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Neue internationale Studie klärt Zusammenhänge der adaptiven Immunantwort auf
Wie erkennen T-Killerzellen von Viren befallene Körperzellen? Körperfremde Bestandteile werden als Antigene auf der Zelloberfläche wie eine Art Hinweisschild präsentiert. Die Langzeitstabilität dieses in der Zelle gebildeten Schildes stellt ein Netzwerk von Begleitproteinen sicher. Dies haben Forschende der Goethe-Universität Frankfurt herausgefunden. Im renommierten Fachblatt „Nature Communications“ beschreiben sie das Zusammenspiel der sogenannten Chaperone. Die neuen Erkenntnisse könnten Fortschritte zum Beispiel in der Impfstoff-Entwicklung bringen.
FRANKFURT. Ständig dringen
Fremdkörper in den Organismus ein, Viren zum Beispiel. Unser Immunsystem
beginnt dann unverzüglich, diese Pathogene zu bekämpfen. Zuerst mit der
angeborenen unspezifischen Immunantwort, später mit der adaptiven, erworbenen
Immunantwort. Bei dieser zweiten Abwehrreaktion zerstören spezialisierte
zytotoxische T-Zellen, die T-Killerzellen, infizierte Körperzellen und
verhindern so größeren Schaden. Um der Vielzahl an Krankheitserregern zu
begegnen, besitzen Menschen ein Repertoire von etwa 20 Millionen T-Zell-Klonen
mit unterschiedlicher Spezifität. Doch woher wissen die T-Killerzellen, von wo
Gefahr droht? Wie erkennen sie, dass etwas in der Zelle nicht stimmt, wenn sich
die Viren dort versteckt halten? Sie können ja nicht mal eben hineinschauen.
An
dieser Stelle kommt die Antigenprozessierung ins Spiel. Dieser Vorgang lässt
sich mit dem Erstellen eines Hinweisschildes vergleichen. Dieses wird in der
Zelle, genauer im Endoplasmatischen Retikulum, „prozessiert“ oder
zusammengefügt. Dabei kommen spezielle Moleküle zum Einsatz, die MHC Klasse
I-Moleküle. Sie werden im Peptidladekomplex (peptide loading complex, PLC),
einer molekularen Maschine, mit Informationen über das eingedrungene Virus
beladen. Diese Informationen bestehen aus Peptiden, Bruchstücken des
körperfremden Proteins. Diese Bruchstücke enthalten auch Epitope, jene
Molekülabschnitte, die die spezifische Immunantwort auslösen. Bei der Beladung
bildet sich also ein MHC I-Peptidepitop-Komplex: das Hinweisschild. Dieses
wird zur Zelloberfläche transportiert und dort wie auf einem Silbertablett den
T-Killerzellen präsentiert. An dem Prozess wesentlich beteiligt sind auch die
Chaperone, spezielle Begleitproteine, die in Zellen die korrekte Faltung
kompliziert aufgebauter Proteine lenken.
Die
Chaperone, welche die Antigenprozessierung begleiten, heißen Calreticulin,
ERp57 und Tapasin. Doch wie funktioniert ihr Zusammenspiel? Wie wichtig sind
sie für die Antigenprozessierung? Diese Frage beantwortet eine Studie der
Goethe-Universität Frankfurt und der Universität Oxford, die jetzt im Fachblatt
Nature Communications erschien. „Uns ist damit ein Durchbruch im Verständnis
der zellulären Qualitätskontrolle gelungen“, sagt Prof. Dr. Robert Tampé,
Direktor des Instituts für Biochemie der Goethe-Universität Frankfurt. Was es
mit der Qualitätskontrolle auf sich hat, erklärt er so: „Der
MHC I-Peptidepitop-Komplex, das Hinweisschild, muss äußerst stabil sein,
und zwar für längere Zeit, denn die adaptive Immunantwort startet nicht sofort,
sie braucht 3 bis 5 Tage Anlaufzeit.“ Das Hinweisschild darf also nicht nach
einem Tag in sich zusammenfallen. Das wäre katastrophal, weil die Abwehrzellen
dann nicht erkennen würden, dass eine Zelle von einem Virus befallen ist. Sie
würde diese Zelle folglich auch nicht zerstören, und das Virus könnte sich
ungehindert ausbreiten. Ähnliches passierte, wenn die Körperzelle zu einer
Tumorzelle mutiert wäre: Die Gefahr bliebe unerkannt. Also braucht es unbedingt
die Qualitätskontrolle.
Wie
die Studie aufzeigt, sind die Chaperone zentrale Bestandteile des Prozesses.
Sie verleihen dem Hinweisschild die nötige Langzeitstabilität, indem sie eine
strenge Auswahl treffen. Aus der Masse der Virus-Bruchstücke sortieren sie die
instabilen Teile aus, so dass am Ende nur MHC I-Moleküle aus dem
Peptidladekomplex entlassen werden, die mit den besten, stabil gebundenen
Peptidepitopen beladen sind. Bei diesem für die adaptive Immunantwort so
wichtigen Auswahlverfahren haben die Chaperone unterschiedliche Aufgaben, so
Tampé: „Das Tapasin agiert als Katalysator, der den Austausch von suboptimalen
gegen optimale Peptidepitope beschleunigt. Calreticulin und ERp57 werden
dagegen universal eingesetzt.“ Das konzertierte Vorgehen sorgt dafür, dass nur
robuste MHC I-Peptidepitop-Komplexe an die Zelloberfläche gelangen und den
T-Killerzellen dort den Weg zur infizierten oder mutierten Zelle weisen.
Wohin
führt die Studie? „Wir können nun besser verstehen, welche Peptide wie geladen
werden. Wir können auch besser vorhersagen, welche die dominanten, also
stabilen Peptidepitope sind, die das Chaperone-Netzwerk auswählt.“ Tampé hofft,
dass die neuen Erkenntnisse bei der Entwicklung künftiger Impfstoffe gegen
Virusvarianten helfen. Sie könnten in Zukunft auch Fortschritte bei
Tumortherapien möglich machen. „Beide Themen sind direkt miteinander verwandt.
Der Einsatz in der Tumortherapie ist aber sicher komplexer und langfristiger
angelegt.“
Publikation:
Alexander Domnick, Christian Winter, Lukas Sušac, Leon Hennecke, Mario Hensen,
Nicole Zitzmann, Simon Trowitzsch, Christoph Thomas, Robert Tampé: Molecular
basis of MHC I quality control in the peptide loading complex. Nature
Communications 2022, 13:4701. https://doi.org/10.1038/s41467-022-32384-z
Ein Bild zum Download: https://www.uni-frankfurt.de/123213102
Bildtext: Mechanismus der MHC I-Assemblierung, Epitop-Editierung
und Qualitätskontrolle innerhalb des Peptidladekomplex (PLC), welcher mit dem
Antigen-Transportkomplex TAP1/2 (hell- und dunkelgrau), den Begleitproteinen
(Chaperonen: Calreticulin in gelb, ERp57 in rostrot, Tapasin in orange, und
Deglukosylierungsenzym GluII in magenta) sowie MHC-I (blaugrün und grün) die
vollständig zusammengesetzte Maschinerie der Antigen-Prozessierung bildet.
Weitere Informationen
Institut
für Biochemie
Goethe-Universität
Frankfurt
Prof.
Dr. Robert Tampé
Tel:
+49 (0)69 798 29475
tampe@em.uni-frankfurt.de
Wirtschaftsministerium fördert Forschung zu KI-Startups
Wie kann man mehr digitale Talente im Raum Frankfurt Rhein-Main und Hessen zur Gründung eines Unternehmens motivieren? Welche Kenntnisse und Fähigkeiten muss man ihnen dafür vermitteln? Diesen Fragen widmet sich ein Projekt am Fachbereich Wirtschaftswissenschaften der Goethe-Universität. Im Fokus stehen Startups aus dem Bereich Künstliche Intelligenz.
FRANKFURT.
Frankfurt zählte im Jahr 2019 lediglich zehn Startups im Bereich KI, während
Berlin 102 KI-Startups vorweisen konnte. Die Rahmenbedingungen waren in der
Bundeshauptstadt, aber auch in anderen deutschen Städten bislang besser als im
Bundesland Hessen. Um die Wettbewerbsfähigkeit für Startups in Frankfurt
Rhein-Main und Hessen zu erhöhen und mit anderen führenden
Innovationsstandorten gleichzuziehen, sollen künftig mehr Talente für eine
Unternehmensgründung gewonnen werden. Im Rahmen des Förderprogramms Digitales
Hessen wird nun ein Projekt der Wirtschaftspädagogin Prof. Eveline Wuttke mit
955.524 Euro gefördert. Unter dem Titel „Talente in der Künstlichen
Intelligenz: Entwicklung, Evaluation und Ausweitung von Trainingsprogrammen“
sollen die Weichen für mehr KI-Power in Hessen gestellt werden.
„Zwar finden durchaus Gründungen statt, viele scheitern jedoch
bereits in den ersten Jahren an Qualifizierungsmängeln“, erklärt Prof. Wuttke
die Ausgangslage. Gezielte Trainingsmaßnahmen seien notwendig, damit eine
Gründung nachhaltig erfolgreich ist. Diese Maßnahmen sollen im Verlauf des
Projekts entwickelt, evaluiert und implementiert werden. Welche Trainingsmaßnahmen,
insbesondere in Zusammenarbeit mit Startups, erhöhen die Bereitschaft junger
Menschen, unternehmerisch tätig zu werden? Durch die Zusammenarbeit mit bereits
bestehenden Startups sollen angehende Gründerinnen und Gründer frühzeitig in
wichtige Netzwerke eingeführt werden. Von erfolgreichen Gründern und deren
Erfahrungen zu lernen, könnte erheblich zum Erfolg beitragen.
Insbesondere bei Personengruppen, die nachweislich eher selten
gründen könnte eine solche Unterstützung Früchte tragen. Die Effekte auf
bestimmte Gruppen werden im Projekt analysiert, um gezielt weiter vorgehen zu
können. So könnten Hindernisse, die bereits im Vorbereitungsstadium zum
Scheitern führen können, von vornherein abgebaut werden. Die praktische
Umsetzung obliegt der Firma TechQuartier, das Team von Prof. Wuttke evaluiert
den Prozess.
Weitere Informationen
Prof.
Dr. Eveline Wuttke
Projektleiterin
Professur für Wirtschaftspädagogik
Goethe-Universität
Telefon 069 798 34690
E-Mail:
wuttke@em.uni-frankfurt.de
Homepage https://www.wiwi.uni-frankfurt.de/abteilungen/wipaed/professoren/wuttke/team.html
Jule
Hangen
Projektmitarbeiterin
Professur
für Wirtschaftspädagogik
Goethe-Universität
E-Mail hangen@econ.uni-frankfurt.de
Homepage https://www.wiwi.uni-frankfurt.de/abteilungen/wipaed/professoren/wuttke/team.html
Redaktion: Dr. Anke Sauter, Referentin für Wissenschaftskommunikation,
Abteilung PR & Kommunikation, Telefon 069 798-13066, Fax 069 798-763-12531, sauter@pvw.uni-frankfurt.de
Wissenschaftsmagazin „Forschung Frankfurt“ berichtet über wachsende Hürden in der Entwicklungszusammenarbeit
Wenn Nichtregierungsorganisationen aus dem Globalen Norden
Kooperationen mit Organisationen im Globalen Süden eingehen, machen sie immer
strengere Vorgaben, was damit geschehen soll. Wie die Partnerorganisationen vor
Ort damit umgehen, das hat die Sozialanthropologin Melina Kalfelis untersucht.
Über die Ergebnisse berichtet die jüngste Ausgabe von „Forschung Frankfurt“,
dem Wissenschaftsmagazin der Goethe-Universität, diesmal zum Thema „Perspektive
Afrika“.
FRANKFURT. Eine
Patenschaft für ein Kind in Afrika – für viele Menschen in Europa ist das eine
schöne Sache. Sie wollen Gutes tun und freuen sich, dass ihre Hilfe das Leben
von Mädchen und Jungen verbessert. Sie freuen sich über Briefe, Bilder und
Videos, worin der Dank der Kinder zum Ausdruck kommt. Was die Spender nicht
wissen: Die afrikanischen Partner der westlichen Hilfsorganisationen müssen das
Feedback mit viel Aufwand organisieren, oft müssen die Mitarbeiter den
Treibstoff für die Dienstfahrt selbst bezahlen und unbezahlte Überstunden machen.
Ganz zu schweigen von der Tatsache, dass die Kinder nicht ganz freiwillig in
die Kamera sprechen. Diese Macht- und Ausbeutungsverhältnisse hat Melina
Kalfelis, Sozialanthropologin an der Goethe-Universität, in ihrer Feldforschung
untersucht. Erlebnisse wie dieses haben sie dazu bewogen, sich über ihre
wissenschaftliche Arbeit hinaus in der Beratung von NGOs im Globalen Norden zu
engagieren.
Neun Monate insgesamt hat Kalfelis Mitarbeiter und Angehörige
zivilgesellschaftlicher Organisationen in Burkina Faso sowie in der Schweiz und
in Schweden begleitet. Denn nur durch teilnehmende Beobachtung lassen sich
soziale und kulturelle Realitäten wirklich verstehen. In ihrer sehr
lesenswerten Dissertation „NGO als Lebenswelt. Transnationale Verflechtungen im
Arbeitsalltag von Entwicklungsakteuren“ weist sie nach, wie die Freiheit
gemeinnütziger Organisationen der Entwicklungszusammenarbeit eingeschränkt wird
– nicht nur durch repressive, sondern auch durch demokratische Regierungen und
private Stiftungen in Europa und Nordamerika. Sie weist nach, inwiefern die
seit längerem diskutierten „shrinking spaces of civil societies“ auch durch
Akteure wie private Stiftungen verursacht werden – nicht zuletzt durch die 2005
verabschiedete Paris-Deklaration, die eigentlich das Gegenteil hätte bewirken
sollen. Mehr dazu lesen Sie in der jüngsten Ausgabe von „Forschung Frankfurt“,
dem Wissenschaftsmagazin der Goethe-Universität.
In weiteren
Artikeln der aktuellen Ausgabe geht es etwa um einen
Aufsehen erregenden Fossilienfund in Malawi, um bislang wenig erforschte
Felsbilder in der Namib-Wüste und um die Rolle der Literatur in der
Erinnerungskultur im Simbabwe. Ein Generationen übergreifendes beleuchtet
Vergangenheit und Zukunft der Afrikanistik, und in einem Interview gibt der Amerikanist
Prof. Simon Wendt Auskunft über die Beziehungen der Afroamerikaner zum
Kontinent Afrika.
Die aktuelle Ausgabe von „Forschung Frankfurt“ (1/2022) kann von Journalistinnen und Journalisten kostenlos bestellt werden über: ott@pvw.uni-frankfurt.de.
Alle
Beiträge sind online erhältlich unter www.forschung-frankfurt.de.
Redaktion: Dr. Anke Sauter, Referentin für Wissenschaftskommunikation, Büro PR & Kommunikation, Telefon 069 798-12498, Fax 069 798-763-12531, sauter@pvw.uni-frankfurt.de
Wissenschaftsmagazin „Forschung Frankfurt“ beleuchtet die komplexen Beziehungen zwischen Afrika und Asien
China als neue Kolonialmacht, die Afrika ausbeutet, ihren Machtbereich ausweitet – ein Klischee westlicher Wahrnehmung, das die Wirklichkeit verfehlt. Das Programm AFRASO an der Goethe-Universität ist der tatsächlichen Rolle Asiens in Afrika auf den Grund gegangen. Die gerade erschiene neueste Ausgabe von „Forschung Frankfurt“, dem Wissenschaftsmagazin der Goethe-Universität, berichtet über die Ergebnisse. Themenschwerpunkt diesmal: „Perspektive Afrika“.
FRANKFURT. Die
Präsenz Chinas in Afrika – der Mainstream der westlichen Medien zeichnet davon
ein klares Bild: Die Bemühungen Chinas auf dem afrikanischen Kontinent zielen
letztlich darauf ab, die natürlichen Reichtümer des Kontinents zu sichern und
den Machtbereich Pekings auszudehnen. China wiederum sucht den Schulterschluss
mit anderen vormals durch den Westen unterdrückten Ländern und Nationen. Welche
Sichtweise kommt der Wahrheit am nächsten? Die Politologin Prof. Uta Ruppert
und ihr Kollege Dr. Stefan Schmid berichten im neuesten Forschung Frankfurt“
über die Ergebnisse des Forschungsprojekts AFRASO (Afrikas asiatische
Optionen). Denn, das ist für Wissenschaftler eine Binse: Vereinfachende
Sichtweisen entsprechen selten der Wirklichkeit, und das Forschungsprogramms
AFRASO hatte sich zum Ziel gesetzt, ein differenziertes Bild zu zeichnen,
widersprüchliche Entwicklungen zu erklären und deren Potenziale und
Herausforderungen in die großen Linien der Weltpolitik und die globalen
Kulturentwicklungen des 21. Jahrhunderts einzuordnen.
Chinas Handeln in Afrika war dabei nur einer von vielen
Themenbereichen. AFRASO widmete auch bisher wenig beachteten asiatischen
Akteuren Aufmerksamkeit wie Malaysia, Korea, Japan und Indien: Malaysia ist für
Afrika ein wichtiger Partner bei der Ausbildung von Studierenden, Korea dient
als entwicklungspolitisches Vorbild, und Japan übt über die Kaizen-Institute
Einfluss aus. Doch was ist mit der Großmacht China? Tatsächlich ist der
Einfluss groß, aber er ist zum Teil von ganz anderer Natur als landläufig
vermutet – vor allem aber werden die Dinge zum Großteil nicht von einer
zentralen Instanz gelenkt, sondern beruhen oft auf dem Engagement von
Familienbetrieben und Kleinunternehmen. Und die Konfuzius-Institute, die im
globalen Norden immer wieder in Misskredit geraten, stellen für Afrikanerinnen
und Afrikaner eine interessante Bildungsoption dar, auch um ihre Chancen auf
dem Arbeitsmarkt, nicht zuletzt dem chinesischen, zu erhöhen. Dass das
Verhältnis durchaus auch Konfliktpotenzial enthält, liegt auf der Hand. Mehr
dazu lesen Sie im aktuellen „Forschung Frankfurt“ zum Thema „Perspektive
Afrika“.
In weiteren
Artikeln darin geht es um Pilze als Nahrungsquelle
der Zukunft, um Erfolg und Misserfolg der Entwicklungszusammenarbeit oder auch
um die Frage, warum der Filmmarkt Nigerias zu einem der größten der Welt wurde.
Andere Beiträge zeigen, wie Literaturwissenschaftler in Simbabwe das offizielle
Geschichtsbild geraderücken, dass Tunesien trotz Krisen über eine ungeheure
wirtschaftliche Innovationsstärke verfügt und wie deutsche Sammlungen zu
beiderseitigem Nutzen mit afrikanischen Partnern kooperieren können.
Die aktuelle Ausgabe von „Forschung Frankfurt“ (1/2022) kann von
Journalistinnen und Journalisten kostenlos bestellt werden über: ott@pvw.uni-frankfurt.de.
Alle
Beiträge sind online erhältlich unter www.forschung-frankfurt.de.
Redaktion: Dr. Anke Sauter, Referentin für Wissenschaftskommunikation,
Büro PR & Kommunikation, Telefon 069 798-12498, Fax 069 798-763-13066, sauter@pvw.uni-frankfurt.de
Wissenschaftsmagazin „Forschung Frankfurt“ berichtet über faszinierende Felsbilder in der Namib-Wüste
Fast überall auf dem afrikanischen Kontinent gibt es Felsbilder,
die in den Stein geritzt oder mit Farbe darauf gemalt sind. Nirgends jedoch
kommen sie so gehäuft vor wie in Namibia. Ein Archäologenteam der
Goethe-Universität hat seit 2012 mehr als 11.000 solcher Gravierungen und 1200
Malereien alleine im Nordwesten Namibias dokumentiert und analysiert. Sie
berichten darüber in „Forschung Frankfurt“, dem Wissenschaftsmagazin
der Goethe-Universität. Die jüngste Ausgabe widmet
sich dem Thema „Perspektive Afrika“.
FRANKFURT. Es ist
trocken, und es ist heiß – so heiß wie kaum an einem anderen Ort auf der Erde.
Schon in der Steinzeit war die Namib-Wüste in Namibia eine lebensfeindliche
Gegend. Und dennoch haben sich Menschen dort aufgehalten, wovon die unzähligen
im Fels verewigten Bilder zeugen. Doch warum haben sich Menschen dort
aufgehalten? Und welchem Zweck dienten die Abbildungen? Ein Team von
Archäologinnen und Archäologen der Goethe-Universität sucht nach Antworten.
War die Region vielleicht noch nicht immer so heiß und
lebensfeindlich? Oder dienten die Bilder kultischen Zwecken? Bei den vielen
Forschungsaufenthalten konnten die Wissenschaftler feststellen, dass die
Felsbilder häufig in großer Menge in der Nähe der wenigen Wasserstellen
vorkommen. Sie vermuten, dass sie als Markierungen dieser in unwirtlicher
Gegend überlebenswichtigen Ressource dienten – zu eigenen Versorgung und zur
Jagd auf dort Wasser suchende Tiere. Und sie fanden heraus, dass Gravuren und
Malereien vermutlich nicht von denselben Menschen stammten – ja, dass sich
zwischen den unterschiedlichen Gruppen sehr wahrscheinlich Konflikte abgespielt
haben. Mehr dazu lesen Sie in der neuesten Ausgabe von „Forschung Frankfurt“,
dem Wissenschaftsmagazin der Goethe-Universität.
In weiteren
Artikeln der aktuellen Ausgabe geht es etwa um Pilze
als Nahrungsquelle der Zukunft, um Erfolg und Misserfolg der Entwicklungszusammenarbeit
oder auch um die Frage, warum der Filmmarkt Nigerias zu einem der größten der
Welt wurde. Andere Beiträge zeigen, wie Literaturwissenschaftler in Simbabwe
das offizielle Geschichtsbild geraderücken, dass Tunesien trotz Krisen über
eine ungeheure wirtschaftliche Innovationsstärke verfügt und wie deutsche
Sammlungen zu beiderseitigem Nutzen mit afrikanischen Partnern kooperieren
können.
Die aktuelle Ausgabe von „Forschung Frankfurt“ (1/2022) kann von
Journalistinnen und Journalisten kostenlos bestellt werden über ott@pvw.uni-frankfurt.de
Alle Beiträge sind online erhältlich unter www.forschung-frankfurt.de
Redaktion: Dr. Anke Sauter, Referentin für Wissenschaftskommunikation,
Büro PR & Kommunikation, Telefon 069 798-12498, Fax 069 798-763-13066, sauter@pvw.uni-frankfurt.de
Kombinationstherapie mit Interferon in Zellkultur hoch wirksam
Kann die Bildung neuer Varianten des Corona-Virus bald eingedämmt werden? Ein Team von Goethe-Universität Frankfurt und University of Kent hat Kombinationen verschiedener antiviraler Medikamente mit Interferon gefunden, die das SARS-CoV-2-Virus in Zellkulturen hoch effizient bekämpfen – was zu dieser Hoffnung berechtigt.
FRANKFURT.
Das
internationale Team unter der Leitung von Prof. Jindrich Cinatl am Institut für
Medizinische Virologie (Goethe-Universität), Prof. Martin Michaelis und Prof.
Mark Wass (University of Kent) hat Kombinationen von vier antiviralen
Medikamenten mit Interferon-beta in ihrer Wirkung auf die Omikron- und
Delta-Variante getestet. Interferone wie Interferon-beta werden im Körper als
Schutz gegen Virusinfektionen produziert und können als antivirale Medikamente
eingesetzt werden.
Motiviert ist die Forschung dadurch, dass Menschen mit
Immundefekten nicht durch eine Impfung gegen SARS-CoV-2 geschützt werden
können, und die verfügbaren Therapien in Menschen mit geschwächtem Immunsystem
nur eingeschränkt wirksam sind. Zudem ist es wichtig, die Bildung resistenter
Virusvarianten durch möglichst effektive Therapien zu unterdrücken.
Derzeit gibt es für COVID-19 drei zugelassene Medikamente:
Remdesivir, Molnupiravir, und Nirmatrelvir (der Wirkstoff in Paxlovid). Aprotin
ist ein weiterer Wirkstoff, dessen Wirksamkeit gegen SARS-CoV-2 von der
Forschergruppe in Kent und Frankfurt entdeckt wurde und der sich unlängst auch
in klinischen Studien als wirksam gegen COVID-19 erwiesen hat. Die Kombination
von Betaferon mit Molnupiravir, Nirmatrelvir und Aprotinin erwies sich als
hochwirksam gegen die Omicron- und Delta- Variante von SARS-CoV-2.
Prof. Martin Michaelis erklärt: „Wir hoffen, dass unsere Befunde
helfen, die Therapie von immungeschwächten COVID-19-Patient:innen zu verbessern
und die Entstehung therapieresistenter Virusvarianten zu vermeiden.“ Denn
gerade im Körper von immungeschwächten Personen kommt es häufig zu
Langzeitinfektionen und dadurch zur Bildung neuer, potentiell Therapie-resistenter
Varianten.
Die Kombination von Betaferon mit Remdesivir war in der Zellkultur
als einzige weniger effektiv. Das erklärt, warum sie in klinischen Studien nur
geringfügig besser abschnitt als die alleinige Behandlung mit Remdesivir. Die
Kombination der anderen drei Medikamente mit Interferon halten die
Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen für einen vielversprechenden
Therapieansatz, der in der Klinik getestet werden sollte.
„Wenn die Kombinationstherapie sich auch in klinischen Studien
als wirksam erweist, haben wir weitaus effektivere Möglichkeiten, die
Entstehung neuer gefährlicher Varianten von COVID-19 zu verhindern“, sagt Prof.
Jindrich Cinatl vom Institut für Medizinische Virologie der Goethe-Universität.
Publikation: Denisa
Bojkova, Tamara Rothenburger, Joshua D Kandler, Sandra Ciesek, Jindrich Cinatl
- Goethe-University Frankfurt; Richard Stack, Mark N Wass, Martin Michaelis -
University of Kent): Synergism of interferon-beta with antiviral drugs against
SARS-CoV-2 variant, in: Journal of Infection. https://doi.org/10.1016/j.jinf.2022.07.023
Weitere Informationen
Prof.
Jindrich Cinatl
Forschungsgruppenleiter
Institut für Medizinische Virologie
Goethe-Universität
+49 69 / 6301-6409
cinatl@em.uni-frankfurt.de
Redaktion: Dr. Anke Sauter, Referentin für Wissenschaftskommunikation, Büro PR & Kommunikation, Telefon 069 798-13066, Fax 069 798-763-12531, sauter@pvw.uni-frankfurt.de
Wissenschaftsmagazin „Forschung Frankfurt“ über ein deutsch-beninisches Projekt zur Pilzwelt Westafrikas
Pilze gibt es buchstäblich überall. Doch nur knapp fünf Prozent aller Pilzarten weltweit sind wissenschaftlich beschrieben. Wie ein deutsch-beninisches Forschungsteam neue Pilzarten entdeckt, lokal bekannte Arten erstmals wissenschaftlich beschreibt und erste Züchtungserfolge wertvoller Speisepilze erzielt, darüber berichtet die aktuelle Ausgabe des Wissenschaftsmagazins „Forschung Frankfurt“ der Goethe-Universität zum Thema „Perspektive Afrika“.
FRANKFURT. Pilze
enthalten viel Eiweiß, D-Vitamine, Mineralien und Spurenelemente. Dies weiß die
Pilzforscherin Prof. Meike Piepenbring von der Goethe-Universität. Zusammen mit
ihrem Kooperationspartner Prof. Nourou Yorou von der Université de Parakou in
Benin hat sie ein Forschungsprojekt zur wissenschaftlichen Erfassung von Pilzen
in Westafrika gestartet. Ihr Ziel ist es nicht nur, in der Welt der Fungi
wissenschaftliches Neuland zu betreten und die Artenlisten der Pilze
umfangreich zu erweitern.
Weil Speisepilze so hochwertige Lebensmittel sind und als
Fleischersatz dienen können, hat das deutsch-beninische Forschungsteam ein
Zuchtprogramm aufgelegt und bereits erste Erfolge erzielt. Wenn die Verfahren
ausgereift und patentiert sind, sollen Landwirte vor Ort kostenlose Lizenzen
erhalten. „Damit wollen wir die wirtschaftliche Selbstständigkeit insbesondere
von Frauen und Jugendlichen fördern. Unser Ziel ist es, Arbeitslosigkeit,
Ernährungsunsicherheit und extreme Armut in den ländlichen Gemeinden von Benin
zu verringern“, berichtet Yorou in „Forschung Frankfurt“.
In weiteren
Artikeln der aktuellen Ausgabe von „Forschung
Frankfurt“ geht es etwa darum, welche Rolle Schweinezähne bei der Entdeckung
von Frühmenschen-Fossilien in Malawi gespielt haben, wie sich China und Afrika
gegen den Westen solidarisieren oder warum der Filmmarkt Nigerias zu einem der
größten der Welt wurde. Andere Beiträge zeigen, wie Literaturwissenschaftler in
Simbabwe das offizielle Geschichtsbild geraderücken, dass Tunesien trotz Krisen
über eine ungeheure wirtschaftliche Innovationsstärke verfügt und wie deutsche
Sammlungen zu beiderseitigem Nutzen mit afrikanischen Partnern kooperieren
können.
Die aktuelle Ausgabe von „Forschung Frankfurt“ (2/2021) kann von
Journalistinnen und Journalisten kostenlos bestellt werden über: ott@pvw.uni-frankfurt.de.
Alle
Beiträge sind online erhältlich unter www.forschung-frankfurt.de
Redaktion: Dr. Markus Bernards, Referent für
Wissenschaftskommunikation, Büro PR & Kommunikation,
Telefon 069 798-12498, Fax
069 798-763-12531, bernards@em.uni-frankfurt.de
Dank an Stiftung Giersch und Goethe-Universität Frankfurt für die Zusammenarbeit und das Vertrauen
FRANKFURT. Dr. Birgit Sander verlässt zum 31. Oktober 2022 das MGGU, Museum Giersch der Goethe-Universität. Seit der Gründung des Museums durch die Stiftung Giersch im Jahr 2000 arbeitete die Kunsthistorikerin in diesem Ausstellungshaus am Frankfurter Schaumainkai, zunächst als wissenschaftliche Mitarbeiterin, dann ab 2005 als stellvertretende Leiterin und ab Mai 2020 als dessen Direktorin.
Birgit Sander war am Aufbau des Museums maßgeblich mitbeteiligt und prägte das Profil des auf kunst- und kulturgeschichtliche Themen mit Bezug zum Rhein-Main-Gebiet ausgerichteten Museums wesentlich mit. In ihrer mehr 20-jährigen Tätigkeit am Haus konzipierte und kuratierte sie zahlreiche Ausstellungen – darunter „Marie-Louise von Moteszicky 1906–1966“ (2006), „Anton Radl 1774–1852. Maler und Kupferstecher“ (2008) oder, „Horcher in die Zeit. Ludwig Meidner im Exil“ (2016). Bei vielen Projekten war sie kuratorisch mitverantwortlich – erwähnt seien die Ausstellungen „Expressionismus im Rhein-Main-Gebiet. Künstler, Händler, Sammler“ (2011), „Ersehnte Freiheit. Abstraktion in den 1950er Jahren“ (2017) oder „Frobenius. Die Kunst des Forschens“ (2019). Sie veröffentliche zahlreiche wissenschaftliche Beiträge in den Katalogen des Museums und engagierte sich sehr für den Bereich Bildung und Vermittlung.
Nachdem das Museum Giersch von der Stiftung Giersch anlässlich des 100-jährigen Bestehens der Goethe-Universität an die Hochschule übertragen worden war, forcierte sie gemeinsam mit dem Gründungsdirektor Dr. Manfred Großkinsky die Anbindung an die Universität und kooperierte mit universitären Partnern. Als Manfred Großkinsky Ende 2019 in Ruhestand ging, leitete sie das Haus zunächst kommissarisch, bevor sie zum 1. Mai 2020 die Direktion übernahm.
In ihrer Zeit als Direktorin wurden die notwendigen umfänglichen Sanierungsmaßnahmen in der neoklassizistischen Museumsvilla (Klima, Sicherheit, Brandschutz, Umstellung auf LED-Technik, neues Kassensystem) in Angriff genommen und abgeschlossen. Zudem trieb Birgit Sander die Digitalisierung des Museums voran. Das gesamte Corporate Design des Hauses wurde erneuert. Die Website und deren Inhalte wurden neu gestaltet und – nicht zuletzt auch unter dem Eindruck der Corona-Pandemie – wurden neue digitale Vermittlungsformate etabliert. Auch trieb sie die weitere Vernetzung mit der Universität voran.
Im Frühjahr 2022 eröffnete Birgit Sander das Museum wieder mit einer großen und erfolgreichen Retrospektive der beiden Frankfurter Fotografinnen Nini und Carry Hess. Als eine der Kuratorinnen zeichnet sie aktuell für die Ausstellung „ORTSWECHSEL. Die Kunstsammlung der Deutschen Bundesbank zu Gast im Museum Giersch der Goethe-Universität“ (noch bis 8.1.2023) mitverantwortlich, bei der die deutsche Zentralbank erstmalig ihre bedeutende Kunstsammlung moderner und zeitgenössischer Kunst öffentlich in einem Museum präsentiert.
„Ich freue mich, dass ich daran mitwirken konnte, das Museum Giersch der Goethe-Universität durch viel beachtete Ausstellungen zu einem renommierten, weit über Frankfurt hinaus bekannten Ausstellungshaus zu machen und es als Direktorin gut für die Zukunft aufzustellen“, so die scheidende Museumsleiterin und weiter: „Der Stiftung Giersch und der Goethe-Universität Frankfurt danke ich für die Zusammenarbeit und das Vertrauen.“
„Die Goethe-Universität verfügt seit ihrem 100. Geburtstag mit dem Museum Giersch der Goethe-Universität über ein ‚Schaufenster' zur Stadt, in dem das in der Universität erarbeitete Wissen der Gesellschaft gezeigt und forschend präsentiert werden kann: Jede Ausstellung hat auf vielfältige Weise und bei vielerlei Adressaten zur Wissensvermehrung beigetragen. Dem steten und enthusiasmierten Einsatz von Frau Sander verdankt das MGGU, zu einem Schmuckstück des Museumsufers und Aushängeschild der Goethe-Universität geworden zu sein“, sagt Prof. Dr. Enrico Schleiff, Präsident der Goethe-Universität Frankfurt am Main.
„Wir danken Dr. Birgit Sander für ihre langjährige Tätigkeit für das Museum. Mit ihrer Fachkompetenz und ihrem großen Engagement hat sie wesentlich zum Erfolg beigetragen. Wir wünschen ihr für die Zukunft alles Gute“, so Dipl. Kaufmann Stephan Rapp, Vorstand der Stiftung Giersch.
Dr. Birgit Sander wird zum 1.11.2022 Vorstand der Rudolf-August Oetker-Stiftung und Geschäftsführerin der Kunstsammlung Rudolf August Oetker GmbH – beide Institutionen sollen zukünftig ihren Sitz in Frankfurt haben.
Bilder und Texte zum Download unter: https://www.mggu.de/presse/
Informationen: Christine Karmann, Kommunikation und Marketing Museum Giersch der Goethe-Universität, Tel: 069/138210121, E-Mail: presse@mggu.de
Adresse: Museum Giersch der Goethe-Universität, Schaumainkai 83, 60596 Frankfurt am Main
Redaktion: Dr. Dirk Frank, Pressereferent / stv. Leiter, Büro für PR & Kommunikation, Tel: 069 798–13753, frank@pvw.uni-frankfurt.de
Rückkopplungsschleife sensibilisiert Hörrinde für Schallreflexionen
Wenn Fledermäuse Laute
für die Echoortung ausstoßen, moduliert eine Rückkopplungsschleife die
Empfänglichkeit der Hörrinde für eingehende akustische Signale. Dies haben
Neurowissenschaftler der Goethe-Universität Frankfurt herausgefunden. In einer in
der Zeitschrift „Nature Communications“ veröffentlichten Studie zeigen sie,
dass sich der Informationsfluss im beteiligten neuronalen Schaltkreis im Zuge
der Lauterzeugung umkehrte. Diese Rückkopplung bereitet die Hörrinde wohl auf
die zu erwartenden „Echos“ der ausgesandten Laute vor. Die Forscher sehen ihre
Ergebnisse als Zeichen dafür, dass die Bedeutung von Rückkopplungsschleifen im
Gehirn derzeit noch unterschätzt wird.
FRANKFURT. Fledermäuse sind berühmt für ihre Ultraschall-Navigation: Sie orientieren sich über ihr äußerst empfindliches Gehör, indem sie Ultraschalllaute ausstoßen und anhand des zurückgeworfenen Schalls ein Bild ihrer Umwelt erhalten. So findet beispielsweise die Brillenblattnasenfledermaus (Carollia perspicillata) die von ihr als Nahrung bevorzugten Früchte über dieses Echoortungssystem. Gleichzeitig nutzen die Fledermäuse ihre Stimme auch zur Kommunikation mit den Artgenossen, wofür sie einen etwas tieferen Frequenzbereich wählen.
Der Neurowissenschaftler Julio C. Hechavarria vom Institut für Zellbiologie und
Neurowissenschaft der Goethe-Universität untersucht zusammen mit seinem Team,
welche Gehirnaktivitäten bei der Brillenblattnase mit den Lautäußerungen
einhergehen. In ihrer neusten Studie haben die Frankfurter untersucht, wie der
Stirnlappen – eine Region im Vorderhirn, die beim Menschen unter anderem mit
der Planung von Handlungen in Verbindungen gebracht wird – und die Hörrinde, in
der akustische Signale verarbeitet werden, bei der Echoortung zusammenarbeiten.
Dafür setzten die Forscher den Fledermäusen winzige Elektroden ein, die die
Aktivität der Nervenzellen im Stirnlappen und in der Hörrinde aufzeichnete.
Bei
Fledermäusen, die Ortungslaute ausstießen, konnten die Forscher eine
Rückkopplungsschleife im Netzwerk aus Frontallappen und Hörrinde
identifizieren, die bislang völlig unbekannt war. Normalerweise fließt die
Information vom Stirnlappen, in dem die Lauterzeugung geplant wird, zur
Hörrinde, um diese darauf vorzubereiten, dass demnächst ein akustisches Signal
zu erwarten ist. Nach dem Ausstoß eines Ortungslautes reduzierte sich
allerdings der Informationsfluss vom Stirnlappen zur Hörrinde, bis er sich ganz
umkehrte: Die Information floss nun von der Hörrinde zurück zum Stirnlappen.
Vermutlich, so Hechavarria, bereitet diese Rückkopplungsschleife die Hörrinde
noch besser auf den Empfang der auf die Ortungslaute folgenden
Schallreflexionen vor.
Durch
eine elektrische Stimulation des Frontallappens simulierten die Neurobiologen
von der Hörrinde stammende Signale. Die dadurch erzeugte Aktivität im
Stirnlappen führte tatsächlich dazu, dass die Hörrinde stärker auf
Schallreflexionen reagierte. „Das zeigt, dass die von uns gefundene
Rückkopplungsschleife funktional ist“, fasst Hechavarria zusammen. Um die
Bedeutung der Ergebnisse zu veranschaulichen, greift der Neurobiologe auf das
Bild einer Autobahn zurück: „Bislang hat man geglaubt, dass der
Informationsfluss auf dieser Datenautobahn in erster Linie in einer Richtung
verläuft und Rückkopplungsschleifen die Ausnahme sind. Unsere Daten zeigen,
dass diese Sicht vermutlich nicht korrekt ist und Rückkopplungsschleifen im
Gehirn eine viel größere Bedeutung haben als bislang angenommen.“
Überraschend
war, dass bei Kommunikationslauten keine ausgeprägte Umkehr des Informationsflusses
beobachtet werden konnte. „Möglicherweise liegt das daran, dass die Fledermäuse
alleine in einer Isolationskammer gehalten wurden und deshalb keine Antwort auf
ihre Rufe erwarteten“, vermutet Hechavarria und fährt fort: „Was unsere Studie
unter anderem so interessant macht, ist, dass sie neue Wege öffnet, um die
sozialen Interaktionen von Fledermäusen zu untersuchen. An dieser Stelle wollen
wir zukünftig weiterarbeiten.“
Publikation: Francisco
García-Rosales, Luciana López-Jury, Eugenia Gonzalez-Palomares, Johannes
Wetekam, Yuranny Cabral-Calderín, Ava Kiai, Manfred Kössl, Julio C.
Hechavarría: Echolocation-related
reversal of information flow in a cortical vocalization network. Nature
Communications 13, 3642 (2022). https://doi.org/10.1038/s41467-022-31230-6
Ein Bild zum Download:
Bildtext: Fledermäuse „sehen“ mit den Ohren. Wie die Hörrinde auf die eingehenden akustischen Signale vorbereitet wird, haben Wissenschaftler der Goethe-Universität herausgefunden. (Foto: Hechavarria)
Weitere Informationen
Dr.
Julio C. Hechavarria (Ph.D.)
Auditory Computations Group (Gruppenleiter)
Institut für Zellbiologie und Neurowissenschaft
Tel. +49 (0)69 798-42050
Hechavarria@bio.uni-frankfurt.de
https://www.julio-hechavarria.com/
Redaktion: Dr. Anke Sauter, Referentin für
Wissenschaftskommunikation, Büro PR & Kommunikation,
Telefon 069 798-13066, Fax 069
798-763-12531, sauter@pvw.uni-frankfurt.de
Forschungsteam von Goethe-Universität und University of Michigan nutzt Biosynthese von Bakterien, um ein Fluor enthaltendes Antibiotikum herzustellen – Startup-Unternehmen kommerzialisiert Technologie
Die Veränderung von Wirkstoffen mit dem Element Fluor ist ein wichtiges Werkzeug in der modernen Medikamentenentwicklung. Nun ist es an der Goethe-Universität Frankfurt erstmals gelungen, ein in der Natur vorkommendes Antibiotikum durch gezieltes Bioengineering zu fluorieren. Mit Hilfe dieses Verfahrens kann eine ganze Stoffklasse von medizinisch relevanten Produkten aus der Natur verändert werden – und verspricht somit ein großes Potenzial zur Herstellung neuer Antibiotika gegen resistente Keime und zur (Weiter-)Entwicklung anderer Medikamente. Das Startup-Unternehmen kez.biosolutions GmbH wird die Forschungsergebnisse in die Anwendung bringen (Nature Chemistry, DOI 10.1038/s41557-022-00996-z).
FRANKFURT. Seit
Jahrzehnten werden medizinische Wirkstoffe mit Fluor chemisch verändert. Denn
Fluor hat viele therapeutisch nützliche Effekte: Es kann die Bindung des
Wirkstoffs an das Zielmolekül verbessern, den Wirkstoff leichter für den Körper
verfügbar machen und seine Verweildauer im Körper verändern. Mittlerweile
enthalten nahezu die Hälfte der von der US-amerikanischen Arzneimittelbehörde
FDA zugelassenen Medikamente mit kleinen Wirkstoffmolekülen (bis ca. 100 Atome)
mindestens ein gebundenes Fluoratom. Darunter befinden sich so unterschiedliche
Medikamente wie Cholesterinsenker, Antidepressiva und Antibiotika.
Komplexe Naturstoffe werden oftmals von Bakterien oder Pilzen
hergestellt, um sich einen Wachstumsvorteil zu verschaffen. Eine Möglichkeit,
um Naturstoffe zu Medikamenten zu entwickeln, ist ihre Modifikation mit einem
oder mehreren Fluoratomen. Im Fall des Antibiotikums Erythromycin bringt das
angehängte Fluor entscheidende Vorteile: Das neue Erythromycin ist im Körper
einfacher verfügbar und wirkt besser gegen Krankheitskeime, die eine Resistenz
gegen Erythromycin entwickelt haben. Die synthetisch-chemischen Verfahren zur
Einführung von Fluor in Naturstoffe sind sehr aufwendig und aufgrund der dafür
notwendigen Chemikalien und Reaktionsbedingungen oftmals „brachial“, sagt
Martin Grininger, Professor für Organische Chemie und Chemische Biologie an der
Goethe-Universität. „Das führt zum Beispiel dazu, dass man in der Auswahl der
Position an die das Fluor angefügt werden soll, sehr eingeschränkt ist“, fügt
er hinzu.
Einem deutsch-amerikanischen Wissenschaftsteam um Prof. Martin Grininger
und Prof. David Sherman, Professur für Chemie an der University of Michigan,
ist es jetzt gelungen, sich die Biosynthese eines Antibiotika-produzierenden
Bakteriums zunutze zu machen. Hierbei wird das Fluoratom als Teil eines kleinen
Substrats während der biologischen Synthese eines Makrolid-Antibiotikums
eingebaut. „Wir schleusen die fluorierte Einheit während des
Herstellungsprozesses ein, das ist effektiv und elegant“, betont Grininger,
„denn es erlaubt die sehr flexible Positionierung des Fluors im Naturstoff,
wodurch dessen Wirksamkeit beeinflusst werden kann.“
Dazu führten die Frankfurter Projektleiter Dr. Alexander Rittner
und Dr. Mirko Joppe aus Griningers Arbeitsgruppe eine Untereinheit des Enzyms
namens Fettsäuresynthase in das bakterielle Protein ein. Das Enzym wirkt
natürlicherweise an der Biosynthese von Fetten und Fettsäuren in Mäusen mit.
Die Fettsäuresynthase sei wenig wählerisch in der Verarbeitung der Vorprodukte,
die auch für die Herstellung von Antibiotika in Bakterien wichtig sind, erklärt
Rittner. Mit intelligentem Proteindesign gelang es dem Team, einen Teil des
Mäuseenzyms in den entsprechenden Biosyntheseweg des Antibiotikums zu
integrieren. Rittner: „Das Spannende ist, dass wir mit dem Erythromycin einen
Vertreter einer ungeheuer großen Stoffklasse fluorieren konnten, den
sogenannten Polyketiden. Es sind rund 10.000 Polyketide bekannt, und viele
werden als Naturstoffmedikamente wie zum Beispiel als Antibiotika,
Immunsuppressiva oder Krebsmittel genutzt. Unser neues Verfahren hat daher ein
riesiges Potenzial zur chemischen Optimierung dieser Naturstoffgruppe – bei den
Antibiotika vor allem die Überwindung von Resistenzen.“ Um dieses Potenzial zu
heben, gründete Dr. Alexander Rittner das Startup-Unternehmen kez.biosolutions
GmbH.
Prof. Martin Grininger forscht bereits seit einigen Jahren an der
maßgeschneiderten Biosynthese von Polyketiden: „Die erfolgreiche Fluorierung
eines Makrolid-Antibiotikums ist ein Durchbruch, für den wir viel getan haben
und auf den ich jetzt sehr stolz bin. Gleichzeitig ist es ein Aufbruch: Wir
arbeiten bereits daran, die antibiotische Wirkung verschiedener fluorierter
Erythromycin-Verbindungen und weiterer fluorierter Polyketide zu testen und
werden die neue Technologie auf weitere Fluormotive ausweiten. Dabei werden wir
auch die erfolgreiche Zusammenarbeit mit Prof. David Sherman und seinem Team an
der University of Michigan fortsetzen.“
Die Suche nach Resistenzen-überwindenden Medikamenten ist eine
Daueraufgabe, denn – abhängig von der Häufigkeit des Einsatzes – ist es ganz normal,
dass sich früher oder später Resistenzen bildeten. Vor diesem Hintergrund
versteht Dr. Mirko Joppe seine Arbeit auch als gesellschaftlichen Auftrag. „Die
Forschung an Antibiotika ist aus verschiedenen Gründen wirtschaftlich nicht
lukrativ. Es ist daher die Aufgabe der Universitäten diese Lücke zu füllen, um
gemeinsam mit Pharmaunternehmen neue Antibiotika zu entwickeln. Unsere
Technologie kann einfach und schnell neue Antibiotika generieren und bietet nun
ideale Anknüpfungspunkte für Projekte mit industriellen Partnern“.
Die beschriebenen Forschungsarbeiten an Polyketiden wurden durch
die Volkswagen-Stiftung im Rahmen einer Lichtenberg-Professur, durch den
LOEWE-Schwerpunkt MegaSyn des Hessischen Wissenschaftsministeriums und durch
das National Institute of Health (USA) unterstützt.
Publikation:
Alexander Rittner,
Mirko Joppe, Jennifer J. Schmidt, Lara Maria Mayer, Simon Reiners, Elia Heid,
Dietmar Herzberg, David H. Sherman, Martin Grininger: Chemoenzymatic
synthesis of fluorinated polyketides. Nature Chemistry (2022) https://www.nature.com/articles/s41557-022-00996-z
Bild zum Download: https://www.uni-frankfurt.de/122764926
Bildtext: Wissenschaftler der Goethe-Universität haben ein Enzym erzeugt,
das über mehrere nacheinander ausgeführte Reaktionen fluorierte Antibiotika
herstellen kann. Zur Veranschaulichung sind die unterschiedlichen Bereiche des
Hybrids, die hierbei zusammenwirken, in verschiedenen Farben dargestellt.
(Grafik: Grininger)
Weitere Informationen:
Prof. Dr. Martin Grininger
Institut für Organische Chemie und Chemische Biologie
Buchmann-Institut für Lebenswissenschaften
Goethe-Universität Frankfurt
Tel.: +49 (0)69 798-42705
grininger@chemie.uni-frankfurt.de
Redaktion: Dr. Markus Bernards/Dr. Anke Sauter, Büro PR &
Kommunikation, Telefon 069
798-13066, Fax 069 798-763-12531, sauter@pvw.uni-frankfurt.de
Wissenschaftsmagazin „Forschung Frankfurt“ der Goethe-Universität zum Thema „Perspektive Afrika“ erschienen – Frankfurter Filmwissenschaftler kooperieren mit Universität in Nigeria
Die Erfolgsgeschichte des nigerianischen Kinos hat einen Namen: Nollywood. Aus einer Notlage geboren, hat der nigerianische Film das US-amerikanische Vorbild an Umsatz und Zuschauerzahlen längst überholt. An der Goethe-Universität beschäftigen sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in enger Kooperation mit Kollegen in Afrika mit dem nigerianischen Filmerbe. Über gemeinsame Forschungs- und Lehrprojekte berichtet die aktuelle Ausgabe von Forschung Frankfurt mit dem Titel „Perspektive Afrika“.
FRANKFURT. Wer den
Blickwinkel der europäischen Medien- und Kulturindustrien erweitern will,
sollte auf die afrikanischen Medien- und Filmindustrien sehen. Davon sind die
Frankfurter Filmwissenschaftler und Filmwissenschaftlerinnen überzeugt, die die
afrikanische Medienkultur mit afrikanischen Kooperationspartnern erforschen und
auch gemeinsam einen einzigartigen Masterstudiengang zur Filmarchivierung
anbieten. „Es ist die unglaubliche Energie, der Erfindungsreichtum von
Kleinunternehmern und die kreative Kapazität, mit sehr wenig sehr viel zu
bewegen“, die den Filmwissenschaftler Vinzenz Hediger am afrikanischen Kino
faszinieren.
Nach dem Zusammenbruch der nigerianischen Celluloid-Filmkultur in
den 1990er Jahren entwickelte sich der Filmmarkt Nigerias zu einem der größten
der Welt, indem die Filmschaffenden das Vorhandene – Technik und Vertrieb –
kreativ nutzten: Per VHS-Kassette und auch als Raubkopie vertrieben sie mit
einfachen Mitteln gedrehte Homevideos. Das New Nollywood genannte Kino
wiederum feiert seit den Nullerjahren Erfolge, indem es sich der neuen
digitalen Technik und der neuen Vertriebswege im Internet bedient. Wie
verändert sich die Kulturbranche, wenn die Produktion von Film und Musik
zunehmend digitalisiert wird? Diesen Fragen gehen die Wissenschaftler der
Goethe-Universität in dem interdisziplinären, internationalen Forschungsprojekt
Cultural Entrepreneurship and Digital Transformation in Africa and Asia
(CEDITRAA) nach – gemeinsam mit Partnern in Mainz im Rahmen der strategischen
Allianz der Rhein-Main-Universitäten (RMU) und dem Kooperationspartner
Pan-Atlantic University in Lagos in Nigeria.
In der aktuellen Ausgabe von „Forschung Frankfurt“ berichten
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Goethe-Universität über ihre
Forschungsprojekte mit Perspektive Afrika. Da geht es zum Beispiel um die
Frage, warum afrikanische Migranten im Rhein-Main-Gebiet besonders schnell
Deutsch lernen, wie die Bevölkerung in Burkina Faso und Gambia das Engagement
von innerafrikanischen Friedensorganisationen bewerten und wie die
Verknüpfungen zwischen afrikanischen und asiatischen Ländern jenseits von
Stereotypen beschaffen sind. Zu lesen ist von archäologischen Forschungen, die
die Wanderungsbewegungen und Ernährungsgewohnheiten früherer Kulturen in den
Blick nehmen, oder aber von der Erkundung bislang unbekannter Felsbilder in der
Namib-Wüste. Auch die postkoloniale Debatte hat ihren Platz im Themenheft: Sie
fragt danach, wer eigentlich über wen forschen darf und welche Rolle dabei die
Herkunft der Forschenden spielen sollte.
Die aktuelle Ausgabe von „Forschung Frankfurt“ (1/2022) kann von
Journalistinnen und Journalisten kostenlos bestellt werden über: ott@pvw.uni-frankfurt.de.
Alle
Beiträge sind online erhältlich unter www.forschung-frankfurt.de
Redaktion: Dr. Markus Bernards, Referent für
Wissenschaftskommunikation, Abteilung PR & Kommunikation, Telefon 069 798-12498, Fax
069 798-763-12531, bernards@em.uni-frankfurt.de
Studie unter Studierenden aus 41 Ländern gibt Orientierung für universitäre Bildung
Umweltstudierende aus Ländern mit niedrigeren Wohlstandsindikatoren halten die 17 UN-Nachhaltigkeitsziele für wichtiger als Umweltstudierende aus Ländern mit höheren Wohlstandsindikatoren. Zudem ordnen sie die Ziele meist nur einer Säule der Nachhaltigkeit zu, entweder der sozialen, der ökonomischen oder der ökologischen. Das hat eine Studie der Goethe-Universität Frankfurt ergeben, die auf einer Online-Umfrage in 41 Ländern basiert. Damit liegen jetzt erstmals Erkenntnisse vor, wie eine bestimmte Gruppe von möglichen künftigen Entscheidungsträgern die 17 Ziele aktuell wahrnimmt. Daraus lassen sich ganz konkrete Handlungsempfehlungen für die universitäre Bildung ableiten.
FRANKFURT. Im
Jahr 2015 haben die Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen die Agenda 2030 für
nachhaltige Entwicklung verabschiedet. Kernstück sind 17 Nachhaltigkeitsziele,
die Sustainable Development Goals (SDGs). Dazu gehören „Kein Hunger“, „Sauberes
Wasser“, „nachhaltiger Konsum" und „Leben unter Wasser“. Die SDGs beziehen
sich auf alle drei Säulen der Nachhaltigkeit: die soziale, die ökonomische und
die ökologische. Das Erreichen der Ziele soll weltweit ein menschenwürdiges
Leben ermöglichen und die natürlichen Lebensgrundlagen des Planeten dauerhaft
bewahren. Doch wie werden die SDGs überhaupt wahrgenommen, und was lässt sich
daraus schließen? Hier gab es bisher eine Forschungslücke. Die wenigen
internationalen Studien hatten meist eher breite Bevölkerungsgruppen befragt.
Es fehlte an Daten, die konkrete Handlungsempfehlungen für bestimmte
gesellschaftliche Bereiche hätten liefern können, zum Beispiel, wie die
universitäre Praxis im Sinne der Agenda 2030 zu verbessern wäre.
Eine neue Studie der Goethe-Universität Frankfurt schließt nun
diese Forschungslücke. Sie basiert auf einer Online-Umfrage in 41 Ländern in
Nordamerika, Südamerika, Afrika, Asien, Ozeanien und Europa, die zwischen
September 2020 und Juli 2021 durchgeführt wurde. Befragt wurden 4305
Studierende ausschließlich aus umweltrelevanten Fächern wie Umweltwissenschaft,
Biologie oder Naturmanagement. Auf einer Skala von 1 bis 5 gaben sie an, für
wie wichtig sie die einzelnen SDGs halten. „Unserer Studie ist die erste,
welche die Wahrnehmung der UN-Nachhaltigkeitsziele in einer so stark
selektierten Gruppe von zukünftigen Entscheidungsträgern erfasst und bewertet“,
sagt der Erstautor, Dr. Matthias Kleespies von der Abteilung Didaktik der
Biowissenschaften und Zootierbiologie am Fachbereich Biowissenschaften der
Goethe-Universität.
Die Daten zeigten, so Kleespies, dass die SDGs bei
Umweltstudierenden weltweit eine hohe Akzeptanz haben, unabhängig von der
Region. Für Kleespies ein erfreuliches Ergebnis: „Die großen sozialen,
ökonomischen und ökologischen Probleme, mit denen wir aktuell weltweit
konfrontiert sind, werden auch als solche wahrgenommen.“
Durch Faktorenanalyse, einem gängigen statistischen Verfahren,
konnte Kleespies noch etwas feststellen: Die Befragten ordneten einzelne SDGs
überwiegend nur einer einzigen der drei Säulen der Nachhaltigkeit zu. Zum
Beispiel das Ziel „Armut beenden" ausschließlich der ersten Säule (sozial)
oder das Ziel „Klimaschutz“ ausschließlich der dritten Säule (ökologisch).
Diese Zuordnungen führten zu einem weiteren Ergebnis, so Kleespies: „Wir
konnten sehen, dass es zwischen den Ländern erhebliche Unterschiede bei der
Bewertung der drei Säulen gibt.“ Beispiel: Die Befragten aus Deutschland sahen
die ökologischen Säule als besonders wichtig an, die Befragten aus Thailand
bewerteten dagegen alle drei Säulen als etwa gleichwichtig.
Um die Länderunterschiede noch genauer auswerten zu können, folgte
eine weitere statistische Analyse: Die Ergebnisse der einzelnen Länder wurden
fünf Wohlstandsindikatoren gegenübergestellt, unter anderem dem Index der
menschlichen Entwicklung (Human Development Index, HDI) und dem Index der
ökologischen Leistungsbilanz (Environmental Performance Index, EPI). Bei allen
fünf Indikatoren ergab sich ein ähnliches Bild. Im direkten Vergleich
bewerteten Länder mit niedrigeren Indizes – wie die Philippinen –
die SDGs als wichtiger als Länder mit höheren Indizes wie Kanada. „Dieses
Ergebnis hat uns überrascht, da ältere Studien oft zeigten, dass sich gerade
Personen in modernen Industriegesellschaften vermehrt für Umweltschutz
einsetzen“, so Kleespies.
Auch wenn sie nicht auf die Gesamtbevölkerung eines Landes
übertragbar ist, liefere die Studie doch wichtige neue Erkenntnisse, so Prof.
Paul Dierkes, Leiter der Abteilung Didaktik der Biowissenschaften und
Zoobiologie. „Um die SDGs in einem Land in die Tat umsetzen zu können, bedarf
es großer Akzeptanz nicht nur in der Bevölkerung, sondern auch bei den Personen
an den gesellschaftlichen und politischen Schnittstellen. Studierende im
Umweltbereich sind da als mögliche spätere Entscheidungsträger und
Multiplikatoren besonders wichtig. Zwar ist eine universitäre Ausbildung in
diesem Bereich noch keine Garantie für eine Entscheidungsträgerposition.
Allerdings vermitteln Universitäten wichtige Fähigkeiten, Fertigkeiten und
Wissen, die für solche Positionen qualifizieren.“
Welche Verbesserungsmaßnahmen für die universitäre Ausbildung
lassen sich aus der Studie ableiten? Dazu meint Kleespies: „Die
Umweltstudiengänge sollten intensiver darauf eingehen, dass die SDGs
mehrdimensional sind und jedes der Ziele eine soziale, ökologische und ökonomische
Komponente enthält.“ Die Untersuchung habe ja gezeigt, dass Studierende diese
Mehrdimensionalität meist übersehen. Zum Beispiel wurde SDG 15 – „Leben an
Land“ – oft als exklusives ökologisches Ziel eingeordnet. „Der Schutz von
Landökosystemen beinhaltet aber auch sehr wichtige ökonomische und soziale
Komponenten.“ Ein zweiter Vorschlag richtet sich speziell an die wohlhabenderen
Länder, in denen die SDGs im Vergleich als weniger wichtig bewertet wurden.
Kleespies ruft die Universitäten dort dazu auf, Bildungsprogramme zum Thema
UN-Nachhaltigkeitsziele im aktuellen Curriculum der Studiengänge zu verankern:
„So werden Studierende besser als bisher über den Nutzen und die
Vielschichtigkeit der SDGs informiert.“
Mehr als 4.000 Studierende hatten sich an der Online-Umfrage
beteiligt. Die Umfrage-E-Mails wurden an Institute in mehr als 50 Ländern
verschickt. Bei 41 Ländern waren die Datensätze am Ende ausreichend für eine
statistische Analyse.
Publikation: „The importance of the Sustainable Development Goals to students of environmental and sustainability studies – a global survey in 41 countries" Matthias Winfried Kleespies & Paul Wilhelm Dierkes; https://doi.org/10.1057/s41599-022-01242-0
Weitere Informationen
Abteilung
Didaktik der Biowissenschaften und Zootierbiologie
Goethe-Universität
Frankfurt
Dr.
Matthias Kleespies
Tel:
+49 (0)69 798-42276
kleespies@em.uni-frankfurt.de
Prof.
Dr. Paul W. Dierkes
Tel:
+49 (0)69 798-42273
dierkes@bio.uni-frankfurt.de
Redaktion: Dr. Markus Bernards, Referent für
Wissenschaftskommunikation, Abteilung PR & Kommunikation, Telefon 069 798-12498, Fax
069 798-763-12531, bernards@em.uni-frankfurt.de
Goethe-Universität Frankfurt unterstützt mit ihren digitalen Infrastrukturen und mit Unterstützung studentischer Helferinnen und Helfer die Durchführung von elektronischen Prüfungen.
FRANKFURT. Um 9.00 Uhr ging es heute los: Die ersten ukrainischen Geflüchteten haben an der Goethe-Universität einen Hochschulzugangstest absolviert, der erforderlich ist, um ein Studium in der Ukraine aufzunehmen oder fortzuführen. Die Goethe-Universität gehört zu den insgesamt sechs Standorten in Deutschland, an denen solche Online-Examina durchgeführt werden. Ermöglicht wird dies unter anderem durch die finanzielle Unterstützung des Wissenschafts- und Technologieunternehmens Merck. Insgesamt werden in dieser Woche und an zwei weiteren Folgetagen bis zu 800 ukrainische Schülerinnen und Schüler an den Tests teilnehmen – am ersten Tag waren es bereits knapp 180.
„Dass
sich angesichts des brutalen Angriffes auf ihr Land dennoch so viele junge
Ukrainerinnen und Ukrainer auf ein Studium in ihrer Heimat vorbereiten, ist
sehr beeindruckend und spricht für den Mut und die Zuversicht der jungen
Generation der Ukrainerinnen und Ukrainer. Indem wir vor Ort die
Hochschulzugangstests unterstützen, können die ukrainischen Schülerinnen und
Schüler ihre Bildungsbiografie nahtlos fortführen – dies ist ein wichtiger
Beitrag für die Zukunft der Schülerinnen und Schüler sowie für das ganze Land“,
betont Prof. Enrico Schleiff, Präsident der Goethe-Universität.
Das ukrainische Ministerium für
Bildung und Wissenschaft hatte sich mit der Bitte um Unterstützung an das
Bundesministerium für Bildung und Forschung gewandt. Die
Hochschulrektorenkonferenz (HRK) konnte in Abstimmung mit dem BMBF und der
Kultusministerkonferenz (KMK) fünf Hochschulen gewinnen, die über die
entsprechenden Voraussetzungen verfügen, um die rechtssichere Durchführung der
Online-Examina sicherzustellen. Um übermäßig lange Anreisen zu verhindern,
wurde bei der Auswahl auf eine geografische Verteilung geachtet.
Redaktion: Dr. Dirk Frank,
Pressereferent / stv. Leiter, Büro für PR & Kommunikation,
Telefon 069 798–13753, frank@pvw.uni-frankfurt.de
Goethe-Universität, Institut für Ethnologie und Frobenius-Institut gratulieren ihrem Sozial- und Kulturanthropologen
Als Anerkennung seiner Leistungen in den Geistes- und
Sozialwissenschaften ist Mamadou Diawara zum Fellow der British Academy gewählt
worden. Diawara ist Professor für Sozial- und Kulturanthropologie am Institut
für Ethnologie und stellvertretender Direktor des Frobenius Instituts an der
Goethe-Universität sowie Direktor von Point Sud, dem Forschungszentrum für
lokales Wissen in Bamako (Mali).
FRANKFURT. Professor Mamadou
Diawara ist von der Jahreshauptversammlung der British Academy zum
„Corresponding Fellow“ und damit zum Mitglied der British Academy gewählt
worden. Er wird zukünftig der Fachsektion „Afrika, Asien und Naher Osten“
innerhalb der Akademie angehören. Die Wahl zum „Corresponding Fellowship“ ist
die höchste wissenschaftliche Auszeichnung in den Geistes- und
Sozialwissenschaften der Akademie. „Zum Corresponding Fellow kann“, so heißt es
in der Satzung der British Academy „nur gewählt werden, wer in einem der von
der Akademie zu fördernden Forschungsbereichen hohes internationales Ansehen
erlangt hat“. Eine weitere Voraussetzung für die Ernennung ist ein permanenter
Wohnsitz außerhalb der Vereinigten Königreiche, der Isle of Man oder der
Kanalinseln.
„Die
Nachricht hat mich komplett überrascht, und ich habe mich natürlich sehr
darüber gefreut“, sagt Prof. Mamadou Diawara. Es sei eine große Ehre, in den
Kreis so vieler Koryphäen aufgenommen zu werden. Die Britische Akademie sei
eine bedeutende Instanz, die sich auch in öffentlichen Debatten immer wieder zu
Wort melde und deren Stimme großes Gewicht habe. Er selbst freue sich auf
interessante Vorträge und regelmäßigen Austausch mit Geistes- und
Sozialwissenschaftlern aus der ganzen Welt. Diawara kann nun lebenslänglich den
Titel „FBA“ als Namenszusatz tragen.
Mamadou
Diawara, Jahrgang 1954, hat an der École Normale Supérieure, Bamako, und an der
École des hautes études en sciences sociales, Paris, studiert. In Paris wurde
Diawara 1985 im Fach Anthropologie und Geschichte promoviert. 1998 folgte die
Habilitation an der Universität Bayreuth, 2004 der Ruf an die
Goethe-Universität. Diawara war an Universitäten in Europa und Amerika tätig.
Er war Henry Hart Rice Visiting Professor in Anthropology and History an der
Yale University (USA) und Fellow am Wissenschaftskolleg zu Berlin. 1998
gründete Diawara mit Moussa Sissoko und Kolleginnen und Kollegen aus
Deutschland, Österreich und Mali Point Sud, das Forschungszentrum für lokales
Wissen in Bamako (Mali). Er hat mehrere Forschungsförderungsprojekte
mitinitiiert, die sich insbesondere an Nachwuchskräfte aus Afrika richten, und
engagiert sich in Programmen zur Kooperations-Förderung zwischen afrikanischen
und Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus anderen Erdteilen. In seiner
Forschung beschäftigt sich Mamadou Diawara mit Geschichte, oralen Kulturen, Medien,
Normenwandel, Mobilität und Migration in Afrika. Sein regionaler Schwerpunkt
liegt auf Subsahara-Afrika, insbesondere den Sahelländern, und auf Beziehungen
zwischen Afrika und Südostasien, insbesondere Thailand, wo er sich mit dem
Handel u.a. mit Edel- und Halbedelsteinen befasst. Dafür erhielt er eine starke
Unterstützung vom Exzellenzcluster Die Herausbilddung normativer Ordnungen.
Die British Academy wurde 1902 gegründet und ist die nationale
Akademie des Vereinigten Königreichs für Geistes- und Sozialwissenschaften. Sie
ist eine Gemeinschaft von mehr als 1400 führenden Köpfen in diesen Fächern. Die
Akademie versteht sich als Einrichtung zur Förderung der Forschung auf
nationaler und internationaler Ebene und als ein Forum für Diskussionen und Engagement.
In diesem Jahr wurden insgesamt 85 Fellows gewählt, darunter 52 aus dem Vereinigten Königreich, 29 Corresponding Fellows und vier Honorary Fellows.
Die Präsidentin der British Academy, Professor Julia Black, sagte
in ihrer Begrüßungsrede: „Ich freue mich, diese angesehenen und bahnbrechenden
Wissenschaftler in unserem Fellowship willkommen zu heißen. (…) Mit dem
Fachwissen und den Erkenntnissen unserer neuen Fellows ist die Akademie besser
denn je in der Lage, neue Wege des Wissens und des Verständnisses zu
beschreiten und das Wohlergehen und den Wohlstand von Gesellschaften auf der
ganzen Welt zu fördern. Ich gratuliere jedem unserer neuen Fellows zu ihrer
Leistung und freue mich auf die Zusammenarbeit mit ihnen."
Ein Porträt von Prof. Diawara zum Download: https://www.uni-frankfurt.de/122595166
Bildtext: Der Ethnologe Prof. Mamadou Diawara ist zum Corresponding Fellow
der British Academy gewählt worden. (Foto: Normative Orders, Frankfurt)
Weitere Informationen
Institut
für Ethnologie
Geschäftsstelle
Telefon
+49(0)69 798-33064
ethnologie@em.uni-frankfurt.de
PD
Dr. Susanne Fehlings, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Frobenius-Institut
Telefon
+49(0)69 798-33058
fehlings@uni-frankfurt.de
Redaktion: Dr. Anke Sauter, Referentin für Wissenschaftskommunikation,
Abteilung PR & Kommunikation, Telefon 069 798-13066, Fax 069 798-763-12531, sauter@pvw.uni-frankfurt.de
DFG-Forschungsgruppe will Abstraktion im Gehirn verstehen und KI-Systeme verbessern
Wie abstraktes Wissen im Gehirn gespeichert wird, untersuchen Psycholog:innen und Informatiker:innen in der neuen DFG-Forschungsgruppe ARENA. Die Erkenntnisse sollen umgekehrt dazu beitragen, künstlich intelligente (KI)-Systeme effizienter und flexibler zu machen.
FRANKFURT.
Seitdem künstlich intelligente Systeme Objekte und Sprache zuverlässig erkennen
können, hat die KI-Forschung einen Boom erlebt. Doch nach wie vor müssen die
Systeme mit hohem Arbeits- und Energieaufwand trainiert werden – und speichern
ihr Wissen über Objekte und Wörter trotzdem anders als das menschliche Gehirn:
Moderne KI-Systeme sind in der Regel neuronale Netzwerkmodelle. Sie bestehen
aus mehreren Schichten von künstlichen Nervenzellen, die miteinander verknüpft
sind. Deshalb werden sie auch als tiefe neuronale Netze („deep neural
networks“) bezeichnet. Ein KI-System, das für die Bilderkennung und die
Spracherkennung entwickelt wurde, kann ein Bild von einer Orange (Input) mit
dem Wort „Orange“ (Output) verknüpfen. Auf andere Sinneseindrücke
verallgemeinern kann ein solches KI-System jedoch nicht – was unser Gehirn
dagegen mühelos schafft.
Denn eine der wichtigsten Eigenschaften des menschlichen Gehirns
ist die Fähigkeit zur Abstraktion: So kann unser Wissen über eine Orange
aktiviert werden, wenn wir sie sehen, sie fühlen, schmecken oder riechen. Unser
semantisches Wissen über Orangen wird also im Gehirn abstrakt abgebildet oder
repräsentiert – unabhängig davon, wie wir Orangen über die Sinne wahrnehmen.
Diese Art der abstrakten Wissensrepräsentation könnte die KI vom
menschlichen Gehirn lernen. Allerdings ist das ‚Format‘, in dem unser
semantisches Wissen im menschlichen Gehirn gespeichert ist, noch nicht gut
verstanden. Hier wiederum kann die Hirnforschung von den mächtigen KI-Modellen
profitieren. Die von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderte
interdisziplinäre Forschungsgruppe ARENA (Abstrakte Repräsentationen in
neuronalen Architekturen) an der Goethe-Universität, dem Frankfurt Institute
for Advanced Studies (FIAS) und dem Max-Planck-Institut für Softwaresysteme in
Saarbrücken schlägt eine Brücke zwischen Informatik, Psychologie und
Neurowissenschaften, um diese Fragestellungen zu erforschen. Sie erhält in den
kommenden vier Jahren insgesamt rund 3,7 Millionen Euro.
Ein wichtiges Ziel der ARENA-Forschungsgruppe ist es zu
untersuchen, ob KI-Systeme, die mit Daten unterschiedlicher Formate – mit
Bildern, Sprache oder Videos, also mit multimodalen Daten –trainiert werden,
abstraktere oder zumindest dem menschlichen Gehirn ähnlichere Wissensformen
entwickeln. Bei diesen Arbeiten nimmt Prof. Gemma Roig, die in der
Forschungsgruppe als Brückenprofessorin zwischen Informatik und Psychologie
fungiert, eine tragende Rolle ein.
Umgekehrt interessiert die Psycholog:innen und
Neurowissenschaftler:innen, wie gut KI-Systeme die Arbeitsweise des Gehirns bei
der Verarbeitung abstrakter Bedeutungen erklären können. Dazu wollen sie
vergleichen, wie ein KI-System und das menschliche Gehirn arbeiten, wenn sie
dieselben Aufgaben lösen. Zur Beantwortung dieser Fragestellung werden
KI-Modelle als ein statistisches Werkzeug zur Analyse von Hirnaktivität
verwendet, die mit den Methoden der funktionellen Magnetresonanztomographie und
der Magnetenzephalographie am Brain Imaging Center der Goethe-Universität
während der Bearbeitung von Sprach- und Objekterkennungsaufgaben gemessen
werden. Die Forscher:innen erwarten, dass dabei auf dem höchsten
Abstraktionsgrad die gleichen Repräsentationen im Gehirn angesprochen werden.
Ein
Kernstück dieser Arbeit wird die Erhebung eines sehr großen Datensatzes an
Versuchspersonen sein, die in mehreren Untersuchungssitzungen eine ganze Reihe
von entsprechenden Aufgaben bearbeiten, während ihre Hirnaktivität gemessen
wird. „Der geplante Datensatz ist einzigartig und soll in der Zukunft auch im
Sinne des Open Science-Gedankens mit anderen Wissenschaftlerinnen und
Wissenschaftlern geteilt werden“, erläutert Prof. Christian Fiebach, der
Sprecher der ARENA-Forschungsgruppe.
Doch
zunächst dienen die erhobenen Daten den Modellierer:innen in der
ARENA-Forschungsgruppe dazu, zu erforschen, ob sie KI-Systeme nach dem
biologischen Vorbild des menschlichen Gehirns flexibler und effizienter machen
können. Hierzu werden auch Erkenntnisse aus der Entwicklungspsychologie einbezogen.
Umgekehrt möchten die Experimentator:innen von den Modellierer:innen neue
Analysetechniken lernen, um ihre Modelle des Gehirns zu präzisieren. Oder
anders gesagt: Wie lässt sich das neuronale Abbild der Orange im Gehirn besser
entschlüsseln, und wie kann diese Erkenntnis dazu beitragen, KI-Modellen in der
Zukunft ein menschenähnlicheres Wissen über die Orange zu vermitteln?
Weitere Informationen (nur in englischer Sprache)
Prof.
Dr. Gemma Roig (PhD)
Computer Science Department (FB12)
Telefon 069/798-28692
E-Mail roig@cs.uni-frankfurt.de
Homepage:
https://www.izn-frankfurt.de/mitglied/fiebach/
Redaktion: Dr. Markus Bernards, Referent für Wissenschaftskommunikation, Büro PR & Kommunikation, Telefon 069 798-12498, Fax 069 798-763-12531, bernards@em.uni-frankfurt.de
Forschungsservices an der Universitätsbibliothek Johann Christian Senckenberg werden ausgebaut.
FRANKFURT. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) fördert den
Fachinformationsdienst (FID) Jüdische Studien für weitere drei Jahre mit 1,6
Mio Euro und sichert damit den Ausbau einer zentralen fachlichen
Informationsinfrastruktur für Forschungen zu Judentum und Israel in Geschichte
und Gegenwart. Der FID Jüdische Studien wird seit 2016 an der
Universitätsbibliothek Johann Christian Senckenberg in Kooperation mit
Professor Dr. Kai Eckert, Hochschule der Medien Stuttgart, aufgebaut und stärkt
den Forschungsschwerpunkt Jüdische Studien an der Goethe-Universität Frankfurt
am Main.
Der FID Jüdische Studien richtet sich an Forschende der Judaistik, Jüdischen
Theologie, Jüdischen Studien und Israel, an Geistes- und
Sozialwissenschaftler*innen mit einschlägigem Forschungsinteresse, sowie
Vertreter*innen fachlich bedeutsamer Sammlungen in Museen, Archiven und
Bibliotheken. Er sichert die überregionale Bereitstellung aktueller
Fachliteratur und elektronischer Medien und baut hierbei auf der national und
international herausragenden Hebraica- und Judaica-Sammlung der
Universitätsbibliothek auf. Zu den einschlägigen Ressourcen gehört auch eine
der größeren Digitalen Sammlungen in den Jüdischen Studien, die zentrale Texte
und Quellen zur jüdischen Geschichte und Kultur der Forschung und der
interessierten Öffentlichkeit zugänglich macht.
Die FID Jüdische Studien bietet darüber hinaus fachlich
zugeschnittene Informations- und Serviceangebote und wird diese im Rahmen der
nun bewilligten dritten Förderphase in enger Abstimmung mit
Fachwissenschaftler*innen weiterentwickeln. Hierzu zählt der Ausbau des
FID-Portals – www.jewishstudies.de –
einschließlich des Fachkatalogs Jüdische Studien.
Ein Schwerpunkt des FID bildet die Aufbereitung und Kontextualisierung fachlich relevanter qualitativer Daten und damit verbunden die Bereitstellung von Datenservices für Forschung und Bibliotheken. Hierzu zählt im Besonderen das von Professor Eckert verantwortete Teilprojekt JudaicaLink, das fachlich relevante Datenbestände als Linked Open Data aufbereitet und über einen Wissensgraphen (Knowledge Graph) bereitstellt. JudaicaLink Labs entwickelt darüber hinaus automatisierte Verfahren zur Aufbereitung digitaler Datenbestände. In der dritten Förderphase werden diese forschungsnahe Dienstleistungen für die digitalen Jüdischen Studien weiterentwickelt. Zur Verbesserung der Auffindbarkeit hebräischer Werke in Bibliothekskatalogen hat der FID Jüdische Studien zudem ein Verfahren zur automatischen Anreicherung von transliterierten Titeldaten in Originalschrift entwickelt, für das in Kooperation mit anderen Fachinformationsdiensten ein Nachnutzungskonzept für weitere Sprachen erarbeitet wird.
Kontakt: Dr. Kerstin von der Krone, Fachinformationsdienst Jüdische Studien, Universitätsbibliothek J. C. Senckenberg, Bockenheimer Landstraße 134-138, 60325 Frankfurt am Main, Tel.: +49 (69) 798 39665, k.vonderkrone@ub.uni-frankfurt.de
Kontakt für Presseanfragen allgemein: Bernhard Wirth, Stabsabteilungen Öffentlichkeitsarbeit und Personalentwicklung, Tel. +49 (69) 798 39223; Mail: b.wirth@ub.uni-frankfurt.de
Redaktion: Dr. Dirk Frank,
Pressereferent / stv. Leiter, Büro für PR & Kommunikation,
Telefon 069 798–13753, frank@pvw.uni-frankfurt.de
Laborstudie: Schon 3 Monate nach zweiter Impfung oder Booster geringer Infektionsschutz – Antikörperpräparate teilweise wirkungslos. Ergebnisse geben jedoch keine Auskunft darüber, wie schwer Menschen erkranken
Die von etwa Dezember bis April dominanten Omikron-Varianten BA.1 und BA.2 des SARS-CoV-2-Virus können bereits nach drei Monaten den Schutz vor einer Infektion unterlaufen, den Impfungen oder überstandene Infektionen bieten. Dies zeigt eine Studie aus Frankfurt unter Federführung des Universitätsklinikum Frankfurt und der Goethe-Universität. Außerdem wirken laut Studie verschiedene pharmazeutische Antikörperpräparate (monoklonale Antikörper) höchst unterschiedlich auf die beiden Virusvarianten. Die Studienautor:innen betonen daher, wie wichtig die Abstimmung von Schutzmaßnahmen auf die genetischen Veränderungen des Virus sind.
FRANKFURT. Die Omikron-Variante des SARS-CoV-2-Virus wurde erstmals im November 2021 in Südafrika beschrieben. Die hohe Infektiosität des Virus und seine Fähigkeit, rasch weitere Varianten hervorzubringen, wurden auch in Deutschland sichtbar: Seit Januar 2022 herrschte hierzulande zunächst die Omikron-Variante BA.1 vor, zu der in den folgenden Monaten die Variante BA.2 hinzukam. Inzwischen ist das Virus weiter mutiert, und seit Juni haben die Varianten BA.4 und BA.5 ihre Vorgänger abgelöst.
Das Abwehrsystem des menschlichen Körpers stellt dies vor große Herausforderungen: Bei einer SARS-CoV-2-Infektion werden Antikörper gebildet, die an Oberflächenstrukturen des Virus binden und es auf diese Weise daran hindern, in menschliche Zellen einzudringen. Zentral ist hier das virale Spike-Protein. Genau dieses ist in den Omikron-Varianten an mehr als 50 Stellen gegenüber des ersten, in Wuhan identifizierten SARS-CoV-2-Virus verändert. Die Folge: Die nach einer Infektion oder einer Impfung gebildeten Antikörper erkennen die Varianten schlechter. Daher können sich Menschen trotz überstandener Infektion erneut mit einer neuen SARS-CoV-2-Variante anstecken, oder es kommt zu Impfdurchbrüchen. Wie gut die Immunitätsantwort auf eine Infektion ist, hängt allerdings nicht nur von den Antikörpern ab.
Frankfurter Forscher:innen um Dr. Marek Widera und Prof. Sandra Ciesek von Institut für Medizinische Virologie des Universitätsklinikum Frankfurt und der Goethe-Universität haben jetzt untersucht, wie lange die im Blut enthaltenen Antikörper nach einer Impfung oder überstandenen Erkrankung die Virusvarianten Omikron BA.1 und BA.2 noch neutralisieren konnten. Dazu sammelten sie Blutproben von zweifach und dreifach geimpften (geboosterten) Menschen, gaben den flüssigen Blutbestandteil (Blutserum), der Antikörper enthält, zusammen mit SARS-CoV-2-Viren auf kultivierte Zellen und beobachteten, wie viele der Zellen infiziert wurden. Außerdem bestimmten sie jeweils die Menge der Antikörper in den Proben, die das Spike-Protein erkannten.
Das Ergebnis: Ein halbes Jahr nach der zweiten Impfung hatten die getesteten Seren praktisch keine neutralisierende Wirkung mehr auf die Omikron-Varianten BA.1 und BA.2. Auch der Effekt der Booster-Impfung lies rasch nach: Zwar konnten die Seren kurz nach der Booster-Impfung noch sehr gut schützen, drei Monate später war die Schutzwirkung nur noch sehr schwach, sodass die Mehrheit der getesteten Seren nicht mehr in der Lage war, die beiden Virusvarianten zu neutralisieren. „Dies liegt daran, dass der Antikörpertiter im Serum – sozusagen die Menge der Antikörper – nach einer Impfung oder Infektion im Laufe der Zeit abnimmt“, erklärt Widera. „Weil die Antikörper neuere Virusvarianten deutlich schlechter erkennen, reicht ein niedrigerer Antikörperspiegel dann nicht mehr aus, um die Virusvarianten zu neutralisieren und eine Infektion der Zellen in Zellkultur zu verhindern. Die Daten aus dieser Studie lassen allerdings nur Rückschlusse auf die Ansteckungsgefahr zu und keine Aussage zum Schutz vor einem schweren Krankheitsverlauf.“ Denn ausschlaggebend für die Immunabwehr sei nicht nur der Antikörpertiter, sondern auch die zelluläre Immunantwort, die in dieser Studie jedoch nicht untersucht wurde.
Besonders problematisch seien die Ergebnisse für den Einsatz monoklonaler Antikörper, die zum Beispiel Patienten mit geschwächtem Immunsystem vorbeugend verabreicht werden, sagt Prof. Sandra Ciesek. Ciesek ist Direktorin des Instituts für Medizinische Virologie des Universitätsklinikums Frankfurt und Letztautorin der Studie. Sie erklärt: „Wir haben beispielhaft drei solcher monoklonalen Antikörper im Labor untersucht und gesehen, dass sie ihre Wirksamkeit sehr stark von der Virusvariante abhängt. Damit wir vulnerable Patientinnen und Patienten mit solchen Präparaten schützen können, ist es daher dringend erforderlich auch am Patienten zu testen, inwieweit solche Antikörper aktuell verbreitete Virusvarianten neutralisieren können.“ In Deutschland seien zwar die in der Studie untersuchten Virusvarianten BA.1 und BA.2 mittlerweile nicht mehr dominant verbreitet, so die Virologin. „Unsere Studie zeigt jedoch, dass wir nicht darin nachlassen dürfen, unsere Schutzmaßnahmen an die genetischen Veränderungen des SARS-CoV-2-Virus anzupassen, derzeit also an die Omikron-Varianten BA.4 und BA.5.“
Publikation: Alexander Wilhelm, Marek Widera, Katharina Grikscheit, Tuna Toptan, Barbara Schenk, Christiane Pallas, Melinda Metzler, Niko Kohmer, Sebastian Hoehl, Rolf Marschalek, Eva Herrmann, Fabian A. Helfritz, Timo Wolf, Udo Goetsch, Sandra Ciesek: Limited Neutralisation of the SARS-CoV-2 Omicron Subvariants BA.1 and BA.2 by Convalescent and Vaccine Serum and monoclonal antibodies. eBioMedicine (2022) https://doi.org/10.1016/j.ebiom.2022.104158
Weitere Informationen
Prof. Dr. Sandra Ciesek
Dr. rer. nat. Marek Widera
Institut für Medizinische Virologie
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Tel. +49 (0)69 6301 – 86442
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Seit 2013 besteht das Goethe-Schülerlabor Physik am Institut für Didaktik der Physik – jährlich bis zu 2600 Schülerinnen und Schüler
Nach einer durch die Pandemie bedingten Pause konnten 2022 erstmals wieder viele Schülerinnen und Schüler aus dem Großraum Frankfurt im Goethe-Schülerlabor Physik begrüßt werden, darunter der 10.000sten Schüler seit dem Start des Schülerlabors 2013: Fynn Wiesner von der Georg-Büchner-Schule in Rodgau. Fynn Wiesner erhielt vom Begründer des Goethe-Schülerlabor Physik, dem Physikdidaktiker Prof. Thomas Wilhelm, eine Ehrenurkunde und als Geschenk einen Bausatz für einen Elektromotor. Finanziert wird das Schülerlabor Physik durch die Stiftung Giersch.
FRANKFURT/RODGAU. Es geht um Spiegel, Magnetismus, Kriminalistik oder Elektromobilität: Ein breites Themenspektrum erwartet die Schülerinnen und Schüler im Goethe-Schülerlabor Physik. Von Angeboten für Grundschulen bis zur gymnasialen Oberstufe reicht die Themenvielfalt, die Schulen im Rhein-Main-Gebiet bei einem Besuch der Goethe-Universität buchen können. Ein Bezug zum Alltag ist dabei wichtig, weiß der Physikdidaktiker Prof. Thomas Wilhelm, der das Schülerlabor 2013 begründete und seither leitet: „Der Praxisbezug hilft sehr dabei, eventuelle Hemmungen gegenüber dem Fach zu überwinden“, betont Wilhelm, der vor seiner Zeit an der Universität Physiklehrer an einer Schule in der Nähe von Würzburg war.
Das Physik-Schülerlabor steht nicht nur Schülerinnen und Schülern offen, sondern ist auch Teil des Lehrangebots für Studierende des Lehramts Physik. Seit 2018 hat die Stiftung Giersch die Finanzierung übernommen.
Neben diesem Goethe-Schülerlabor Physik gibt es an der Goethe-Universität für das Fach Physik noch das Schülerlabor „Radioaktivität und Strahlung“ für die Jahrgangsstufen 9 und 10 sowie für die gymnasiale Oberstufe, in dem unter anderem Nachweistechniken der modernen Teilchenphysik erlernt werden können. Dieses Schülerlabor wird ebenfalls von der Stiftung Giersch sowie vom Hessischen Kultusministerium gefördert. Darüber hinaus veranstaltet die Goethe-Universität zu zahlreichen weiteren Themen naturwissenschaftliche Schülerlabore, unter anderem zu Chemie, Künstlicher Intelligenz, Mathematik, Biologie und Geologie.
Nicht nur Schülerinnen, Schüler und Studierende lernen in den Schülerlaboren. Thomas Wilhelm: „Natürlich lernen auch wir Didaktiker eine Menge, mein wissenschaftlicher Mitarbeiter Jannis Weber hat gerade seine Doktorarbeit im Kontext des Schülerlabors abgeschlossen. Wir entwickeln unsere Lehrkonzepte ständig weiter und können direkt feststellen, auf welche Weise wir die Themen unseren Zielgruppen gut vermitteln können.“ Das gelte natürlich nicht nur für das Goethe-Schülerlabor Physik, sondern auch für den Physikunterricht an Schulen, zu dem Thomas Wilhelm forscht.
Internet:
Das Goethe-Schülerlabor Physik:
Angebote der Goethe-Universität für Schülerinnen und Schüler im Bereich Naturwissenschaften
Hintergrundinformation:
Wissenschaftspreis für Physikdidaktiker Thomas Wilhelm
Bilder zum Download: https://www.uni-frankfurt.de/122352667
Bildtext:
(1) Fynn Wieser aus Rodgau war der 10.000ste Schüler im Goethe-Schülerlabor Physik. Foto: privat
(2) Prof. Dr. Thomas Wilhelm, Goethe-Universität. Foto: Jürgen Lecher für Goethe-Universität
Weitere Informationen
Prof. Dr. Thomas Wilhelm
Institut für Didaktik der Physik
Goethe-Universität Frankfurt
Tel.: 069 798-47845
T
el. Sekretariat: 069 798-46451
wilhelm@physik.uni-frankfurt.de
Homepages: www.thomas-wilhelm.net , www.physikdidaktik.uni-frankfurt.de
Redaktion: Dr. Markus Bernards, Referent für
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Forscher der Goethe-Universität klären zusammen mit Teams der Universitäten Marburg und Basel die atomare Struktur eines wasserstoff- und kohlendioxidspeichernden Bakterienproteins auf
Mikrobiologen der Goethe-Universität haben zusammen mit Forschern aus Marburg und Basel die Struktur eines Enzyms aufgeklärt, das aus molekularem Wasserstoff (H2) und Kohlendioxid (CO2) Ameisensäure bildet. Das Enzym des Bakteriums Thermoanaerobacter kivui war vor einigen Jahren von Mikrobiologen der Goethe-Universität entdeckt worden. Kürzlich hatten die Wissenschaftler sein Potenzial zur Herstellung eines flüssigen Wasserstoffspeichers vorgestellt. Die jetzt erstmals atomgenau beschriebene fadenförmige Struktur des Enzyms wirkt wie ein Nanodraht und ist offenbar für die extrem effiziente Umwandlung der beiden Gase verantwortlich (Nature, DOI 10.1038/s41586-022-04971-z).
FRANKFURT/MARBURG/BASEL. 2013 entdeckten Mikrobiologen um Prof. Volker Müller von der Goethe-Universität ein außergewöhnliches Enzym in einem wärmeliebenden (thermophilen) Bakterium: die wasserstoffabhängige CO2-Reduktase HDCR. Sie stellt aus gasförmigem Wasserstoff (H2) und Kohlendioxid (CO2) Ameisensäure (Formiat) her, wobei der Wasserstoff Elektronen an das Kohlendioxid überträgt. Damit ist die HDCR das erste bekannte Enzym, das direkt Wasserstoff nutzen kann. Alle bis dahin bekannten Enzyme, die Ameisensäure produzieren, nutzen dagegen einen Umweg: Sie erhalten die Elektronen von löslichen zellulären Elektronenüberträgern, die die Elektronen ihrerseits mit Hilfe weiterer Enzyme vom Wasserstoff empfangen.
Das Bakterium Thermoanaerobacter kivui lebt fern vom Sauerstoff zum Beispiel in der Tiefsee und nutzt CO2 und Wasserstoff zur Energiegewinnung. Die HDCR von Thermoanaerobacter kivui besteht aus 4 Protein-Modulen, einem wasserstoffspaltenden und einem ameisensäurebildenden Modul und zwei kleinen Eisen-Schwefel-haltigen Modulen. „Schon nach der Entdeckung war uns klar, dass es die beiden kleinen Untereinheiten sein müssen, die Elektronen vom einen zum anderen Modul leiten“, sagt Müller. 2016 beobachteten die Forscher, dass das Enzym lange Fäden (Filamente) bildet. Müller: „Wie wichtig diese Struktur war, konnten wir daran erkennen, dass die Fadenbildung die Enzymaktivität stark stimuliert.“
Jetzt haben die Forscher der Goethe-Universität zusammen mit der Gruppe von Dr. Jan Schuller, Philipps-Universität Marburg und LOEWE Zentrum für Synthetische Mikrobiologie, eine molekulare Nahaufnahme des Enzyms gemacht. Durch kryo-elektronenmikroskopische Analysen gelang Schullers Gruppe die Bestimmung der HDCR-Raumstruktur in atomgenauer Auflösung. Damit wurden die Details der langen Filamente sichtbar, die das Enzym unter den experimentellen Bedingungen im Labor (in vitro) bildet: Das Rückgrat der Filamente besteht aus den beiden kleinen Untereinheiten der HDCR, die so zu einer Art Nanodraht mit Tausenden von elektronen-leitenden Eisenatomen zusammengelagert sind. „Dies ist der bisher einzige enzymatisch dekorierte Nanodraht. Auf diesem Draht sitzen das Hydrogenase-Modul und das Formiat-Dehydrogenasemodul wie Pilzköpfe auf einer Leitung“, erklärt Schuller.
Helge Dietrich, Doktorand an der Goethe-Universität in der Gruppe von Volker Müller, testete eine genetische Modifikation der kleinen Module, die die Bildung der HDCR-Fäden verhinderte. Das Ergebnis: Die einzelnen Bausteine oder Monomere waren weit weniger aktiv als das Filament.
Auch in Bakterienzellen lagern sich Enzym-Monomere zu Fadenstrukturen zusammen. Diese Erkenntnis steuerten der Baseler Zellstrukturbiologe Prof. Ben Engel und sein Team durch kryo-elektronentomografische Untersuchungen bei. Mithilfe dieser Spitzentechnologie gelang den Forschern eine besondere Entdeckung: „Hunderte dieser Filamente sind umeinandergewunden und bilden übergeordnete ringförmige Strukturen“, erklärt Engel. Die Bündel sind offensichtlich in der inneren Membran der Bakterienzelle verankert und durchspannen fast die gesamte Breite der Zelle. Dr. Ricardo Righetto, Wissenschaftler in Ben Engels Team, analysierte, wie diese Strukturen aus HDCR-Filamenten in Bakterien aussehen: „Mithilfe der Kryo-Elektronentomografie konnten wir mit hoher Auflösung direkt in die Zellen hineinsehen. Wir waren überrascht, dass wir nicht nur die Bildung HDCR-Filamente bestätigen konnten, sondern auch, dass sie große Bündel bilden, die in der Membran verankert sind.“
Mit der Struktur wird deutlich, woran es liegt, dass HDCR um Größenordnungen effizienter als alle chemischen Katalysatoren und deutlich besser als alle bekannten Enzyme Ameisensäure als „flüssigen Wasserstoffspeicher“ aus Wasserstoff und CO2 herstellen kann (vgl. Hintergrundinformation). Volker Müller: „Die Wasserstoffkonzentrationen im Ökosystem dieser Bakterien sind gering, und darüber hinaus können die CO2- und H2 -Konzentrationen wechseln. Die Bildung und darüber hinaus die Bündelung der Filamente schaffen nicht nur eine deutliche Erhöhung der Konzentration dieser Enzyme in der Zelle. Die Tausenden von elektronen-leitenden Eisenatomen in diesem ‚Nanodraht' können auch die Elektronen aus der Wasserstoffoxidation zwischenspeichern, wenn gerade mal eine Wasserstoffblase an den Bakterien vorbeizieht.“
Durch die atomare Auflösung der Struktur sind die Rätsel der HDCR noch nicht alle gelöst, ist das Team überzeugt. Jan Schuller meint: „Wir wissen noch nicht, wie der Draht die Elektronen speichert, warum die enzymatische Aktivität durch die Filamentbildung so stark stimuliert wird und wie die Bündel in der Membran verankert sind. An diesen Forschungsfragen arbeiten wir.“ Doch die Zukunft der HDCR könnte sehr spannend werden, glaubt Volker Müller: „Vielleicht können wir einmal synthetische Nanodrähte herstellen, mit denen wir CO2 aus der Atmosphäre einfangen können. Auch die biologische Wasserstoffspeicherung ist jetzt einen Schritt näher gerückt.“
Hintergrund: Forscher der Goethe-Universität entwickeln neue Biobatterie zur Speicherung von Wasserstoff (23. Mai 2022) https://tinygu.de/BakterienBatterie
Publikation: Helge M. Dietrich, Ricardo D. Righetto, Anuj Kumar, Wojciech Wietrzynski, Raphael Trischler, Sandra K. Schuller, Jonathan Wagner, Fabian M. Schwarz, Benjamin D. Engel, Volker Müller & Jan M. Schuller. Membrane-anchored HDCR nanowires drive hydrogen-powered CO2 fixation. Nature (2022) https://www.nature.com/articles/s41586-022-04971-z
Bilder zum Download: https://www.uni-frankfurt.de/122162542
Bildtext: Wie ein Zopf umeinander gewunden sind die Filamente des bakteriellen Enzyms HDCR, das aus gasförmigem H2 und CO2 Ameisensäure herstellt. Bild: Verena Resch -- https://luminous-lab.com/
Weitere Informationen
Prof. Dr. Volker Müller
Abteilung Molekulare Mikrobiologie & Bioenergetik
Institut für Molekulare Biowissenschaften
Goethe-Universität Frankfurt
Tel.: +49 (0)69 798-29507
vmueller@bio.uni-frankfurt.de
Dr. Jan Michael Schuller
KryoEM von Molekularen Maschinen
SYNMIRKO Research Center
Philipps-Universität Marburg
Tel.: +49-6421 28 22584
jan.schuller@synmikro.uni-marburg.de
Prof. Dr. Ben Engel
Biozentrum
Universität Basel
Tel.: +41 61 207 65 55
ben.engel@unibas.ch
Redaktion: Dr. Markus Bernards, Referent für
Wissenschaftskommunikation, Büro PR & Kommunikation, Telefon 069 798-12498, Fax
069 798-763-12531, bernards@em.uni-frankfurt.de
Noch freie Plätze für Veranstaltung, die am 16./17. September 2022 erstmals an der Goethe-Universität stattfindet.
FRANKFURT. Der Fitnesswissenschaftskongress ist erstmals zu Gast an der Goethe-Universität. Ziel ist es, Wissenschaftler*innen aus den unterschiedlichen Fachbereichen zusammenzubringen und unter der Überschrift „Fitnesswissenschaft“ an einen Tisch zu holen. Interessierte haben noch die Möglichkeit, sich unter www.fitnesswissenschaftskongress.de ein Ticket für die Veranstaltung zu sichern, die am 16. und 17. September in Frankfurt stattfindet.
Die Kongresspräsidenten Prof. Dr. Dr. Michael Behringer von der
Goethe-Universität in Frankfurt und Prof. Dr. Stephan Geisler von der IST-Hochschule
in Düsseldorf versprechen sich dadurch, dass sich Referent*innen und
Besucher*innen weiterbilden und das Wissen aus dem Kongress raus in die
Fitnessstudios tragen. Die Wissenschaftler und motivierten Nachwuchsforscher
referieren zu den acht Themenschwerpunkten Krafttraining, Ausdauertraining,
Muskelphysiologie, Gesundheitssport, Regenerationsmanagement, Ernährung,
Athletiktraining und Sportmedizin.
Neben zahlreichen prominenten Speakern aus Deutschland und der
Schweiz, sind auch in diesem Jahr wieder ausgewiesene Experten aus Nordamerika
mit dabei. Darunter der weltbekannte Hypertrophie-Forscher Brad Schoenfeld von
der City University of New York City, Prof. Stuart Phillips von der McMaster
University im kanadischen Hamilton sowie Keith Baar von der University of
California. Angesprochen sind alle, die sich wissenschaftlich mit Fitness
auseinandersetzen oder das in Zukunft machen möchten – also
Sportwissenschaftler*innen, Physiotherapeut*innen, Fachleute aus der Fitness-
und Gesundheitsbranche sowie Interessierte aus dem universitären und dem
Bildungsumfeld.
Kontakt: Prof. Dr. Dr.
Michael Behringer, Leiter Sportmedizin und Leistungsphysiologie,
Goethe-Universität Frankfurt. Tel. (069) 798-24505; behringer@sport.uni-frankfurt.de
Redaktion: Dr. Dirk Frank, Pressereferent / stv. Leiter, Büro für PR &
Kommunikation, Telefon 069
798–13753, frank@pvw.uni-frankfurt.de