Studie der Goethe-Universität zu Folgen von Arbeitslosigkeit in mehr als 30 Ländern / Forschung Frankfurt: Markus Gangl zur Coronakrise
Menschen, die durch die Finanzkrise 2008/09 arbeitslos wurden, hatten danach mit einer Vielzahl von Schwierigkeiten zu kämpfen. In einer langjährigen internationalen Studie hat das Team um den Soziologen Prof. Markus Gangl an der Goethe-Universität die gesellschaftlichen Folgen der Krise und das politische Krisenmanagement untersucht. In der neuen Ausgabe des Wissenschaftsmagazins „Forschung Frankfurt“ stellt Gangl einige Ergebnisse vor – und zieht Schlüsse für die Folgen der Corona-Pandemie.
FRANKFURT. Armutsrisiko,
Arbeitslosigkeit, Bildungsmangel, Scheidungsrisiken, Vertrauensrisiken:
Ökonomische Schocks haben beträchtliche Folgen für die Gesellschaft. Wie gehen
politische Systeme damit um? Und vor allem: Welche Maßnahmen stellen sich als
erfolgreich heraus?
In einem vom European Research Council (ERC) finanzierten
Forschungsprojekt hat das Team von Markus Gangl, Soziologieprofessor an der
Goethe-Universität, in mehr als 30 Ländern gesellschaftliche Folgen der
Finanzkrise von 2008/09 untersucht und festgestellt: Sie reichen von erhöhtem
Armutsrisiko und schlechteren beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten über
Trennungsrisiken, durchkreuzte Familienplanungen und geringere Bildungschancen
der nächsten Generation bis hin zum Vertrauensverlust der Menschen in
demokratische Prozesse.
Ein
Ergebnis der Studie: Je besser ausgebaut die sozialen Sicherungssysteme, desto
geringer ist das Risiko, durch die Arbeitslosigkeit Armut zu erleiden. Länder
mit langen Phasen sozialstaatlich engagierter Politik konnten die Folgen der
Finanzkrise am besten abfedern; weniger geschützt war die Bevölkerung in den
wirtschaftsliberalen angelsächsisch geprägten, aber auch den
südeuropäischen Gesellschaften. In Südeuropa hatte die Finanzkrise zu einer
jahrelangen Arbeitsmarktkrise geführt.
In
der Corona-Pandemie ist der wirtschaftliche Einbruch mindestens doppelt so
schwer ausgefallen wie nach der Finanzkrise von 2008/2009. Dennoch ist es
bislang vielen Ländern gelungen, den Arbeitsmarkt davon weitgehend zu
entkoppeln. „Der schmerzhafte Lernprozess aus der Finanzkrise hat wohl dazu
geführt, dass sich die europäischen Länder in der Pandemie zu einem deutlich
entschlosseneren wirtschaftspolitischen Handeln entschieden haben als noch vor
zehn Jahren. Und vor allem auch: dass sie gemeinsam in eine substanzielle
europäische Sozialpolitik eingestiegen sind“, erklärt Markus Gangl.
Einen
neuralgischen Punkt in der Bewältigung der Pandemie sieht Gangl – auch im
Vergleich mit seiner Studie – in der Situation der jungen Generation. Haben
doch seine eigenen wie bereits frühere Studien ergeben, dass wirtschaftliche
Krisen bei jungen Menschen zu einer „Reduktion des subjektiv empfundenen
Möglichkeitsraums“ führen. „Es wird vielleicht die wichtigste
gesellschaftspolitische Herausforderung sein“, so Gangl, „die
Lebensperspektiven junger Menschen in den Blick zu
nehmen und zu stärken.“
Einen Überblick über die Studienergebnisse vermittelt Gangls
Beitrag „Aus Krisen lernen“ in der neuen Ausgabe des Wissenschaftsmagazins Forschung
Frankfurt der Goethe-Universität; die Ergebnisse im Einzelnen wurden in
begutachteten internationalen Fachzeitschriften, unter anderem in American
Sociological Review, der weltweit führenden Zeitschrift der Disziplin,
veröffentlicht.
Die aktuelle Ausgabe von „Forschung Frankfurt“ (1/2021)
kann von Journalisten kostenlos bestellt werden bei: ott@pvw.uni-frankfurt.de.
Alle Beiträge sind online verfügbar unter: www.forschung-frankfurt.de
Wissenschaftliche Publikationen
Giustozzi,
Carlotta, und Markus Gangl: Unemployment and political trust
across 24 Western democracies: Evidence on
a welfare state paradox, Acta
Sociologica, 2021, https://doi.org/10.1177/00016993211008501
Goñalons-Pons, Pilar, und Markus Gangl.
2021. Marriage and masculinity:
Male‐breadwinner
culture, unemployment, and separation risk in 29 countries.
American Sociological Review 86 (3):
465-502.
https://doi.org/10.1177/00031224211012442
Goñalons-Pons, Pilar, und Markus Gangl:
Regulated earnings security: The
relationship between employment protection
and unemployment scarring
during the Great Recession, Socio-Economic
Review, 2021,
https://doi.org/10.1093/ser/mwaa049
Lindemann, Kristina, und Markus Gangl:
Parental unemployment and the
transition into tertiary education: Can
institutions moderate the
adverse effects?, Social Forces, 2020, Bd.
99, S. 616-647,
https://doi.org/10.1093/sf/soz155
Lindemann, Kristina, und Markus Gangl: The
intergenerational effects of
unemployment: How parental unemployment
affects educational transitions
in Germany, Research in Social
Stratification and Mobility, 2019, Bd.
62,
Art. 100410, https://doi.org/10.1016/j.rssm.2019.100410
Lindemann, Kristina, und Markus Gangl:
Parental unemployment and the
transition to vocational training in
Germany: interaction of household
and regional sources of disadvantage,
European Sociological Review,
2019, Bd. 35, S. 684-700, https://doi.org/10.1093/esr/jcz027
Weitere Informationen
Prof.
Dr. Markus Gangl
Institut für Soziologie
Goethe-Universität
mgangl@soz.uni-frankfurt.de
www.corrode-project.org