Neue internationale Studie klärt Zusammenhänge der adaptiven Immunantwort auf
Wie erkennen T-Killerzellen von Viren befallene Körperzellen? Körperfremde Bestandteile werden als Antigene auf der Zelloberfläche wie eine Art Hinweisschild präsentiert. Die Langzeitstabilität dieses in der Zelle gebildeten Schildes stellt ein Netzwerk von Begleitproteinen sicher. Dies haben Forschende der Goethe-Universität Frankfurt herausgefunden. Im renommierten Fachblatt „Nature Communications“ beschreiben sie das Zusammenspiel der sogenannten Chaperone. Die neuen Erkenntnisse könnten Fortschritte zum Beispiel in der Impfstoff-Entwicklung bringen.
FRANKFURT. Ständig dringen
Fremdkörper in den Organismus ein, Viren zum Beispiel. Unser Immunsystem
beginnt dann unverzüglich, diese Pathogene zu bekämpfen. Zuerst mit der
angeborenen unspezifischen Immunantwort, später mit der adaptiven, erworbenen
Immunantwort. Bei dieser zweiten Abwehrreaktion zerstören spezialisierte
zytotoxische T-Zellen, die T-Killerzellen, infizierte Körperzellen und
verhindern so größeren Schaden. Um der Vielzahl an Krankheitserregern zu
begegnen, besitzen Menschen ein Repertoire von etwa 20 Millionen T-Zell-Klonen
mit unterschiedlicher Spezifität. Doch woher wissen die T-Killerzellen, von wo
Gefahr droht? Wie erkennen sie, dass etwas in der Zelle nicht stimmt, wenn sich
die Viren dort versteckt halten? Sie können ja nicht mal eben hineinschauen.
An
dieser Stelle kommt die Antigenprozessierung ins Spiel. Dieser Vorgang lässt
sich mit dem Erstellen eines Hinweisschildes vergleichen. Dieses wird in der
Zelle, genauer im Endoplasmatischen Retikulum, „prozessiert“ oder
zusammengefügt. Dabei kommen spezielle Moleküle zum Einsatz, die MHC Klasse
I-Moleküle. Sie werden im Peptidladekomplex (peptide loading complex, PLC),
einer molekularen Maschine, mit Informationen über das eingedrungene Virus
beladen. Diese Informationen bestehen aus Peptiden, Bruchstücken des
körperfremden Proteins. Diese Bruchstücke enthalten auch Epitope, jene
Molekülabschnitte, die die spezifische Immunantwort auslösen. Bei der Beladung
bildet sich also ein MHC I-Peptidepitop-Komplex: das Hinweisschild. Dieses
wird zur Zelloberfläche transportiert und dort wie auf einem Silbertablett den
T-Killerzellen präsentiert. An dem Prozess wesentlich beteiligt sind auch die
Chaperone, spezielle Begleitproteine, die in Zellen die korrekte Faltung
kompliziert aufgebauter Proteine lenken.
Die
Chaperone, welche die Antigenprozessierung begleiten, heißen Calreticulin,
ERp57 und Tapasin. Doch wie funktioniert ihr Zusammenspiel? Wie wichtig sind
sie für die Antigenprozessierung? Diese Frage beantwortet eine Studie der
Goethe-Universität Frankfurt und der Universität Oxford, die jetzt im Fachblatt
Nature Communications erschien. „Uns ist damit ein Durchbruch im Verständnis
der zellulären Qualitätskontrolle gelungen“, sagt Prof. Dr. Robert Tampé,
Direktor des Instituts für Biochemie der Goethe-Universität Frankfurt. Was es
mit der Qualitätskontrolle auf sich hat, erklärt er so: „Der
MHC I-Peptidepitop-Komplex, das Hinweisschild, muss äußerst stabil sein,
und zwar für längere Zeit, denn die adaptive Immunantwort startet nicht sofort,
sie braucht 3 bis 5 Tage Anlaufzeit.“ Das Hinweisschild darf also nicht nach
einem Tag in sich zusammenfallen. Das wäre katastrophal, weil die Abwehrzellen
dann nicht erkennen würden, dass eine Zelle von einem Virus befallen ist. Sie
würde diese Zelle folglich auch nicht zerstören, und das Virus könnte sich
ungehindert ausbreiten. Ähnliches passierte, wenn die Körperzelle zu einer
Tumorzelle mutiert wäre: Die Gefahr bliebe unerkannt. Also braucht es unbedingt
die Qualitätskontrolle.
Wie
die Studie aufzeigt, sind die Chaperone zentrale Bestandteile des Prozesses.
Sie verleihen dem Hinweisschild die nötige Langzeitstabilität, indem sie eine
strenge Auswahl treffen. Aus der Masse der Virus-Bruchstücke sortieren sie die
instabilen Teile aus, so dass am Ende nur MHC I-Moleküle aus dem
Peptidladekomplex entlassen werden, die mit den besten, stabil gebundenen
Peptidepitopen beladen sind. Bei diesem für die adaptive Immunantwort so
wichtigen Auswahlverfahren haben die Chaperone unterschiedliche Aufgaben, so
Tampé: „Das Tapasin agiert als Katalysator, der den Austausch von suboptimalen
gegen optimale Peptidepitope beschleunigt. Calreticulin und ERp57 werden
dagegen universal eingesetzt.“ Das konzertierte Vorgehen sorgt dafür, dass nur
robuste MHC I-Peptidepitop-Komplexe an die Zelloberfläche gelangen und den
T-Killerzellen dort den Weg zur infizierten oder mutierten Zelle weisen.
Wohin
führt die Studie? „Wir können nun besser verstehen, welche Peptide wie geladen
werden. Wir können auch besser vorhersagen, welche die dominanten, also
stabilen Peptidepitope sind, die das Chaperone-Netzwerk auswählt.“ Tampé hofft,
dass die neuen Erkenntnisse bei der Entwicklung künftiger Impfstoffe gegen
Virusvarianten helfen. Sie könnten in Zukunft auch Fortschritte bei
Tumortherapien möglich machen. „Beide Themen sind direkt miteinander verwandt.
Der Einsatz in der Tumortherapie ist aber sicher komplexer und langfristiger
angelegt.“
Publikation:
Alexander Domnick, Christian Winter, Lukas Sušac, Leon Hennecke, Mario Hensen,
Nicole Zitzmann, Simon Trowitzsch, Christoph Thomas, Robert Tampé: Molecular
basis of MHC I quality control in the peptide loading complex. Nature
Communications 2022, 13:4701. https://doi.org/10.1038/s41467-022-32384-z
Ein Bild zum Download: https://www.uni-frankfurt.de/123213102
Bildtext: Mechanismus der MHC I-Assemblierung, Epitop-Editierung
und Qualitätskontrolle innerhalb des Peptidladekomplex (PLC), welcher mit dem
Antigen-Transportkomplex TAP1/2 (hell- und dunkelgrau), den Begleitproteinen
(Chaperonen: Calreticulin in gelb, ERp57 in rostrot, Tapasin in orange, und
Deglukosylierungsenzym GluII in magenta) sowie MHC-I (blaugrün und grün) die
vollständig zusammengesetzte Maschinerie der Antigen-Prozessierung bildet.
Weitere Informationen
Institut
für Biochemie
Goethe-Universität
Frankfurt
Prof.
Dr. Robert Tampé
Tel:
+49 (0)69 798 29475
tampe@em.uni-frankfurt.de