Mär 22 2005

Präsentation der Schrift ‚Beiträge zu Flora und Vegetation des Taunus’

Seltene Orchideen, 50 Brombeerarten und Bäche, die trocken fallen - der Taunus als Naturraum

Seit dem Jahr 2001 wird die im Jahre 1997 von der aus ehren- amtlichen Mitarbeitern bestehenden Taunus-AG begonnene Kartierung der Gefäßpflanzenflora des Taunus durch die Abteilung Ökologie und Geobotanik des Botanischen Institutes der Universität koordiniert. Auch ein großer Teil der Kartierungen wird seit diesem Zeitpunkt seitens der Mitarbeiter dieser Abteilung durchgeführt.

Seit 2001 unterstützt die Fraport AG das Projekt, das zunächst auf eine Laufzeit von drei Jahren ausgelegt war. Grund genug, die umfangreichen und zum Teil überraschenden Ergebnisse im Rahmen eines Zwischenberichtes zu präsentieren. Er fiel so überzeugend aus, dass das Projekt dank der Unterstützung der Fraport AG auch in den kommenden drei Jahren fortgesetzt werden kann.

Im Rahmen der Taunus-Kartierung konnten bislang insgesamt rund 1.300 Farn- und Blütenpflanzen nachgewiesen werden. Hiervon sind etwa fünf Prozent ‚unbeständig’; es handelt sich dabei um Verwilderungen aus Gärten und Anlagen, die eventuell bereits im kommenden Jahr nicht mehr vorhanden sein werden. Somit verbleiben aber immerhin noch etwa 1.200 Arten, das sind 40 Prozent der Flora Deutschlands, die knapp 3.100 Arten umfasst oder knapp 70 Prozent der Flora Hessens mit etwa 1.800 Arten.

Zu den Erkenntnissen der in den vergangenen Jahren geleisteten Arbeit zählt aber auch eine Bestandsaufnahme der im Taunus wildwachsenden Orchideenarten und ihrer bevorzugten Habitate. Aktuell kommen im Taunus 23 Arten vor; weitere fünf Arten kamen früher vor, sind aber inzwischen ausgestorben. Der Schwerpunkt der Verbreitung liegt im Westen. Dies liegt daran, dass die meisten Orchideen stark saure Böden, wie sie im mittleren und östlichen Taunus vorherrschen, meiden. Die eher wärmeliebenden Arten finden ihre Ansprüche eher im milderen Westtaunus als im rauen Zentraltaunus erfüllt. Die aktuell noch vorkommenden Orchideen gedeihen meist im mageren Grünland, wie das Kleine Knabenkraut (Orchis morio), das Helm-Knabenkraut (Orchis militaris) oder die Bienen-Ragwurz (Orchis apifera) oder im Feuchtgrünland wie das Breitblättrige Knabenkraut (Dactylorhiza majalis). Es gibt aber auch einige typische Waldarten, so die Vogelnestwurz (Neottia nidus-avis) sowie das Weiße, Rote und Schwertblättrige Waldvögelein (Cephalanthera damasonium, C. rubra, C. longifolia). Während der Bestand der meisten der Orchideen in letzter Zeit aufgrund verschiedener Ursachen stark zurückgegangen ist, hat sich eine Art deutlich ausgebreitet. Hierbei handelt es sich um die Breitblättrige Stendelwurz (Epipactis helleborine), die sich inzwischen auf vom Menschen geschaffenen Standorten wie Parkanlagen, Friedhöfen und sogar in kleineren Grünanlagen in Dörfern ausbreitet.

Insgesamt gibt es in Deutschland mehrere Hundert Brombeerarten. Die Mehrzahl von ihnen bevorzugt atlantisches Klima, insbesondere milde Winter. Im klimatisch relativ rauhen Taunus sind bisher ‚nur’ 50 Arten nachgewiesen worden. Davon kommen mehrere aber sogar in den höchsten Lagen wie Feldberg, Altkönig, Weilsberg und Glaskopf vor. Hier findet man auf einer Fläche von nur etwa 25 Quadratkilometern immerhin noch 26 verschiedene Arten, darunter auch eine, die nach dem Taunus benannt ist: Die Taunus-Brombeere (Rubus tauni). Wer die Blattform, die Bestachelung und Behaarung des Schösslings sowie die Blütenfarbe anschaut, merkt sehr bald, dass sich die einzelnen Brombeerarten in dieser Hinsicht genauso stark unterscheiden wie beispielsweise Johannisbeeren von Stachelbeeren oder Kirschen von Pflaumen. Allerdings sehen die Früchte aller Brombeeren gleich aus. Getreu dem biblischen Ausspruch ‚An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen’ tragen daher alle Brombeeren, trotz ihrer Verschiedenheit, den gleichen volkstümlichen Namen, während Apfel und Birne oder Johannisbeere und Stachelbeere unterschiedliche Namen haben müssen.

Moore, Feuchtwiesen und -wälderbestände des Taunus sind in den vergangenen Jahren erheblich zurückgegangen; viele Quellen, die noch vor 50 Jahren im Taunus sprudelten, sind heute völlig versiegt und Bäche, die früher ganzjährig Wasser führten, tun dies heute nur noch nach Regenfällen. Eingriffe in den Wasserhaushalt haben vielfältige Ursachen, darunter die Einrichtung von Grundwasserförderbrunnen, Stollen, Schürfe oder Quellfassungen, dies seit etwa 1888, Begradigung, Tieferlegung und Umlegung von Fließgewässern, Entwässerungen der Land- und Forstwirtschaft wie Drainagen und Gräben, Abwasserkanäle in den Auen der Fließgewässer, Flächenversiegelung durch Bauten mit verringerter Grundwasserneubildung und Hochwasserspitzen mit Tiefenerosion, Nadelbaumreinkulturen, die eine Verringerung der Grundwasserneubildung und Versauerung der Böden zur Folge haben, der Anschnitt von Wegeböschungen (Ableitung des Interflow) und der übertägige Abbau von Bodenschätzen, etwa im Quarzitwerk Köppern.

Mit den Lebensräumen sind zahlreiche spezialisierte Tier- und Pflanzenarten ebenfalls zurückgegangen oder ausgestorben. Dazu zählen Arten der Kleinseggenriede wie das Sumpf-Herzblatt (Parnassia palustris) oder die Sumpf-Stendelwurz (Epipactis palustris). Die Gefährdung der Feuchtwiesen kommt überdies klar durch einen Abgleich mit der ‚Roten Liste’ zum Ausdruck. Nach Einschätzung der von Stefan Nawrath für den südöstlichen Taunus erarbeiteten Roten Liste sind der Großteil der Feuchtwiesen-Pflanzengesellschaften gefährdet bis stark gefährdet.

Schließlich spiegelt sich die Verstädterung der Dörfer in den dort spontan vorkommenden Pflanzenarten wider. Früher war die Dorfbevölkerung überwiegend in der Landwirtschaft tätig: Es gab Bauernhöfe mit Misthaufen, Hühnerhöfen, Scheunen oder auch Dorfteiche. Heute sind viele dieser Strukturen weitgehend aus dem Dorfbild im Taunus verschwunden, weil viele Bewohner nicht mehr primär in der Landwirtschaft arbeiten.

Damit haben sich aber auch die Wuchsbedingungen der Pflanzen in den Taunusdörfern deutlich verändert. So kommen heute kaum noch Pflanzen vor, die an sehr nährstoffreiche oder feucht-nährstoffreiche Wachstumsbedingungen gebunden sind. 20 typische Stadtpflanzen wie die Mäuse-Gerste (Hordeum murinum) kommen nun alle in den Taunus-Dörfern vor. Zudem findet man zahlreiche verwilderte Gartenpflanzen, die mittlerweile einen Anteil von durchschnittlich 18 Prozent an der Flora eines Dorfes ausmachen.

Kontakt: Prof. Rüdiger Wittig, Ökologie und Geobotanik, Siesmayer- straße 70, 60323 Frankfurt; Tel.: 069 / 798-24739; Fax: 069 / 798-24702; E-Mail: r.wittig@em.uni-frankfurt.de
Alle Ergebnisse der in den vergangenen drei Jahren geleisteten Arbeit sind in

Heft 18 der Geobotanischen Kolloquien ‚Beiträge zu Flora und Vegetation des Taunus’ nachzulesen

72 Seiten; Kosten: 15 €

Vertrieb:
Sekretariat: Prof. Rüdiger Wittig, Ökologie und Geobotanik, Siesmayerstraße 70, 60323 Frank- furt; Tel.: 069 / 798-24747; Fax: 069 / 798-24702