​​​​​​​Pressemitteilungen ​​​​​​ ​ – 2021

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Pressestelle Goethe-Universität

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Jan 11 2021
12:04

AIWG veröffentlicht Expertise zu islamischem Religionsunterricht

Politische Debatten verdecken positive Effekte des Islamunterrichts

Die Akademie für Islam in Wissenschaft und Gesellschaft (AIWG) an der Goethe-Universität hat heute ihre neue Expertise zum islamischen Religionsunterricht in Deutschland veröffentlicht. Die Publikation „Islamischer Religionsunterricht in Deutschland: Qualität, Rahmenbedingungen, Umsetzung“ bietet einen Überblick zu Lehrinhalten und rechtlichen Rahmenbedingungen. Zudem nehmen die Autorinnen und Autoren die konkrete Umsetzung des Schulfachs in ausgewählten Bundesländern in den Blick, darunter Nordrhein-Westfalen, Bayern und Hessen.

FRANKFURT. Religionsunterricht ist das einzige Fach, das im deutschen Grundgesetz verankert ist. Der Staat steht also in der Verantwortung, strukturelle Rahmenbedingungen zu schaffen und personelle Ressourcen bereitzustellen, damit Religionsunterricht in deutschen Klassenzimmern stattfinden kann. Trotzdem haben muslimische Kinder bislang nicht in allen Bundesländern die Möglichkeit, an einem „bekenntnisorientierten“ Unterricht in ihrer Religion teilzunehmen. Aktuell nehmen 60.000 Schülerinnen und Schüler in Deutschland am islamischen Religionsunterricht beziehungsweise am islamkundlichen Unterricht teil. Das ist nur ein Bruchteil aller muslimischen Kinder und Jugendlichen an deutschen Schulen insgesamt, deren Anzahl auf 580.000 geschätzt wird.

Politische Aspekte bestimmen Debatten zum islamischen Religionsunterricht

Aus Sicht der Autorinnen und Autoren dominieren in den Diskussionen über den islamischen Religionsunterricht vor allem rechtliche und politische Aspekte: Welche islamischen Organisationen eignen sich als Gegenüber für den Staat? Wie hoch ist das Risiko, dass sich ausländische Einrichtungen in den Unterricht einmischen? Und welche Auswirkungen hätte es, wenn islamische Organisationen als Religionsgemeinschaften anerkannt würden? Bei diesen Debatten kommen Aspekte, die ebenso wichtig sind, oft zu kurz. Den Autorinnen und Autoren zufolge sind das: die Qualität des Unterrichts, die Ausbildung von Standards in der Lehrkräfteausbildung, die fehlende empirische Unterrichtsforschung, der Auf- und Ausbau des islamischen Religionsunterrichts sowie die positiven Effekte, die Religionsunterricht – unabhängig von Konfession oder Glaubensrichtung – für eine Gesellschaft haben kann.

Dazu Dr. Fahimah Ulfat, Professorin für islamische Religionspädagogik an der Universität Tübingen und Mitautorin der Expertise: „Der islamische Religionsunterricht übt eine zentrale Anerkennungsfunktion von religiöser Pluralität in Schule und Gesellschaft aus. Schüler_innen muslimischen Glaubens können sich, ebenso wie ihre Mitschüler_innen christlichen Glaubens, im Unterricht mit ihrer Religion kritisch und reflektiert auseinandersetzen. Ihre Religion wird als Normalität im Kontext Schule anerkannt. Der islamische Religionsunterricht ist in der Schule häufig der einzige Ort, an dem über Islam und Menschen muslimischen Glaubens in einer wertschätzenden Art und Weise gesprochen wird, aber auch an dem über viele religiöse und ethische Fragen, die junge Muslim_innen in Deutschland beschäftigen, offen diskutiert wird. Der Religionsunterricht leistet einen Beitrag zur Bildung, da er zur Aneignung von Wissen, zum Verstehen, zur Perspektivenübernahme und somit zur Handlungsfähigkeit im Sinne von Kommunikation und Partizipation befähigt. Diese Kenntnisse und Fähigkeiten sind Grundlage für Haltungen wie Toleranz, wechselseitiger Respekt und Anerkennung des Anderen. Dies sind entscheidende Argumente für eine Beibehaltung und den Ausbau des islamischen Religionsunterrichts in einer religionspluralen Gesellschaft.“

Warum steht islamischer Religionsunterricht bislang nicht in den Lehrplänen aller Bundesländer?

Ein Grund dafür ist, dass die meisten Bundesländer aufgrund religionspolitischer Bedenken islamische Religionsgemeinschaften bislang nicht als Körperschaften des öffentlichen Rechts anerkannt haben. Deshalb gibt es – mit Ausnahme des Religionsunterrichts der Ahmadiyya-Gemeinschaft in Hessen, an dem allerdings nur wenige Schüler teilnehmen, – in Deutschland keinen islamischen Religionsunterricht, für den eine einzelne islamische Religionsgemeinschaft verantwortlich ist.

Stattdessen werden entweder alternative Modelle praktiziert, in denen mehrere islamische Organisationen in übergreifenden Kommissionen, Beiräten oder über lokale Vertreterinnen und Vertreter eingebunden sind. Dies ist zum Beispiel der Fall in Baden-Württemberg, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen. Oder die Bundesländer erteilen eine in alleiniger staatlicher Verantwortung stehende Islamkunde, wie etwa in Bayern oder Schleswig-Holstein. Beide Modelle werfen jedoch verfassungsrechtliche Probleme auf: „Einerseits sieht das Grundgesetz keinen Religionsunterricht vor, der ohne anerkannte Religionsgemeinschaft erteilt wird. Andererseits ist die Gefahr hoch, dass der Staat durch die Erteilung eines Islamkundeunterrichts gegen seine Verpflichtung verstößt, religiös und weltanschaulich neutral zu sein. Denn hier bestimmen staatliche Akteurinnen und Akteure de facto, welche Inhalte einer Religion gelehrt werden sollen und welche nicht“, sagt Dr. Jan Felix Engelhardt, Geschäftsführer an der AIWG und Mitautor der Expertise.

Die Autorinnen und Autoren:

Dr. Fahimah Ulfat ist Professorin für Islamische Religionspädagogik am Zentrum für Islamische Theologie der Eberhard-Karls-Universität Tübingen. Zu ihren Forschungsschwerpunkten zählen unter anderem die empirische Erforschung von Glaubens- und Wissenskonzepten muslimischer Kinder und Jugendlicher, die wissenschaftliche Begleitung, Erforschung und Weiterentwicklung des islamischen Religionsunterrichts sowie die Erforschung der theologischen und pädagogischen Professionalität von Lehrkräften für den islamischen Religionsunterricht.

Esra Yavuz hat Islamische Theologie sowie Mathematik, Deutsch und Islamische Religion auf Lehramt studiert. Seit 2018 unterrichtet sie diese Fächer an einer Grundschule in Frankfurt am Main. Sie ist Expertin für islamischen Religionsunterricht in Deutschland mit praktischer Erfahrung in Hessen sowie für interreligiöses Lernen im schulischen Kontext. 

Dr. Jan Felix Engelhardt ist Geschäftsführer an der AIWG. Zu seinen Forschungsschwerpunkten zählen die Akademisierung muslimischer Wissensproduktion in Deutschland und Europa sowie das Verhältnis zwischen Theologie, Gesellschaft und Politik.

Über die Publikationsreihe „AIWG-Expertisen“ und „AIWG in puncto“:

Mit ihren Publikationsreihen „AIWG-Expertisen“ und „AIWG in puncto“ möchte die AIWG Wissensbedarfe zum Islam in Deutschland decken, Debatten versachlichen sowie Erkenntnislagen verbessern. Den von Expertinnen und Experten erarbeiteten Wissensstand, ihre Einschätzung und Diskussionspunkte stellt die AIWG in anschaulicher Form einer breiten Öffentlichkeit bereit. Die „AIWG-Expertisen“ präsentieren eine vertiefte Erörterung des jeweiligen Themas. „AIWG in puncto“ behandelt eine konkrete Fragestellung in Kurzform und stellt thesenartige Einschätzungen zur breiten Diskussion.

Über die AIWG

Die AIWG ist eine universitäre Plattform für Forschung und Transfer in islamisch-theologischen Fach- und Gesellschaftsfragen. Sie ermöglicht überregionale Kooperationen und Austausch zwischen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der islamisch-theologischen Studien und benachbarter Fächer sowie Akteurinnen und Akteuren aus der muslimischen Zivilgesellschaft und weiteren gesellschaftlichen Bereichen. Die AIWG wird gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und durch die Stiftung Mercator.


Publikation: https://aiwg.de/publikationen-expertisen/

Weitere Informationen
Stefanie Golla
Koordinatorin Wissenschaftskommunikation und Öffentlichkeitsarbeit
Akademie für Islam in Wissenschaft und Gesellschaft
Goethe-Universität
Telefon 069 79822-459
E-Mail golla@aiwg.de
Homepage https://aiwg.de/

 

Jan 8 2021
14:24

Wissenschaftler:innen von Goethe-Universität und Universität Münster begleiten Modellbau des ALICE-Detektors im Teilchenbeschleuniger in Genf 

CERN-Detektor als Legomodell nachbauen – Einladung an Schüler:innen und Studierende

Das deutsche Netzwerk der ALICE-Kollaboration am CERN lädt Jugendliche ab 16 Jahren und Studierende der ersten Semester ein, den Teilchendetektor ALICE mit Lego nachzubauen. Physiker:innen der Goethe-Universität Frankfurt und der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster begleiten das Projekt. Vom 18. Januar an entwerfen die Teilnehmer:innen zunächst das Modell mit Konstruktionsprogrammen, im Juni soll der Lego-Detektor voraussichtlich in Frankfurt zusammengebaut werden. Mitmachen können junge Interessierte aus dem ganzen Bundesgebiet, da die Veranstaltungen online angeboten werden.

FRANKFURT / MÜNSTER (WESTF.) An der großen Teilchenbeschleunigeranlage CERN in Genf gehen Wissenschaftler:innen aus der ganzen Welt grundlegenden Fragen der Physik nach: Was ist Materie? Wie hat sich das Universum entwickelt? Dazu lassen die Forscher:innen Atomkerne mit hohen Geschwindigkeiten aufeinanderprallen und zerlegen sie in ihre elementaren Bestandteile. Vermessen werden diese Materie-Bausteine mithilfe großer Teilchendetektoren. Der ALICE-Detektor misst die Teilchen, die bei der Kollision von Blei-Ionen entstehen – 900 Millionen Teilchen pro Sekunde. Eines der Forschungsziele ist es, den Zustand von Materie kurz nach dem Urknall verstehen zu lernen.

Wie der 26 Meter lange und 16 Meter hohe ALICE-Detektor funktioniert, können Physik-interessierte Schülerinnen und Schüler jetzt in einem Online-Kurs erfahren, indem sie den Detektor nachbauen, maßstäblich und mit Lego-Bausteinen. Ähnliche Detektor-Nachbauten gab es in der Vergangenheit bereits für zwei weitere große CERN-Detektoren; das Modell für ALICE sollen die Teilnehmer:innen jetzt gemeinsam entwickeln und dabei lernen, wie das große ALICE-Original funktioniert und wie mit dem Detektor Forschungsfragen beantwortet werden können.

Unterstützt werden sie dabei von Physiker:innen der Goethe-Universität Frankfurt, der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster und weiteren Forschenden aus dem deutschen ALICE-Netzwerk, die Wissen über Teilchenphysik und das ALICE-Experiment, über Detektortechnologie und die Zusammenarbeit in einer Forschungskollaboration vermitteln und auch für Fragen zu Studium und Beruf zur Verfügung stehen.

Start: 18. Januar 2021, 16:00 Uhr
Anmeldung: https://indi.to/ALICE-Lego-Modell

Veranstaltungsposter zum Download:
https://indico.cern.ch/event/980071/attachments/2161765/3647814/Poster_ALICE_LEGO_Workshop_v3.pdf

Bild zum Download:
http://www.uni-frankfurt.de/96043535

Bildtext: Jugendliche ab 16 Jahren und Studierende der ersten Semester können in einem Online-Workshop den Teilchendetektor ALICE mit Lego nachzubauen. Copyright: Fotograf: Julien Ordan/CERN. Montage: WWU

Weitere Informationen
Marcus Mikorski
Koordinator für den Deutschen ALICE-Forschungsschwerpunkt
Goethe-Universität Frankfurt
Tel: 069 798-47099
marcus.mikorski@cern.ch

Prof. Dr. Christian Klein-Bösing
Institut für Kernphysik
Westfälische Wilhelms-Universität Münster
Tel.:  0251 83-34973
Christian.Klein-Boesing@uni-muenster.de