Nationaler Verbund „gwTriade“ erarbeitet Konzept zur umfassenden Bewertung der Grundwasserqualität – koordiniert durch Goethe-Universität
Im Rahmen des
gerade angelaufenen Verbundprojekts „gwTriade“
untersuchen sechs wissenschaftliche Institute – darunter die Goethe-Universität als koordinierende Stelle – die Qualität
des Grundwassers in Deutschland. Sie nutzen dabei erstmals den Triade-Ansatz, der neben chemischen Analysen auch sogenannte
effektbasierte Methoden umfasst, die zeigen, wie sich ins Grundwasser eingetragene
Schadstoffe auf dieses Ökosystem auswirken. Ziel des Projekts ist die
Entwicklung eines Konzepts, das Wasserversorger und Umweltbehörden in Zukunft
nutzen können, um die Grundwasserqualität selbst zu prüfen und zu bewerten.
gwTriade wird durch das Bundessministerium für Bildung und Forschung gefördert.
FRANKFURT. Durch den Klimawandel wird unser Grundwasser zu einer immer stärker bedrohten Ressource, denn häufigere und länger andauernde Dürreperioden führen zu niedrigeren Grundwasserständen. Deswegen wird Grundwasser in Ballungsräumen wie dem Rhein-Main-Gebiet schon mit Oberflächenwasser angereichert. Dieses enthält oft gereinigtes Abwasser, mit dem Schadstoffe ins Grundwasser gelangen können. Auch häufigere Starkregenereignisse – eine weitere Folge des Klimawandels – führen zu einem hohen Schadstoffeintrag. Die Folge: Gut ein Drittel aller Grundwässer in Deutschland befinden sich in keinem guten chemischen Zustand. Zur Bewertung der Grundwasserqualität schafft die Europäische Wasserrahmenrichtlinie den rechtlichen Rahmen. Allerdings besteht bezüglich der Grundwasserqualität noch „großer Untersuchungsbedarf“, so Prof. Henner Hollert vom Institut für Ökologie, Evolution und Diversität der Goethe-Universität Frankfurt. Zwar sind durch chemische Analysen zumindest einige Schadstoffe im Grundwasser schon bekannt, darunter Pharmaka, Pestizide und perfluorierte Stoffe (PFAS), die aus dem Abwasser, dem Verkehr oder der Landwirtschaft stammen. „Was uns jedoch komplett fehlt, sind effektbasierte Daten, also Daten darüber, wie sich die Schadstoffe auf das Leben im Ökosystem Grundwasser und auch die menschliche Gesundheit auswirken. Für Oberflächengewässer gibt es hier bereits umfangreiches Wissen, für das Grundwasser noch nicht.“
Die
Wissenslücke soll das Verbundprojekt „Ökologisches
und ökotoxikologisches Grundwasserqualitätsmonitoring auf Basis eines
integrativen Triade-Ansatzes“ (gwTriade)
schließen. Der Triade-Ansatz umfasst drei unterschiedliche
naturwissenschaftliche Säulen: chemische Analysen, Biotests und Untersuchungen
der Biozönose, also der Lebensgemeinschaft der Lebewesen. Das Entscheidende:
Die Ergebnisse der drei Messmethodiken werden zu einem Gesamtergebnis
zusammengeführt - erst dadurch lässt sich der ökologische Zustand überhaupt
umfassend bewerten. "Wir sind die ersten, die den Triade-Ansatz beim
Grundwasser anwenden“, betont Hollert. „Dieser verschafft uns einen guten Überblick. Wir
sehen, welche Schadstoffe im Grundwasser enthalten sind, und wie sich diese auf
Organismen und biologische Systeme auswirken - sowohl unter Laborbedingungen
als auch draußen im Feld.“
Sechs
Institute sind am Projekt beteiligt und teilen sich die Aufgaben. Hollert und
seine Kollegin Dr. Sabrina Schiwy koordinieren gwTriade und führen die Biotests
mittels einer Biotestbatterie durch, die auch kürzlich der Europäischen
Kommission zur Umweltüberwachung vorgeschlagen wurde. Testsysteme sind
Zellkultursysteme, Zebrafischembryonen, Algen und Daphnien, also winzig kleine
Wasserflöhe. Schiwy erklärt, wie der Ablauf bei den Daphnien aussieht: „Wir testen die Wirkung der Schadstoffe zuerst in
den unveränderten Grundwasserproben. Als nächstes verdünnen wir die
Grundwasserproben und damit die Schadstoffkonzentration und schauen, was dann
passiert. So bekommen wir heraus, ab welcher Verdünnung der Schadstoffe des
Grundwassers welche Effekte bei den Daphnien auftreten.“
Zum Beispiel könnte eine Reproduktionstoxizität vorliegen, die Wasserflöhe
vermehren sich dann nicht mehr so stark. Bei den Zebrafischembryonen wiederum
sind neurotoxische Effekte denkbar, also Störungen im Nervensystem, die zu
einer Verhaltensveränderung führen. „Zebrafische
haben ein typisches Schwimmverhalten“, erklärt
Schiwy. „Ist es hell, verhalten sie sich
entspannt. Wird es plötzlich dunkel, schwimmen sie hektisch im Zickzack.“ Der Grund: Ein plötzlich auftretender Schatten
kann bedeuten, dass sich ein Fressfeind nähert. Um im Labor zu sehen, ob die
Fischlarven dieses normale Verhalten zeigen, werden sie in einem speziellen
experimentellen Aufbau einem Wechsel auch Licht und Dunkelheit ausgesetzt.
Reagieren sie nicht darauf, ist das ein Hinweis, dass Schadstoffe ihr
Nervensystem beeinträchtigt haben könnten. Die neurotoxische Wirkung wird dann
im Verdachtsfall mit molekularbiologischen Methoden im Detail charakterisiert.
Bei den Verhaltenstests geht es nicht nur um ökotoxikologische Aspekte, ergänzt
Henner Hollert, sondern auch um humantoxikologische. Arbeiten mit den frühen
Stadien von Zebrafischen, die eine Alternativmethode zu klassischen
Tierversuchen mit Fischen darstellen, sind auch in der Umweltmedizin ein
etabliertes Modell. „Bei Zebrafischen handelt
es sich um Wirbeltiere, damit können die Ergebnisse Hinweise auf Effekte beim
Menschen geben. Wir können Rückschlüsse ziehen für den Schutz der menschlichen
Gesundheit.“
In Ergänzung zu den Biotests in Frankfurt führen das
Rheinisch-Westfälische Institut für Wasserforschung (IWW) in Mühlheim an der
Ruhr und der Zweckverband Landeswasserversorgung in Langenau chemische Analysen
durch. Dabei analysiert das IWW speziell die PFAS-Kontaminationen und übernimmt
zudem die Geosystemerkundung. Es beschreibt geo- und hydrochemisch sowie
hydraulisch die Standorte, an denen Grundwasser genommen wird. Die dritte Säule
der Triade ist unter anderem Sache der Rheinland-Pfälzischen Technischen
Universität Kaiserslautern-Landau (RPTU). Sie untersucht die Zusammensetzung
der Grundwasserfauna, zu der beispielsweise Hüpferlinge oder Rädertierchen
gehören, mit taxonomischen und modernen molekularbiologischen Methoden. So
können mittels e-DNA-Analysen und Meta-Barcoding Erbgutfragmente aller
Lebewesen nachgewiesen werden, die im Wasser gelebt haben oder leben. So lässt
sich die Zusammensetzung der kompletten Artengemeinschaften des Grundwassers
erforschen. Das Institut für Grundwasserökologie (IGÖ) in Landau unterstützt
hier mit seiner Expertise zur Grundwasserökologie und speziell zur Etablierung
neuer Grundwasserorganismen für Biotests.
Bei
gwTriade geht es aber nicht nur darum, ausgewählte Standorte zu überprüfen.
Ziel ist es vielmehr, ein Konzept für die integrative Bewertung der
Grundwasserqualität zu entwickeln, das dann übergeordnete Stellen in ganz
Deutschland nutzen können, die für das Thema Grundwasser verantwortlich sind,
wie zum Beispiel Wasserversorger oder Umweltbehörden. Hollert: „Unser Bewertungssystem gibt ihnen eine Anleitung,
wie sie die Methoden zur Prüfung der Grundwasserqualität anwenden können - und
wie sich die dabei gesammelten Daten dann bewerten und einordnen lassen.“ Die Aufgabe, potenzielle Anwender zu finden und
deren Bedarfe abzuklären, übernimmt das Institut für sozial-ökologische
Forschung (ISOE) in Frankfurt. Es versucht zudem Nutzungskonflikte zu
identifizieren, die sich beim Grundwasser künftig ergeben könnten, zum Beispiel
zwischen der Nutzung von Grundwasser als Ressource und dem Schutz des
Ökosystems. Aus biologischer Sicht, so Hollert und Schiwy, handelt es sich beim
Grundwasser eben auch um einen Lebensraum. Nur sei diese Sichtweise bisher zu
kurz gekommen.
Hintergrund: gwTriade: Ökologisches
und ökotoxikologisches Grundwasserqualitätsmonitoring auf Basis eines
integrativen Triade-Ansatzes
https://bmbf-lurch.de/Verbundprojekte/Verbundprojekte/gwTriade.html
Bilder zum
Download:
https://www.uni-frankfurt.de/146261494
Bildtext:
Ein Hüpferling, ein knapp einen Millimeter kleiner Krebs, der im
Grundwasser lebt. Das Vorkommen solcher Tiere ist ein Indikator für gute
Wasserqualität. Foto: Sabrina Schiwy, Goethe-Universität Frankfurt
Weitere
Informationen
Prof. Dr. Dr. h.c. Henner Hollert
Leiter Abteilung Evolutionsökologie und Umwelttoxikologie
Institut für Ökologie, Evolution und Diversität
Goethe-Universität Frankfurt
Tel. +49 (0)69 798-42171
hollert@bio.uni-frankfurt.de
Dr. rer. nat. Sabrina Schiwy
Abteilung Evolutionsökologie und Umwelttoxikologie
Institut für Ökologie, Evolution und Diversität
Goethe-Universität Frankfurt
+49 (0)69 798 42173
schiwy@bio.uni-frankfurt.de
Twitter/X: @HHollert @goetheuni
Redaktion: Dr. Markus Bernards, Referent
für Wissenschaftskommunikation, Büro für PR & Kommunikation,
Telefon 069 798-12498, Fax
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