Rückkopplungsschleife sensibilisiert Hörrinde für Schallreflexionen
Wenn Fledermäuse Laute
für die Echoortung ausstoßen, moduliert eine Rückkopplungsschleife die
Empfänglichkeit der Hörrinde für eingehende akustische Signale. Dies haben
Neurowissenschaftler der Goethe-Universität Frankfurt herausgefunden. In einer in
der Zeitschrift „Nature Communications“ veröffentlichten Studie zeigen sie,
dass sich der Informationsfluss im beteiligten neuronalen Schaltkreis im Zuge
der Lauterzeugung umkehrte. Diese Rückkopplung bereitet die Hörrinde wohl auf
die zu erwartenden „Echos“ der ausgesandten Laute vor. Die Forscher sehen ihre
Ergebnisse als Zeichen dafür, dass die Bedeutung von Rückkopplungsschleifen im
Gehirn derzeit noch unterschätzt wird.
FRANKFURT. Fledermäuse sind berühmt für ihre Ultraschall-Navigation: Sie orientieren sich über ihr äußerst empfindliches Gehör, indem sie Ultraschalllaute ausstoßen und anhand des zurückgeworfenen Schalls ein Bild ihrer Umwelt erhalten. So findet beispielsweise die Brillenblattnasenfledermaus (Carollia perspicillata) die von ihr als Nahrung bevorzugten Früchte über dieses Echoortungssystem. Gleichzeitig nutzen die Fledermäuse ihre Stimme auch zur Kommunikation mit den Artgenossen, wofür sie einen etwas tieferen Frequenzbereich wählen.
Der Neurowissenschaftler Julio C. Hechavarria vom Institut für Zellbiologie und
Neurowissenschaft der Goethe-Universität untersucht zusammen mit seinem Team,
welche Gehirnaktivitäten bei der Brillenblattnase mit den Lautäußerungen
einhergehen. In ihrer neusten Studie haben die Frankfurter untersucht, wie der
Stirnlappen – eine Region im Vorderhirn, die beim Menschen unter anderem mit
der Planung von Handlungen in Verbindungen gebracht wird – und die Hörrinde, in
der akustische Signale verarbeitet werden, bei der Echoortung zusammenarbeiten.
Dafür setzten die Forscher den Fledermäusen winzige Elektroden ein, die die
Aktivität der Nervenzellen im Stirnlappen und in der Hörrinde aufzeichnete.
Bei
Fledermäusen, die Ortungslaute ausstießen, konnten die Forscher eine
Rückkopplungsschleife im Netzwerk aus Frontallappen und Hörrinde
identifizieren, die bislang völlig unbekannt war. Normalerweise fließt die
Information vom Stirnlappen, in dem die Lauterzeugung geplant wird, zur
Hörrinde, um diese darauf vorzubereiten, dass demnächst ein akustisches Signal
zu erwarten ist. Nach dem Ausstoß eines Ortungslautes reduzierte sich
allerdings der Informationsfluss vom Stirnlappen zur Hörrinde, bis er sich ganz
umkehrte: Die Information floss nun von der Hörrinde zurück zum Stirnlappen.
Vermutlich, so Hechavarria, bereitet diese Rückkopplungsschleife die Hörrinde
noch besser auf den Empfang der auf die Ortungslaute folgenden
Schallreflexionen vor.
Durch
eine elektrische Stimulation des Frontallappens simulierten die Neurobiologen
von der Hörrinde stammende Signale. Die dadurch erzeugte Aktivität im
Stirnlappen führte tatsächlich dazu, dass die Hörrinde stärker auf
Schallreflexionen reagierte. „Das zeigt, dass die von uns gefundene
Rückkopplungsschleife funktional ist“, fasst Hechavarria zusammen. Um die
Bedeutung der Ergebnisse zu veranschaulichen, greift der Neurobiologe auf das
Bild einer Autobahn zurück: „Bislang hat man geglaubt, dass der
Informationsfluss auf dieser Datenautobahn in erster Linie in einer Richtung
verläuft und Rückkopplungsschleifen die Ausnahme sind. Unsere Daten zeigen,
dass diese Sicht vermutlich nicht korrekt ist und Rückkopplungsschleifen im
Gehirn eine viel größere Bedeutung haben als bislang angenommen.“
Überraschend
war, dass bei Kommunikationslauten keine ausgeprägte Umkehr des Informationsflusses
beobachtet werden konnte. „Möglicherweise liegt das daran, dass die Fledermäuse
alleine in einer Isolationskammer gehalten wurden und deshalb keine Antwort auf
ihre Rufe erwarteten“, vermutet Hechavarria und fährt fort: „Was unsere Studie
unter anderem so interessant macht, ist, dass sie neue Wege öffnet, um die
sozialen Interaktionen von Fledermäusen zu untersuchen. An dieser Stelle wollen
wir zukünftig weiterarbeiten.“
Publikation: Francisco
García-Rosales, Luciana López-Jury, Eugenia Gonzalez-Palomares, Johannes
Wetekam, Yuranny Cabral-Calderín, Ava Kiai, Manfred Kössl, Julio C.
Hechavarría: Echolocation-related
reversal of information flow in a cortical vocalization network. Nature
Communications 13, 3642 (2022). https://doi.org/10.1038/s41467-022-31230-6
Ein Bild zum Download:
Bildtext: Fledermäuse „sehen“ mit den Ohren. Wie die Hörrinde auf die eingehenden akustischen Signale vorbereitet wird, haben Wissenschaftler der Goethe-Universität herausgefunden. (Foto: Hechavarria)
Weitere Informationen
Dr.
Julio C. Hechavarria (Ph.D.)
Auditory Computations Group (Gruppenleiter)
Institut für Zellbiologie und Neurowissenschaft
Tel. +49 (0)69 798-42050
Hechavarria@bio.uni-frankfurt.de
https://www.julio-hechavarria.com/
Redaktion: Dr. Anke Sauter, Referentin für
Wissenschaftskommunikation, Büro PR & Kommunikation,
Telefon 069 798-13066, Fax 069
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