Wirtschaftswissenschaftler der Goethe-Universität und Universität Mannheim entwickeln Luftfilterkalkulator – Online-Rechner hilft beim Modellvergleich
Die Inzidenzzahlen sinken, doch der Schutz vor COVID-19 soll bleiben. Mehr Luftfilter für die Schulen lautet deshalb eine Forderung mit Blick auf den Präsenzunterricht der Schulen im Herbst, der sich kürzlich auch das Bundesbildungsministerium angeschlossen hat. Ein an der Goethe-Universität und der Universität Mannheim entwickelter Online-Kalkulator könnte Schulen nun dabei helfen, für ihre Räumlichkeiten passende und kosteneffiziente Luftfiltergeräte zu ermitteln (www.airfiltercalculator.com).
FRANKFURT. In
Parlamenten und Gerichtssälen sind sie längst Standard, in Klassenräumen sind
sie nur vereinzelt zu finden: mobile Luftfilter, die erheblich dazu beitragen,
die Konzentration von Aerosolen und damit wesentlichen Trägern des Coronavirus
SARS-CoV-2 in der Luft zu verringern. Nun sollen auch Schulen die mobilen
Luftfilter in den Sommerferien installieren, um im kommenden Schuljahr bei
vollen Klassenzimmern möglichen Infektionen vorzubeugen – insbesondere vor dem
Hintergrund, dass bis dahin keine flächendeckende Impfung aller Schülerinnen
und Schüler zu erwarten ist. Zu teuer, zu laut, zu kompliziert in der Wartung,
wenden Kritiker ein. Stimmt das?
Die Wirtschaftswissenschaftlerin Prof. Dr. Anna Rohlfing-Bastian
an der Goethe-Universität und der Ökonom Dr. Gunter Glenk an der Universität
Mannheim haben nun ein Kalkulationstool entwickelt, das die Suche unter den
zahlreichen Anbietern von mobilen Luftfiltern nach einem passenden und
kostengünstigen Gerät erleichtert. Ein Resultat der Studie: „Für etwa 50 Euro
pro Person und Jahr“, sagt Rohlfing-Bastian, „sollte es beispielsweise einer
Grundschule möglich sein, Luftfiltergeräte anzuschaffen, sodass regulärer
Unterricht stattfinden kann.“ Tragen alle Personen im Raum Masken, reduziere
dies die Kosten um die Hälfte. „Die Sommerferien können nun genutzt werden, um
flächendeckend mobile Luftfilter anzuschaffen“, so ihr Kollege Glenk. „Solche
Filter helfen nicht nur in einer Pandemielage, sondern auch generell gegen
Viren wie Grippeviren und gegen Luftverschmutzung.“
In ihrem Online-Kalkulator optimieren Rohlfing-Bastian und Glenk
die Lebenszykluskosten der Ausstattung mit mobilen Luftfiltern. Dabei
berücksichtigen sie alle Ausgaben, die bei Anschaffung und Betrieb über die
Nutzungsdauer der Geräte anfallen. Gleichzeitig wird eine effektive
Filterleistung pro Kubikmeter Luft pro Stunde im Klassenraum sichergestellt,
damit ein zuvor festgelegtes Infektionsrisiko nicht überschritten wird.
Nutzer des anwenderfreundlichen Kalkulationstools www.airfiltercalculator.com können
verschiedene Parameter wie beispielsweise Raumgröße, Belegung, Aufenthaltsdauer
und Aktivitäten der Personen im Raum festlegen (Schweigen, Sprechen und Singen
verursachen verschiedene Aerosolemissionen). Auch die Eingabe eines
Maximalwertes für die Dezibelbelastung ist möglich. Unter Berücksichtigung des
maximal tolerablen Infektionsrisikos berechnet das Tool die kosteneffiziente
Ausstattung eines Raumes mit mobilen Luftfiltern und die dazugehörigen Kosten
pro Person und Jahr.
Die Berechnungen, so Rohlfing-Bastian und Glenk, gingen von
gewissen Vereinfachungen aus, wie etwa einer gleichmäßigen Verteilung der
Aerosole im Raum. Erste Simulationsstudien zeigten jedoch, dass sich
Schwebeteilchen erst allmählich im Raum gleichmäßig verteilen. Rohlfing-Bastian
und Glenk weisen außerdem daraufhin, dass die Daten für ihre Berechnung durch
eine Umfrage unter Herstellern von mobilen Luftfiltern erhoben wurden; 23
Hersteller haben bisher insgesamt 39 Geräte in die Datenbank eingetragen.
Wissenschaftliche Studien, unter anderem des Atmosphärenforschers
Joachim Curtius an der Goethe-Universität, haben nachgewiesen, dass mobile
Luftfilter die Aerosolkonzentration in geschlossenen Räumen erheblich
reduzieren (https://www.puk.uni-frankfurt.de/92900358/Infektionsrisiko__Luftreiniger_beseitigen_90_Prozent_der_Aerosole_in_Schulklassen). Eine
Ansteckungsgefahr wird damit deutlich vermindert. Die Wirksamkeit von
Filtergeräten war aber zuletzt in die öffentliche Diskussion geraten; unter
anderem wurde befürchtet, dass mobile Luftfilter die Nutzer in falscher
Sicherheit wiegen könnten und dadurch aktives Lüften vernachlässigt werden könnte.
Filtergeräte ersetzten nicht das Lüften, betonen auch Aerosolforscher, da die
mobilen Filtergeräte die Virenlast zwar stark senkten, nicht aber Kohlendioxid
und Wasserdampf aus der Atemluft entfernten. Ideal sei daher eine Kombination
aus verschiedenen Maßnahmen zur Reduktion des Ansteckungsrisikos.
Das Forschungsprojekt wurde von der Friedrich Flick
Förderungsstiftung unterstützt.
Publikation: https://www.tinygu.de/luftfilter
Weitere Informationen
Prof.
Dr. Anna Rohlfing-Bastian
Fachbereich Wirtschaftswissenschaften
Professur
für Rechnungswesen, insb. Management Accounting
Goethe-Universität Frankfurt
E-Mail: rohlfing-bastian@econ.uni-frankfurt.de
Homepage: https://www.accounting.uni-frankfurt.de/professoren/professur-rohlfing-bastian/startseite.html
Dr. Gunther Glenk
Mannheim
Institute for Sustainable Energy Studies
Fakultät
für Betriebswirtschaftslehre
Universität
Mannheim
E-Mail: glenk@uni-mannheim.de
Web: Mannheim Institute for Sustainable Energy Studies
Redaktion: Pia Barth, Referentin für
Öffentlichkeitsarbeit, Abteilung PR & Kommunikation, Telefon 069 798-12481, Fax 069 798-763-12531, p.barth@em.uni-frankfurt.de