Spieltheoretische Studie des theoretischen Physikers Prof. Claudius Gros
Der unkontrollierte Wettbewerb um frei zugängliche Ressourcen wie Fischbestände oder Wasser kann nicht nur für die Ressourcen fatale Folgen haben. Auch die Investoren werden in solch einem Wettbewerb letztlich an ihr Existenzminimum getrieben. Dies hat Prof. Claudius, theoretischer Physiker an der Goethe-Universität, jetzt in einer spieltheoretischen Studie gezeigt.
FRANKFURT. Der
Zustand von frei zugängliche Ressourcen wie Fischbestände, Wasser oder Luft
kann sich bei unkontrollierter Nutzung dramatisch verschlechtern. In den
Volkswirtschaften spricht man von der „Tragedy of the Commons“ („Tragödie der
Allmende“). Für ihre Studien zu diesem Thema hat Elinor Ostrom 2009 als erste
Frau den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften erhalten. Ostroms Fragestellung,
wie man die „Tragödie“ verhindern kann, ist heute gleichermaßen aktuell wie vor
20 Jahren.
Die Spieltheorie beschäftigt sich mit Situationen, in denen eine
Anzahl von Akteuren miteinander konkurrieren. Der einzelne Teilnehmer versucht
dabei, den eigenen Gewinn zu maximieren. Man spricht von einem
„Nash-Gleichgewicht“, wenn es für keinen der Akteure eine Möglichkeit gibt, den
Gewinn weiter zu steigern. Die „Tragedy of the Commons“ ist ein typisches
spieltheoretisches Szenario. In diesem Fall konkurrieren die Akteure nicht
direkt, sondern indirekt: Wenn sich jemand ein Stück vom einem gemeinsamen
Kuchen abscheidet, dann ist danach für andere weniger da.
In einer Studie hat Prof. Claudius Gros vom Institut für
Theoretische Physik der Goethe-Universität Frankfurt nun das Nash-Gleichgewicht
für die „Tragedy of the Commons“ untersucht und dabei ein unerwartetes Ergebnis
gefunden: Wenn ein gemeinsames Gut unter N Interessenten mehr oder weniger
gleichmäßig aufgeteilt wird, dann erhält jeder einen Anteil von der
Größenordnung 1/N. Davon sind allerdings noch die jeweiligen Investitionskosten
abzuziehen. Gros' Berechnungen zeigen nun, dass die Akteure im Gleichgewicht
ihre Investitionen so weit erhöhen, bis die Investitionskosten nahezu den Wert
der Ressourcen erreichen, die sich der einzelne Investor sichern kann.
Mathematisch konnte der theoretische Physiker zeigen, dass der endgültige
Gewinn des einzelnen Investors wie 1/N² skaliert.
Die ursprüngliche Erwartung, dass die Investoren einen jeweils
proportionalen Anteil von der Ressource erhalten, bleibt nach den
Untersuchungen von Claudius Gros richtig. Dies führt jedoch nicht zu einem
Gewinn in demselben Verhältnis, da der Gewinn um eine Potenz in der Anzahl der
Investoren kleiner ist. Dass sich das endgültige Ergebnis, also der
Nettogewinn, so dramatisch verschlechtert, wird von Gros als „katastrophale
Armut“ bezeichnet. Es bedeutet, dass der ungeregelte Wettbewerb den einzelnen
Akteur an die Grenze zur Profitabilität treibt, dem Existenzminimum.
Gleichfalls konnte Gros zeigen, dass ein Abrutschen in katastrophale Armut
vermieden wird, wenn die Akteure untereinander kooperieren. Kooperation führt
zu einem Nettogewinn, der der Anzahl der Investoren klassisch in einfacher
Potenz entspricht.
Das Ergebnis der Untersuchungen ist daher, dass die „Tragödie der
Allmende“ um eine Potenz mehr Schaden anrichten kann als bisher angenommen. Bei
einer unkontrollierten Nutzung kann es nicht nur zur übermäßigen Ausbeutung
einer Ressource kommen, worauf der Fokus bisheriger Untersuchungen lag. Darüber
hinaus leiden auch die Investoren selbst darunter, dass sie lediglich den
eigenen Profit maximieren. Mathematisch konnte Gros zeigen, dass
technologischer Fortschritt diesen Prozess intensiviert und dass entweder alle
oder aber die große Mehrheit der teilnehmenden Investoren letztendlich von der
katastrophalen Armut betroffen sind. Wenn überhaupt, dann können lediglich
einige wenige Investoren – die Oligarchen – einen größeren Gewinn
erwirtschaften.
Publikation: Claudius
Gros, „Generic catastrophic poverty when selfish investors exploit a degradable
common resource“, Royal Society Open Science (2023) https://royalsocietypublishing.org/doi/10.1098/rsos.221234
Bilder zum Download:
https://www.uni-frankfurt.de/131929975
Bildtext: Prof. Dr. Claudius Gros, Goethe-Universität Frankfurt. Foto: Uwe
Dettmar für Goethe-Universität
Weitere Informationen
Prof.
Dr. Claudius Gros
Institut für Theoretische Physik
Goethe-Universität Frankfurt
Tel. +49 (0)69 798-47818
gros07@itp.uni-frankfurt.de
https://itp.uni-frankfurt.de/~gros/
Redaktion: Dr. Markus Bernards, Referent für
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