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Jun 14 2021
10:24

Bertha Pappenheim Map geht online: Audiowalk auf den Spuren der jüdischen Sozialaktivistin führt ins Frankfurter Stadtleben um 1900 und heute

Eigensinnig ihre Ideen vertreten 

Frankfurter jüdische Geschichte sichtbar machen wollen die digitalen Spaziergänge, die aus einem gemeinsamen Projekt der Judaistik-Professorin Rebekka Voß an der Goethe-Universität, der Bremer Künstlerin Elianna Renner und der Frankfurter Soziologin Dr. Marion Keller entstanden sind: Die Web-App führt an Wirkstätten der sozial engagierten Jüdin, Frauenrechtlerin und Schriftstellerin Bertha Pappenheim (1859-1936). Am 20. Juni geht die App mit dem Titel „Bertha Pappenheim Map“ mit einem Eröffnungsrundgang offiziell online (https://berthapappenheim.com/).

FRANKFURT. Bertha Pappenheim stammt aus dem Frankfurter jüdischen Großbürgertum, das sich im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert für bessere Lebensbedingungen und Bildung der Bevölkerung einsetzte. Obwohl die streitbare Aktivistin mit ihrem Kampf vor allem für Frauen, die durch Prostitution und Mädchenhandel gefährdet waren, ihrer Zeit weit voraus war, spielt sie bislang im Gedächtnis der Stadt kaum eine Rolle. Nun haben Wissenschaftlerinnen und Künstlerinnen ein detailreiches Portrait von Bertha Pappenheim erarbeitet und in einer zweisprachigen App (deutsch/englisch) erlebbar gemacht. Die App versammelt kurze Geschichten, historische Fotos und Videos zu Kunstaktionen über aktuelle Parallelen. Dabei machen die Audio-Walks bewusst: Frauenhandel ist ein bedeutender Teil der Migrations- und Stadtgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts.

Wer sich mit dem Smartphone auf einen der drei digitalen Rundgänge durch Westend, Bahnhofsviertel und Ostend begibt, bewegt sich zwischen jüdischem Alltag, Antisemitismus, Migration, Menschenhandel und dem Kampf für mehr Rechte für Frauen im ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhundert. Pogrome in Osteuropa hatten jüdische Familien, unter ihnen auch Frauen, allein oder mit ihren Kindern, in die Flucht gen Westen getrieben. In Frankfurt gestrandet, waren mittellose Frauen Prostitution und Mädchenhandel ausgeliefert. Ihnen wollte Bertha Pappenheim einen schützenden Ort bieten: Ihrer zupackenden, entschiedenen Art ist es zu verdanken, dass Frankfurter soziale Einrichtungen Allianzen schmiedeten, um u. a. ein Wohnheim für alleinstehende Frauen und ihre Kinder zu errichten.

Zum Schutz der Frauen, davon war Pappenheim überzeugt, musste aber vor allem deren rechtliche und soziale Stellung sowie die Bildungs- und Berufssituation verbessert werden. Dafür setzte sich die Sozialaktivistin und Schriftstellerin auf Kongressen und in der Praxis ihr Leben lang ein – und brüskierte damit etliche Zeitgenossen. In ihrem eigenen Nachruf für verschiedenen Zeitschriften formiert sie es nüchtern: „Sie war eine Frau, die jahrzehntelang eigensinnig für ihre Ideen eingetreten ist. (…) Sie tat es oft in Formen und Wegen, die einer Entwicklung vorgreifen wollten, so wie sie auch nicht nach jedermann Sitte und Geschmack waren. Schade!“

Zur Eröffnung der Bertha Pappenheim-Map beginnt ein speziell dafür zusammengestellter Rundgang um 14 Uhr auf dem Vorplatz des Jüdischen Museums Frankfurt mit einem Gespräch von Prof. Dr. Rebekka Voß, Elianna Renner und Dr. Marion Keller mit Linda Kagerbauer (Frauenreferat der Stadt Frankfurt) über den mehr als fünfjährigen Entstehungsprozess ihres Kunst-Wissenschafts-Projekts, an dem auch Studierende der Goethe-Universität beteiligt waren. Daran schließt sich ein ca. einstündiger Spaziergang mit der Bertha Pappenheim Map an (https://berthapappenheim.com/). Er führt zu ausgewählten Stationen der drei digitalen Rundgänge. Gäste aus Frankfurter Sozialinstitutionen ergänzen den Stadtspaziergang mit Berichten aus der gegenwärtigen Arbeit mit Menschen in schwierigen Lebenslagen. Der Rundgang endet auf dem Bertha-Pappenheim-Platz.

Die kostenlosen Rundgänge lassen sich online ohne vorherigen Download als Audiowalks auf Deutsch und Englisch abrufen. Für den digitalen Stadtrundgang ist ein Smartphone mit Internet erforderlich. Um Anmeldung zur Eröffnung wird gebeten unter: besuch.jmf@stadt-frankfurt.de.

Die Veranstaltung des Jüdischen Museums Frankfurt findet statt in Kooperation mit dem Frauenreferat der Stadt Frankfurt und der Gesellschaft zur Förderung judaistischer Studien in Frankfurt a. M.

Weitere Informationen
Prof. Dr. Rebekka Voß
Professorin für Geschichte des deutschen und europäischen Judentums
voss@em.uni-frankfurt.de


Redaktion: Pia Barth, Referentin für Öffentlichkeitsarbeit, Abteilung PR & Kommunikation, Telefon 069 798-12481, Fax 069 798-763-12531p.barth@em.uni-frankfurt.de