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Forschung

Mai 3 2012
12:31

Philosoph der Goethe-Universität diskutiert zentrale Thesen seines neuen Buches in der aktuellen Ausgabe von „Forschung Frankfurt“

Axel Honneth über „Das Recht der Freiheit“

FRANKFURT. „Ich kriege jetzt im Augenblick, was einem ja selten direkt nach der Veröffentlichung eines Buches passiert, ziemlich hautnah die Reaktionen mit – das große Interesse, aber auch die Einwände, die Vorwürfe, die Kritik“, sagt Axel Honneth, Philosophie-Professor an der Goethe-Universität, zu der überaus breiten Resonanz auf seine große Monografie „Das Recht der Freiheit“ in einem Interview in der aktuellen Ausgabe des Wissenschaftsmagazins „Forschung Frankfurt“ (FF 1/2012). Von einem „Ereignis in der Theoriegeschichte der Bundesrepublik“ ist in den Rezensionen die Rede und von einer „eindrucksvoll dichten Rekonstruktion der gesamten Sozialgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts“. Doch neben dieser überwiegend positiven Kritik gibt es auch skeptische Stimmen. „Im Spiegel dieser Einwände – manchmal, wie ich finde, auch Missverständnisse – bin ich von dem Wunsch getrieben, es noch einmal klarer zu sagen“, so Honneth in dem Interview mit dem Titel „’Hört mal zu, so ist’s gemeint’“. In dem Gespräch über Hauptthesen des Buches geht es auch darum, möglichen Missverständnissen auf die Spur zu kommen.

Auch mehr als ein halbes Jahr nach Erscheinen des Buches ist Axel Honneth, Direktor des Frankfurter Instituts für Sozialforschung und Gründungsmitglied des Exzellenzclusters „Die Herausbildung normativer Ordnungen“, ein vielgefragter Mann. In den zahlreichen Diskussionen und Vorträgen steht vor allem auch „Das Recht der Freiheit“ im Mittelunkt. An dem in „Forschung Frankfurt“ veröffentlichten Gespräch, das im Forschungskolleg Humanwissenschaften der Goethe-Universität in Bad Homburg stattfand, nahm auch der dänische Philosophieprofessor Morten Raffnsøe-Møller teil. Er war für einige Monate Fellow am Forschungskolleg. Raffnsøe-Møller, der an der Universität Aarhus Sozialphilosophie und politische Philosophie lehrt, hat sich in vielen Studien mit Honneth und vor allem seiner weltweit rezipierten Theorie der Anerkennung beschäftigt. „Und ich würde sagen, dass ‚Das Recht der Freiheit’ in gewisser Hinsicht eine Konklusion, ein Zusammendenken verschiedener Ansätze ist, die er seit dem ‚Kampf um Anerkennung’ verfolgt hat. Schon in diesem Zusammenhang wird das aktuelle Buch – und auch zu Recht – ein großes internationales Echo haben.“

Für Raffnsøe-Møller ist das Buch „gegen den Mainstream der politischen Philosophie geschrieben“ und könne „insofern der Debatte über soziale und gesellschaftliche Gerechtigkeit viele Impulse geben und auch zu einer Erweiterung dieser Diskussion beitragen“. Honneth sieht in der politischen Theorie der Gegenwart, so ein Zitat aus dem Buch, eine „Abkoppelung von der Gesellschaftsanalyse und damit die Fixierung auf rein normative Prinzipien“. Er selbst bevorzuge, so Honneth in dem Interview, die Methode des „Schürfens“ in der gesellschaftlichen Praxis. In seinem Buch gehe er mittels einer „normativen Rekonstruktion“ der Frage nach, „wo wir es immanent, also innerhalb der Gesellschaft, schon mit Hinweisen auf das zu tun haben, was soziale Gerechtigkeit ausmacht“.

In seiner Studie analysiert Honneth die „Wege und Irrwege der modernen, westlichen Gesellschaften“ (Raffnsøe-Møller) in den drei gesellschaftlichen Sphären demokratische Willensbildung, marktwirtschaftliches Handeln und persönliche Beziehungen. Besonders Honneths Sicht auf die moderne Familie stieß auf Kritik. In dem „Forschung Frankfurt“-Interview bekräftigt er seine These, dass steigende Scheidungszahlen auch ein Hinweis darauf sein könnten, dass die normativen Ansprüche an das, was Ehe und Familie ausmachen solle, gewachsen seien. „Während man früher in jedes mickrige Verhältnis und in jede miese Ehe eingewilligt hat und sie nicht mehr hat verlassen wollen oder können, ist man heute durchaus fähig zu sagen: Nein, das war eine Fehlentscheidung.“ Und was die immens wichtige Frage nach dem Wohl von Scheidungskindern anbelange, „hänge enorm viel“ davon ab, ob die Eltern weiterhin zum Wohl der Kinder kooperierten.

Den aktuellen Zustand des marktwirtschaftlichen Handelns beurteilt Honneth vorwiegend negativ. „Nur wäre es die falsche Konsequenz zu sagen, wir nehmen das als ein immer gleiches System wahr, auf das wir gar keinen Einfluss haben, und denken nur noch an die großen revolutionären Veränderungen von außen. Das scheint mir im Augenblick weder realisierbar noch besonders hilfreich und in irgendeiner Weise politisch sinnvoll.“ Die Sphäre der demokratischen Willensbildung leide, was Europa angehe, auch daran, dass es noch keine postnationale demokratische Öffentlichkeit gebe. „Es müsste zum Beispiel so etwas existieren wie eine die nationalstaatliche Öffentlichkeit übergreifende qualitative Presse, die Diskussionen zwischen den verschiedenen Diskursgemeinschaften in Gang setzen könnte.“

Bei aller Skepsis bleibt Honneth verhalten optimistisch. Könnte ein demokratisches Europa trotz der aktuellen Defizite gelingen? „Wir haben eine gemeinsame Geschichte, gemeinsame Erinnerungen an normative Rückschritte und moralische Verbesserungen, an Niederlagen und Siege im Kampf um die Verwirklichung der uns gemeinsamen Freiheitsversprechen. Insofern sind die Chancen da.“

Informationen: Prof. Axel Honneth, Institut für Philosophie, Campus Westend, Tel.: (069) 798-32734, Honneth@em.uni-frankfurt.de, www.philosophie.uni-frankfurt.de/lehrende_index/Homepage_Honneth/index.html

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