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Sep 3 2020
11:32

​ Archäologen aus Frankfurt und München belegen Ursprung im ersten Jahrtausend v. Chr.

Himmelsscheibe von Nebra wird neu datiert

FRANKFURT. Bisher galt die Himmelsscheibe von Nebra als frühbronzezeitlich und damit als älteste Himmelsdarstellung der Welt. Archäologen der Goethe-Universität Frankfurt und der Ludwig-Maximilians-Universität München analysierten nun erneut verschiedenste Daten zur Rekonstruktion von Fundort und Begleitumständen der Funde. Im Ergebnis muss die Scheibe in die Eisenzeit datiert werden und ist damit rund 1000 Jahre jünger ist als bisher angenommen. Damit sind alle bisherigen astronomischen Interpretationen hinfällig.

Die Himmelsscheibe von Nebra ist einer der bedeutendsten archäologischen Funde Deutschlands und zählt seit 2013 zum UNESCO-Weltdokumentenerbe. Sie wurde 1999 bei Raubgrabungen gefunden, nach Angaben der Raubgräber zusammen mit bronzezeitlichen Schwertern, Beilen und Armschmuck. Dieser Fundzusammenhang war für die wissenschaftliche Datierung wichtig, denn die Scheibe selber konnte weder naturwissenschaftlich noch archäologisch durch Vergleiche mit anderen Objekten datiert werden. In langjährigen Untersuchungen versuchten daher mehrere Forschergruppen, sowohl die Zuweisung des angeblichen Fundortes als auch die Zusammengehörigkeit der Objekte unabhängig von den vagen Angaben der Raubgräber zu verifizieren.

Rupert Gebhard, Direktor der Archäologischen Staatssammlung München und Professor an der Ludwig-Maximilians-Universität München, und Rüdiger Krause, Professor für Vor- und Frühgeschichte Europas an der Goethe-Universität Frankfurt, haben jetzt Fundumstände und Forschungsergebnisse zur Himmelsscheibe von Nebra umfassend analysiert. Ihre Ergebnisse: Bei der Stelle, die bisher als Fundort galt und die in einer Nachgrabung untersucht wurde, handele es sich mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht um die Fundstelle der Raubgräber. Es gebe zudem keine überzeugenden Hinweise darauf, dass die bronzezeitlichen Schwerter und Beile sowie der Armschmuck ein zusammengehöriges Ensemble bilden. Deshalb müsse man davon ausgehen, dass sich nicht um eine der typischen Deponierungen der Bronzezeit handelt und die Scheibe sich nicht zusammen mit den anderen Objekten in originaler Lage im Grabungsloch befunden habe.

Damit, so die Archäologen, müsse die Scheibe als Einzelfund untersucht und bewertet werden. Stilistisch und kulturell lässt sich die Himmelsscheibe nicht in die frühbronzezeitliche Motivwelt des beginnenden zweiten Jahrtausends vor Christus einfügen. Deutlichere Bezüge lassen sich hingegen zur Motivwelt der Eisenzeit des ersten Jahrtausends vor Christus herstellen. Auf einer divergierenden Datenlage und auf Grundlage dieser neuen Einschätzung, so Gebhard und Krause, müssen alle bisherigen, teilweise weitreichenden kulturgeschichtlichen Schlussfolgerungen neu und ergebnisoffen diskutiert werden und die Scheibe in anderen Zusammenhängen als bisher interpretiert und bewertet werden. Grundlage hierzu müsse die Vorlage aller bisher nicht veröffentlichten Daten und Fakten sein.

Ausführlichere Informationen auf der Seite der Deutsche Gesellschaft für Ur- und Frühgeschichte https://dguf.de/himmelsscheibe.html

Publikation: Rupert Gebhard & Rüdiger Krause, Kritische Anmerkungen zum Fundkomplex der sog. Himmelsscheibe von Nebra. In: Archäologische Informationen. Early View: Zitierfähige Online-Fassung mit vorläufiger Seitenzählung. Nach Erscheinen des gedruckten Bandes finden Sie den Beitrag mit den endgültigen Seitenzahlen im Open Access dort: http://journals.ub.uni-heidelberg.de/arch-inf. Den gedruckten Band erhalten Sie unter http://www.archaeologische-informationen.de

Bilder zum Download: http://www.uni-frankfurt.de/91701141

Bildtexte:
1. Die Himmelsscheibe von Nebra im Zustand vor der Übernahme des Landesmuseums Halle an der Saale. Foto: Hildegard Burri-Bayer
2. Bronzezeitliche Schwerter, Beile und Armschmuck, angeblich zusammen mit Himmelsscheibe von Nebra gefunden. Zustand vor der Übernahme des Landesmuseums Halle an der Saale. Foto Hildegard Burri-Bayer

Weitere Informationen:
Prof. Dr. Rüdiger Krause
Prof. Dr. Rupert Gebhard
über
Pressestelle der Goethe-Universität Frankfurt
Dr. Markus Bernards
Tel. +49 (0)69 798 12498
bernards@em.uni-frankfurt.de