Studie der Goethe-Universität zeigt: Situation in Europa sehr heterogen, aber im Schnitt besser als in den USA
In vielen akademischen Berufen sind Frauen nach wie vor unterrepräsentiert. Dass dies auch in den Wirtschaftswissenschaften der Fall ist, zeigt eine Studie des Ökonomen Guido Friebel von der Goethe-Universität und seinem Team in Kooperation mit der Toulouse School of Economics. Insbesondere in hohen Positionen und an besonders forschungsstarken Hochschulen haben Frauen es schwer.
FRANKFURT. Die
Studie zum Frauenanteil in den Wirtschaftswissenschaften hat einige
überraschende Fakten zutage gebracht: zum Beispiel, dass Europa immerhin
bessere Zahlen aufzuweisen hat als die USA oder dass Frauen insbesondere an
forschungsstarken Hochschulen auffällig unterrepräsentiert sind. Um sich ein
aussagekräftiges Gesamtbild zu verschaffen, hat das Team, bestehend aus Prof.
Guido Friebel, Alisa Weinberger und Dr. Sascha Wilhelm (alle
Goethe-Universität) sowie Prof. Emmanuelle Auriol (Toulouse School of
Economics), einen so genannten Web-Scraping-Algorithmus eingesetzt. „Der
Algorithmus wird mit Web-Adressen von Hochschulen gefüttert und zieht von dort
die Informationen zur Anzahl von Professoren und Nachwuchskräften. Eine
Erfassung der ermittelten Personen nach Geschlechtern erfolgt auf Basis von
Namen und einer Gesichtserkennungssoftware. Zur Verifizierung bzw. Korrektur
der ermittelten Daten wurden sämtliche Institutionen angeschrieben. Der
Rücklauf war nahezu komplett, und viele Dekane haben uns für diese Initiative,
die durch die European Economic Association unterstützt wurde, beglückwünscht“,
beschreibt Friebel.
Insgesamt flossen in die Studie die Daten von 238 Universitäten
und Business Schools weltweit ein, die Anzahl der involvierten Personen betrug
mehr als 34.000. Die anschließende Analyse ergab, dass in den USA nur 20
Prozent der leitenden Positionen, also Professuren, weiblich besetzt sind,
während es in Europa immerhin 27 Prozent sind. Weltweit liegt der Durchschnitt
hier bei 25 Prozent. Im Nachwuchsbereich sind an US-amerikanischen
Einrichtungen 32 Prozent der Stellen mit Frauen besetzt, in Europa 38 Prozent.
Weltweit liegt hier die Quote bei 37 Prozent. Kein Grund für alle europäischen
Länder, sich in Sachen Frauenförderung auszuruhen oder gar stolz in die Brust
zu werfen: „Die guten Zahlen verdanken sich mal wieder den skandinavischen
Ländern, aber auch Spanien, Frankreich und Italien“, erläutert der Ökonom, der
vom schlechten Abschneiden der USA überrascht war. Überraschend war für ihn
auch, dass gerade an besonders forschungsstarken Institutionen wenig Frauen
arbeiten, auch hier fällt der Frauennachteil in den USA deutlicher aus als in
Europa.
Woran der schleppende Aufstieg von Frauen in den
Wirtschaftswissenschaften liegen mag? Die Ursachen können unterschiedliche
Wurzeln haben, wie die Studie zeigt. Indem man die Zahlen mit bereits
vorliegenden statistischen Erkenntnissen korreliert, zeigt sich ein enger
Zusammenhang mit in der jeweiligen Gesellschaft vorherrschenden allgemeinen
Einstellungen. Die Organisationskultur der jeweiligen Hochschule,
institutionelle Regelungen, aber auch das Verhalten der Frauen und Männer in
den Wirtschaftswissenschaften sind weitere Faktoren.
Nun wollen Friebel und sein Team untersuchen, wie die Situation
möglichst nachhaltig zu ändern wäre. Für Deutschland sieht er einen Grund für
die Unterrepräsentanz von Frauen in den Wirtschaftswissenschaften darin, dass
freiwerdende Professuren oft mit derselben Widmung wieder ausgeschrieben
werden, einer Widmung, die eher den Forschungsvorlieben der Männer
entgegenkommt. Frauen seien eben seltener in der Makroökonomie oder der
Wirtschaftstheorie unterwegs als Männer, dafür interessierten sie sich eher für
Entwicklungsökonomie, Gesundheit, Arbeit, Organisationen – Bereiche, die
aufgrund der weltweiten Situation und der gesellschaftlichen Entwicklung
ohnehin gestärkt werden müssten. Dies sei in den USA zwar grundsätzlich besser
geregelt, weil Professuren dort bei der Stellenausschreibung oft nicht so eng
festgelegt seien. Allerdings profitierten die Frauen bislang nicht nennenswert
davon.
Nach Ansicht der Autoren sollten die Forschungseinrichtungen ihr
Möglichstes tun, um eine faire Bewertung der Bewerberinnen und Bewerber zu
gewährleisten, während Mentorenprogramme und eine paritätische Besetzung von
Seminaren und Konferenzen dazu beitragen können, die Sichtbarkeit von Frauen zu
erhöhen und implizite Vorurteile bei der Auswahl für akademische Stellen zu
verringern.
Publikation:
Auriol,
Emmanuelle, Guido Friebel, Alisa Weinberger, und Sascha Wilhelm. “Underrepresentation of women in the economics profession more
pronounced in the United States compared to heterogeneous Europe." Proceedings
of the National Academy of Sciences,
119 (16): e2118853119. https://doi.org/10.1073/pnas.2118853119
Weitere Informationen
Prof.
Guido Friebel, PhD
Professur für BWL, insbesondere Personalwirtschaft
Abteilung Management und Mikroökonomie
Fachbereich
Wirtschaftswissenschaften
Goethe-Universität
Telefon: 069 798-34826
E-Mail: gfriebel@wiwi.uni-frankfurt.de