​​​​​​​Pressemitteilungen ​​​​​​ ​ – 2023

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Pressestelle Goethe-Universität

Theodor-W.-Adorno Platz 1
60323 Frankfurt 
presse@uni-frankfurt.de

 

Jan 20 2023
11:25

Unabhängige Kommission stellt in einem Abschnitt wissenschaftliches Fehlverhalten fest, welches aber keine Aberkennung des Doktorgrads begründet

Dissertation von Dr. Mathias Döpfner: Kommission legt Prüfungsergebnis vor

FRANKFURT. Nach eingehender Prüfung der Dissertation von Herrn Dr. Mathias Döpfner, der 1990 an der Goethe-Universität mit der Arbeit „Musikkritik in Deutschland nach 1945 – Inhaltliche und formale Tendenzen – Eine kritische Analyse“ promoviert wurde, stellt die Kommission zum Umgang mit wissenschaftlichem Fehlverhalten aufgrund der mehrfachen wörtlichen oder gedanklichen Übernahme fremder geistiger Autorenschaft zwar ein wissenschaftliches Fehlverhalten fest. Die einzelnen Befunde seien jedoch in ihrer Summe und hinsichtlich ihrer Bedeutung für den wissenschaftlichen Kern der Arbeit nicht ausreichend, um eine Aberkennung des Doktorgrades zu begründen.

Die Kommission war im Februar 2022 tätig geworden, nachdem die Hochschulleitung durch Hinweise von zwei auf die Findung von Plagiaten spezialisierten Experten auf ein mögliches Fehlverhalten aufmerksam gemacht worden war.  Auf Grundlage der erhobenen Vorwürfe hatte die Kommission auf Antrag des Präsidiums ein Verfahren eingeleitet, um eine unabhängige Prüfung der Dissertation von Herrn Dr. Döpfner vornehmen zu können. Zur fachlichen Ergänzung ihrer Expertise hatte die Kommission zusätzlich einen musikwissenschaftlich ausgewiesenen Forschenden kooptiert.

Nach Prüfung der Arbeit gelangte die Kommission übereinstimmend zu dem Ergebnis, dass in der Dissertation im Abschnitt „Historische Determinanten der Deutschen Musikkritik bis 1945“ (S. 29 - 50) der Vorwurf des wissenschaftlichen Fehlverhaltens in Form mehrfach ungekennzeichneter Übernahmen oder Aneignungen fremden Gedankenguts erfüllt sei. Ein wissenschaftliches Fehlverhalten liege dort vor, wo – namentlich in Form eines Text- oder Ideenplagiats – ungeprüft originäre Formulierungen oder Gedanken der Quelle als eigene übernommen werden oder sonst eine zu enge Anlehnung an die Quelle erfolgt, die als solche hätte ausgewiesen werden müssen. Ein solches Vorgehen habe auch schon vor über 30 Jahren einen Verstoß gegen die damals geltenden Grundsätze guter wissenschaftlicher Praxis dargestellt. Daneben wurde eine Reihe von Blindzitaten und ungeprüft übernommenen Literaturangaben festgestellt, die nach geltender Rechtsprechung ebenfalls als Plagiate zu werten sind.

Allerdings konnte die Kommission den Vorwürfen in den Verdachtsanzeigen der beiden Plagiatssucher nicht in allen Punkten folgen, sodass sich nach ihrer Ansicht im Ergebnis eine deutlich geringere Anzahl an Verstößen ergibt, als dort jeweils moniert. Zu berücksichtigen ist zudem, dass der sehr umfassende Hauptteil der Arbeit nach gegenwärtigem Stand nicht von den Plagiatsvorwürfen betroffen ist und auch keine Anhaltspunkte für wissenschaftliches Fehlverhalten ersichtlich sind.

Im Interesse einer möglichst transparenten Darstellung des Verfahrens macht die Kommission zum Umgang mit wissenschaftlichem Fehlverhalten auf Bitten des Universitätspräsidenten den gesamten Beschluss öffentlich. Dieser kann unter folgendem Link eingesehen werden: https://www.uni-frankfurt.de/131192024/

Universitätspräsident Prof. Dr. Enrico Schleiff dankte der von Weisungen des Präsidiums und anderer Instanzen unabhängigen Kommission für ihre gründliche und sorgfältige Arbeit, die einen wichtigen Beitrag zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis darstelle. Die Goethe-Universität leiste mit der Transparenz einen aktiven Beitrag zur wissenschaftlichen Qualitätssicherung und öffentlichen Nachvollziehbarkeit universitätsinterner Prüfungsprozesse. 

Herr Dr. Döpfner wurde am 17.01.2023 über die Ergebnisse der Prüfung unterrichtet. Der begründete Beschluss liegt ihm vor. Gegen den Beschluss kann Widerspruch eingelegt werden.

Die Kommission arbeitet nach der Satzung der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main zur Sicherung guterwissenschaftlicher Praxis. Diese ist unter folgendem Link verfügbar: https://www.uni-frankfurt.de/84252590/20191209_ck-neufassung-grundsatze-final.pdf


Redaktion: Dr. Olaf Kaltenborn, Leiter Büro für PR & Kommunikation, Tel: 069 798-13035, Fax: 069 798-763 12531, kaltenborn@pvw.uni-frankfurt.de

 

Jan 19 2023
15:52

Sozialministerium und Institut für Wirtschaft, Arbeit und Kultur (IWAK) der Goethe-Universität stellen regionale Prognosen vor

Bis 2028 fehlen 200.000 Fachkräfte – und das ist noch nicht der Höhepunkt 

Die Generation der Babyboomer geht nach und nach in Rente. Sie hinterlässt große Lücken im Arbeitsmarkt, die nur teilweise durch jüngere Arbeitskräfte geschlossen werden können. Das Institut für Wirtschaft, Arbeit und Kultur (IWAK) der Goethe-Universität hat im Auftrag des Hessischen Sozialministeriums Prognosen erstellt, welche Zahlen bis 2028 in den unterschiedlichen Regionen und Berufsfeldern zu erwarten sind. Gegenmaßnahmen sind möglich – und offenbar dringend geboten.

FRANKFURT. Der Krieg in der Ukraine und die Corona-Pandemie haben verglichen mit dem demographischen Wandel nur geringe Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt in Hessen. Durch den altersbedingten Austritt vieler Beschäftigter der Babyboomer-Generation entstehen große Lücken, die durch die geringere Zahl an jungen Menschen, die neu in den Arbeitsmarkt eintreten, nur bedingt geschlossen werden können. Fachkräftemangel ist die Folge. In Hessen ist diese Entwicklung regional unterschiedlich ausgeprägt, und auch die verschiedenen Berufe sind unterschiedlich stark betroffen. Ein genaues Bild der zu erwartenden Lage zeichnen die regionalen Berufsprognosen, die durch das Institut für Wirtschaft, Arbeit und Kultur (IWAK) der Goethe-Universität im Auftrag des Hessischen Ministeriums für Soziales und Integration erstellt werden. Damit habe man „Transparenz geschaffen, um die Entwicklung neuer bzw. das Nachschärfen bestehender Fachkräftestrategien und ihre Ausrichtung auf mittelfristige Entwicklungen zu ermöglichen“, sagt Kai Klose, Hessischer Minister für Soziales und Integration.  

Die Prognosen (ab 16:30 Uhr unter www.hessische-berufsprognosen.de) sind heute der Öffentlichkeit vorgestellt worden. Danach fehlen in Hessen im Zeitraum von 2021 bis 2028 insgesamt 200.000 Fachkräfte – gut 130.000 Fachkräfte mit Berufsabschluss und knapp 70.000 Fachkräfte mit Hochschulabschluss. Das Potenzial von Personen ohne Abschluss, die nach einer Nachqualifizierung möglicherweise Fachkraftaufgaben übernehmen können, ist demgegenüber mit rund 20.000 Personen denkbar gering. Die Option der Nachqualifizierung besteht ohnehin nur in den Großstädten, denn in den ländlich geprägten Regionen des Landes fehlt es auch an Personen ohne Berufsabschluss. Grundsätzlich gilt, je weiter man sich von urbanen Gebieten entfernt, desto größer ist der Mangel an Arbeits- und Fachkräften.

Was die unterschiedlichen Branchen angeht, trifft der Fachkräftemangel besonders stark die Sozialberufe. Den Prognosen zufolge werden bis 2028 im Bereich Gesundheit 13.000 und im Bereich Erziehung mehr als 16.000 Beschäftigte fehlen. Die Lücken sind hier besonders groß, weil in den kommenden Jahren nicht nur viele Beschäftigte altersbedingt ausscheiden werden, sondern auch, weil sich der Bedarf an Gesundheits- und Erziehungsleistungen weiter erhöhen wird. Denn die Zahl älterer Menschen, die Gesundheitsdienstleistungen benötigen, steigt an, und durch den weiteren Ausbau der Kindertagesbetreuung werden auch mehr Erzieherinnen benötigt. Ein passgenaues Kinderbetreuungsangebot ermöglicht es Frauen, umfangreicher erwerbstätig werden zu können – ebenfalls ein wichtiger Baustein beim Kampf gegen den Fachkräftemangel. Auch bei Handwerks- und IT-Berufen hat Fachkräftegewinnung und -sicherung Priorität, in Zusammenhang mit Energiewende und Digitalisierung ist auch dort ein Aufwuchs zu erwarten.

Und der Höhepunkt der altersbedingten Austritte der Babyboomer-Generation ist 2028 noch längst nicht erreicht. „Den Peak erwarten wir erst in zehn Jahren. Aber auch ab 2033 werden die Austritte nur langsam zurückgehen. Selbst im Jahr 2040 werden die altersbedingten Austritte aus dem Erwerbsleben noch um 10.000 Personen höher als heute liegen“, erklärt Dr. Christa Larsen, Leiterin des Instituts für Wirtschaft, Arbeit und Kultur (IWAK) der Goethe-Universität. Die hessischen Arbeitsmärkte würden, so Larsen, bis weit in die 2040er-Jahre hinein maßgeblich durch die demografische Entwicklung bestimmt werden.

Um die hessische Wirtschaft für diese Herausforderung zu rüsten, bedarf es schnell gezielter Strategien für deren Abmilderung. Regionale Strategien könnten gezielt helfen, Fachkräfte zu sichern. Dafür braucht es ein gutes Zusammenspiel aller Arbeitsmarktakteure. Die Stabstelle Fachkräftesicherung in Hessen, die am Hessischen Ministerium für Soziales und Integration angesiedelt ist, leistet hier im Auftrag der Hessischen Landesregierung wesentliche Unterstützung. 2023 wird jeder Kreis und jede kreisfreie Stadt die Möglichkeit bekommen, eine fachlich fundierte Zukunftswerkstatt durchzuführen. Eine solche Werkstatt dient dazu, zum Bedarf passende Maßnahmen zu entwickeln bzw. bereits bestehende passgenau fortzuschreiben.

„Wir können stolz darauf sein, dass die Goethe-Universität gemeinsam mit dem Land Hessen Transparenz zur Fachkräftelage schafft und eine darauf abgestimmte Fachkräftesicherung entwickelt wird. Damit kann unsere Kooperation einen wichtigen Beitrag zur Fachkräftesicherung und damit zur Stabilität des Wirtschaftsstandorts Hessen leisten“, sagte Prof. Bernhard Brüne, Vizepräsident der Goethe-Universität Frankfurt am Main, in seinem Grußwort. 

Die Prognosen zur Entwicklung von Berufen zwischen 2021 und 2028 können am heutigen Donnerstag, 19. Januar, von 16.30 Uhr an unter www.hessische-berufsprognosen.de heruntergeladen werden.

Weitere Informationen und Anmeldung
Dr. Christa Larsen
Institut für Wirtschaft, Arbeit und Kultur (IWAK) der Goethe-Universität
Telefon 069 798- 22152
E-Mail c.larsen@em.uni-frankfurt.de


Redaktion: Dr. Anke Sauter, Referentin für Wissenschaftskommunikation, Büro für PR & Kommunikation, Telefon 069 798-13066, Fax 069 798-763-12531, sauter@pvw.uni-frankfurt.de

 

Jan 17 2023
09:38

Kunst auf dem Campus Westend: Dialogischer Spaziergang „DenkMalDemokratie“ im Rahmen der Bürger-Universität

Einspruch erwünscht!

FRANKFURT. Ist das Kunst oder kann das weg? Oder muss das vielleicht sogar weg? Nicht erst in jüngerer Zeit wird diese Frage an Kunstwerke gerichtet, die in öffentlich zugänglichen Räumen aufgestellt sind – inzwischen aber zunehmend häufig an Denkmäler, deren Widmungen sich aus der Gegenwartsperspektive als problematisch, wenn nicht gar untragbar erweisen. Gegen sie erheben sich zu Recht Stimmen des Protests. Zugleich stellt sich die Frage, ob das Entfernen allein als Mittel zur Lösung der Probleme taugt, für die manche Monumente aus heutiger Sicht stehen. Wie könnte eine angemessene Erinnerungskultur im öffentlichen Raum aussehen?

Die Bürgeruniversität lädt ein im Rahmen ihrer Veranstaltungsreihe „DenkMalDemokratie. Dialogische Spaziergänge zur Kunst“

25. Januar 2023
12 – 13:30 Uhr
zum
Mittags-Spaziergang Campus Westend.

Dabei geht es darum, welche Rolle die auf dem Campus Westend aufgestellten Kunstwerke und Denkmäler für die Demokratie spielen und welche Potenziale sie für eine Auseinandersetzung mit Geschichte, Gegenwart und Zukunft besitzen.

Gesprächspartnerinnen während des Spaziergangs sind: Prof. Dr. Antje Schlottmann, Humangeographie/Goethe-Universität, und Prof. Dr. Verena Kuni, Visuelle Kultur/Goethe-Universität, die die Veranstaltung konzipiert hat.

Der dialogische Spaziergang auf dem Campus Westend ist die zweite Veranstaltung der Diskussionsreihe der Bürger-Universität, die mit einem Dialog-Spaziergang in der Gallusanlage und der Taunusanlage begonnen hat. Abgeschlossen wird die Reihe der Bürger-Universität am 2. Februar 2023 um 19 Uhr mit der Podiumsdiskussion „Unsichtbarer Widerstand. Vertrauen und Protest in der Demokratie“.

Die Dialog-Spaziergänge zu Kunst und Demokratie werden im Sommersemester fortgesetzt. In Vorbereitung ist ein weiteres Format der Dialog-Spaziergänge: CAMPUS WANDELN. Spaziergänge und Ortstermine zur Nachhaltigkeit, konzipiert und durchgeführt von Prof. Dr. Verena Kuni, Visuelle Kultur/Goethe-Universität, und dem Nachhaltigkeitsbüro der Goethe-Universität.

Die aktuelle Reihe wird veranstaltet von der Goethe-Universität in Kooperation mit der Clusterinitiative ConTrust am Forschungsverbund „Normative Ordnungen“ der Goethe-Universität.

Anmeldung und Treffpunkt unter buergeruni@uni-frankfurt.de; weitere Informationen: https://aktuelles.uni-frankfurt.de/_events/


Redaktion: Pia Barth, Referentin für Öffentlichkeitsarbeit, Büro PR & Kommunikation, Telefon 069 798-12481, Fax 069 798-763-12531; E-Mail: p.barth@em.uni-frankfurt.de

 

Jan 16 2023
17:04

Internationales Wissenschaftsteam um Forscher:innen der Goethe-Universität und des Senckenberg Forschungsinstituts und Naturmuseum Frankfurt erklärt Unterschiede in der Ernährung zwischen Homo erectus und Menschenaffen

Frühmenschen: Jahreszyklen im Zahnschmelz geben Einblicke in Lebensgeschichten

Wie sich unsere Vorfahren der Art Homo erectus vor Hundertausenden von Jahren auf der Insel Java in Südostasien ernährt haben, konnte jetzt ein interdisziplinäres Team von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, koordiniert von Goethe-Universität Frankfurt und Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseum Frankfurt, anhand von Zahnanalysen herausfinden: Im Laufe eines Jahres wechselten die Frühmenschen von pflanzlicher Nahrung zu Mischkost, waren dabei aber weit weniger vom saisonalen Nahrungsangebot abhängig als zum Beispiel Orang-Utans, die ebenfalls die Insel bewohnten.

FRANKFURT. Wer ein Vergrößerungsglas und eine Taschenlampe zur Hand nimmt und im Spiegel ganz genau seine Zähne betrachtet, kann hier und da ein Muster aus feinen, parallelen Linien entdecken, die quer über den Zahn laufen. Diese entsprechen den Retzius-Streifen, die das Wachstum unseres Zahnschmelzes markieren. Der Schmelz wird bereits im Mutterleib angelegt und bis zur Jugend neu gebildet, wenn die letzten Milchzähne ausfallen und durch bleibende Zähne ersetzt werden. Wie bei allen landlebenden Wirbeltieren wird auch beim Menschen der Zahnschmelz in mikroskopisch kleinen Schichten schubweise angelagert, was die Retzius-Steifen formt. Am Abstand dieser Streifen zueinander ist die Entwicklungsgeschwindigkeit eines Menschen ablesbar. Physiologische Wechsel wie zum Beispiel die Geburt, das Abstillen oder Krankheiten hinterlassen markante Spuren. Die Retzius-Steifen bilden auch den chronologischen Rahmen für die zeitlich-variierende chemische Zusammensetzung des Zahnschmelzes, die wiederum den Wechsel in der Ernährung widerspiegelt.

Ein internationales Wissenschaftsteam der Goethe-Universität Frankfurt um Prof. Wolfgang Müller und seiner MSc-Studentin Jülide Kubat, heute Doktorandin an der Universität Paris Cité, hat anhand der Zähne die Ernährungsgewohnheiten eines Vorfahrens des modernen Menschen – Homo erectus, „der aufrechte Mensch“ – mit denen von zeitgleichen Orang-Utans sowie weiteren Tieren verglichen. Alle lebten im Pleistozän vor 1,4 Millionen bis 700.000 Jahren auf der indonesischen Insel Java, auf der es damals Regionen mit Monsun-Regenwäldern sowie offene Baumlandschaften und grasbewachsene Savannen gab.

Zur Analyse des Zahnschmelzes betteten die Wissenschaftler:innen die Zähne in ein Harz ein und schnitten sie dann in hauchdünne Scheiben von 150 Mikrometern Dicke. Diese äußerst kostbaren Proben sind im Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseum Frankfurt Teil der Gustav Heinrich Ralph von Koenigswald Sammlung, einer Dauerleihgabe der Werner Reimers Stiftung. Anschließend trug ein spezieller Laser Zahnmaterial ab, das mittels Massenspektrometrie unter anderem auf den Gehalt der Elemente Strontium und Kalzium untersucht wurde, die beide in Zähnen und Knochen enthalten sind (Laser-basierte Plasma-Massenspektrometrie, LA-ICPMS). Das Verhältnis von Strontium zu Kalzium (Sr/Ca) ist von der Nahrung abhängig, erklärt Wolfgang Müller: „Strontium wird - quasi als Verunreinigung des essentiellen Kalziums - vom Körper nach und nach ausgeschieden. In der Nahrungskette führt das dazu, dass das Strontium-Kalzium-Verhältnis von Pflanzenessern über Allesesser bis hin zu Fleischessern kontinuierlich abnimmt.“

Dies konnte das Wissenschaftsteam mit dem Vergleich verschiedener pleistozäner Tierzähne aus Java bestätigen: Raubkatzen wiesen ein niedriges Strontium-Kalzium-Verhältnis auf, Vorläufer der heutigen Nashörner, Hirsche und Flusspferde ein hohes Strontium-Kalzium-Verhältnis und pleistozäne Schweine als Allesesser lagen in der Mitte. Spannend wurde es bei den Zähnen der Hominiden Orang-Utan und Homo erectus, denn hier entdeckten die Forscher:innen im Zeitverlauf Jahreszyklen, in denen sich die Nahrungszusammensetzung von Menschenaffen und Menschen änderte: Beide zeigten im Jahresrhythmus Variationen, wobei die regelmäßigen Sr/Ca-„Spitzen“ beim Orang-Utan viel deutlicher ausgeprägt waren als bei Homo erectus. Jülide Kubat, Erstautorin der Publikation, erklärt: „Diese Peaks deuten auf ein reichhaltiges pflanzliches Nahrungsangebot in der Regenzeit hin, während der im Regenwald zum Beispiel viele Früchte gebildet wurden. In der Trockenzeit mussten vor allem Orang-Utans auf andere Nahrungsquellen umsteigen, die vielleicht Insekten oder Eier einschlossen. Homo erectus dagegen war - so zeigen die weniger ausgeprägten Peaks und niedrigeren Sr/Ca-Werte – als Allesesser und zeitweise Fleischkonsument weniger vom saisonalen Nahrungsangebot abhängig.“

Insgesamt zeige die Analyse, so Müller, dass die räumlich hoch-aufgelöste Laser-Analyse von Spurenelementen zusammen mit Zahnschmelzchronologie einen zeitlich bemerkenswert detaillierten Einblick in die Lebensgeschichte unserer Vorfahren geben kann: „Plötzlich ist man ganz nahe dran an diesen frühen Menschen, die so lange vor unserer Zeit gelebt haben. Man kann erspüren, was der jahreszeitliche Wechsel für sie bedeutet haben mag und wie sie mit ihrer Welt interagiert haben. Das ist absolut faszinierend.“


Publikation: Jülide Kubat, Alessia Nava, Luca Bondioli, M. Christopher Dean, Clément Zanolli, Nicolas Bourgon, Anne-Marie Bacon, Fabrice Demeter, Beatrice Peripoli, Richard Albert, Tina Lüdecke, Christine Hertler, Patrick Mahoney, Ottmar Kullmer, Friedemann Schrenk, Wolfgang Müller: Dietary strategies of Pleistocene Pongo sp. and Homo erectus on Java (Indonesia). Nature Ecology and Evolution (2023) DOI: 10.1038/s41559-022-01947-0 https://www.nature.com/articles/s41559-022-01947-0

Die beteiligten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler arbeiten an den folgenden Instituten:

Dänemark
Lundbeck Foundation GeoGenetics Centre, University of Copenhagen, Copenhagen, Denmark

Deutschland
Institute of Geosciences, Goethe University Frankfurt
Frankfurt Isotope and Element Research Center (FIERCE), Goethe University Frankfurt
Department of Paleobiology and Environment, Institute of Ecology, Evolution, and Diversity, Goethe University Frankfurt
Senckenberg Research Institute and Natural History Museum Frankfurt
Senckenberg Biodiversity and Climate Research Centre, Frankfurt
Department of Human Evolution, Max Planck Institute for Evolutionary Anthropology, Leipzig
Emmy Noether Group for Hominin Meat Consumption, Max Planck Institute for Chemistry, Mainz
ROCEEH Research Centre, Heidelberg Academy of Sciences and Humanities

Frankreich
Université Paris Cité, CNRS
Université de Bordeaux, CNRS, Pessac
Eco-anthropologie (EA), Muséum national d'Histoire naturelle, CNRS, Université de Paris, Musée de l'Homme

Großbritannien
Skeletal Biology Research Centre, School of Anthropology and Conservation, University of Kent, Canterbury
Department of Earth Sciences, Natural History Museum, London

Italien
Bioarchaeology Service, Museum of Civilizations, Rome
Department of Cultural Heritage, University of Padova

Hintergrundinformationen:

Frühe Urmenschen ernährten sich äußerst flexibel (2018)
https://www.puk.uni-frankfurt.de/75395991/Fr%C3%BChe_Urmenschen_ern%C3%A4hrten_sich_%C3%A4u%C3%9Ferst_flexibel

Was Milchzähne verraten: Neanderthaler-Mütter stillten nach fünf bis sechs Monaten ab (2020)
https://aktuelles.uni-frankfurt.de/forschung/kein-grund-fuers-aussterben-neanderthaler-muetter-stillten-nach-fuenf-bis-sechs-monaten-ab/

Zähne vom Urahn: Der Fund eines Unterkiefers in Malawi und die Folgen (Forschung Frankfurt 1/2022)
https://www.forschung-frankfurt.uni-frankfurt.de/122805183.pdf

Bilder zum Download:
https://www.uni-frankfurt.de/130763620

Bildtexte:
1_Homo_tooth_blocks
In Epoxy-Harz eingebetteter Homo erectus Zahn nach dem Schneiden. Bild: Alessia Nava/ Luca Bondioli

2_Homo_tooth_thin slice
Polierter Dünnschliff eines Homo erectus Zahns vor der chemischen Analyse mittels Laser-Ablation Plasma Massenspektrometrie (LA-ICPMS). Bild: Alessia Nava/ Luca Bondioli

3_Pongo_tooth_composit
Mikroskopisches Bild eines Orang-Utan Zahn-Dünnschliffs, wodurch man die interne Wachstumsstruktur des Zahnschmelzes sehr gut erkennen kann; im rechten Bild sind die unterschiedlichen Laser-Ablations Pfade in pink, einzelne Retzius-Linien in grün hervorgehoben. Bild: Alessia Nava/ Luca Bondioli

4_Kubat_Julide_Lab
Jülide Kubat beim Auswählen von Ablationspfaden (blau) am Computer des Laser-Ablation Plasma Massenspektrometers (LA-ICPMS). Bild: Wolfgang Müller

5_Kubat_Julide_Muller_Wolfgang_LA_ICPMS
Jülide Kubat und Wolfgang Müller beladen das LA-ICPMS mit einem Zahn-Dünnschliff zur Analyse. Bild: Jülide Kubat

Weitere Informationen
Prof. Dr. Wolfgang Müller
Institut für Geowissenschaften /
Frankfurt Isotope and Element Research Center (FIERCE)
Goethe Universität Frankfurt
Tel. +49 (0)69 798 40291
w.muller@em.uni-frankfurt.de
http://www.uni-frankfurt.de/49540288/Homepage-Mueller

Jülide Kubat
Faculté de Chirurgie Dentaire
Université Paris Cité
julide.kubat@parisdescartes.fr
Twitter: @julide_kubat_


Redaktion: Dr. Markus Bernards, Referent für Wissenschaftskommunikation, Büro PR & Kommunikation, Telefon 069 798-12498, Fax 069 798-763-12531, bernards@em.uni-frankfurt.de

 

Jan 12 2023
11:30

Theatergruppe des Instituts für England- und Amerikastudien der Goethe-Universität zeigt The Dumb Waiter von Harold Pinter und Arthur Kopits Chamber Music. 26./27. Januar sowie 2./3./4. Februar 2023

Die Absurdität der Macht: Chaincourt Theatre Company kehrt zurück mit zwei Stücken

FRANKFURT. Was geschieht, wenn man Jeanne D'Arc, Amelia Earhart und Gertrude Stein mit vier weiteren berühmten Frauen in einen Raum bringt? Die Frage mag absurd klingen – die Antwort wirkt es zunächst auch. Denn in Arthur Kopits Stück Chamber Music befindet sich besagter Raum in einer Nervenheilanstalt– und ob die Frau in der Rüstung („das Kreuz war mit dabei!“) dann wirklich Jeanne D'Arc ist, darf wohl bezweifelt werden. Zweifelhaft ist aber auch die Institution, die die Frauen zusammenbringt, und zulässt, vielleicht sogar forciert, dass sie sich immer tiefer in eine gewähnte tödliche Gefahr hineinsteigern – bis zur fatalen Eskalation. Die Absurdität der Situation verleiht dem Stück dabei sowohl Witz als auch Tragik; wer hier am Ende verrückt ist, bleibt offen.

Auch Nobelpreisträger Harold Pinter deckt in The Dumb Waiter schonungslos die Absurdität menschlicher Kommunikation auf – ob zwischen den Protagonisten oder seitens des Unbekannten, der ihnen von abseits der Bühne scheinbar sinnlose Nachrichten sendet. Die Handlung des Stücks, das seine Uraufführung in Frankfurt hatte, ist einfach erklärt: Zwei Auftragskiller warten auf ihr nächstes Opfer. Doch das Warten zieht sich hin und die Spannung im Raum wird beinahe greifbar. Der Auftraggeber ist der ungesehene Dritte – der Einzige, der die Macht hat, die Spannung aufzulösen und es dann auf gänzlich unerwartete Weise tut.

Mit den beiden Einaktern meldet sich die Chaincourt Theatre Company auf ihrer Heimatbühne an der Goethe-Universität zurück. Die seit den fünfziger Jahren bestehende Theatergruppe des Instituts für England- und Amerikastudien musste zuletzt aufgrund der Covid-19-Pandemie pausieren. Inszeniert werden die Stücke vom langjährigen künstlerischen Direktors James Fisk, Dozent in der Amerikanistik. Die Hauptrollen auf und hinter der Bühne übernehmen Studierende des Fachbereichs. Beide Werke werden in der Originalsprache Englisch aufgeführt.

Chaincourt Theatre Company:
The Dumb Waiter u. Chamber Music
26./27. Januar sowie 2./3./4. Februar 2023,
Einlass: 18:30 Uhr, Beginn der Vorstellung: 19:30 Uhr
Nebengebäude des IG-Farben-Hauses, Raum NG 1.741
Campus Westend, Goethe-Universität Frankfurt,
10 Euro bzw. 5 Euro (ermäßigt)

Karten sind eine Stunde vor Vorstellungsbeginn an der Abendkasse erhältlich.

Kontakt:
James Fisk, Institut für England- und Amerikastudien, Goethe-Universität Frankfurt, fisk@em.uni-frankfurt.de


Redaktion: Dr. Dirk Frank, Pressereferent / stv. Leiter, Büro für PR & Kommunikation, Telefon 069 798–13753, frank@pvw.uni-frankfurt.de

 

Jan 9 2023
10:21

Partikelanalysen und Laborexperimente zeigen Entstehung von Ultrafeinstaub – Studie der Goethe-Universität Frankfurt in Kooperation mit Hessischem Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie

Schmieröle von Flugzeugen sind wichtige Quelle für Ultrafeinstaub

Messungen des Hessischen Landesamts für Naturschutz, Umwelt und Geologie (HLNUG) haben in den vergangenen Jahren gezeigt, dass der Frankfurter Flughafen eine bedeutende Quelle ultrafeiner Partikel ist und sich diese weit über das Stadtgebiet verbreiten können. Wissenschaftler:innen der Goethe-Universität Frankfurt haben jetzt in Zusammenarbeit mit Expert:innen des HLNUG herausgefunden, dass die ultrafeinen Partikel zu einem Teil aus synthetischen Turbinenschmierölen bestehen. Die Wissenschaftler:innen folgern, dass bei der Verbesserung der Luftqualität neben den Emissionen durch Kerosin auch die durch Schmieröl reduziert werden müssen, damit die Ultrafeinstaubkonzentration abnimmt.

FRANKFURT. Ultrafeinstaub entsteht bei Verbrennungsprozessen, zum Beispiel bei der Verfeuerung von Holz oder Biomasse, durch Kraftwerke und durch Industrieanlagen. Neben dem Straßenverkehr sind große Flughäfen eine bedeutende Quelle für die ultrafeinen Partikel mit einer Größe von weniger als 100 Millionstel Millimeter (100 Nanometer). Weil sie so klein sind, können sie tief in die unteren Atemwege eindringen, die Blut-Luft-Schranke überwinden und, je nach ihrer Zusammensetzung, im Gewebe beispielsweise Entzündungen hervorrufen. Ferner steht Ultrafeinstaub im Verdacht, Herz-Kreislauf-Erkrankungen auslösen zu können.

Seit mehreren Jahren misst das Hessische Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie (HLNUG) die Anzahl und Größe ultrafeiner Partikel an verschiedenen Luftmessstationen im Umfeld des Frankfurter Flughafens, beispielsweise im Frankfurter Stadtteil Schwanheim und in Raunheim. Im vergangenen Jahr analysierten Wissenschaftler:innen um Prof. Alexander Vogel von der Goethe-Universität die chemische Zusammensetzung der Ultrafeinstaubpartikel und stießen auf eine Gruppe organischer Verbindungen, die ihren chemischen Fingerabdrücken zufolge aus Turbinen-Schmierölen stammten.

Jetzt hat das Wissenschaftsteam diesen Befund durch weitere chemische Messungen der Ultrafeinstaubpartikel bestätigt: Die Partikel stammen zu einem bedeutenden Teil aus synthetischen Turbinenschmierölen und waren besonders stark in den kleinsten Partikelklassen vertreten, die 10 bis 18 Nanometer große Partikel umfassen. Solche Schmieröle können zum Beispiel über Entlüftungsöffnungen, in denen nanometergroße Schmieröltröpfchen und Öldämpfe nicht vollständig abgeschieden werden, in den Abgasstrom der Turbine gelangen.

In Laborexperimenten gelang es zudem, die Bildung ultrafeiner Partikel aus Schmierölen nachzustellen. Dazu wurde ein gängiges Turbinenschmieröl in einem heißen Gasstrom, der die Turbinenabgase simulierte, zunächst bei rund 300 Grad Celsius verdampft, dann abgekühlt und anschließend die Anzahl-Größenverteilung der gebildeten Partikel gemessen.

Der Atmosphärenchemiker Prof. Alexander Vogel vom Institut für Atmosphäre und Umwelt der Goethe-Universität erklärt: „Wenn das verdampfte Schmieröl abkühlt, sind die gasförmigen synthetischen Ester übersättigt und bilden die Kerne für neue Partikel, die rasch zu Partikeln von rund 10 Nanometern Größe anwachsen können. Diese Partikel, so legen es unsere Untersuchungen nahe, machen einen großen Teil des Ultrafeinstaubs aus, der an Flugzeugturbinen entsteht. Die bisherige Annahme, Ultrafeinstaub entstehe vorwiegend aus Schwefel- und aromatischen Verbindungen aus dem Kerosin, trifft offenbar nicht zu. Eine Reduzierung der Schmierölemissionen birgt nach unserer Erkenntnis ein wichtiges Potenzial zur Minderung der ultrafeinen Partikel.“

Die Untersuchungen zeigen, dass die Bildung ultrafeiner Partikel an Turbinen nicht auf die Verbrennung von Kerosin allein beschränkt ist. Dies sollte bei möglichen Minderungsmaßnahmen berücksichtigt werden. Die Verwendung schwefelarmer Kerosine oder die Umstellung auf nachhaltig hergestellte Kraftstoffe können somit nur einen Teil der Ultrafeinstaubbelastung reduzieren.

Die Belastung durch ultrafeine Partikel und deren gesundheitliche Auswirkung wird ab 2023 im Rahmen einer umfangreichen wissenschaftlichen Studie des Landes Hessen untersucht werden. Hierbei können die Ergebnisse der aktuellen Studie helfen, flughafenspezifische Partikel zu identifizieren und mögliche Minderungsmaßnahmen abzuleiten.

Publikation: Florian Ungeheuer, Lucía Caudillo, Florian Ditas, Mario Simon, Dominik van Pinxteren, Dogushan Kilic, Diana Rose, Stefan Jacobi, Andreas Kürten, Joachim Curtius, Alexander L. Vogel: Nucleation of jet engine oil vapours is a large source of aviation-related ultrafine particles. Communications Earth & Environment (2022) https://doi.org/10.1038/s43247-022-00653-w

Bilder zum Download: https://www.uni-frankfurt.de/130014225

Bildtext: Schmieröl in den heißen Abgasen von Flugzeugturbinen kann Ultrafeinstaubpartikel bilden, sobald sich die Abgase abkühlen. Dies zeigte jetzt eine Studie der Goethe-Universität Frankfurt und des Hessischen Landesamts für Naturschutz, Umwelt und Geologie. Foto: Alexander Vogel, Goethe-Universität Frankfurt

Weitere Informationen
Prof. Dr. Alexander L. Vogel
Institut für Atmosphäre und Umwelt
Goethe Universität Frankfurt
Tel. +49 (0)69 798-40225
vogel@iau.uni-frankfurt.de
www.iau.uni-frankfurt.de
Twitter: @al_vogel, @HLNUG_Hessen


Redaktion: Dr. Markus Bernards, Referent für Wissenschaftskommunikation, Büro für PR & Kommunikation, Telefon 069 798-12498, Fax 069 798-763-12531, bernards@em.uni-frankfurt.de

 

Jan 6 2023
13:56

STUDIENGALERIE 1.357 zeigt Ausstellung zu Schwarzen und queeren Perspektiven auf deutsche Geschichte, Politik und Kultur

James Gregory Atkinson: 6 Friedberg-Chicago (2021)

FRANKFURT. Nach James Gregory Atkinsons international rezipierter Ausstellung 6 Friedberg-Chicago im Dortmunder Kunstverein (2022) kann nun der Film 6 Friedberg-Chicago in der Studiengalerie 1.357 im IG Farben-Haus der Goethe-Universität präsentiert werden - an dem Ort, von dem aus die US-amerikanische Militärbesatzung die Politik und Gesellschaft der Bundesrepublik maßgeblich geprägt hat:

Einladung zur Ausstellung in der STUDIENGALERIE 1.357:
James Gregory Atkinson – 6 Friedberg-Chicago (2021)
11.01.-10.02.2023, IG Farben-Haus,
Campus Westend, Raum 1.357
Eröffnung: Mittwoch, 11. Januar 2023, 20.00 Uhr


In 6 Friedberg-Chicago (2021) werden die Bewegungen und Gruppenformationen der jungen Schwarzen Protagonisten in den Ray Barracks – einer ehemaligen Kaserne der US-Armee in Friedberg – von Harfenklängen begleitet. Ahya Simones interpretiert das Toxi-Lied aus Toxi (BRD, 1952, Robert A. Stemmle), einem Film, der die Frage nach der familiären und nationalen Zugehörigkeit afrodeutscher Kinder in der frühen Bundesrepublik stellt. Die Väter der jungen Männer in 6 Friedberg-Chicago waren, ebenso wie Atkinsons eigener Vater, als afroamerikanische US-Soldaten in Hessen stationiert. Atkinsons emotionaler Film findet ästhetische Bilder dafür, wie Schwarze Deutsche durch die sie umgebende Kultur geformt und ihnen bestimmte Rollen zugedacht werden. Die stillstehenden, sich bewegenden und tanzenden Körper inkorporieren Zuschreibungen und entziehen sich ihnen zugleich. Er ist Antwort auf die Unsichtbarkeit Schwarzer Lebenswege und Identitäten in der weißen Dominanzgesellschaft.

6 Friedberg-Chicago ist Teil eines ständig wachsenden nichtlinearen Archivs aus Texten, Bildern, Objekten und Zeitzeugenberichten, das sich mit der Rezeption Schwarzer Soldaten in Deutschland sowie deren in Deutschland geborenen Kindern befasst. James Gregory Atkinson verbindet in seinen recherchebasierten Projekten Autobiografisches mit politischer Geschichte und reagiert auf die extreme Unvollständigkeit offizieller Archive Schwarzer Menschen in Deutschland. Dabei greift Atkinson auf transnationale queere und Schwarze Narrative zurück, modifiziert diese und bringt sie in einen Dialog mit der Gegenwart.

James Gregory Atkinson (*1981 in Bad Nauheim) studierte bei Douglas Gordon an der Städelschule, Frankfurt und erhielt Stipendien und Künstlerresidenzen in der Villa Aurora, Los Angeles (2016), der Jan Van Eyck Akademie, Maastricht (2017) sowie ein Atelierstipendium der Hessischen Kulturstiftung in New York (2018).

Die Ausstellung wurde realisiert mit freundlicher Unterstützung des US-Generalkonsulats in Frankfurt am Main.

Die Studiengalerie 1.357 ist eine Kooperation des Städel Museums, des MMK Museum für Moderne Kunst Frankfurt, des Forschungszentrums Historische Geisteswissenschaften und der Goethe-Universität Frankfurt. Sie realisiert pro Jahr vier Ausstellungen zur zeitgenössischen Kunst, die in Lehrveranstaltungen von Studierenden verschiedener Disziplinen erarbeitet werden. https://www.studiengalerie.uni-frankfurt.deFollow us on instagram: https://www.instagram.com/studiengalerie1.357/

Kontakt:
Prof. Dr. Antje Krause-Wahl, Kunstgeschichtliches Institut, Goethe-Universität Frankfurt am Main, Krause-Wahl@em.uni-frankfurt.de
Franka Schlupp, franka.schlupp@em.uni-frankfurt.de  


Redaktion: Dr. Dirk Frank, Pressereferent / stv. Leiter, Büro für PR & Kommunikation, Telefon 069 798–13753, frank@pvw.uni-frankfurt.de

 

Jan 6 2023
10:06

Zellkulturstudien von Goethe-Universität und University of Kent belegen Wirksamkeit von Tecovirimat, Cidofovir und Brincidofovir – Frankfurter Arbeitsgruppe wird von der Frankfurter Stiftung für krebskranke Kinder gefördert

Affenpockenviren bleiben empfindlich gegenüber den verfügbaren Medikamenten

Die drei gängigen antiviralen Medikamente zur Behandlung von Mpox-Viren (Affenpockenviren) wirken auch gegen die Mpox-Viren des derzeitigen Mpox-Ausbruchs. Dies legen Zellkulturstudien von Wissenschaftlern der Goethe-Universität Frankfurt/Universitätsklinikum Frankfurt und der University of Kent im britischen Canterbury nahe.

FRANKFURT/CANTERBURY. Das Affenpockenvirus ist mit dem Pockenvirus (Variola Virus) eng verwandt, das bis zu seiner Ausrottung durch Impfung Ende der 1970er-Jahre große Ausbrüche mit hohen Todesraten verursacht hat. Während die heute ausgerotteten Pocken einen sehr schweren Krankheitsverlauf mit einer Sterberate von etwa 30 Prozent verursachten, sind Affenpocken eine mildere Erkrankung. Trotzdem beträgt die Todesrate noch etwa drei Prozent. Als besonders gefährdet durch einen schweren Verlauf gelten Menschen mit einem geschwächten Immunsystem, Alte, Schwangere, Neugeborene und kleine Kinder. Bis vor kurzem kamen Affenpocken nur in bestimmten Teilen Afrikas vor, wenn sich Menschen durch Kontakt mit Wildtieren infizierten, vor allem mit Nagetieren wie der Gambia-Riesenhamsterratte oder dem Rotschenkelhörnchen.

Im Mai 2022 wurde jedoch zum ersten Mal ein großer Affenpockenausbruch außerhalb von Afrika entdeckt; die Viren verbreiteten sich ausschließlich durch die Übertragung von Mensch zu Mensch. Dieser andauernde Ausbruch hat bisher mehr als 100 Länder erreicht und wurde von der Weltgesundheitsorganisation WHO als „Gesundheitliche Notlage internationaler Tragweite“ eingestuft.

Ungefähr zehn Prozent der Patienten mit Affenpocken müssen im Krankenhaus behandelt werden. Darüber hinaus unterscheidet sich der derzeitige Affenpockenausbruch nicht nur in seinem Übertragungsweg, sondern auch in der Krankheitssymptomatik von bisherigen Ausbrüchen. Diese Unterschiede im Verhalten des Virus gaben Anlass zu Befürchtungen, dass sich die derzeit zirkulierenden Affenpockenviren soweit verändert hätten, dass sie auf die verfügbaren Medikamente nicht mehr ansprechen würden.

In diesem Zusammenhang gelang es einem internationalen Forschungsteam unter der Leitung von Prof. Jindrich Cinatl vom Institut für Medizinische Virologie, Goethe-Universität Frankfurt/Universitätsklinikum Frankfurt, und Prof. Martin Michaelis von der School of Biosciences der University of Kent, Affenpockenviren von 12 Patienten des aktuellen Ausbruchs zu isolieren und in Zellkultur zu vermehren. Dies ermöglichte es, diese Affenpockenvirusisolate in Kulturen von Hautzellen, die natürlicherweise von Affenpockenviren infiziert werden, auf ihre Empfindlichkeit gegenüber drei verfügbaren Medikamenten zur Behandlung von Affenpocken zu untersuchen: Tecovirimat, Cidofovir und Brincidofovir.

Die Ergebnisse zeigten, dass alle 12 Isolate weiter auf die Behandlung mit klinisch erreichbaren Konzentrationen der üblicherweise verwendeten Medikamente ansprachen.

Prof. Jindrich Cinatl sagte: “Wir waren wirklich besorgt, dass sich das Virus so verändert haben könnte, dass es resistent gegenüber den gängigen Therapien geworden wäre. Glücklicherweise ist dies nicht der Fall."

Prof. Martin Michaelis ergänzte: “Diese Ergebnisse sind sehr beruhigend und geben berechtigten Grund zu der Annahme, dass die verfügbaren antiviralen Therapien auch im derzeitigen Ausbruch weiter gegen die Affenpocken wirksam sein werden."

Die Frankfurter Forschungsgruppe „Interdisziplinäres Labor für pädiatrische Tumor- und Virusforschung“ unter der Leitung von Prof. Jindrich Cinatl wird von der Frankfurter Stiftung für Krebskranke Kinder gefördert und ist im Dr. Petra Joh-Forschungshaus der Stiftung angesiedelt.

Publikation: Denisa Bojkova, Marco Bechtel, Tamara Rothenburger, Katja Steinhorst, Nadja Zöller, Stefan Kippenberger, Julia Schneider, Victor M. Corman, Hannah Uri, Mark N. Wass, Gaby Knecht, Pavel Khaykin, Timo Wolf, Sandra Ciesek, Holger F. Rabenau, Martin Michaelis, Jindrich Cinatl jr. Drug sensitivity of currently circulating monkeypox viruses. New England Journal of Medicine (2022) https://www.nejm.org/doi/full/10.1056/NEJMc2212136

Weitere Informationen
Prof. Dr. rer. nat. Jindrich Cinatl
Institut für Medizinische Virologie
Universitätsklinikum Frankfurt / Goethe-Universität Frankfurt
Dr. Petra Joh-Forschungshaus
Tel.: +49 (0) 69 6301-6409
cinatl@em.uni-frankfurt.de

Prof. Dr. Martin Michaelis
School of Biosciences
University of Kent
Tel: +44 (0)1227 82-7804
Handy: +44 (0)7561 333 094
m.michaelis@kent.ac.uk
Twitter:@MartMichaelis


Redaktion: Dr. Markus Bernards, Referent für Wissenschaftskommunikation, Büro PR & Kommunikation, Telefon 069 798-12498, Fax 069 798-763-12531, bernards@em.uni-frankfurt.de