​​​​​​​Pressemitteilungen ​​​​​​ ​ – 2023

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Pressestelle Goethe-Universität

Theodor-W.-Adorno Platz 1
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Dez 20 2023
14:58

Neue Verbundstudie bewertet technische Maßnahmen gegen den Schadstoffausstoß von Kaminöfen

Kaminöfen: E-Abscheider und Katalysatoren reduzieren Schadstoffe am besten gemeinsam

Wie effektiv elektrostatische Abscheider und Katalysatoren den Schadstoffausstoß von Kaminöfen reduzieren und dadurch Mensch und Umwelt schützen, haben Forschende der Goethe-Universität Frankfurt, der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen und der Universitätskliniken Aachen und Freiburg im Verbundprojekt "TeToxBeScheit" untersucht. Auf Basis ihrer Studie empfehlen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, künftig beide Technologien vorzuschreiben, um die Schadstoffbelastung für Mensch und Umwelt zu minimieren. Das Forschungsprojekt wurde durch das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft gefördert.

FRANKFURT. In Deutschland gibt es Millionen Kleinfeuerungsanlagen: Kaminöfen für den häuslichen Gebrauch, in denen Scheitholz verfeuert wird. Dabei gelangen viele partikuläre und gasförmige Schadstoffe in die Atmosphäre: Ultrafeine Rußpartikel, Kohlenmonoxid, leicht flüchtige organische Substanzen wie Formaldehyd, polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) und vieles mehr. Die Zahl der freigesetzten Stoffe geht in die Tausende, manche beeinflussen sich gegenseitig und werden dadurch noch gefährlicher.

In Deutschland schreibt die erste Bundesimmissionsschutzverordnung (1. BImSchV) Grenzwerte vor, auf EU-Ebene die Ökodesign-Richtlinie. Um den Schadstoffausstoß zu senken, werden sogenannte Minderungsmaßnahmen an den Kaminen angebracht wie elektrostatische Abscheider oder Katalysatoren. Der E-Abscheider lädt die Partikel im Abgas elektrostatisch auf, so dass sie am Kaminrohr abgeschieden werden. Der Katalysator hilft dabei, dass toxische gasförmige Substanzen zu nicht toxischen reagieren, so werden etwa Kohlenmonoxid und Kohlenwasserstoffe zu Kohlendioxid (CO2) und Wasser transformiert.

Zwar gibt es schon Studien zu Katalysatoren und E-Abscheidern, diese betrachteten aber nur wenige Schadstoffe des Abgases. In der Praxis sind Katalysatoren und E-Abscheider bisher wenig verbaut. Wie effektiv die Techniken wirklich sind, ist bisher unklar gewesen. Diese Wissenslücke konnte das Verbundprojekt "TeToxBeScheit" jetzt schließen.

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler von vier Instituten untersuchten, wie stark Katalysatoren und E-Abscheider einzeln und kombiniert den Schadstoffausstoß reduzieren und welcher Schutzeffekt für Mensch und Umwelt sich daraus ergibt. Das Lehr- und Forschungsgebiet Technologie der Energierohstoffe (TEER) der RWTH Aachen koordinierte das Projekt. Es baute den Prüfstand, an dem die Abgas- und Partikelproben genommen wurden, und führte zusammen mit dem Universitätsklinikum Aachen die chemisch-physikalischen Untersuchungen durch. Das Universitätsklinikum Freiburg übernahm die humantoxikologischen und die Goethe-Universität Frankfurt die ökotoxikologischen Untersuchungen. Letztere führte ein Team der Abteilung Evolutionsökologie und Umwelttoxikologie am Institut für Ökologie, Evolution und Diversität der Goethe-Universität unter Leitung von Prof. Dr. Henner Hollert, Dr. Sabrina Schiwy und Marc Wollenweber durch.

Prof. Hollert beschreibt das Besondere an "TeToxBeScheit" so: „Es ist die erste Schadstoffstudie an Kaminöfen mit einem integrierten Ansatz, der weit über die chemische Analyse einzelner Substanzen hinausgeht: Wir haben uns gemeinsam mit den anderen Partnern das Abgas , die emittierten Partikel und die Wirkung der Minderungsmaßnahmen vollumfänglich angeschaut, und zwar nicht nur die chemisch-physikalische Seite, sondern auch die humantoxikologische und die ökotoxikologische, also die Wirkung der Schadstoffe und Schadstoffkombinationen auf Mensch und Ökosysteme. Diese effektbasierte Untersuchung kann auch die nachteilige Wirkung bisher unbekannter Schadstoffe und Schadstoffgemische nachweisen und wurde so in ähnlichen Studien bisher noch nicht durchgeführt.“

Der Umwelttoxikologe und wissenschaftliche Mitarbeiter Marc Wollenweber untersuchte die Schadstoffe aus den Kaminöfen mit Zellkulturen und aquatischen Testsystemen. Denn in der Natur gelangen Schadstoffe auch in Gewässer, wenn sie beispielsweise durch Regen aus der Luft herausgewaschen werden. Diese Auswaschung simulierte er zusammen mit dem TEER und dem Uniklinikum Freiburg mittels Waschflaschen am Prüfstand. Danach schaute sich Wollenweber die Reaktion von drei aquatischen Modellorganismen an: Algen, Wasserflöhe und Fischembryonen.

Im Wasser mit unbehandeltem Rauchgas zeigte sich die Toxizität deutlich: Die Organe der Fischembryonen – eine Alternativmethode zu Tierversuchen mit Fischen – nahmen Schaden, die Wasserflöhe starben, die Algen wuchsen langsamer. Mit vorgeschaltetem Katalysator zeigten sich hingegen keine toxischen Effekte mehr, die Schadstoffbelastung der aquatischen Systeme ließ sich stark reduzieren. Dieses Ergebnis des biologischen Experiments bestätigten die chemisch-physikalischen Messungen. Der E-Abscheider erwies sich dagegen an der Feuerung als weniger effektiv. Erst als das Gerät weiter entfernt von der Feuerung angebracht wurde, sank die Toxizität. Der Grund: Erst im abgekühlten Abgas binden bestimmte Substanzen an Partikel und können so abgeschieden werden.

Bei den humantoxikologischen Untersuchungen am Universitätsklinikum Freiburg unter Leitung von Dr. Manuel Garcia-Käufer kam ein zellbasiertes Lungenmodell zum Einsatz, das die inhalative Wirkung der Abgase bewerten sollte. Das angewandte in vitro-Expositionsverfahren ist das derzeit fortschrittlichste Verfahren dieser Art. Bei den Untersuchungen wachsen die Lungenzellkulturen an der Grenzschicht zwischen Gas- und Flüssigphase und spiegeln somit die Bedingungen in der menschlichen Lunge wider. Die luftgetragenen Schadstoffe strömten von der luftzugewandten Seite über die Lungenzellen, so wie bei der Inhalation von Abgasen. Dann maßen die Wissenschaftler:innen, ob sich durch die (toxische) Belastung der Exposition zum Beispiel das Erbgut veränderte. Das Ergebnis: Auch humantoxikologisch schnitt der Katalysator zunächst besser ab als der E-Abscheider. Das lag auch wieder daran, dass E-Abscheider zwar die Feinstaubbelastung deutlich reduzieren, jedoch nur bedingt gasförmige Schadstoffe aus dem Abgas neutralisieren.

Für Frau Dr. Sabrina Schiwy, Teamleiterin in der Abteilung Evolutionsökologie und Umwelttoxikologie an der Goethe-Universität, sind die Katalysatoren folglich auch die „Gewinner“ der Studie. Sie hält die Katalysatoren für „universell wirksam“, sie könnten hochreaktive Substanzen reduzieren, die gasförmig oder gar als feine Partikel in unsere Lungen eindringen. Sie können bereits für wenige Geld, etwa 400 Euro nachgerüstet werden. Die unmittelbare Wirkung der E-Abscheider ist zunächst ökotoxikologisch und humantoxikologisch weniger augenfällig, dennoch sind sie als zusätzliche Minderungsmaßnahme unabdingbar, weil (insbesondere bei chronischer Belastung) gefährliche Feinstaubemissionen um bis zu 95 Prozent reduziert werden. Die E-Abscheider wirken damit in einem Bereich, den die Katalysatoren nicht abdecken. Diesen wichtigen Aspekt fand das TEER bei seinen Untersuchungen heraus.

Im Rahmen der Studie wurde auch die Wirkung der beiden Techniken in Kombination betrachtet. Wollenweber empfiehlt daher, Kaminöfen in Zukunft mit beiden Techniken zu versehen. Dabei sollte der E-Abscheider vor den Katalysator installiert sein, sodass er zuerst die Partikel abscheidet. Die gasförmigen Stoffe nimmt sich danach der Katalysator vor. Doch was bedeuten die Ergebnisse für die 1. Bundesimmissionsschutzverordung, die lediglich Grenzwerte vorgibt? Wollenweber meint: „Wir plädieren dafür, dass Grenzwerte am Stand der Technik für Minderungsmaßnahmen angepasst werden, damit keine Feuerung mehr ohne Minderung verkauft und aufgestellt wird.“

Abschlussbericht des Projekts zum Download:
Abschlussbericht des Verbundvorhabens "Kombinierte technische und toxikologische Bewertung von Emissionsminderungsmaßnahmen für Scheitholzfeuerungen" (TeToxBeScheit) 
https://www.fnr.de/ftp/pdf/berichte/22041118.pdf

Bilder zum Download:
https://www.uni-frankfurt.de/147073847

Bildtext: Der Kaminofen auf dem Prüfstand: An der RWTH Aachen wurden die Abgase chemisch-physikalisch untersucht. Foto: Johann Hee

Weitere Informationen
Prof. Dr. Dr. h.c. Henner Hollert
Leiter Abteilung Evolutionsökologie und Umwelttoxikologie
Institut für Ökologie, Evolution und Diversität
Goethe-Universität Frankfurt
Tel. +49 (0)69 798-42171
hollert@bio.uni-frankfurt.de
https://www.bio.uni-frankfurt.de/43970666/Abt__Hollert

Dr. rer. nat. Sabrina Schiwy
Abteilung Evolutionsökologie und Umwelttoxikologie
Institut für Ökologie, Evolution und Diversität
Goethe-Universität Frankfurt
+49 (0)69 798 42173
schiwy@bio.uni-frankfurt.de

Marc Wollenweber, M. Sc.
Abteilung Evolutionsökologie und Umwelttoxikologie
Institut für Ökologie, Evolution und Diversität
Goethe-Universität Frankfurt
Tel. +49 (0)69 798-42172
wollenweber@bio.uni-frankfurt.de

Twitter/X: @goetheuni @HHollert @RWTH @UniklinikAachen @Uniklinik_Fr #TEER


Redaktion: Dr. Markus Bernards, Referent für Wissenschaftskommunikation, Büro für PR & Kommunikation, Telefon 069 798-12498, Fax 069 798-763-12531, bernards@em.uni-frankfurt.de

 

Dez 20 2023
14:54

Team von Prof. Harald Schwalbe will konservierte RNA-Strukturen von Dengue-Viren blockieren – beLAB2122 BRIDGE-Kooperation zwischen Evotec und Bristol Myers Squibb fördert Projekt zur Entwicklung von Wirkstoffen zur Behandlung von infektiösen Tropenkrankheiten.  

Entwicklung von RNA-Wirkstoffen gegen den Dengue-Fieber-Virus an der Goethe-Universität wird durch Industriekooperation gefördert

Forschende der Goethe-Universität starten gemeinsam mit Partnern aus der Life-Science- und Pharmaindustrie ein Projekt zur Entwicklung einer neuen Wirkstoffklasse gegen Flaviviren, die Infektionskrankheiten wie zum Beispiel das Dengue-Fieber auslösen. Das Projekt wird im Rahmen der belBA2122-Kooperation zwischen dem Life-Science-Unternehmen Evotec und dem Pharmakonzern Bristol Myers Squibb gefördert. In einem innovativen Ansatz sollen RNA-bindende kleine Moleküle gegen die von Mosquitos übertragenen Flaviviren gerichtet werden. Die Projektidee stammt aus dem Team um Prof. Harald Schwalbe, Professor am Institut für Organische Chemie und Chemische Biologie und dem NMR-Zentrum der Goethe-Universität.

FRANKFURT. Reiselust und Klimawandel führen dazu, dass sich von Stechmücken übertragene Viren auch in Europa immer weiter verbreiten. Die Klasse der Flaviviren, zu denen der Dengue-, der Zika-, der West-Nil- und der Gelbfieber-Virus gehören, lösen schwerwiegende neurologische Erkrankungen aus, für die es bislang nur unzureichend wirksame Impfstoffe und keine spezifischen Behandlungsmöglichkeiten gibt.

In einem innovativen Forschungsansatz nutzen Prof. Harald Schwalbe und sein Team von der Goethe-Universität eine patentierte NMR-basierte Screeningmethode, um kleine Moleküle zu identifizieren, die spezifisch an hochkonservierte RNA-Strukturen der Viren zu binden und den viralen Infektionszyklus zu unterbrechen. Im Rahmen der beLAB2122-Kooperation zwischen Evotec und Bristol Myers Squibb werden die neuen Wirkstoffkandidaten gemeinsam identifiziert, strukturell charakterisiert und auf ihre Wirksamkeit getestet. beLAB2122 hat zum Ziel, akademische Institutionen aus der Rhein-Main-Neckar Region mit den industriellen Partnern zusammenzubringen, um first-in-class-Therapieoptionen für alle Indikationsgebiete und Formate effizient zu investitionsfähigen Wirkstoffforschungs- und frühen Entwicklungsprojekten voranzutreiben.

Prof. Harald Schwalbe, Direktor des Instituts für Biochemie II der Goethe-Universität, sagt: „Über die letzten drei Jahre haben wir viel gelernt, wie wir das SARS-CoV2-Virus mit kleinen Molekülen bekämpfen können. Die neue Zusammenarbeit erlaubt es uns nun zusammen mit industriellen Profis, unser Wissen nun auf Viren anzuwenden, die von Stechmücken übertragen werden, deren Verbreitungsgebiet sich im Rahmen des Klimawandels erweitert.“

Dr. Kirstin Schilling, Geschäftsführerin der Innovectis GmbH, der Technologietransfergesellschaft der Goethe-Universität, ergänzt: „Mit dem beLAB2122-Programm können vielversprechende Therapieansätze ab einem frühen Entwicklungsstadium gemeinsam mit Pharmapartnern entwickelt und validiert werden, so dass eine effiziente Translation, z. B. auch durch Gründung gemeinsamer Spin-offs, erfolgen kann.“

Dr. Thomas Hanke, Executive Vice President und Head of Academic Partnerships bei Evotec, kommentiert: „Wir freuen uns auf dieses Projekt mit der Goethe-Universität Frankfurt im Rahmen der beLAB2122 Kooperation. Das Projekt adressiert einen innovativen Entwicklungsansatz und birgt das Potenzial für die Therapie bislang nicht behandelbarer Infektionskrankheiten."

Hintergrund: Goethe-Universität ist Teil der Life-Science-Kooperation „beLAB2122“ zwischen akademischer Forschung und Pharmaunternehmen (Meldung vom 13. April 2021)
https://aktuelles.uni-frankfurt.de/forschung/goethe-universitaet-ist-teil-der-life-science-kooperation-belab2122-zwischen-akademischer-forschung-und-pharmaunternehmen/

Weitere Informationen:
Prof. Dr. Harald Schwalbe, Institut für Organische Chemie und Chemische Biologie, Zentrum für Biomolekulare Magnetische Resonanz, Goethe-Universität Frankfurt, Marie-Curie-Str. 7, 60438 Frankfurt/Main. schwalbe@nmr.uni-frankfurt.de


Redaktion: Dr. Dirk Frank, Pressereferent / komm. Leiter, Büro für PR & Kommunikation, Telefon 069/798-13753, frank@pvw.uni-frankfurt.de

 

Dez 19 2023
13:55

Besetzer*innen, die sich noch auf dem Dach der Druckerei Dondorf aufgehalten hatten, wurden aus dem Gebäude gebracht.   

Goethe-Universität hofft auf Rückkehr zum Dialog

FRANKFURT. Nach dem Ende der Besetzung der Druckerei Dondorf hofft die Goethe-Universität auf eine Rückkehr zum demokratischen Dialog. „Wir haben den Besetzer*innen mehrfach Gesprächsangebote unterbreitet, die allesamt ausgeschlagen wurden; das ist bedauerlich“, betonen Wissenschaftsministerin Angela Dorn und Universitätspräsident Enrico Schleiff gemeinsam. „Wir danken der Polizei für den tagelangen Einsatz und das deeskalierende Vorgehen. Wir appellieren an alle Unterstützer*innen des Kollektivs, ihren Protest ohne Rechtsverletzungen weiterzuführen.“

In den Morgenstunden hatte die Polizei die zuletzt verbliebenen Personen vom Dach der Druckerei Dondorf in das Gebäudeinnere und danach zur Identitätsfeststellung in das Polizeipräsidium Frankfurt gebracht. Die im Auftrag des Landes durch die Goethe-Universität treuhänderisch verwaltete Liegenschaft war über eine Woche besetzt gewesen; zuletzt hatte sich nur noch eine kleine Gruppe auf dem Dach aufgehalten.

Mehrere Angebote und Vermittlungsversuche zur friedlichen Beendigung der Besetzung, darunter zuletzt ein am Sonntag von der Goethe-Universität und dem Hessischen Ministerium für Wissenschaft und Kunst vorgeschlagenes Gespräch mit dem Präsidenten und der Ministerin, hatten die in der Druckerei verbliebenen Besetzer*innen abgelehnt. Die Universitätsleitung hatte mehrfach deutlich zugesagt, sich im Falle einer freiwilligen Räumung für den Dialog über die Zukunft der Druckerei Dondorf und für die Schaffung von Räumen zur freien Gestaltung gegenüber den politisch verantwortlichen Personen einzusetzen. „Auch wenn die Besetzer*innen leider nicht freiwillig gegangen sind, werde ich mich auch im neuen Jahr weiterhin für einen solchen Dialog engagieren“, erklärte Präsident Schleiff. „Eskalationen wie die zwischenzeitlichen tätlichen Angriffen auf die Polizei sowie Drohungen gegen Beschäftigte der Universität gefährden aber leider jeden Diskurs mit der künftigen Landesregierung und der Stadt Frankfurt, bei denen die Entscheidung über die Zukunft des Geländes und des Gebäudes liegt.“


Redaktion: Dr. Dirk Frank, Pressereferent / komm. Leiter, Büro für PR & Kommunikation, Telefon 069/798-13753, frank@pvw.uni-frankfurt.de

 

Dez 15 2023
10:14

Stiftungsprofessur durch LOEWE-Spitzenprofessur und Willy Robert Pitzer Stiftung auf 10 Jahre finanziert

Virusforschung: Goethe-Universität beruft Mathias Munschauer auf Pitzer-Stiftungsprofessur

Die Virusforschung der Goethe-Universität Frankfurt erhält weiteres Gewicht: Heute tritt Prof. Mathias Munschauer vom Helmholtz-Institut für RNA-basierte Infektionsforschung in Würzburg die „Willy Robert Pitzer Stiftungsprofessur für Molekulare Virologie humanpathogener RNA-Viren“ an und verstärkt damit Forschung und Lehre am Institut für Medizinische Virologie des Universitätsklinikum Frankfurt. Die ersten fünf Jahre der Stiftungsprofessur werden aus Mitteln der LOEWE-Spitzenprofessur des Landes Hessen gefördert, die 2021 Prof. Sandra Ciesek zugesprochen worden war. Die Willy Robert Pitzer Stiftung ermöglicht im Anschluss die Finanzierung der Professur für weitere fünf Jahre.

FRANKFURT. Prof. Enrico Schleiff, Präsident der Goethe-Universität, sagte: „COVID-19 ist die jüngste einer Reihe neuer Viruserkrankungen, die durch RNA-Viren wie Ebola, MERS oder SARS ausgelöst werden. Und SARS-CoV-2 wird nicht das letzte Virus sein, mit dem wir fertigwerden müssen. Die Willy Robert Pitzer Stiftung eröffnet uns gemeinsam mit dem Land Hessen die Möglichkeit, unsere Virologie weiter zu stärken und langfristig auszubauen, denn wir werden die Professur nach der Förderzeit aus Hausmitteln fortsetzen. Mit Prof. Mathias Munschauer haben wir das Glück, dass wir einen ausgewiesenen Experten für die RNA-Forschung am Institut für Medizinische Virologie unter der Leitung von Prof. Sandra Ciesek gewinnen konnten, der sich auch hervorragend in die vielen laufenden Forschungs- und Transferinitiativen einbringen kann und wird.“

Mathias Munschauer, Jahrgang 1985, studierte in Mannheim Biotechnologie und begann bereits während seines Studiums, an der Rockefeller University mit RNA und RNA-bindenden Proteinen zu arbeiten. Für seine Promotion an der Freien Universität Berlin forschte er am Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin in Berlin sowie an der New York University, wo er unter anderem Technologien entwickelte, mit denen sich alle RNA-bindenden Proteine in einer Zelle gleichzeitig erfassen lassen. Nach einer Zeit als Postdoc am Broad Institute of MIT and Harvard kehrte Munschauer 2019 nach Deutschland zurück, um eine unabhängige Nachwuchsgruppe am Helmholtz Institut für RNA-basierte Infektionsforschung in Würzburg zu leiten. 2021 nahm er einen Ruf als Juniorprofessor an die Julius-Maximilians-Universität Würzburg an.

Hintergrundinformation:
3 Millionen Euro für Virusforschung: Hessen und Willy Robert Pitzer Stiftung finanzieren Professur an Goethe-Universität:
https://aktuelles.uni-frankfurt.de/forschung/3-millionen-euro-fuer-virusforschung-hessen-und-willy-robert-pitzer-stiftung-finanzieren-professur-an-goethe-universitaet/

Bilder zum Download: https://www.uni-frankfurt.de/146847606

Bildtext: Prof. Dr. Mathias Munschauer, Universitätsklinikum Frankfurt. Foto: Hilde Merkert

Weitere Informationen
Prof. Dr. Mathias Munschauer
Willy Robert Pitzer Stiftungsprofessur für Molekulare Virologie humanpathogener RNA-Viren 
Institut für Medizinische Virologie
Universitätsklinikum Frankfurt
Tel:+49 (0)69 6301-5219
virologie@ukffm.de

Twitter/X: @goetheuni @M_Munschauer @UK_Frankfurt @HMWK_Hessen


Redaktion: Dr. Markus Bernards, Referent für Wissenschaftskommunikation, Büro für PR & Kommunikation, Telefon 069 798-12498, Fax 069 798-763-12531, bernards@em.uni-frankfurt.de

 

Dez 14 2023
12:58

Besetzer*Innen hatten sich mehrfach geweigert, auch nach Verlängerung des Ultimatums seitens der Goethe-Universität die im Auftrag des Landes verwaltete Liegenschaft freiwillig zu verlassen.   

Nach Abbruch der Verhandlungen durch das Kollektiv: Räumung der Druckerei Dondorf durch die Polizei

FRANKFURT. In den Morgenstunden hat die Polizei mit der Räumung Druckerei Dondorf begonnen. Die im Auftrag des Landes durch die Goethe-Universität treuhänderisch verwaltete Liegenschaft war seit letztem Samstag besetzt gewesen, das Kollektiv „Die Druckerei“ hatte sich erneut rechtswidrig Zutritt verschafft. Die Goethe-Universität als Verwalterin der Liegenschaft für das Land als Eigentümerin hatte daraufhin einen Strafantrag gestellt. In zwei konstruktiven Gesprächen mit Vertreter*innen der Besetzer*innen am Montag und Dienstag signalisierte die Universitätsleitung deutlich, sich im Falle einer freiwilligen Räumung für den Dialog über die Zukunft der Druckerei Dondorf und für die Schaffung von Räumen zur freien Gestaltung gegenüber den politisch verantwortlichen Personen einzusetzen. Das Kollektiv kündigte jedoch auf der Pressekonferenz am Mittwoch und in der darauffolgenden Berichterstattung auf ihrem Blog an, der Bitte einer freiwilligen Räumung nicht folgen zu wollen.

Die Goethe-Universität hatte auf derselben Pressekonferenz, zu welcher sie am Dienstag im Zuge der Verhandlungen eingeladen worden war, ihr Angebot im Falle einer friedlichen Räumung wiederholt. Das für 16.00 Uhr gesetzte Ultimatum wurde von Seiten der Universität im Laufe des Tages einmalig auf 23.59 Uhr verlängert, um die Möglichkeit eines freiwilligen Abzuges und einer darauffolgenden Zusammenarbeit offen zu halten. Nachdem die Besetzer*innen weiteren Gesprächsangeboten der Goethe-Universität, der Stadt Frankfurt und des Hessischen Ministeriums für Wissenschaft und Kultur (HMWK) in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag nicht nachkamen und das Gebäude weiter besetzt hielten, setzte die Polizei in den Morgenstunden des heutigen Tags den Strafantrag der Goethe-Universität durch Räumung um.  

Die hessische Wissenschaftsministerin Angela Dorn als Vertreterin der Landesregierung sagt: „Präsident Prof. Dr. Schleiff hat den Besetzern weitgehende Dialogangebote unterbreitet, wie es ihm möglich ist. Über den Präsidenten habe ich ausrichten lassen, dass ich zu keinen Verhandlungen, aber zu Gesprächen bereitstehe, unter der Voraussetzung, dass die Besetzer freiwillig das Gebäude verlassen. Es ist bedauerlich, dass die Besetzer nicht auf diese Angebote eingegangen sind“, erklärt Wissenschaftsministerin Angela Dorn. „Der Universität blieb in ihrer Verantwortung sowohl für Gebäude und Grundstück als auch für die Menschen, die sich dort aufhielten, daher leider keine andere Wahl als die Räumung. Ich danke dem Präsidenten der Universität, Herrn Prof. Dr. Schleiff, für sein besonnenes Vorgehen. Ich appelliere an die Besetzer und alle, die ihre Anliegen unterstützen, in Zukunft gewaltfrei vorzugehen und die eröffneten Dialogmöglichkeiten zu nutzen. Für das Land bleibt die Realisierung des Max-Planck-Instituts für empirische Ästhetik das prioritäre Ziel.“

Universitätspräsident Enrico Schleiff betont: „Von Anfang an haben wir klargemacht, dass eine rechtswidrige Besetzung des Gebäudes nicht akzeptiert werden kann. Wir sind aber enttäuscht, dass nach ersten konstruktiven Gesprächen mit einem Teil der Besetzer*innen am Montag und Dienstag der Pfad des konstruktiven Dialogs am Mittwoch nicht weiter begangen wurde. Bei einer freiwilligen Räumung hätte ein gemeinsamer Weg der Deeskalation und des Diskurses mit Stadt und Land über die Zukunft der Druckerei Dondorf und weiterer Themen beschritten werden können.“ 


Redaktion: Dr. Dirk Frank, Pressereferent / komm. Leiter, Büro für PR & Kommunikation, Telefon 069/798-13753, frank@pvw.uni-frankfurt.de

 

Dez 13 2023
14:37

Trotz konstruktiver Gespräche mit der Universitätsleitung, die im Falle einer freiwilligen Räumung zugesagt hatte, den Strafantrag zurückzuziehen und Gespräche über den Erhalt der Immobilie und die Schaffung neuer Räume zu initiieren, haben die Besetzer*innen das Angebot abgelehnt.

Besetzung Druckerei Dondorf: Goethe-Universität enttäuscht über Abbruch der Verhandlungen durch das Kollektiv

FRANKFURT. Die erneute Besetzung der Dondorfschen Druckerei in Bockenheim geht weiter: Trotz zweier konstruktiver Gespräche mit der Universitätsleitung seit Montagabend verkündeten die Besetzer*innen, die sich letzten Samstag rechtswidrig Zugang zur Liegenschaft verschafft hatten, auf der heutigen Pressekonferenz um 11 Uhr, dass man nicht bereit sei, das Gebäude zu räumen. Universitätspräsident Enrico Schleiff verwies in derselben Pressekonferenz auf die am Montag und Dienstag mit einer Abordnung des Kollektivs und weiteren zivilgesellschaftlichen Vertreter*innen erzielten Gesprächsergebnisse und wiederholte in dem Zuge auch das Angebot der Universität, den Strafantrag bei einer bis 16 Uhr erfolgten Räumung zurückzuziehen. „Es scheint uns trotz guter Gespräche nicht gelungen zu sein, gemeinsam den Weg der Deeskalation und der Wiedereröffnung des Diskursraums zu beschreiten“, sagt Universitätspräsident Schleiff. „Eine freiwillige Räumung hätte ein ganz starkes Signal bedeutet, in einen konstruktiven Dialog mit Universität, Stadt und Land einzutreten. Die Universität ist weiterhin jederzeit gesprächsbereit.“

Die Universitätsleitung hatte in dem Austausch seit Anfang der Woche folgende Zusicherungen vorgenommen:

  1. So wurde den Besetzer*innen zugesichert, dass sich die Goethe-Universität nachdrücklich und unmissverständlich bei den politischen Handlungsträger*innen dafür einzusetzen wird, dass der seit Jahren von zivilgesellschaftlichen Initiativen eingeforderte und dringend benötigte alternative Raum für Kreativität und Gestaltung in Frankfurt endlich realisiert wird.
  2. Ebenso zugesagt wurde, in Abstimmung mit dem Land als Eigentümerin die Übergabe weiterer, derzeit noch unter Verwaltung der Goethe-Universität stehender Liegenschaften an die Stadt in die Wege zu leiten, damit diese dann durch die Stadt unter Einbindung zivilgesellschaftlicher Gruppen und Initiativen möglichst rasch einer Zwischennutzung zugeführt werden können.
  3. Versprochen hatte die Universitätsleitung, sich im Falle einer freiwilligen Räumung dafür einzusetzen, dass die erforderlichen und zur Verfügung stehenden Mittel ausgeschöpft werden, das Gebäude der Druckerei Dondorf so weit wie möglich zu erhalten und damit ihren Anteil zur Erhaltung der Bausubstanz bis zur Übergabe der Liegenschaft leisten. Hier stehen die Max-Planck-Gesellschaft, das Max-Planck-Institut für empirische Ästhetik, die Stadt (als Einladende) und das Land bereits in konstruktivem Austausch, die Goethe-Universität nahm und nimmt lediglich als Gast an den Arbeitssitzungen teil.

Zum Hintergrund: Das Land ist Eigentümerin der Liegenschaft, die Goethe-Universität mit der Verwaltung beauftragt, auch über den Zeitraum der eigenen Nutzung hinaus. Die Aufrechterhaltung des Dialogs mit dem Land würde von Seiten der Goethe-Universität auch nach dem für den 18. Januar 2024 anstehenden Regierungswechsel oberste Priorität behalten. Voraussetzung dafür wäre jedoch eine freiwillige Räumung der Druckerei Dondorf gewesen. 


Redaktion: Dr. Dirk Frank, Pressereferent / stv. Leiter, Büro für PR & Kommunikation, Telefon 069 798–13753, frank@pvw.uni-frankfurt.de

 

Dez 12 2023
10:38

Die Kunsthistorikerin und Kuratorin Ina Neddermeyer wird neue Direktorin des Museums.   

Museum Giersch der Goethe-Universität mit neuer Leitung

FRANKFURT. Ab dem 1. Januar wird sie die Geschicke des Hauses am Schaumainkai leiten: Ina Neddermeyer, Kunsthistorikerin und Kuratorin, wird zum Jahresbeginn die Leitung des Museum Giersch der Goethe-Universität übernehmen. Neddermeyer war bis in diesem Jahr Kuratorin und Leiterin der Abteilung Kunst am Zeppelin Museum Friedrichshafen. Das Museum Giersch, das seit dem hundertjährigen Jubiläum der Goethe-Universität zur Universität gehört, wurde seit über einem Jahr kommissarisch von Susanne Wartenberg und Dr. Katrin Kolk geleitet.

Das Haus widmet sich seit vielen Jahren erfolgreich der Vermittlung regionaler Kunst und wissenschaftlicher Inhalte. Künftig soll sich das Ausstellungsspektrum noch stärker als bisher um Themen aus aktuellen Forschungsprojekten und Entwicklungen aus Studium und Lehre erweitern, ein Schaufenster der Goethe-Universität am weltberühmten Museumsufer sein.

„Ich freue mich, dass wir mit Ina Neddermeyer eine ebenso profilierte wie erfahrene Kunstexpertin und Ausstellungsmacherin für unser Museum gewinnen konnten. Sie hat bereits viele ambitionierte, aber auch umsetzbare Ideen formuliert, wie wir dieses wundervolle Museum Giersch der Goethe-Universität am Mainufer auch zu einem Ort der Begegnung der Bürgerinnen und Bürgern der Stadt mit den Inhalten der Forschung ihrer Goethe-Universität machen können“, sagt Universitätspräsident Prof. Enrico Schleiff. Schleiff dankt zugleich dem langjährigen Museumsbeauftragten Prof. Werner Müller-Esterl, der seine Tätigkeit zum Ende des Jahres beenden wird: „Werner Müller-Esterl hat viele Jahre mit viel Herzblut und Engagement dazu beigetragen, dass das Museum zu einer anerkannten Adresse für Kunst und die Darstellung wissenschaftlicher Inhalte weit über die Stadt hinaus geworden ist“, so Schleiff.

„Ein herzliches Willkommen an Ina Neddermeyer als neue Museumsdirektorin. Wir sehen erwartungsvoll der Zusammenarbeit entgegen und sind überzeugt, dass ihr Einsatz und ihre Vision einen entscheidenden Beitrag dazu leisten werden, das Museum unter ihrer Leitung weiter zu entwickeln und zu bereichern“, so Dipl. Kaufmann Stephan Rapp, Vorstand der Stiftung Giersch. 

„Ich freue mich sehr auf meine neue Aufgabe im Museum Giersch der Goethe-Universität. Ich möchte das interdisziplinäre wissenschaftliche Arbeiten in Frankfurt intensivieren und das Museum mit der Universität weiter vernetzen. Dafür möchte ich meine vielfältigen Erfahrungen in der Zusammenarbeit mit universitären Partnern, die ich zuletzt am Zeppelin Museum Friedrichshafen machen konnte, gerne einbringen“, sagt Ina Neddermeyer, ab Januar neue Direktorin des Museums.

Ina Neddermeyer studierte Kunstgeschichte, Politik und Philosophie in Berlin und Florenz. Nach ihrem wissenschaftlichen Volontariat war sie von 2013 bis 2016 Sammlungskuratorin am Kunstpalais in Erlangen. Von 2016 bis 2023 arbeitete sie als Kuratorin und Leiterin der Abteilung Kunst am Zeppelin Museum Friedrichshafen. Sie kuratierte zahlreiche Ausstellungen, u.a. Einzelausstellungen von Otto Dix, Marta Hoepffner, Peter Land und Reynold Reynolds sowie Gruppenausstellungen wie „Into the deep. Minen der Zukunft“, „Beyond States. Über die Grenzen von Staatlichkeit“, „Game of Drones. Von unbemannten Flugobjekten“ und „Schöne neue Welten. Virtuelle Realitäten in der zeitgenössischen Kunst“.

Zum Museum Giersch der Goethe-Universität: Das Ausstellungshaus für Kunst, Kultur und Wissenschaft am Schaumainkai hat seit seiner Gründung im Jahr 2000 durch die Stiftung Giersch den Fokus auf das Rhein-Main-Gebiet als geografischer Schnittstelle gelegt. Unter diesem Blickwinkel widmet sich das Museum der Entdeckung, Erforschung und Vermittlung bislang unbeachteter künstlerischer Positionen und kultureller Zusammenhänge durch alle Epochen hinweg bis in die Gegenwart. Die Vorbereitungen für die nächste Ausstellung, eine Retrospektive der vielfältigen Malerin und Graphikerin Louise Rösler (1907–1993), laufen bereits auf Hochtouren. Rösler lebte von 1943 bis 1959 in Königstein im Taunus.


Website des Museums: https://www.mggu.de/museum/

Ein Interview mit Ina Neddermeyer ist im aktuellen UniReport erschienen: 

Weitere Informationen: Christine Karmann, Kommunikation und Marketing, Museum Giersch der Goethe-Universität, Tel: 069/138210121, E-Mail: presse@mggu.de.

Museum Giersch der Goethe-Universität, Schaumainkai 83, 60596 Frankfurt am Main.

Fotos von Ina Neddermeyer zum Download: https://www.uni-frankfurt.de/146685172
Fotografin: Magdalena Türtscher


Redaktion: Dr. Dirk Frank, Pressereferent / komm. Leiter, Büro für PR & Kommunikation, Telefon 069/798-13753, frank@pvw.uni-frankfurt.de 

 

Dez 11 2023
16:34

Umweltministerin Hinz startet hessenweites Kooperationsprojekt im Rahmen einer Auftaktveranstaltung in der Frankfurter Goethe-Universität

Kompetenzzentrum Wasser Hessen geht an den Start

Die Wasserwirtschaft in Hessen steht insbesondere durch den Klimawandel vor großen Herausforderungen, damit sie auch zukünftig die Wasserversorgung von Bevölkerung und Unternehmen nachhaltig sichern kann. Heute eröffnete die hessische Umweltministerin Priska Hinz an der Goethe-Universität Frankfurt das Hessische Kompetenzzentrum Wasser (KWH), in dem Akteure aus Wissenschaft und Bildung, Verwaltung, Politik und Wasserwirtschaft vernetzt sind. Die Ziele: Probleme sollen auf Systemebene angegangen, wissenschaftliche Erkenntnisse schneller in die wasserwirtschaftliche Praxis überführt und das Bildungsangebot erweitert werden.

FRANKFURT. Es sind gleich mehrere tiefgreifende Veränderungen, mit denen sich der Wassersektor in Hessen konfrontiert sieht: Der Klimawandel mit seinen häufigeren Extremwetterereignissen erhöht den Druck auf Wasserressourcen und Wasserökosysteme, was wiederum einen Verlust der Biodiversität nach sich zieht. Die Folgen für Mensch und Natur wurden in den Dürresommern der vergangenen Jahre deutlich sichtbar. Dann wiederum gab es vermehrt Starkregenereignisse mit Schäden an Gebäuden und Infrastruktur. Eine weitere Herausforderung für die Wasserwirtschaft ist der demografische Wandel. Die Zunahme der Bevölkerung in den Ballungsräumen führt zu einem steigenden Wasserbedarf in den kommenden Jahren, die Abnahme der Bevölkerung in Teilen des ländlichen Raums dagegen zu steigenden Kosten bei der Bereitstellung einer ausreichenden Wasser- und Abwasserinfrastruktur. Heute schon führen Einträge von Spurenstoffen zum Beispiel durch Arzneimittel im Abwasser zu Problemen in der Abwasserbehandlung und Trinkwasseraufbereitung.  

Angesichts dieser Herausforderungen und damit verbundener Zielkonflikte zwischen Schutz und Nutzung der Ressource Wasser sind innovative und nachhaltige Umsetzungslösungen für die vielen beteiligten Akteure zu suchen und zu finden. Hessen geht diese Herausforderungen jetzt durch eine Stärkung der interdisziplinären Zusammenarbeit von Wissenschaft, Verwaltung, Politik, Praxis und Bildung an und gründet das Hessische Kompetenzzentrum Wasser (KWH), in dem das Hessische Ministerium für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (HMUKLV), das Hessische Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie (HLNUG), die Regierungspräsidien, alle hessischen Universitäten, viele hessische Hochschulen sowie die Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung und das Institut für sozial-ökologische Forschung (ISOE) ihre jeweilige Expertise einbringen und kooperieren werden.

Umweltministerin Priska Hinz erläutert: „Mit dem Klimaplan und dem Zukunftsplan Wasser haben wir die Weichen für einen nachhaltigen Schutz und eine integrierte Bewirtschaftung der Wasserressourcen in Hessen gestellt. Das Hessische Kompetenzzentrum Wasser wird uns nun dabei unterstützen, die notwendigen Anpassungen an den Klimawandel umzusetzen und dabei neueste wissenschaftliche Erkenntnisse und innovative Lösungen zu berücksichtigen.“

Prof. Thomas Schmid, Präsident des HLNUG, ist überzeugt: „Das Hessische Kompetenzzentrum Wasser bietet die Chance, die unterschiedlichen und sehr umfassenden Expertisen im Wassersektor in Hessen zu bündeln, damit die wissenschaftlichen Erkenntnisse auch zu einer praxisnahen Entwicklung konkreter Lösungen mit nachhaltiger Nutzung der Ressource Wasser beitragen können.“

Prof. Enrico Schleiff, Präsident der Goethe-Universität, die die Gründung des KWH wesentlich begleitet hat, erklärt: „Es muss uns gelingen, ‚win-win-Situationen' zu schaffen, bei denen einerseits die Wasserressourcen erhalten bleiben und die aquatische Biodiversität geschützt wird, andererseits aber auch der Wasserbedarf der Bevölkerung und der Wirtschaft gesichert bleibt. Mit ihrer Forschung werden die hessischen Universitäten und Hochschulen zum Erreichen dieses Ziels beitragen.“ Auch die Gewinnung von Fachkräften könnten die Universitäten und Hochschulen befördern, so Präsident Schleiff: „Wir arbeiten stetig an der Weiter - und Neuentwicklung von Lehr- und Ausbildungskonzepten, um Expert:innen für Naturschutz und Wasserwirtschaft zu qualifizieren.“ Dabei befürworte er das aktive Mitwirken von Partnerinstitutionen aus Praxis und Behörden in Lehrveranstaltungen relevanter Fachbereiche von Universitäten und Hochschulen sowie beispielsweise die Vergabe externer Abschlussarbeiten: „Damit können wir einen Mehrwert auch aus Sicht der Wissenschaft generieren.“

Enrico Schleiff freut sich über den Auftakt zur Gründung des KWH in seinem Hause: “Die Wasserforschung ist schon seit vielen Jahren fester und wichtiger Bestandteil des Forschungsportfolios der Goethe-Universität. Gemeinsam mit unseren Kolleginnen und Kollegen der anderen hessischen Universitäten, Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen sehen wir uns in der Verantwortung, die Ziele des KWH voranzutreiben und unseren Beitrag zum Erhalt und zur nachhaltigen Nutzung der Ressource Wasser in Hessen zu leisten.“

Ziel des KWH ist es, praxistaugliche, wissenschaftlich fundierte, evidenzbasierte und innovative Lösungen entsprechend den Herausforderungen im Wassersektor zu entwickeln. Statt einzelner hydrologischer, ökologischer und technisch-ingenieurwissenschaftlicher Fragestellungen können im KWH die dringenden Probleme zu Prozessen und Dynamiken des Wasserressourcenmanagements interdisziplinär und integriert betrachtet werden. Soziale, ökonomische und politische Aspekte, als weitere wichtige Handlungsfelder in der Wasserwirtschaft, können durch diese übergreifende Zusammenarbeit ebenfalls berücksichtigt werden.

Eine solche Bündelung der hessischen Wasserkompetenz eröffnet neue Perspektiven für die Durchführung von angewandten Forschungsprojekten zu in Hessen relevanten Themen für eine nachhaltige Nutzung der Ressource Wasser, einschließlich der Vermittlung von entsprechenden Kompetenzen, sowie für die Politikberatung.

Über das Kompetenzzentrum Wasser Hessen (KWH)

Als hessisches Kompetenzzentrum Wasser ist das KWH ein Bindeglied zwischen Akteuren im Wasserbereich aus Wissenschaft, Verwaltung, Politik, Bildung und wasserwirtschaftlicher Praxis. Das KWH wird auch mit assoziierten Partnern kooperieren. Dies können nicht-behördliche Organisationen, Vereine oder im Wassersektor tätige Unternehmen sein. Ein Kooperationsvertrag regelt die künftige Zusammenarbeit der institutionellen Partner:

1. Hessisches Ministerium für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz

2. Hessisches Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie

3. Regierungspräsidium Darmstadt

4. Regierungspräsidium Gießen

5. Regierungspräsidium Kassel

6. Goethe-Universität Frankfurt am Main

7. Justus-Liebig-Universität Gießen

8. Philipps-Universität Marburg

9. Technische Universität Darmstadt

10. Universität Kassel

11. Hochschule Darmstadt

12. Hochschule Fresenius

13. Hochschule Geisenheim University

14. Hochschule RheinMain

15. Technische Hochschule Mittelhessen

16. Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung

17. Institut für sozial-ökologische Forschung (ISOE) GmbH

Bilder zum Download:

https://www.uni-frankfurt.de/146705346
Bildtext: Beim Startschuss für das Kompetenzzentrum Wasser Hessen an der Goethe-Universität (v.l.): KWH-Gründungssprecher Prof. Jörg Oehlmann, Goethe-Universität; Hessische Umweltministerin Priska Hinz; Präsident Thomas Schmid, HLNUG; Präsident Enrico Schleiff, Goethe-Universität Frankfurt. Foto Uwe Dettmar

https://www.uni-frankfurt.de/146343265
Bildtext: Naturbelassen, eingedämmt, kanalisiert und renaturiert: Wasserwirtschaft, Hochwasserschutz und Naturschutz prägen das hessische Flüsschen Horloff auf seinem Weg von der Quelle am Vogelsberg bis zur Mündung in die Nidda. Foto: Simone Ziebart, Goethe-Universität Frankfurt


Redaktion: Dr. Markus Bernards, Referent für Wissenschaftskommunikation, Büro für PR & Kommunikation, Telefon 069 798-12498, Fax 069 798-763-12531, bernards@em.uni-frankfurt.de

 

Dez 7 2023
16:25

Eine bundesweite Studierendenbefragung zeigt: ChatGPT & Co werden im Studium schon genutzt. Nora Hoffmann, Leiterin des Schreibzentrums an der Goethe-Universität, erläutert im neuen UniReport die Ergebnisse.

Künstliche Intelligenz findet Eingang ins studentische Schreiben 

FRANKFURT. „Die Zukunft des akademischen Schreibens“ lautet der Titel einer Befragung, die von verschiedenen universitären Schreibzentren Mitte des Jahres durchgeführt wurde. Im Fokus stand dabei die Frage, auf welche Weise, aus welchen Gründen und mit welchen Haltungen Studierende generative KI-Schreibtools zum akademischen Schreiben einsetzen. Ebenso wurde abgefragt, inwiefern Schreibkompetenz Auswirkungen auf die KI-Nutzung hat. 66 Prozent der Befragten haben angegeben, generative KI-Schreibtools grundsätzlich zu nutzen.

Die meisten Studierenden setzen generative KI-Schreibtools reflektiert und verantwortungsbewusst ein und überarbeiten KI-Texte; einige jedoch lassen auch vollständige Texte generieren. Studierende sind sich der inhaltlichen Unzuverlässigkeit von KI-Texten mehrheitlich bewusst, während das Bewusstsein für Datenschutz, Urheberrecht und ethische Aspekte geringer ist. Dr. Nora Hoffmann, Leiterin des Schreibzentrums an der Goethe-Universität, erklärt im Interview mit dem UniReport, dass es durchaus noch Forschungsbedarf gebe, betont aber auch: „Wir ziehen als Schreibzentrum aus den Ergebnissen den Auftrag, weiterhin die technischen Entwicklungen zu verfolgen, uns in die regen schreibdidaktischen Diskurse einzubringen, Studierenden wie Lehrenden Unterstützung bei der Einbindung von KI ins akademische Schreiben anzubieten und didaktische Maßnahmen hierzu weiterzuentwickeln und zu beforschen.“

Weitere Themen im neuen UniReport:

Aktuelles

  • Wie sähe eine „Erziehung nach Auschwitz“ heute aus? Antisemitismus 2023: Ein Essay der Erziehungswissenschaftler Sabine Andresen und Wolfgang Meseth.
  • „Wir sind die Tür zur Universität“: Die Kunsthistorikerin und Kuratorin Ina Neddermeyer übernimmt ab Januar 2024 die Leitung des Museums Giersch der Goethe-Universität.

ExStra: Themen aus den Clusterinitiativen der Goethe-Universität

  • SCALE: Der Biophysiker Prof. Achilleas Frangakis und die Bioinformatikerin Dr. Kathi Zarnack im Porträt.
  • EMTHERA: Bürgerdialog mit Wissenschaft im Fokus – die Friedrich-Merz-Stiftungsgastprofessur mit Prof. Samir Mitragotri.
  • CARDIO PULMONARY INSTITUTE (CPI): Keine Angst vor Technologie oder Datenwissenschaft – Prof. Ingrid Fleming, Faculty-Mitglied des CPI, erforscht die Funktionsweise des Herz-Kreislauf-Systems.
  • CONTRUST: Dr. Irene Weipert-Fenner und Nahla El-Menshawy untersuchen Vertrauenskultur(en) in autoritären und krisengeschüttelten Staaten des Nahen Ostens.
  • ELEMENTS: Interdisziplinäre Zusammenarbeit in der Clusterinitiative – wie mikroskopische und makroskopische Effekte gemeinsam entschlüsselt werden.

Forschung

  • Goethe, Deine Forscher: Der Erziehungswissenschaftler Prof. Harry Harun Behr im Porträt.
  • Deutliche Spuren im sozialen Miteinander und für die mentale Gesundheit Jugendlicher: Die neue Studie JuCo IV zeigt Langzeitfolgen der Pandemie auf.

Studium, Lehre und Qualifikation

  • DAAD-Preisverleihung 2023: Auszeichnung für den Masterstudierenden Farbod Eslami Khouzani, der aus dem Iran stammt.
  • Einmal Harvard und zurück: Für die Medizinstudentin Diana Munteh war der dreimonatige Forschungsaufenthalt an der Harvard Medical School sehr gewinnbringend.

Campus

  • Viel Sorge, viel Sprachlosigkeit, aber auch klare Erwartungen an die Universitäten: Ein Gespräch mit der Islamwissenschaftlerin Prof. Armina Omerika und dem Judaisten und evangelischen Theologen Prof. Christian Wiese über den Widerhall des Gaza-Konflikts an der Goethe-Universität.
  • Zum Wandel des Wohnens: Ein gemeinsames Graduiertenkolleg von Goethe-Universität Frankfurt und Bauhaus-Universität Weimar soll dem Thema auf den Grund gehen.

Kultur

  • Brandaktuelles Theater: Die Chaincourt Theatre Company adaptiert Ray Bradburys „Fahrenheit 451“.

Bibliothek

  • Felix Otto Dessoff – Kapellmeister und Komponist: Erbin übergibt Nachlass an Universitätsbibliothek.


Der UniReport 6/2023 steht zum kostenlosen Download bereit unter https://www.unireport.info/aktuelle-ausgabe

UniReport online - Wie finden Sie unsere Artikel im Netz? Ganz einfach: Schauen Sie doch einmal ins Webmagazin der Goethe-Universität. Auf www.aktuelles.uni-frankfurt.de/unireport können Sie einen Großteil der Artikel aus der Printausgabe auch online lesen.


Redaktion: Dr. Dirk Frank, Pressereferent / stv. Leiter, Büro für PR & Kommunikation, Telefon 069 798–13753, frank@pvw.uni-frankfurt.de

 

Dez 5 2023
10:32

Internationale Tagung „CRITICAL BARBRA“ würdigt vielseitige Künstlerin

Barbra Streisand: Der erste jüdische Superstar

FRANKFURT. Einer ihrer Biographen hat sie als „größte lebende darstellende Künstlerin der Welt“ bezeichnet: Barbra Streisand, geboren 1942 in Brooklyn, New York, steht im Mittelpunkt der internationalen Tagung „CRITICAL BARBRA“, die

von 14. bis 16. Dezember
an der Goethe-Universität, im Deutschen Filmmuseum
und im Jüdischen Museum Frankfurt

stattfindet. Veranstalter sind die beiden Filmwissenschaftler Prof. Vinzenz Hediger (Goethe-Universität Frankfurt) und Prof. Marc Siegel (Johannes-Gutenberg-Universität Mainz).

Barbra Streisand ist eine der schillerndsten und einflussreichsten Figuren des Kinos und der Musikbranche. Berühmt wurde sie sowohl als Sängerin, die mit ihrer Mezzo-Sopranstimme scheinbar mühelos in mehr als drei Oktaven unterwegs ist, als auch durch zahlreiche Filmrollen, als Regisseurin, Tänzerin, Komikerin und Geschichtenerzählerin. Seit den 1980ern galt sie für viele Jahre als mächtigste Frau Hollywoods. Aber nicht nur ihre künstlerische Vielseitigkeit macht Barbra Streisand einzigartig. Besonders ist auch ihr Umgang mit dem eigenen Jüdischsein. Streisand brach mit der langen Tradition der Assimilation in der Kunst, sie war der erste erkennbar und eindeutig jüdische globale Superstar. Sie trug einen jüdischen Namen und verzichtete auf „Korrekturen“ ihres Aussehens, wie sie andere im Showbusiness durchführen ließen – und machte sogar Witze darüber.

Die Tagung CRITICAL BARBRA fokussiert auf die facettenreiche Künstlerin und kulturelle Ikone und nimmt dabei eine multidisziplinären Perspektive ein. Streisands Person und Werk bieten zahlreiche Möglichkeiten, die moderne und zeitgenössische musikalische und visuelle Kultur in ihrer ganzen Breite und Tiefe zu analysieren. „Eine Konferenz über Streisand zum jetzigen Zeitpunkt kann einen nützlichen Beitrag zur Debatte über die jüdische Sichtbarkeit und das Aufkommen neuer Formen des Antisemitismus leisten, insbesondere im Hinblick auf aktuelle Debatten über die Kunst und die Kunstwelt“, sagt Veranstalter Vinzenz Hediger.

CRITICAL BARBRA würdigt die unterschiedlichen Aspekte von Streisands Talent mit Filmvorführungen, wissenschaftlichen Vorträgen, Diskussionen und Performances. Alle Veranstaltungen finden in englischer Sprache statt.

Das ausführliche Programm finden Sie unter: https://konfigurationen-des-films.de/wp-content/uploads/2023/11/Flyer_01_web.pdf

Das Veranstaltungsplakat zum Download unter: https://www.uni-frankfurt.de/146482898

Information:
Prof. Vinzenz Hediger
Institut für Film- und Theaterwissenschaft
Goethe-Universität Frankfurt
E-Mail hediger@tfm.uni-frankfurt.de
Homepage https://konfigurationen-des-films.de


Redaktion: Dr. Anke Sauter, Referentin für Wissenschaftskommunikation, Büro für PR & Kommunikation, Telefon 069 798-13066, E-Mail sauter@pvw.uni-frankfurt.de

 

Dez 4 2023
15:00

Studie der Goethe-Universität Frankfurt identifiziert einen Mechanismus, der sich als Ansatzpunkt für neue Medikamente eignen könnte

Leukämiezellen aktivieren zelluläres Recyclingprogramm 

Um schneller zu wachsen, aktivieren Leukämiezellen typischerweise das Recycling zelleigener Strukturen. So können sie schadhafte Bestandteile entsorgen und sich besser mit Baustoffen versorgen. Forschende der Goethe-Universität Frankfurt haben nun gezeigt, dass Leukämiezellen mit einer sehr häufig auftretenden Mutation ganz spezielle Gene aktivieren, die für diesen Prozess wichtig sind. Die Ergebnisse eröffnen künftige neue Therapieoptionen. Sie sind nun in der Zeitschrift Cell Reports erschienen.

FRANKFURT. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler um Prof. Stefan Müller vom Institut für Biochemie II der Goethe-Universität haben in einer aktuellen Arbeit eine bestimmte Blutkrebs-Form untersucht, die akute myeloische Leukämie, abgekürzt AML. Die Erkrankung tritt vor allem im Erwachsenenalter auf und endet bei älteren Betroffenen oft tödlich. Bei einem Drittel der AML-Patientinnen und -Patienten weisen die Krebszellen eine charakteristische Veränderung ihres Erbguts auf. Diese Mutation betrifft das sogenannte NPM1-Gen, das die Bauanleitung für ein Protein gleichen Namens enthält.

Es war bereits bekannt, dass die mutierte NPM1-Variante (Kürzel: NPM1c) ein wichtiger Faktor für die Entstehung von Leukämie ist. „Wir haben nun aber mit einem interdisziplinären Team verschiedener Arbeitsgruppen der Goethe Universität einen neuen Weg entdeckt, wie die NPM1c-Genvariante dies macht“, erklärt Müller. Demnach greift das veränderte Protein in einen wichtigen Zellprozess ein, die Autophagozytose. Dabei handelt es sich um einen Stoffwechselweg, über den die Zelle eigene Strukturen recycelt. Diese „Selbstverdauung“ dient einerseits der Beseitigung defekter Moleküle. „Außerdem kann die Zelle so ihren Bedarf an wichtigen Bausteinen decken, etwa bei Nährstoffmangel oder bei erhöhter Zellteilung, einem Charakteristikum von Krebszellen“, erklärt Hannah Mende, Doktorandin und Erstautorin der Studie.

Bei der Autophagozytose erzeugt die Zelle zunächst eine Art Müllbeutel, das Autophagosom. Darin verpackt sie die zellulären Bestandteile, die zerlegt und gegebenenfalls wiederverwertet werden sollen. Der Müllbeutel wird dann zum Wertstoffhof der Zelle transportiert, dem sogenannten Lysosom. Mit Hilfe von Säure und Enzymen wird dort der Beutelinhalt abgebaut. Danach werden die Bausteine in die Zelle entlassen, wo sie wiederverwendet werden können. „Wir konnten nun zeigen, dass NPM1c sowohl die Produktion der Autophagosomen als auch die der Lysosomen fördert“, sagt Müller.

Die Forscherinnen und Forscher haben auch aufgeklärt, wie NPM1c diese Effekte vermittelt: Es bindet an einen zentralen Regulator des Autophagosomen-Lysosomen-Systems namens GABARAP und aktiviert ihn dadurch. „Wir haben mit Hilfe von Computersimulationen gezeigt, dass diese Bindung von NPM1c und GABARAP eine untypische Struktur aufweist“, erklärt Ko-Autor Dr. Ramachandra M. Bhaskara, der die Arbeitsgruppe „Computational Cell Biology“ am Institut für Biochemie II leitet. Experimentelle strukturbiologische Daten bestätigen die Ergebnisse der Simulation. Auf Basis dieser Ergebnisse lassen sich nun möglicherweise Wirkstoffe entwickeln, die ganz spezifisch die Bindung von NPM1c an GABARAP beeinflussen, und damit das Wachstum von Leukämiezellen bekämpfen.

Publikation: Hannah Mende, Anshu Khatri, Carolin Lange, Sergio Alejandro Poveda-Cuevas, Georg Tascher, Adriana Covarrubias-Pinto, Frank Löhr, Sebastian E. Koschade, Ivan Dikic, Christian Münch, Anja Bremm, Lorenzo Brunetti, Christian H. Brandts, Hannah Uckelmann, Volker Dötsch, Vladimir V. Rogov, Ramachandra M. Bhaskara, Stefan Müller: An atypical GABARAP binding module drives the pro-autophagic potential of the AML-associated NPM1c variant. Cell Reports (2023), https://doi.org/10.1016/j.celrep.2023.113484

Bild zum Download: https://www.uni-frankfurt.de/146339021

Bildtext: Die grünen Punkte in diesem Fluoreszenzbild zeigen die Bindung des Leukämie-assoziierten NPM1c Proteins an den Recycling-Regulator GABARAP. Blau: Zellkern, Violett: Zellskelett. Foto: Hannah Mende, AG Stefan Müller, Goethe-Universität Frankfurt

Weitere Informationen
Prof. Dr. Stefan Müller
Institut für Biochemie II
Goethe-Universität und Universitätsklinikum Frankfurt
Tel.: +49 (0)69 6301-83647
ste.mueller@em.uni-frankfurt.de
www.biochem2.de
Twitter/X: @goetheuni @IBC2_GU


Redaktion: Dr. Markus Bernards, Referent für Wissenschaftskommunikation, Büro für PR & Kommunikation, Telefon 069 798-12498, Fax 069 798-763-12531, bernards@em.uni-frankfurt.de

 

Dez 1 2023
15:35

VolkswagenStiftung ermöglicht gemeinsam mit Kassel-Stiftung, Schwiete Stiftung und Quandt Universitäts-Stiftung dauerfinanzierte Professur 

Christian Münch erhält Lichtenberg-Professur an der Goethe-Universität – Kofinanzierung durch vier Stiftungen

Eine Professur, die aus Stiftungserträgen dauerhaft finanziert wird, konnte die Goethe-Universität jetzt einwerben: Heute tritt der Biochemiker Dr. Christian Münch die Lichtenberg-Stiftungsprofessur für Molekulare Systemmedizin an. Er wird insbesondere neurodegenerative Erkrankungen und Krebs auf zellulärer Ebene untersuchen, um neue Ziele für deren Behandlung zu identifizieren. Den Grundstock von zwei Millionen Euro für das Stiftungskapital legt die VolkswagenStiftung im Rahmen ihres Programms „Lichtenberg-Stiftungsprofessuren“. Weitere drei Millionen Euro tragen die Johanna Quandt Universitäts-Stiftung, die Alfons und Gertrud Kassel-Stiftung und die Dr. Rolf M. Schwiete Stiftung bei.

FRANKFURT. Krankheiten setzen die Zellen unseres Körpers unter Stress: Das fein austarierte System von Stoffsynthese und Stoffabbau und von Teilung und Ruhe gerät aus dem Takt. Statt einzelner Stoffwechsel- oder Signalwege nimmt Prof. Christian Münch die Zelle als Ganzes in den Blick, um den Krankheitsmechanismen auf die Spur zu kommen und Ansatzpunkte für neuartige Therapien zu entdecken. Im Zentrum seiner Professur stehen zwei Projekte: Zum einen geht es um die Rolle des komplexen Membransystems „Endoplasmatisches Retikulum“ bei neurodegenerativen Erkrankungen und der Krebsentstehung. Zum andern steht im Fokus, wie die Zelle ihr Gleichgewicht (Homöostase) bei der Proteinsynthese und -abbau durch bestimmte Enzyms gewährleistet, die Proteine schreddern. Sind solche Enzyme (Proteasen) fehlreguliert, kann dies zum Beispiel bei der Alzheimer-Krankheit zur Bildung von Plaques zwischen Nervenzellen führen.

Es sei ein besonderer Tag für die Goethe-Universität, findet Präsident Prof. Enrico Schleiff: „Wir können heute nicht nur einen ausgezeichneten Wissenschaftler für die Goethe-Universität gewinnen, der im hochaktuellen und zukunftsweisenden Gebiet der Molekularen Systemmedizin forscht und lehrt. Durch den Schulterschluss der VolkswagenStiftung, der Johanna Quandt Universitäts-Stiftung, der Alfons und Gertrud Kassel-Stiftung und der Dr. Rolf M. Schwiete Stiftung ist es uns gelungen, diese Professur und damit das Forschungsgebiet nachhaltig an der Goethe-Universität zu etablieren und langfristig zu finanzieren. Genau diese Art der langfristigen Förderung eröffnet Möglichkeiten, neue wissenschaftliche Wege zu öffnen. Wir sind den Stiftungen daher zu großem Dank verpflichtet.“

Dr. Henrike Hartmann, stellvertretenden Generalsekretärin der VolkswagenStiftung und Leiterin der Abteilung Förderung, sagt: „Wir freuen uns, dass die Goethe-Universität mit unserer Unterstützung Herrn Münch als herausragendem Wissenschaftler eine dauerhafte Perspektive in einem zukunftsträchtigen Forschungsfeld schaffen konnte.“

„Das Herzstück der Johanna-Quandt-Universitätsstiftung, mit der wir seit 2008 Wissenschaft, Forschung und Lehre an der Goethe-Universität und ihren Partnern fördern, ist der Johanna Quandt-Jubiläumsfonds“, sagt Stefan Quandt, Beiratsvorsitzender der Johanna Quandt Universitäts-Stiftung. „Mit diesem Fonds haben wir zum Beispiel 2018 die Johanna Quandt Young Academy ins Leben gerufen, um junge Talente an der Goethe-Universität zu unterstützen. Die Kofinanzierung der Lichtenberg-Stiftungsprofessur von Prof. Münch war uns daher ein besonderes Anliegen. Wir freuen uns dazu beitragen zu können, diesem begabten Wissenschaftler eine langfristige Perspektive an der Goethe-Universität zu geben.“

Gunther Ruppel von der Alfons und Gertrud Kassel-Stiftung, hebt hervor: „Unsere Stifterin Gertrud Kassel war der Überzeugung, dass es ‚gescheite junge Leute in Deutschland‘ für die Wissenschaft bräuchte. Aus der Tradition unserer Stifterin und unseres Stifters heraus haben wir daher gerne zur Lichtenberg-Stiftungsprofessur für Professor Münch beigetragen.“

Dr. Jürgen Staiger, Vorstand der Dr. Rolf M. Schwiete Stiftung meint: „Wir konnten bisher schon eine ganze Reihe von Stiftungsprofessuren, insbesondere am Fachbereich Medizin der Goethe-Universität für längere, aber befristete Zeiträume finanzieren. Die Lichtenberg-Stiftungsprofessur bietet jetzt die Gelegenheit, eine Professur nachhaltig und auf Dauer zu errichten, ganz im Sinne unseres Stifters.“

Christian Münch promovierte an der Universität Cambridge und arbeitete als Postdoktorand an der Harvard Medical School. Seit 2016 ist er Leiter der Forschungsgruppe Proteinqualitätskontrolle und der Abteilung Quantitative Proteomics am Institut für Biochemie II der Goethe-Universität Frankfurt. Zu seinen Forschungsschwerpunkten zählen zelluläre Stressreaktionen auf fehlgefaltete Proteine in den Kraftwerken der Zelle (Mitochondrien) sowie auf Infektionen und Krankheiten. Sein Ziel: Er möchte verstehen, mit welchen Veränderungen das ganze System Zelle auf Stress reagiert. Für seine Arbeit erhielt er bereits einen ERC Starting Grant, eine Emmy-Noether-Förderung, einen ERC Consolidator Grant sowie eine Reihe von Auszeichnungen. Er ist ein EMBO Young Investigator und Mitglied in den Lenkungsausschüssen des BMBF Cluster4Future Proxidrugs, des Sonderforschungsbereichs 1177 zur selektiven Autophagie, des Fraunhofer Leistungszentrums TheraNova sowie des Forschungsclusters EMTHERA (Emerging Therapies) unter Leitung der Goethe-Universität. 2023 nahm er den Ruf auf eine Lichtenberg-Stiftungsprofessur an der Goethe-Universität Frankfurt an.

Bilder zum Download:
https://www.puk.uni-frankfurt.de/93374838

Bildtext: Prof. Dr. Christan Münch, Institut für Biochemie II, Goethe-Universität Frankfurt. Foto: Uwe Dettmar


Redaktion: Dr. Markus Bernards, Referent für Wissenschaftskommunikation, Büro für PR & Kommunikation, Telefon 069 798-12498, Fax 069 798-763-12531, bernards@em.uni-frankfurt.de

 

Dez 1 2023
11:04

Die Anthropologin Anna Tsing hält die diesjährige Dagmar-Westberg-Vorlesung 

Wasser und Land im indonesischen Papua

FRANKFURT. Anna Tsing, Professorin für Anthropologie an der Universität von California, Santa Cruz, hält in diesem Jahr die Dagmar-Westberg-Lectures im Rahmen eines Gastaufenthaltes an der Goethe-Universität. Der Auftakt der Veranstaltung ist

am Montag, 11. Dezember, um 16 Uhr
im Casinogebäude, 1. OG, Raum 1.811 (Trude Simonsohn-Saal)
auf dem Campus Westend.

Die Vorlesungen unter dem Titel "Waterlands: Political Geomorphologies at a Muddy Edge" werden in englischer Sprache gehalten.

Anna Tsing, Jahrgang 1952, hat in Yale und Stanford studiert. Nach ihrer Promotion arbeitete sie als Gastprofessorin an der University of Colorado, Boulder, und als Assistenzprofessorin an der University of Massachusetts, Amherst. Seit 1989 forscht und lehrt sie in Santa Cruz. Tsing hat mehr als 40 Artikel in renommierten Fachzeitschriften veröffentlicht. Für ihr Buch "In the Realm of the Diamond Queen" (1994) erhielt sie den Henry J. Benda Prize, für "Friction: An Ethnography of Global Connection" (2005) wurde sie von der American Ethnological Society ausgezeichnet. In ihrem Buch "The Mushroom at the End of the World: On the Possibility of Life in Capitalist Ruins" (2015) gibt sie Einblicke in die anthropologische Bedeutung des Matsutake-Pilzes, der in Japan als Delikatesse gilt.  Der Pilz wächst in Landschaften, die vom Menschen stark verändert wurden. Tsing verfolgt die internationale Reise des Matsutake-Pilzes, um dem Leser einen Einblick in die komplexe Warenkette des Pilzes zu geben, und verbindet damit Betrachtungen über den Kapitalismus. Sie zeigt, wie die Ökologie durch menschliche Eingriffe geformt wird. Das Buch wurde mit dem Gregory Bateson Prize und dem Victor Turner Prize gewürdigt.

In ihren Frankfurter Vorträgen spricht Tsing über ihr jüngstes Forschungsprojekt zur Wechselwirkung von Land und Wasser an der Westküste von Papua, Indonesien. Anhand von neuem ethnographischem Material erforscht sie die seit langem bestehenden Arten, wie die Menschen in Sümpfen an der Westküste von Papua leben, aber auch wie Siedlerbesetzung und Städtebau neue Herausforderungen einschließlich chronischer Überschwemmungen verursacht haben.

Die seit 2012 einmal jährlich stattfindende Gastprofessur wurde von Dagmar Westberg (1914-2017) gestiftet. Westberg, die auch Ehrensenatorin der Goethe-Universität war, wollte damit die Geistes- und Kulturwissenschaften fördern.

www.uni-frankfurt.de/Dagmar-Westberg-Stiftungsgastprofessur

Die Termine
Montag, 11. Dezember
Living in mud

Dienstag, 12. Dezember
Possession/dispossession

Donnerstag, 14. Dezember
A pinball model of chronic flooding

Die Vorträge finden jeweils um 16 Uhr im Casino-Gebäude auf dem Campus Westend, 1. OG, Raum 1.811 (Trude Simonsohn-Saal) statt.

Das Veranstaltungsplakat und ein Bild zum Download unter:
https://www.uni-frankfurt.de/146367258

Bildtext: 
"Wasserlandschaften: Politische Geomorphologien an einem schlammigen Rand" - so lautet der Titel der Westberg-Stiftungsgastprofessur 2023 mit der Anthropologin Prof. Anna Tsing. Das Bild entstand nahe der indonesischen Küstenstadt Sorong. (Foto: Anna Tsing)

Informationen:
Prof. Dr. Mirco Göpfert
Institut für Ethnologie
Goethe-Universität
Telefon 069 798-33078
E-Mail goepfert@em.uni-frankfurt.de


Redaktion: Dr. Anke Sauter, Referentin für Wissenschaftskommunikation, Büro für PR & Kommunikation, Telefon 069 798-13066, E-Mail sauter@pvw.uni-frankfurt.de

 

Dez 1 2023
10:48

Goethe-Universität zeichnet herausragende Wissenschaftler*innen aus den Bereichen Rechtswissenschaft, Mikrobiologie und Inklusionsforschung aus – Justizminister als Laudator

Drei preiswürdige Persönlichkeiten der Goethe-Universität

Alle zwei Jahre vergibt die Alfons-Gertrud-Kassel-Stiftung den „Scientist of the Year“-Preis sowie den „Public Service Fellowship-Preis“ an Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Goethe-Universität. Jährlich verleiht zudem der Präsident der Goethe-Universität den New Horizon-Preis. Erstmals fand gestern die öffentliche Auszeichnung im Rahmen einer gemeinsamen Feier statt. Prämiert wurden die Mikrobiologin Inga Hänelt, die Juraprofessorin Indra Spiecker und der Erziehungswissenschaftler Lukas Gerhards.

FRANKFURT. Die drei Wissenschaftler*innen, die am gestrigen Abend an der Goethe-Universität prämiert wurden, leisten „außerordentliche wissenschaftliche Arbeit und“, führte Universitätspräsident Enrico Schleiff in seinem Grußwort aus, „sie lassen andere an den Ergebnissen dieser Wissenschaft teilhaben, alle von ihr profitieren – in einem Wortverständnis, das weit hinaus reicht über den wirtschaftlichen Effekt.“ Damit verwirklichten sie etwas, so Schleiff, was die Goethe-Universität wesentlich ausmache: „Dass wir die zusammengetragenen Wissensschätze nicht für uns behalten, sondern ganz bewusst teilen: in die Wissenschaftslandschaft hinein und – in intelligent strukturierten Dialogen sowie mit modernen Methoden – mit der Gesellschaft.“

Den Preis „Scientist of the Year“ der Alfons und Gertrud Kassel-Stiftung 2023 erhält die Mikrobiologin Prof. Inga Hänelt für ihre herausragende Forschung und ihr hohes Engagement in der Nachwuchsförderung. Die Heisenberg-Professorin am Institut für Biochemie der Goethe-Universität wurde ausgezeichnet für ihren Beitrag zum Verständnis von Prozessen, die Bakterien unter verschiedenen Stressbedingungen das Überleben ermöglichen; konkret geht es dabei um ihre Arbeit zur mikrobiellen Kaliumhomöostase, also zu den Prozessen, mit denen sich Bakterien durch Kaliumaufnahme oder -abgabe zum Beispiel an salzige Umgebungen, Trockenheit oder extreme pH-Werte anpassen. Hänelts mehrfach prämierte Arbeiten sind national wie international hoch angesehen und haben Eingang in höchstrenommierte Fachzeitschriften gefunden. Darüber hinaus gehört die Mikrobiologin aufgrund ihrer exzellenten Leistung vielen Forschungsverbünden der Deutschen Forschungsgemeinschaft an. An der Goethe-Universität ist sie eine der verantwortlichen Wissenschaftler*innen der Clusterinitiative SCALE (SubCellular Architecture of LifE).

Den „Scientist of the Year“-Preis in Höhe von 25.000 Euro, den die Stiftung alle zwei Jahre vergibt, erhält Inga Hänelt auch für ihre exzellente Betreuung und Förderung junger Wissenschaftler*innen. In der Laudatio anlässlich der Preisverleihung lobte Hänelts Arbeitsgruppe das Engagement ihrer Mentorin, die sich weit über die eigene Gruppe hinaus für die Weiterbildung junger Wissenschaftler*innen einsetze.

Der „Public Service Fellowship-Preis“ der Alfons und Gertrud Kassel-Stiftung 2022 ging in diesem Jahr an Prof. Indra Spiecker genannt Döhmann. Spiecker lehrt seit 2013 an der Goethe-Universität Öffentliches Recht, Informationsrecht, Umweltrecht und Verwaltungswissenschaften. Sie leitet die Forschungsstelle Datenschutz und ist wissenschaftliche Direktorin des Instituts für Europäische Gesundheitspolitik und Sozialrecht (ineges). Als erste Juristin überhaupt gehört sie der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften (acatech) an. Sie wirkt u.a. in der Steuerungsgruppe „Digitalisierung und Gesellschaft“ der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina mit. Indra Spiecker gehört zu den führenden und international renommierten juristischen Fachleuten. Sie erforscht u.a. die Regulierungsbedingungen und -möglichkeiten der digitalen Welt und der dortigen Machtverschiebungen und analysiert dazu u.a. Entscheidungen in Unsicherheitssituationen oder das Verhältnis von Vertrauen und Konflikt, das auch in der Clusterinitative ConTrust erforscht werden soll. Spiecker wird als Expertin von vielen Institutionen, insbesondere zu rechtlichen Aspekten der Digitalisierung, häufig zu Rate gezogen, z.B. für den Dritten Gleichstellungsbericht der Bundesregierung, von den Datenschutzbehörden oder der Antidiskriminierungsstelle des Bundes.

Der mit 10.000 Euro dotierte „Public Service Fellowship-Preis“ wird von der Alfons und Gertrud Kassel-Stiftung alle zwei Jahre an Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Goethe-Universität vergeben, die in bedeutenden wissenschaftlichen oder wissenschaftspolitischen Gremien tätig sind. Das Preisgeld soll Projekte ermöglichen, die wegen des besonderen Engagements nicht weiter bearbeitet werden konnten. Prof. Spiecker ist die vierte Preisträgerin – nach der Erziehungswissenschaftlerin Sabine Andresen, dem Finanzwissenschaftler und früheren „Wirtschaftsweisen“ Prof. Volker Wieland und dem Mediziner und langjährigen Vorsitzenden des Sachverständigenrats Gesundheit der Bundesregierung Prof. Dr. Ferdinand Gerlach. Die Laudatio auf Indra Spiecker genannt Döhmann hält Prof. Roman Poseck, Hessischer Minister der Justiz.

Der diesjährige Preisträger des New Horizon Preis des Präsidenten ist der Inklusionsforscher Lukas Gerhards. Der mit 5.000 Euro dotierte Preis fördert junge Wissenschaftler*innen der Goethe-Universität, die in ihrer Arbeit und ihrem Denken neue Wege beschreiten. Der Doktorand Lukas Gerhards widmet sich nach seinem Studium der Sonderpädadogik der Inklusionsforschung. In seiner neurophilosophisch ausgerichteten Promotion untersucht er etwa, was Neurodiversität bedeutet, wie es also zu unterschiedlicher Wahrnehmung von Umwelt kommt. Als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Team der Inklusionsforscherin Prof. Dr. Vera Moser wirkt Lukas Gerhards federführend mit an dem BMBF-geförderten innovativen Forschungsverbund Schule & Autismus „schAUT“. Gemeinsam mit Autist*innen will dieses Projekt erstmals gezielt Barrieren für autistische Schüler*innen an Schulen identifizieren und Möglichkeiten erkunden, diese abzubauen. Welche Faktoren stören autistische Schüler*innen beim Lernen? Erste Erkenntnisse belegen bereits, dass autistische wie nicht-autistische Schulkinder von denselben Faktoren – wie etwa grelles Licht und hoher Geräuschpegel - gestört werden, so dass alle von einem Abbau dieser Barrieren profitieren. Das Projekt fördert zudem einen hohen Wissenstransfer in die Gesellschaft: Es umfasst einen Barriere-Fragebögen, eine Handreichung zum Umgang mit dem Instrument und ein Fortbildungskonzept für Schulen sowie Informationsmaterial für die interessierte Öffentlichkeit. Der New Horizon-Preis wurde erstmals 2022 an die Wirtschaftspädagogin Dr. Christin Siegfried vergeben.

Die Alfons und Gertrud Kassel-Stiftung wurde 2007 mit dem Ziel gegründet, Wissenschaft, Forschung und Lehre an der Goethe-Universität zu fördern. Sie basiert auf einem Stiftungsvermögen, das die Stifterin Gertrud Kassel hinterlassen hat. Damit unterstützt die Stiftung zahlreiche Projekte der Universität.


Redaktion: Pia Barth, Referentin für Wissenschaftskommunikation, Büro für PR & Kommunikation, Telefon 069 798-12481, Fax 069 798-763-12531, p.barth@em.uni-frankfurt.de

 

Dez 1 2023
09:50

Vergabefeier zum Deutschlandstipendium feiert 550 neue Stipendien

Wenn Stipendiaten auf ihre Förderer treffen

Gute Noten und soziales Engagement müssen die Studierenden mitbringen, die sich beim Deutschlandstipendium bewerben wollen. Die Stipendiat*innen werden dann maximal zwei Jahre monatlich mit 300 Euro in ihrem Studium unterstützt. Auf der geselligen Vergabefeier an der Goethe-Universität trafen am Mittwoch 600 Studierende und Förderer zusammen.

FRANKFURT. Das Prinzip des Deutschlandstipendiums ist so einfach wie schlagend: Jeder von den Universitäten pro Jahr eingeworbene Euro wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung verdoppelt. 990.000 Euro sind in diesem Jahr an der Goethe-Universität zusammengekommen, verdoppelt stehen also 1.980.000 Euro für Deutschlandstipendien zur Verfügung. 550 Studentinnen und Studenten – rund ein Drittel mit Migrationshintergrund – können so maximal zwei Jahre lang mit monatlich 300 Euro gefördert werden. Für viele Studierende bedeutet das, weniger Zeit in die Finanzierung ihres Studiums stecken zu müssen und sich intensiver ihrem Studium widmen zu können.

Beim geselligen Get-together am Mittwoch, dem 28. November, holten sich zahlreiche Stipendiat*innen im Casino-Gebäude ihr Dokument persönlich ab – und trafen dabei auch mitunter mit ihrer Förderin oder ihrem Förderer zusammen. Rund 600 Stipendiaten und Förderer nahmen am Get-together teil, um sich kennenzulernen. Drei von den 22 Förderinnen und Förderern, die das Stipendienprogramm seit seiner Gründung vor 13 Jahren unterstützen, wurden bei der diesjährigen Vergabefeier vom Universitätspräsidenten Enrico Schleiff geehrt. Schleiff wies daraufhin, dass es unter anderem auch das Engagement der lokalen Förderinnen und Förderer sei, welches das Stipendienprogramm zu einer wahren „Erfolgsgeschichte“ mache. „Diese große Akzeptanz in der Bevölkerung zeigt, dass Sinnvolles auch und gerade in der Bürgerstadt Frankfurt unterstützt wird!“

Kurzweilig unterhalten wurden die Teilnehmer*innen des Get-together von dem Science Slammer und Archäologen Frederic Auth, der mit seiner Darstellung einer überraschenden archäologischen Entdeckung durch Wissenschaftler der Goethe-Universität unter anderem den diesjährigen „Antiquity Slam“ in Berlin gewann.

Rund 300 Privatförderer und ca.50 Non-Profit-Organisationen – sie tragen das finanzielle Hauptvolumen – haben in diesem Jahr für ein Deutschlandstipendium gespendet, Tendenz leicht steigend gegenüber den Vorjahren. Leicht abgenommen und damit im Trend seit den Pandemiejahren hat die Zahl der fördernden Unternehmen mit knapp 50.

Neben einer finanziellen Förderung von monatlich 300 € bietet das Stipendium auch ein ideelles Förderprogramm sowie ein starkes Netzwerk und ein vielfältiges Veranstaltungsangebot. Im sogenannten „Young Leadership Programm“ erhalten die Stipendiatinnen und Stipendiaten die Chance, sich persönlich und fachlich weiterzuentwickeln. Dazu gehört die individuelle Förderung in Projektteams ebenso wie studienbegleitende Programme und Angebote – Seminare, Workshops, Best-Practice-Vorträge, Netzwerke. An einer Alumni-Gruppe aller Deutschlandstipendiaten der Goethe-Universität arbeiten die Geförderten inzwischen selbst. Viele wollen auch nach Ablauf des Stipendiums noch miteinander in Kontakt bleiben und ihr eigenes Netzwerk pflegen.

Seit 2011 wurden 6.752 Stipendien vergeben, was einer Fördersumme von 12.153.600 Euro entspricht. Nach dem Matching-Prinzip des Bundes kamen Studierenden der Goethe-Universität bislang ca. 25 Millionen Euro durch das Deutschlandstipendium zugute.

Bilder zum Download: https://www.uni-frankfurt.de/146364557

Bildtext: (Foto 1) Rund 600 Stipendiaten und Förderer nahmen am Get-together zum Start des Deutschlandstipendiums teil, um einander kennenzulernen (Foto: Uwe Dettmar)
(Foto 2) In Kontakt kommen und in Kontakt bleiben: Viele Deutschlandstipendiaten wollen ihr eigenes Netzwerk pflegen (Foto: Uwe Dettmar)

Weitere Informationen
Marc Heinbücher
Referent Deutschlandstipendium
Private Hochschulförderung
Telefon: 069/798-12756
E-Mail: heinbuecher@em.uni-frankfurt.de
Homepage: https://www.uni-frankfurt.de/44947252/


Redaktion: Pia Barth, Referentin für Wissenschaftskommunikation, Büro für PR & Kommunikation, Telefon 069 798-12481, Fax 069 798-763-12531, p.barth@em.uni-frankfurt.de

 

Nov 30 2023
14:41

Unter der Leitung von Informatiker Prof. Thomas Lippert soll mit dem Gerät der zukunftsweisende Weg zum Quantencomputing beschritten werden.  

Goethe-Universität erhält ihren ersten Quantencomputer 

FRANKFURT. Die Goethe-Universität wird in Kürze ihren ersten Quantencomputer installieren und sich damit in die Spitzengruppe der deutschen Universitäten im Bereich des angewandten Quantencomputing einreihen: Der Frankfurter Erstling mit dem Namen „Baby Diamond“ startet als Pilotsystem mit fünf Qubits und beruht auf der Technologie der Stickstoff-Fehlstellen in einem künstlichen Diamanten. Es soll im ersten Quartal 2024 vom Ulmer Start-Up XeedQ GmbH geliefert werden. Pilotnutzer:innen werden aus der Goethe-Universität und dem Verbund der Nationalen Höchstleistungsrechner NHR erwartet. 

Das Thema Quantencomputing ist derzeit in aller Munde als eine Zukunftstechnologie, die verspricht, bisher zu große oder gar mit digitalen Verfahren unlösbare Aufgaben im Bereich der Computersimulation und der KI bewältigen zu können. „Mit unserem neuen Pilot-Quantencomputer machen wir einen wichtigen Schritt in dieses revolutionäre Gebiet, dem bald weitere folgen werden,“ erklärt Prof. Enrico Schleiff, Präsident der Goethe-Universität. „Baby Diamond wird uns einen ersten Blick in eine Zukunft werfen lassen, in welcher große rechnerische Herausforderungen möglich werden, die wir uns heute noch gar nicht vorstellen können“. 

Ulrich Schielein, Chief Information Officer (CIO) und Vizepräsident für Digitalisierung an der Goethe-Universität, ergänzt: „Die Behandlung völlig neuer Problemklassen aus der Finanzwelt, der Logistik im Schienen-, Luft- und Straßenverkehr, der Medizin und Biologie, der Wetter- und Klimaforschung, aber auch aus den Grundlagenwissenschaften wie Physik und Chemie oder dem Training von Basismodellen der künstlichen Intelligenz scheint in wenigen Jahren realisierbar zu sein. Wir bauen dabei auch auf die Zusammenarbeit mit Forschenden hier im Raum Rhein-Main als auch mit hier ansässigen Unternehmen und Institutionen.“

Der Quantencomputer nutzt einen kleinen künstlichen Diamanten, wie er aus industriellen Anwendungen bekannt ist, in den Stickstoffatome eingebettet sind. Sie induzieren jeweils eine Fehlstelle, die als zentrales Qubit verwendet werden kann. Spins von Atomen können als weitere Qubits um diesen Defekt herum kontrolliert werden. Dies macht praktisches Quantencomputing möglich.

„Mit unserem Einstiegssystem verfolgen wir die Idee des kompakten Quantencomputers, der bereits bei Raumtemperatur einsetzbar ist, keine besondere Tieftemperaturkühlung benötigt, in einem kleinen Labor aufgebaut werden kann und dabei besonders energieeffizient ist“, sagt Prof. Thomas Lippert, Leiter der Arbeitsgruppe Modulares Supercomputing und Quantencomputing, die im Sommer 2020 im Fachbereich Informatik und Mathematik der Goethe-Universität eingerichtet wurde. „Als Universität stellen wir uns mit dem Quantencomputer bewusst gegen die derzeitige Monopolbildung großer Firmen auf, die ihre Systeme hinter Paywalls verstecken. Da es ein Kompaktsystem ist, können wir bereits heute Studierende hands-on und direkt am Gerät ausbilden. Dies ist das Gebot der Stunde, um fit für die Zukunft zu werden.“

Der Quantencomputer ist Teil der Frankfurter Roadmap, die darauf abzielt, bis zum Jahr 2025 bis zu 16 hochwertige Qubits zu beschaffen und diese Zahl in Zukunft Schritt für Schritt weiter zu erhöhen. Das Pilotsystem wird dazu beitragen, eine Infrastruktur an der Goethe-Universität in Zusammenarbeit mit dem NHR-Netzwerk aufzubauen, die das Quantenrechnen eng mit dem Hochleistungsrechnen verbinden wird. In diesem Zusammenhang konnte die Goethe-Universität das Forschungszentrum Jülich mit seiner JUNIQ Quantencomputing-Infrastruktur als wissenschaftlichen Partner gewinnen, der weltweit Vorreiter im modularen hybriden Quanten-HPC-Rechnen ist.

Entwickelt wird das System von der XeedQ GmbH, einem Unternehmen mit Sitz in Leipzig und am DLR-Innovationszentrum in Ulm. XeedQ GmbH wird von der Quantencomputer-Initiative des DLR gefördert, um eine skalierbare Quantencomputertechnologie zu entwickeln. Quantencomputing wird oft als zweite Quantenrevolution bezeichnet. Der Quantencomputer der Goethe-Universität wird auf dem historischen Gelände des Campus Bockenheim stehen, wo vor mehr als 100 Jahren das berühmte Experiment von Stern und Gerlach die heutige Grundlage des Quantencomputing geschaffen hat und ein wichtiger Teil der ersten Quantenrevolution war. Mit seinem Baby Diamond ebnet die Goethe-Universität den Weg, um neue Quantenrevolutionen wieder nach Frankfurt am Main zu bringen.

Weitere Informationen:
Prof. Thomas Lippert, Professor für modulares Supercomputing und Quantencomputing, Institut für Informatik, Goethe-Universität Frankfurt. t.lippert@em.uni-frankfurt.de


Redaktion: Dr. Dirk Frank, Pressereferent / stv. Leiter, Büro für PR & Kommunikation, Telefon 069 798–13753, frank@pvw.uni-frankfurt.de

 

Nov 29 2023
11:04

Frankfurter Forscher:innen widerlegen Hypothesen zur Evolution von Giftgenen und zeigen, dass diese vor dem Stachel entstanden sind

Das Gift war vor dem Stachel da: Erbgutanalyse beleuchtet Herkunft des Bienengifts

Bienen, Wespen und Ameisen gehören zur Gruppe der Hautflügler und injizieren bei einem Stich einen ganzen Cocktail an Giftkomponenten. Trotz ihrer immensen ökologischen und ökonomischen Bedeutung war bislang wenig über die Herkunft ihres Gifts bekannt. Ein Wissenschaftsteam um Dr. Björn von Reumont von der Goethe-Universität Frankfurt hat jetzt mittels umfangreicher Gen-Analysen herausgefunden, dass typische Gift-Bestandteile bereits bei den frühesten Vorfahren der Hautflügler vorhanden waren und sich somit vor der Entstehung des Stachels von Biene & Co. entwickelt haben müssen. Anders als bisher vermutet findet sich zudem das Gen für den Giftstoff Melittin ausschließlich bei Bienen.

FRANKFURT. Gifte haben sich in vielen Tiergruppen unabhängig voneinander entwickelt. Eine Tiergruppe, in der viele Gift produzierende Tiere vorkommen, sind die Hautflügler. Dabei handelt es sich um eine Gruppe von Insekten, zu denen auch die Stechimmen – also Bienen, Wespen und Ameisen – gehören. Die Hautflügler sind sehr artenreich; alleine die Bienen zählen mehr als 6000 Arten. Trotz der großen ökologischen und ökonomischen Bedeutung der Hautflügler ist über die evolutive Entstehung ihrer Gifte aber noch sehr wenig bekannt.

Forscher:innen um Dr. Björn von Reumont, der als Gastwissenschaftler im Arbeitskreis für Bioinformatik am Institut für Zellbiologie und Neurowissenschaften der Goethe-Universität Frankfurt arbeitet, haben nun erstmals anhand von systematischen Erbgutvergleichen untersucht, wie sich die wichtigsten Bestandteile des Gifts der Bienen und anderer Hautflügler in der Evolution entwickelt haben. Die Gifte sind komplexe Gemische, die sich aus kleinen Eiweißen (Peptiden) und wenigen großen Proteinen und Enzymen zusammensetzen. Stechimmen injizieren diesen Giftcocktail mit Hilfe eines spezialisierten Stechapparats aktiv in die Beute oder den Angreifer.

Im ersten Schritt bestimmten die Forscher:innen, welche der Peptide und Proteine im Gift unter den Hautflüglern am weitesten verbreitet waren. Dafür griffen sie auf die – allerdings bislang spärlich vorhandenen – Informationen aus Proteindatenbanken zurück. Zusätzlich analysierten sie selbst die Proteine in den Giften zweier Wildbienenarten – der Violetten Holzbiene (Xylocopa violacea) und der Gelbbändigen Furchenbiene (Halictus scabiosae) – sowie der Honigbiene (Apis mellifera). In allen untersuchten Hautflügler-Giften fanden sie die gleichen 12 „Familien“ von Peptiden und Proteinen. Diese stellen also eine „gemeinsame Zutat“ dieser Giftcocktails dar.

Anschließend fahndete das Wissenschaftsteam in Kooperation mit Kolleg:innen vom Leibniz Institut für Biodiversitätswandel (LIB), der Technischen Universität München (TUM) und dem Zentrum für Translationale Biodiversitätsgenomik (LOEWE TBG) im Erbgut von insgesamt 32 Hautflügler-Arten – darunter Schweißbienen, stachellose Bienen, aber auch Wespen und Ameisen wie die berüchtigte Rote Feuerameise (Solenopsis invicta) – nach den Genen für diese 12 Peptid- und Proteinfamilien. Die Unterschiede in diesen Genen, teilweise nur der Austausch einzelner Buchstaben des genetischen Codes, halfen den Wissenschaftler:innen dabei, den Verwandtschaftsgrad zwischen den Genen verschiedener Arten zu bestimmen und letztlich einen Stammbaum der Giftgene zu erstellen. Dazu griffen sie auch auf künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen zurück.

Das überraschende Ergebnis: Viele der untersuchten Giftgene sind in allen Hautflüglern vorhanden, sodass offenbar bereits der gemeinsame Vorfahr aller Hautflügler diese Gene besessen hat. „Das bedeutet, dass die Hautflügler mit großer Wahrscheinlich als gesamte Gruppe giftig sind“, schlussfolgert von Reumont. „Für andere Gruppen wie die Toxicofera, zu denen Schlangen, Schleichen und Leguanartige gehören, wird bislang noch diskutiert, ob die Gifte auf einen gemeinsamen Vorfahren zurückgehen oder mehrfach entstanden sind.“

Zwar besitzen innerhalb der Hautflügler nur die Stechimmen – also die Bienen, Wespen und Ameisen – einen echten Stachel zur Applikation des Gifts. Doch auch die entwicklungsgeschichtlich alten parasitären Pflanzenwespen injizieren mit ihrem Eiablageapparat neben den Eiern Substanzen, mit denen sie die Physiologie der Wirtspflanzen verändern: Die Blaue Fichtenholzwespe (Sirex noctilio) zum Beispiel bringt nicht nur einen Pilz mit in die Pflanze ein, der die Besiedelung des Holzes durch die Larve erleichtert, sondern auch einen Giftcocktail mit den in der Studie untersuchten Giftproteinen. Diese sollen in der Pflanze geeignete Rahmenbedingungen für die Larve schaffen. „Damit kann man auch die Blaue Fichtenholzwespe als giftig einstufen“, so von Reumont.

Als Giftkomponente neu bei den Bienen sind das Gen für das Peptid Melittin sowie Gene für Vertreter der neu beschriebenen Proteinfamilie Anthophilin-1. Dass Melittin nur von einem einzigen Gen kodiert wird, war überraschend für die Giftforscher:innen, wie von Reumont erklärt: „Von Melittin gibt es nicht nur viele verschiedene Varianten, das Peptid macht im Bienengift auch bis zu 60 Prozent des Trockengewichts aus. Deshalb war man davon ausgegangen, dass viele Genkopien vorliegen müssen. Das konnten wir klar widerlegen.“ Da sie das Melittin-Gen nur bei Bienen fanden, entkräfteten die Forscher auch die Hypothese, dass es zu einer für die Stechimmen postulierten Gruppe von Giftgenen gehört, den Aculeatoxinen. „Das zeigt uns einmal mehr, dass man nur mit Genomdaten aussagekräftige Schlüsse über die Evolution von Giftgenen ziehen kann“, ist der Forscher überzeugt.

Die Frankfurter Studie zeigt zum ersten Mal für eine ganze Insekten-Gruppe mit rund einer Million Arten, wo Giftgene herkommen und wie sie sich entwickelt haben. Sie bietet nun einen Ausgangspunkt, um die Entstehung der Giftgene bei den Vorfahren der Hautflügler sowie Spezialisierungen innerhalb der Gruppe zu verfolgen. Um groß angelegte Genomvergleiche durchführen zu können, müssen nun allerdings zuerst Analysemethoden für die zum Teil sehr großen Proteinfamilien automatisiert werden.

Publikation: Ivan Koludarov, Mariana Velasque, Tobias Senoner, Thomas Timm, Carola Greve, Alexander Ben Hamadou, Deepak Kumar Gupta, Günter Lochnit, Michael Heinzinger, Andreas Vilcinskas, Rosalyn Gloag, Brock A. Harpur, Lars Podsiadlowski, Burkhard Rost, Timothy N. W. Jackson, Sebastien Dutertre, Eckart Stolle, Björn M. von Reumont: Prevalent bee venom genes evolved before the aculeate stinger and eusociality. BMC Biology, (2023) https://doi.org/10.1186/s12915-023-01656-5

Bilder zum Download:
https://www.uni-frankfurt.de/146271865

Bildtext: Komponenten des Giftcocktails von Wildbienen wie der Platterbsen-Mörtelbiene (Megachile ericetorum) sind entwicklungsgeschichtlich älter als ihr Stachel. Foto: Björn von Reumont

Weitere Informationen
Dr. rer nat. habil. Björn M. von Reumont
Gastwissenschaftler im Arbeitskreis für Angewandte Bioinformatik/Prof. Ingo Ebersberger
Goethe-Universität Frankfurt
Tel. +49(0)151-61997924
bmvr@reumont.net
http://www.venom-evolution.de

Twitter/X: @BReumont @goetheuni @LOEWE_TBG @Leibniz_LIB @TU_Muenchen


Redaktion: Dr. Markus Bernards, Referent für Wissenschaftskommunikation, Büro für PR & Kommunikation, Telefon 069 798-12498, Fax 069 798-763-12531, bernards@em.uni-frankfurt.de

 

Nov 29 2023
10:27

Ergebnisse der vierten bundesweiten JuCo-Studie: Globale Krisen lassen junge Menschen weiterhin besorgt in die Zukunft blicken

Jugend zwischen Corona-Folgen und globalen Krisen

Die emotionale Belastung ist für viele Jugendliche nach Corona nicht weniger geworden. Zudem haben junge Menschen das Gefühl, von den politisch Verantwortlichen nicht genug wahrgenommen zu werden. Dies ist ein Ergebnis der vierten JuCo-Studie des Forschungsverbunds Kindheit – Jugend – Familie in der Corona-Zeit der Universitäten Frankfurt und Hildesheim. Rund 1200 junge Menschen haben im Frühjahr 2023 an der Studie teilgenommen. 

FRANKFURT. Dass viele Jugendliche Zukunftsängste haben, zeigte sich bereits in den drei vorherigen JuCo-Studien. Im Laufe der vier JuCo-Studien wird deutlich: Diese Ängste sind mit dem Ende der Pandemie nicht unbedeutender geworden. Junge Menschen nehmen politische Entwicklungen und globale Krisen sensibel wahr. Anna Lips von der Universität Hildesheim ordnet dieses Ergebnis ein: „Junge Menschen sind dabei, ihren Platz in der Welt zu finden. Reiht sich eine Krise an die andere, kann dies zu einer Orientierungslosigkeit führen.“ Auch der Kommentar einer Studienteilnehmerin unterstreicht die Unsicherheit, mit der junge Menschen konfrontiert sind: „Ich habe zwar einen Plan im Leben, aber ich werde mit all diesen Dingen rechnen und leben müssen.“

Die Daten der Studie zeigen außerdem: Junge Frauen machen sich – wie bereits in der Pandemiesituation - mehr Sorgen als junge Männer. Und auch ihre Zukunftsperspektiven und die aktuelle Situation in Deutschland betrachten sie weniger zuversichtlich. In der vierten JuCo-Studie machte sich nur jede zehnte junge Frau keine Sorgen über gesellschaftliche Entwicklungen, über ein Viertel ist teilweise besorgt und 62 % zeigen sich besorgt. Unter jungen Männern ist fast jeder Fünfte unbesorgt, ein Viertel sind teilweise besorgt, und 56% machen sich Sorgen über das, was aktuell in Deutschland passiert.

Zu den Folgen der Pandemie gehört ebenfalls, dass viele junge Menschen unsicher im Umgang mit Anderen geworden sind. Die Zeiten der Lockdowns, Kontaktbeschränkungen und Abstandsregelungen sind also nicht folgenlos für junge Menschen geblieben. Die Erfahrung der Pandemie wirkt im sozialen Miteinander unter Jugendlichen und jungen Erwachsenen nach.

Schon lange wird die konsequente Umsetzung des Rechts auf Beteiligung und Mitbestimmung für junge Menschen gefordert. Hier zeigen die JuCo-Studien: Die Anzahl der Personen nimmt ab, die das Gefühl haben, die Situation von jungen Menschen sei für politisch Verantwortliche wichtig oder ihre Anliegen würden gehört. Diesen Trend umzukehren, liege in der Verantwortung von Erwachsenen, so der Forschungsverbund. Es gehe darum, junge Menschen in ihren Kompetenzen und ihren Anliegen ernst zu nehmen und sie an Entscheidungen, die sie betreffen, zu beteiligen.

Junge Menschen wollen mitgestalten, aber dafür braucht es die richtigen Rahmenbedingungen und die Bereitschaft der Erwachsenen. Zwar wurden nach der Pandemie Projekte für junge Menschen initiiert, gleichzeitig werden aber im sozial- und jugendpolitischen Bereich massiv finanzielle Mittel gekürzt. Dies sieht der Forschungsverbund als fatales Signal – auch an junge Menschen selbst. „Die Ergebnisse der Studien haben eindrücklich gezeigt, dass Jugendliche verlässliche Unterstützungsstrukturen brauchen, die sie selbst mitgestalten können“, plädiert Johanna Wilmes von der Goethe Universität Frankfurt. „Viele junge Menschen spüren die Folgen der Pandemie, sodass sie psychologische, medizinische und eben auch soziale Unterstützung brauchen. Da ist nun politischer Wille gefragt.“

Insgesamt nahmen an den vier JuCo-Studien rund 20.000 junge Menschen zwischen 15 und 30 Jahren aus ganz Deutschland teil. Die Studie JuCo IV wurde im Februar 2023 durchgeführt, es beteiligten sich 1185 junge Menschen. 68 % der Befragten waren Mädchen und junge Frauen.

Der Forschungsverbund „Kindheit – Jugend – Familie in der Corona-Zeit“ setzt sich zusammen aus dem Institut für Sozial- und Organisationspädagogik an der Universität Hildesheim und dem Institut für Sozialpädagogik und Erwachsenenbildung an der Goethe-Universität. Entstanden sind bisher die bundesweiten Studien JuCo I, II, III und IV zu den Erfahrungen und Perspektiven von jungen Menschen während der Corona-Maßnahmen sowie die bundesweite Studie KiCo zu den Erfahrungen und Perspektiven von Eltern und ihren Kindern in der Pandemie. Aktuell gehören zum Team: Sabine Andresen und Johanna Wilmes von der Goethe-Universität, Anna Lips, Ersan Özdemir, Wolfgang Schröer und Severine Thomas von der Universität Hildesheim sowie Renate Möller von der Universität Bielefeld.

Die Studienergebnisse stehen open access unter: https://doi.org/10.18442/250 zur Verfügung.

Über die Ergebnisse der Studie informiert der wissenschaftliche Podcast:
https://www.uni-hildesheim.de/neuigkeiten/jung-sein-in-zeiten-der-pandemie-die-langfristfolgen-von-corona-dr-severine-thomas/

Publikation: https://doi.org/10.18442/250

Weitere Informationen
Dr. Johanna Wilmes
Institut für Sozialpädagogik und Erwachsenenbildung
E-Mail:  wilmes@em.uni-frankfurt.de

Dr. Severine Thomas
Universität Hildesheim
Institut für Sozial- und Organisationspädagogik
severine.thomas@uni-hildesheim.de


Redaktion: Pia Barth, Referentin für Wissenschaftskommunikation, Büro für PR & Kommunikation, Telefon 069 798-12481, Fax 069 798-763-12531, p.barth@em.uni-frankfurt.de

 

Nov 28 2023
10:22

Prof. Johannes Völz eröffnet die Vortragsreihe „Was heißt demokratische Lebensform?“

Evangelikalismus in den USA: Zwischen Demokratie und Autoritarismus

FRANKFURT/BAD HOMBURG. Nach den jüngsten Wahlen in den USA stürmten Trump-Anhänger das US-Kapitol in Washington; sie wollten das Wahlergebnis nicht anerkennen. Sie waren bereit, Gewalt einzusetzen, um mit der liberalen Demokratie zu brechen. Dabei beriefen sie sich nicht nur darauf, die Rechte des „wahren Volkes“ zu verteidigen; viele gaben vor, Gottes Werk zu tun. In ihrem Furor nutzten sie Symbole christlichen, heidnischen und demokratischen Ursprungs.

Die Analysen der Ereignisse vom 6. Januar 2021 ergaben: Rechter Evangelikalismus und rechtspopulistische Politik sind heute kaum noch voneinander zu trennen. Mit Blick auf die Geschichte, auf die Anfänge der Demokratie in Amerika stellt sich allerdings die Frage: Wie konnte der evangelikale Protestantismus zum Motor einer antidemokratischen Bewegung werden, trieb er doch im 18. und 19. Jahrhundert die Demokratisierung in der Neuen Welt kulturell voran?

Diesem „Paradox des Evangelikalismus“ geht der Frankfurter Amerikanist Prof. Johannes Völz in seinem Vortrag „Evangelikalismus in den USA: Lebensformen zwischen Demokratie und Autoritarismus“ nach. Zum Vortrag mit anschließender Diskussion lädt das Forschungskolleg Humanwissenschaften der Goethe-Universität

am Montag, 4. Dezember, um 19 Uhr
in die Räume des Forschungskollegs
Am Wingertsberg 4
in Bad Homburg

ein.  Der Direktor des Forschungskollegs Humanwissenschaften Prof. Matthias Lutz-Bachmann wird die anschließende Diskussion moderieren.

Johannes Völz ist Professor für Amerikanistik mit Schwerpunkt „Demokratie und Ästhetik“ an der Goethe-Universität. Gemeinsam mit Gunther Hellmann, Professor für Politikwissenschaft an der Goethe-Universität, leitet Völz den interdisziplinären Forschungsschwerpunkt „Democratic Vistas: Reflections on the Atlantic World“, der am Forschungskolleg Humanwissenschaften angesiedelt ist.

Der Vortrag eröffnet die Democratic Vistas Lecture Series: Was heißt „Demokratische Lebensform“? Die neunteilige Vortragsreihe untersucht Demokratie als eine Form des Zusammenlebens, die das Alltagsleben prägt und ihren Ort in den Dimensionen des Politischen, Sozialen und Kulturellen hat. Forschende des Verbunds „Democratic Vistas. Reflections on the Atlantic World“ stellen Fallstudien aus ihrer jeweiligen wissenschaftlichen Disziplin vor, anhand derer sich ein konkretes Verständnis davon gewinnen lässt, was „Demokratische Lebensform“ heißen kann. Aufmerksamkeit erhalten insbesondere auch die sinnlichen und emotionalen Dimensionen, die für gelebte Demokratie wesentlich sind. Die Reihe richtet sich an Forschende ebenso wie an die Öffentlichkeit. Die Vorträge finden auf dem Campus Westend der Goethe-Universität oder im Forschungskolleg Humanwissenschaften statt.

Links:
Plakat der Vortragsreihe mit allen Terminen (2023–2025):
https://www.forschungskolleg-humanwissenschaften.de/downloads/Plakat_DV_Lecture_Series.pdf

Vortragsreihe „Democratic Vistas Lecture Series“:
https://www.forschungskolleg-humanwissenschaften.de/index.php/projects/dv-lecture-series

Forschungsschwerpunkt „Democratic Vistas. Reflections on the Atlantic World":
https://www.forschungskolleg-humanwissenschaften.de/index.php/projects/democratic-vistas

Zur besseren Planung bitten wir bis 29. November um Anmeldung
per E-Mail an anmeldung@forschungskolleg-humanwissenschaften.de. Ihre Anmeldung wird registriert, Sie erhalten aber keine Anmeldebestätigung.

Information:
Beate Sutterlüty
Wissenschaftskommunikation
Forschungskolleg Humanwissenschaften der Goethe-Universität
Telefon: 06172 13977-15
E-Mail: b.sutterluety@forschungskolleg-humanwissenschaften.de
Homepage: www.forschungskolleg-humanwissenschaften.de
Facebook | Twitter | YouTube: @FKHbadhomburg


Redaktion: Dr. Anke Sauter, Referentin für Wissenschaftskommunikation, Büro für PR & Kommunikation, Telefon 069 798-13066, E-Mail sauter@pvw.uni-frankfurt.de

 

Nov 28 2023
09:44

Nationaler Verbund „gwTriade“ erarbeitet Konzept zur umfassenden Bewertung der Grundwasserqualität – koordiniert durch Goethe-Universität

Forschungsverbund zum Grundwasser: Schadstoffsuche im Untergrund

Im Rahmen des gerade angelaufenen Verbundprojekts „gwTriade“ untersuchen sechs wissenschaftliche Institute – darunter die Goethe-Universität als koordinierende Stelle – die Qualität des Grundwassers in Deutschland. Sie nutzen dabei erstmals den Triade-Ansatz, der neben chemischen Analysen auch sogenannte effektbasierte Methoden umfasst, die zeigen, wie sich ins Grundwasser eingetragene Schadstoffe auf dieses Ökosystem auswirken. Ziel des Projekts ist die Entwicklung eines Konzepts, das Wasserversorger und Umweltbehörden in Zukunft nutzen können, um die Grundwasserqualität selbst zu prüfen und zu bewerten. gwTriade wird durch das Bundessministerium für Bildung und Forschung gefördert.

FRANKFURT. Durch den Klimawandel wird unser Grundwasser zu einer immer stärker bedrohten Ressource, denn häufigere und länger andauernde Dürreperioden führen zu niedrigeren Grundwasserständen. Deswegen wird Grundwasser in Ballungsräumen wie dem Rhein-Main-Gebiet schon mit Oberflächenwasser angereichert. Dieses enthält oft gereinigtes Abwasser, mit dem Schadstoffe ins Grundwasser gelangen können. Auch häufigere Starkregenereignisse – eine weitere Folge des Klimawandels – führen zu einem hohen Schadstoffeintrag. Die Folge: Gut ein Drittel aller Grundwässer in Deutschland befinden sich in keinem guten chemischen Zustand. Zur Bewertung der Grundwasserqualität schafft die Europäische Wasserrahmenrichtlinie den rechtlichen Rahmen. Allerdings besteht bezüglich der Grundwasserqualität noch „großer Untersuchungsbedarf“, so Prof. Henner Hollert vom Institut für Ökologie, Evolution und Diversität der Goethe-Universität Frankfurt. Zwar sind durch chemische Analysen zumindest einige Schadstoffe im Grundwasser schon bekannt, darunter Pharmaka, Pestizide und perfluorierte Stoffe (PFAS), die aus dem Abwasser, dem Verkehr oder der Landwirtschaft stammen. „Was uns jedoch komplett fehlt, sind effektbasierte Daten, also Daten darüber, wie sich die Schadstoffe auf das Leben im Ökosystem Grundwasser und auch die menschliche Gesundheit auswirken. Für Oberflächengewässer gibt es hier bereits umfangreiches Wissen, für das Grundwasser noch nicht.“

Die Wissenslücke soll das Verbundprojekt „Ökologisches und ökotoxikologisches Grundwasserqualitätsmonitoring auf Basis eines integrativen Triade-Ansatzes“ (gwTriade) schließen. Der Triade-Ansatz umfasst drei unterschiedliche naturwissenschaftliche Säulen: chemische Analysen, Biotests und Untersuchungen der Biozönose, also der Lebensgemeinschaft der Lebewesen. Das Entscheidende: Die Ergebnisse der drei Messmethodiken werden zu einem Gesamtergebnis zusammengeführt - erst dadurch lässt sich der ökologische Zustand überhaupt umfassend bewerten. "Wir sind die ersten, die den Triade-Ansatz beim Grundwasser anwenden“, betont Hollert. „Dieser verschafft uns einen guten Überblick. Wir sehen, welche Schadstoffe im Grundwasser enthalten sind, und wie sich diese auf Organismen und biologische Systeme auswirken - sowohl unter Laborbedingungen als auch draußen im Feld.“

Sechs Institute sind am Projekt beteiligt und teilen sich die Aufgaben. Hollert und seine Kollegin Dr. Sabrina Schiwy koordinieren gwTriade und führen die Biotests mittels einer Biotestbatterie durch, die auch kürzlich der Europäischen Kommission zur Umweltüberwachung vorgeschlagen wurde. Testsysteme sind Zellkultursysteme, Zebrafischembryonen, Algen und Daphnien, also winzig kleine Wasserflöhe. Schiwy erklärt, wie der Ablauf bei den Daphnien aussieht: „Wir testen die Wirkung der Schadstoffe zuerst in den unveränderten Grundwasserproben. Als nächstes verdünnen wir die Grundwasserproben und damit die Schadstoffkonzentration und schauen, was dann passiert. So bekommen wir heraus, ab welcher Verdünnung der Schadstoffe des Grundwassers welche Effekte bei den Daphnien auftreten.“ Zum Beispiel könnte eine Reproduktionstoxizität vorliegen, die Wasserflöhe vermehren sich dann nicht mehr so stark. Bei den Zebrafischembryonen wiederum sind neurotoxische Effekte denkbar, also Störungen im Nervensystem, die zu einer Verhaltensveränderung führen. „Zebrafische haben ein typisches Schwimmverhalten“, erklärt Schiwy. „Ist es hell, verhalten sie sich entspannt. Wird es plötzlich dunkel, schwimmen sie hektisch im Zickzack.“ Der Grund: Ein plötzlich auftretender Schatten kann bedeuten, dass sich ein Fressfeind nähert. Um im Labor zu sehen, ob die Fischlarven dieses normale Verhalten zeigen, werden sie in einem speziellen experimentellen Aufbau einem Wechsel auch Licht und Dunkelheit ausgesetzt. Reagieren sie nicht darauf, ist das ein Hinweis, dass Schadstoffe ihr Nervensystem beeinträchtigt haben könnten. Die neurotoxische Wirkung wird dann im Verdachtsfall mit molekularbiologischen Methoden im Detail charakterisiert. Bei den Verhaltenstests geht es nicht nur um ökotoxikologische Aspekte, ergänzt Henner Hollert, sondern auch um humantoxikologische. Arbeiten mit den frühen Stadien von Zebrafischen, die eine Alternativmethode zu klassischen Tierversuchen mit Fischen darstellen, sind auch in der Umweltmedizin ein etabliertes Modell. „Bei Zebrafischen handelt es sich um Wirbeltiere, damit können die Ergebnisse Hinweise auf Effekte beim Menschen geben. Wir können Rückschlüsse ziehen für den Schutz der menschlichen Gesundheit.“

In Ergänzung zu den Biotests in Frankfurt führen das Rheinisch-Westfälische Institut für Wasserforschung (IWW) in Mühlheim an der Ruhr und der Zweckverband Landeswasserversorgung in Langenau chemische Analysen durch. Dabei analysiert das IWW speziell die PFAS-Kontaminationen und übernimmt zudem die Geosystemerkundung. Es beschreibt geo- und hydrochemisch sowie hydraulisch die Standorte, an denen Grundwasser genommen wird. Die dritte Säule der Triade ist unter anderem Sache der Rheinland-Pfälzischen Technischen Universität Kaiserslautern-Landau (RPTU). Sie untersucht die Zusammensetzung der Grundwasserfauna, zu der beispielsweise Hüpferlinge oder Rädertierchen gehören, mit taxonomischen und modernen molekularbiologischen Methoden. So können mittels e-DNA-Analysen und Meta-Barcoding Erbgutfragmente aller Lebewesen nachgewiesen werden, die im Wasser gelebt haben oder leben. So lässt sich die Zusammensetzung der kompletten Artengemeinschaften des Grundwassers erforschen. Das Institut für Grundwasserökologie (IGÖ) in Landau unterstützt hier mit seiner Expertise zur Grundwasserökologie und speziell zur Etablierung neuer Grundwasserorganismen für Biotests.

Bei gwTriade geht es aber nicht nur darum, ausgewählte Standorte zu überprüfen. Ziel ist es vielmehr, ein Konzept für die integrative Bewertung der Grundwasserqualität zu entwickeln, das dann übergeordnete Stellen in ganz Deutschland nutzen können, die für das Thema Grundwasser verantwortlich sind, wie zum Beispiel Wasserversorger oder Umweltbehörden. Hollert: „Unser Bewertungssystem gibt ihnen eine Anleitung, wie sie die Methoden zur Prüfung der Grundwasserqualität anwenden können - und wie sich die dabei gesammelten Daten dann bewerten und einordnen lassen.“ Die Aufgabe, potenzielle Anwender zu finden und deren Bedarfe abzuklären, übernimmt das Institut für sozial-ökologische Forschung (ISOE) in Frankfurt. Es versucht zudem Nutzungskonflikte zu identifizieren, die sich beim Grundwasser künftig ergeben könnten, zum Beispiel zwischen der Nutzung von Grundwasser als Ressource und dem Schutz des Ökosystems. Aus biologischer Sicht, so Hollert und Schiwy, handelt es sich beim Grundwasser eben auch um einen Lebensraum. Nur sei diese Sichtweise bisher zu kurz gekommen.

Hintergrund: gwTriade: Ökologisches und ökotoxikologisches Grundwasserqualitätsmonitoring auf Basis eines integrativen Triade-Ansatzes
https://bmbf-lurch.de/Verbundprojekte/Verbundprojekte/gwTriade.html

Bilder zum Download:
https://www.uni-frankfurt.de/146261494

Bildtext: Ein Hüpferling, ein knapp einen Millimeter kleiner Krebs, der im Grundwasser lebt. Das Vorkommen solcher Tiere ist ein Indikator für gute Wasserqualität. Foto: Sabrina Schiwy, Goethe-Universität Frankfurt

Weitere Informationen
Prof. Dr. Dr. h.c. Henner Hollert
Leiter Abteilung Evolutionsökologie und Umwelttoxikologie
Institut für Ökologie, Evolution und Diversität
Goethe-Universität Frankfurt
Tel. +49 (0)69 798-42171
hollert@bio.uni-frankfurt.de

Dr. rer. nat. Sabrina Schiwy
Abteilung Evolutionsökologie und Umwelttoxikologie
Institut für Ökologie, Evolution und Diversität
Goethe-Universität Frankfurt
+49 (0)69 798 42173
schiwy@bio.uni-frankfurt.de

Twitter/X: @HHollert @goetheuni 


Redaktion: Dr. Markus Bernards, Referent für Wissenschaftskommunikation, Büro für PR & Kommunikation, Telefon 069 798-12498, Fax 069 798-763-12531, bernards@em.uni-frankfurt.de