Renommierte Auszeichnung für wissenschafts- und hochschulpolitische Themen wird 2021 zum siebten Mal seit 2008 verliehen
FRANKFURT. Drei „Grenzfälle“
stehen im Fokus der Verleihung des diesjährigen Goethe-Medienpreises für
wissenschafts- und hochschulpolitischen Journalismus an drei herausragende
Autorenteams bzw. Einzelautoren renommierter Medien.
Prämiert
werden drei Arbeiten, die 2019 und 2020 im SZ-Magazin der Süddeutschen Zeitung,
der Wochenzeitung DIE ZEIT sowie im Norddeutschen Rundfunk publiziert wurden.
Ihre Themen berühren Grenzen und Grenzgebiete ganz unterschiedlicher Art:
Für
die Süddeutsche Zeitung gehen Patrick Bauer, Patrick Illinger und Till Krause
in einer tief schürfenden Recherche dem Fall des Tübinger Professors Nils
Bierbaumer nach, der behauptete, die Gedanken von unheilbar an der
Nervenkrankheit ALS leidender Patienten entschlüsseln zu können. Dabei treten
jedoch immer größer werdende Unstimmigkeiten zwischen Datenlage und
öffentlichen Erfolgsmeldungen auf. Insbesondere die Daten, auf denen die
vermeintlichen Forschungsergebnisse basieren, können bei Nachprüfungen von
anderen Experten nicht nachvollzogen werden. Die Jury erkannte dieser auch
journalistisch herausragend umgesetzten Arbeit („Wunschdenken“, erschienen am
11.4.2019 im SZ-Magazin) den ersten Preis zu, der mit 4000 € dotiert ist.
In
ein völlig anderes – digitales – Grenzgebiet wagt sich die Journalistin Nele
Rößler vor: Sie beschreibt den drastisch steigenden Einfluss so genannter
„Modellierungen“ auf politische Entscheidungsprozesse, was öffentlich bisher
kaum bekannt ist. Modellierungen sind mathematische Berechnungen, die in
verschiedenen Varianten existieren. Sie kommen beispielsweise in der
Klimaforschung zum Einsatz, auch in der COVID-19-Forschung: Nele Rößler bringt
nach einem aufwändigen Rechercheprozess in ihrem Podcast („Modellierungen –
Nerdwissen im Fokus“, gesendet am 22.5.2020 im NDR) Licht ins Dunkle dieses
Grenzgebiets zwischen digitalem Hintergrundwissen und politischen
Entscheidungsstrukturen und erhält dafür von der Jury den mit 1800 € dotierten
zweiten Preis.
Die
mit 1000 € dotierte dritte Preisträgerarbeit von Martina Keller („Tod wider
Willen“, erschienen am 10.6.2020 in DIE ZEIT), führt die Leserinnen und Leser
in das Grenzgebiet zwischen Leben und Tod – in diesem Fall in das ambivalente
Gebiet der Sterbehilfe in den Niederlanden. Keller schildert auf Basis einer
sehr fundierten Recherche das Schicksal einer dementen Patientin, die trotz
eines nicht eindeutig artikulierten Willens durch ihre behandelnde Ärztin zu
Tode gebracht wird. Sie nimmt diesen Fall zum Anlass, auf der Basis von
Expertenmeinungen ein grundsätzliches Panorama von Befürwortern und Gegnern
einer Sterbehilfepraxis zu Wort kommen zu lassen. Es zeigt sich, als wie fragil
„letzte“ Willenserklärungen von Sterbewilligen einzuschätzen sind.
Der Präsident der Goethe-Universität, Prof. Dr.
Enrico Schleiff, sagte: „Der Goethe-Medienpreis zeigt, in wie
vielfältiger und zum Teil überraschender Weise sich ein hoher Qualitätsanspruch
im wissenschafts- und hochschulpolitischen Journalismus realisieren lässt. Die
von der Jury ausgewählten Themen sind nicht nur von hoher gesellschaftlicher
Relevanz, sondern auch ein Dokument von hoher wissenschaftlicher
Selbstreflektion, was zur besseren Akzeptanz wissenschaftlicher Erkenntnisse in
der Gesellschaft beiträgt. Damit gehen vom Goethe-Medienpreis immer wieder
wertvolle Denkanstöße für Wissenschaft, Gesellschaft und Politik aus. Wir
danken unseren Partnern, der FAZIT-Stiftung und dem Deutschen Hochschulverband,
für ihr langjähriges Engagement.“
Für die Jury erklärte der frühere Mitherausgeber der Frankfurter
Allgemeine Zeitung (FAZ), Werner D´Inka: „Die ausgezeichneten Arbeiten sind Musterbeispiele für
sorgfältige Recherche, kenntnisreiche Darstellung und für eine Sprache, die
ihrem Thema gerecht wird. Wer meint, der nachforschende, nachfragende,
nachhakende Journalismus sei von gestern, wer findet, eine flotte Schreibe sei
doch lässiger als das Abwägen von Für und Wider, wer glaubt, dem Prinzip „Keine
Ahnung, Hauptsache Meinung“ gehöre die Zukunft, muss nach Lektüre der Beiträge
von Patrick Bauer, Patrick lllinger und Till Krause sowie von Nele Rößler und
von Martina Keller ganz kleinlaut werden. Die Jury findet: Das ist Journalismus
par excellence, heute und auch noch in hundert Jahren.“
Der Präsident des Deutschen Hochschulverbandes (DHV), Prof. Dr.
Bernhard Kempen, betonte: „In einer zunehmend ,verwissenschaftlichten' Welt
sind Journalistinnen und Journalisten nicht nur unverzichtbare Vermittler, die
oftmals hochspezialisierte wissenschaftliche Erkenntnisse allgemein
verständlich übersetzen helfen. Sie müssen vor allem auch kritische, ja
manchmal unbequeme Beobachterinnen und Beobachter sein, die Fehlentwicklungen
in der Wissenschaft aufdecken und zu grundlegenden Reflexionen anregen. Mein
herzlicher Glückwunsch geht an die diesjährigen Preisträgerinnen und Preisträger, die
dies in herausragender Weise tun. Sie stehen mit ihren Arbeiten für
qualitätsbewussten wissenschafts-
und hochschulpolitischen Journalismus, den der Goethe-Medienpreis als
bundesweit erste Auszeichnung im zweijährigen Rhythmus seit 2008 prämiert.
Angesichts anhaltender redaktioneller Schrumpfkuren ist diese Auszeichnung
wichtiger denn je, weil sie den Wert
von Qualitätsjournalismus unterstreicht.“
Der Goethe-Medienpreis ging 2020 in die siebte
Ausschreibungsrunde. 2008 auf Initiative der Goethe-Universität gegründet und
von der FAZIT-Stiftung sowie dem DHV mitgefördert, ist er bis heute die einzige
Auszeichnung im deutschsprachigen Raum, bei der ausschließlich die Arbeiten
wissenschafts- und hochschulpolitisch tätiger Journalisten im Fokus stehen. Seit 2008 wurden
18 Preisträgerinnen und Preisträger prämiert und Preisgelder in Höhe von
insgesamt fast 45.000 Euro in den Kategorien Print, Online und Hörfunk
vergeben. Die Jury aus renommierten Fachleuten (s.u.) hatte in dieser Zeit die
Qual der Wahl zwischen fast 300 Bewerbungen zumeist überregionaler Leitmedien.
Damit hat sich der Goethe-Medienpreis als unabhängige Auszeichnung im breiten
Feld der mehr als 300 deutschen Journalistenpreise etabliert.
Der
Goethe-Medienpreis wird am 31. Mai 2021 im Rahmen der „Gala der Deutschen
Wissenschaft“ des DHV verliehen. Die Gala, die ausschließlich online
stattfinden wird, wird gestreamt.
Redaktion: Dr. Olaf Kaltenborn, Leiter PR &
Kommunikation, Tel: 069 798-13035, Fax: 069 798-763 12531, kaltenborn@pvw.uni-frankfurt.de