus leitet er ab, dass eine neidinduzierte Klassengesellschaft Eigenschaften hat, die in der Theorie komplexer Systeme als universell bezeichnet werden. Die Folge ist, dass sich die Klassengesellschaft bis zu einem gewissen Grad der politischen Kontrolle entzieht. Politische Entscheidungsträger verlieren einen Teil ihrer Kontrollmöglichkeiten, wenn sich die Gesellschaft spontan in soziale Schichten aufteilt. Zudem zeigt Gros' Modell, dass sich Neid umso stärker auswirkt, je stärker der Wettbewerb um begrenzte Ressourcen ist. „Diese spieltheoretischen Erkenntnisse könnten für die heutigen Gesellschaften von zentraler Bedeutung sein. Selbst eine ‚ideale Gesellschaft' ist dauerhaft nicht stabil zu halten – was letztlich auch das Streben nach einer kommunistischen Gesellschaft unrealistisch erscheinen lässt“, sagt der Wissenschaftler.


Publikation: Claudius Gros, Self induced class stratification in competitive societies of agents: Nash stability in the presence of envy, Royal Society Open Science, Vol 7, 200411 (2020).

Link: https://royalsocietypublishing.org/doi/10.1098/rsos.200411

Informationen: Prof. Dr. Claudius Gros, Institut für Theoretische Physik, Campus Riedberg, E-Mail gros07@itp.uni-frankfurt.de

 

Jun 17 2020
12:36

​LOEWE-Schwerpunkt Prähistorische Konfliktforschung an der Goethe-Universität und der Römisch-Germanischen Kommission des Deutschen Archäologischen Instituts findet seinen Abschluss

Beeindruckende Zeugnisse des Krieges

FRANKFURT. Schon vor mehr als 3000 Jahren gab es Krieg: Der nun abgeschlossene LOEWE-Schwerpunkt „Prähistorische Konfliktforschung“ von Goethe-Universität und Deutschem Archäologischem Institut hat gezeigt, dass die Gewaltmittel der Bronzezeit und die trutzig befestigten Burgen, durchaus nicht nur als Symbole zu sehen sind.

Von 2016 bis 2019 wurde im Rahmen der Landesoffensive zur Entwicklung wissenschaftlich-ökonomischer Exzellenz (LOEWE) von Goethe-Universität und Römisch-Germanischer Kommission in Frankfurt im Schwerpunkt „Prähistorische Konfliktforschung“ nach frühen Formen kriegerischer Konflikte geforscht. Im Fokus standen Burgen zwischen Taunus und Karpaten, die während der Bronzezeit des 2. Jahrtausends vor Christus entstanden sind. Im LOEWE-Schwerpunkt arbeitete ein interdisziplinäres Team aus Archäologen und Archäologinnen, Archäobotanikern und Archäobotanikerinnen, Mittelalterhistorikern und Soziologen. Antragsteller und Koordinatoren waren Prof. Svend Hansen vom Deutschen Archäologischen Institut in Berlin und Prof. Rüdiger Krause von der Goethe-Universität.

Dass es auch schon in der Bronze- und der frühen Eisenzeit Gewalt und Krieg gegeben hat, ist seit langem bekannt. Dies wurde jedoch überlagert vom philosophisch-ethnologischen Narrativ des „friedlichen Wilden“ bzw. dem Konstrukt der „friedlichen Koexistenz“. Nicht zuletzt angesichts weltweiter Kriege hat Konfliktforschung mittlerweile jedoch einen hohen Stellenwert erlangt. Hat es Krieg immer schon gegeben? Gehört er zur „Grundausstattung“ des Menschen? Oder ist er ein historisches Phänomen und daher vermeidbar? In den Sozial- und Politikwissenschaften hat sich ein breites Spektrum an Initiativen, Institutionen und Forschungsverbünden herausgebildet, das sich der Erforschung vor allem bewaffneter Konflikte widmet. In den Altertumswissenschaften und insbesondere in der Prähistorischen Archäologie jedoch sind Untersuchungen zu gewaltförmigen Konflikten bzw. Kriegen noch ein vergleichsweise neues Forschungsfeld.

Der innovative Ansatz des Frankfurter LOEWE-Schwerpunkts bestand nun darin, insbesondere die Rolle neuartiger Waffen und bronzezeitlicher Burgen zu untersuchen und auch mit frühmittelalterlichen Befestigungen zu vergleichen. Durch Ausgrabungen und verschiedene Prospektionsmethoden sollte die nachhaltige Verbesserung des Forschungsstands zu den bronzezeitlichen Burgen in Mitteleuropa angestoßen werden. Auf vier internationalen Tagungen wurde hierfür ein europäisches Netzwerk von Archäologinnen und Archäologen aufgebaut, die gemeinsam an der Erforschung der Burgen und an Schutzkonzepten für diese herausragenden archäologischen Denkmäler arbeiten. „Erforschung und Schutz sollten sinnvollerweise zukünftig in europäischem Maßstab erfolgen“, ist der Frankfurter Archäologe Rüdiger Krause überzeugt.

Befestigungsanlagen dienten durchaus auch der symbolischen Darstellung von Macht und Ideologie der Herrschenden und der Markierung von Grenzen zwischen dem Innen und Außen, dem „Wir“ und dem „Anderen“. Durch die Forschungen des LOEWE-Schwerpunkts konnten jedoch bemerkenswert viele kriegerische Auseinandersetzungen und Konfliktereignisse belegt werden. So haben geomagnetische Prospektion und Ausgrabungen in der Burganlage von Teleac in Siebenbürgen die Zerstörung der Befestigungsmauer um etwa 920 v. Chr. nachweisbar bezeugt. „Mit einer umschlossenen Fläche von 30 Hektar kontrollierte diese Burg im 10. Jh. v. Chr. den wichtigsten Ost-West-Verkehrsweg im Karpatenbecken“, erläutert Svend Hansen.

Die Ausgrabungen des LOEWE-Schwerpunkts haben in nur wenigen Kampagnen beeindruckende Zeugnisse für kriegerische Ereignisse an Burgen sichtbar gemacht: die vielen Pfeilspitzen aus Bronze auf dem Sängersberg bei Fulda oder zahlreiche Schleudergeschosse und verbrannte Mauern in Sântana im rumänischen Banat. „Heute können wir sagen, dass auch in der Bronzezeit vor mehr als 3000 Jahren die Gewaltmittel des Kriegs, die Schwerter und Lanzen und die Infrastrukturen des Konflikts, die durch Mauern und Fortifikationen befestigten Burgen, nicht mehr länger als symbolische Äußerungen zu verstehen, sondern in das historische Realgeschehen der Geschichte von Konflikten zu integrieren sind“, so Rüdiger Krause.

Im Rahmen des Schwerpunkts fanden vier erfolgreiche internationale Jahrestagungen statt, 2016 in Frankfurt, 2017 in Alba Iulia (Siebenbürgen), 2018 in Fulda und die Abschlusstagung 2019 wieder in Frankfurt. Drei Tagungsbände sind bereits daraus hervorgegangen, die gedruckt und zum Open Acess auf der Homepage der Universitätsbibliothek vorliegen. Der vierte Tagungsband ist in Vorbereitung.


Bilder zum Download finden Sie unter folgendem Link: http://www.uni-frankfurt.de/89259630
 
Bildtexte:
Bild 1: Darstellung von Kriegern mit Lanzen und Schwertern, die am Gürtel getragen werden – zu sehen auf Felsbildern der Nordischen Bronzezeit aus Tanum in Westschweden. (Foto: Krause)
Bild 2: Das Schwert war die neue Waffe der Bronzezeit. Hier Schwerter aus dem Depot der Archäologischen Staatssammlung München. (Foto: Krause)
Bild 3: Mehr als 20 Pfeilspitzen sind am Fuße des Sängersbergs bei Bad Salzschlirf gefunden worden. (Foto: Voss)
Bild 4: Diese Karte zeigt mehr als 1000 bronzezeitliche Befestigungen zwischen der deutschen Mittelgebirgszone und dem Karpatenbogen, generiert aus der LOEWE-Datenbank. (Bild: Becker)
Bild 5: Im Zuge des LOEWE-Schwerpunkts gruben Frankfurter Archäologen am Bleibeskopf im Taunus. (Foto: Krause)

Informationen: Prof. Dr. Rüdiger Krause, Abteilung Vor- und Frühgeschichte, Institut für archäologische Wissenschaften, Telefon 069/798-32120, E-Mail r.krause@em.uni-frankfurt.de; Homepage https://www.uni-frankfurt.de/61909471/LOEWE_Schwerpunkt. Die Tagungsbände finden Sie unter: http://publikationen.ub.uni-frankfurt.de/frontdoor/index/index/docId/51530