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Feb 3 2020
14:09

Interview mit Prof. Ferdinand Gerlach, Allgemeinmediziner an der Goethe-Universität und Stellvertretender Vorsitzender der Wissenschaftlichen Kommission für ein modernes Vergütungssystem

„An unserem Bericht wird man nicht vorbeikommen“

FRANKFURT. Nach anderthalb Jahren Arbeit hat die „Wissenschaftliche Kommission für ein modernes Vergütungssystem (KOMV)“, kurz „Honorarkommission“, diese Woche ihren Ergebnisbericht an Bundesgesundheitsminister Jens Spahn übergeben. Ein wichtiger Meilenstein bei der Reform des Gesundheitswesens: Das geht aus dem Interview mit Prof. Ferdinand Gerlach hervor, dem Stellvertretenden Vorsitzenden der Kommission, das Sie in Goethe-Uni online lesen können.

Das Nebeneinander von privat und gesetzlich Versicherten und die unterschiedlichen Abrechnungsmodalitäten führen immer wieder zum Vorwurf der „Zweiklassenmedizin“. Was viele nicht wissen: Im stationären Bereich sind die Honorarsätze längst angeglichen. Um jedoch auch für die ambulante Versorgung Möglichkeiten für eine gemeinsame Gebührenordnung auszuloten, hat die Bundesregierung eine Kommission aus 13 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern beauftragt, die Situation zu analysieren. Prof. Ferdinand Gerlach, Allgemeinmediziner an der Goethe-Universität und Vorsitzender der so genannten „Gesundheitsweisen“, hatte den stellvertretenden Vorsitz inne, ein weiteres Kommissionsmitglied aus der Goethe-Universität war die Juristin Prof. Astrid Wallrabenstein.

In ihrem Bericht schlägt die Kommission eine „partielle Harmonisierung“ der ambulanten ärztlichen Vergütungssystematiken in der vertragsärztlichen Versorgung für GKV-Versicherte (EBM) und der privatärztlichen Versorgung (GOÄ) vor. Eine Schwierigkeit dabei: „Wenn man beide Systeme zusammenführen würde, müsste man sich bei der Festlegung der Sätze irgendwo (etwa in der Mitte) einigen, also zum Beispiel die Preise für die PKV-Patienten absenken und für die GKV-Patienten anheben“, erklärt Prof. Gerlach im Interview. Da man den Ärzten aber de facto nichts wegnehmen wolle, stelle sich die Frage: Wer bezahlt den Ausgleich? Die GKV-Versicherten oder der Steuerzahler? „Jede realistische Reform würde also die gesetzlich Krankenversicherten belasten und die private Krankenversicherung entlasten. Das machen sich viele nicht klar“, so der Allgemeinmediziner.

Die Honorarkommission hat auch untersucht, wie das bisherige Vergütungssystem die Versorgungsqualität beeinflusst. Laut Gerlach gelten für Kassenärzte zum Teil strengere Anforderungen, deshalb müsse künftig „im privatärztlichen Bereich mehr Wert auf die Qualitätssicherung“ gelegt werden. Weitere Einzelvorschläge zielten darauf ab, dass „die Koordination der Versorgung besser honoriert wird, dass Teamleistungen unterstützt werden, dass Anreize für die Versorgung im ländlichen Raum und in unterprivilegierten Stadtvierteln geschaffen werden und dass qualitätsorientierte Vergütungsanteile eingeführt werden.“

Das derzeit geltende System, so Gerlach, beinhalte auch Fehlanreize: Es führe zum Beispiel dazu, dass Patienten und Ärzte sich in Deutschland weit häufiger sähen als in anderen Ländern. Die Kommission empfehle hier einen Mix aus Pauschal- und Einzelvergütungen. Gerlach betont, der Bericht sei von allen 13 Kommissionsmitgliedern einstimmig angenommen worden, gibt sich optimistisch: „An unserem Bericht wird man nicht vorbeikommen.“

Das vollständige Interview lesen Sie hier.

Ein Bild von Prof. Gerlach finden Sie unter: http://www.uni-frankfurt.de/85355440

Bildtext: Ferdinand Gerlach, Professor für Allgemeinmedizin an der Goethe-Universität. (Foto: Stiftung Gesundheitswissen) 

Informationen: Prof. Dr. Ferdinand Gerlach, Institut für Allgemeinmedizin, Telefon 069 6301-5687, E-Mail gerlach@allgemeinmedizin.uni-frankfurt.de