Mär 11 2008

Internationale und interdisziplinäre Tagung des Zentrums zur Erforschung der Frühen Neuzeit

Konjunkturen der Höflichkeit

FRANKFURT. Das Thema ›Höflichkeit‹ hat gegenwärtig Konjunktur - in der Ratgeberliteratur wie in der Forschung. Es gibt bisher allerdings kaum durch sorgfältige Untersuchungen gesicherte kulturwissenschaftliche Interpretationen, warum der richtige Umgang mit Manieren zunehmend wieder in den Fokus rückt. Ist Höflichkeit, wie Thomas Macho diskutiert, Ausdruck wachsender »Einsicht in die Kontingenz aller historischen und aktuellen Umgangsformen« oder signalisiert sie eher, wie Claudia Schmölders angesichts der Erfolge von Büchern wie Asfa-Wossen Asserates ›Manieren‹ oder Sybill Gräfin Schönfeldts ›FeinSchliff‹ erwägt, die »Fluchtbewegung einer Elite aus der globalen Misere der meisten«?

Mit dem Symposium ›Konjunkturen der Höflichkeit‹ wollen Frankfurter und internationale ForscherInnen auf die - wenn auch diskontinuierliche - Wiederkehr des Interesses an Höflichkeit in der europäischen Geschichte aufmerksam machen. Mit dem gewählten zeitlichen Schwerpunkt, der Frühen Neuzeit, stellt die Konferenz eine jener Perioden ins Zentrum, welche die Vielschichtigkeit solcher Konjunkturen, ihrer Akzente, ihrer Orte, ihrer Formen, ihrer Sprache und Metaphorik, ihrer sozialen und politischen Qualitäten - auch angesichts bereits vorliegender Forschungsresultate - sichtbar macht. Die beteiligten WissenschaftlerInnen gehen wie Thomas Macho, Rüdiger Schnell, Aleida Assmann und andere davon aus, dass es in dieser Geschichte des wiederkehrenden Interesses an Höflichkeit nicht darum ging, Traditionen zu legitimieren, sondern die jeweils instabil gewordenen Verhaltensregeln und -rituale und das nicht länger Selbstverständliche zur Diskussion zu stellen.

Höflichkeit erscheint in dieser historisch akzentuierten Perspektive als ein Thema der politischen und kulturellen, der sozialen und konfessionellen Brüche und Übergänge. Auf der Konferenz soll die Hypothese zur Diskussion gestellt werden, dass Höflichkeit überall dort benötigt wurde, wo traditionale (lehensrechtliche oder ständische) Verhaltensregeln nicht ausreichten. Vermutet werden kann, dass dies besonders für kulturelle Kontaktzonen wie Höfe, Universitäten, Städte, Märkte galt, in denen es um das Aushandeln neuer Verhaltensformen ging. Möglicherweise wurden vor allem an solchen Orten zuerst und schneller als andernorts alte Umgangsformen überholt, weil sie nicht differenziert genug waren für die Vielfalt der Statusgruppen, die sich dort begegneten; weil man mit ebenbürtigen Gegnern zurechtkommen musste oder weil man mit Fremden zu tun hatte, deren Status nicht einzuschätzen war. Falls diese Hypothese sich erhärten lässt, gewinnt Höflichkeit Indikatorfunktion. Dann kann sie als Kennzeichen dienen für Situationen beschleunigten sozialen Wandels. Und die Beschäftigung mit ihr kann zum Einstieg werden in eine vertiefte kulturhistorische Analyse: Wenn Höflichkeit eine Problemlösung war, eine Antwort auf Komplexitätssteigerung und Umbruchserfahrung, wie lautete dann jeweils genau das Problem?

Mit Blick auf das zu beobachtende eher diskontinuierliche Interesse an höflichen Umgangsformen in der europäischen Geschichte wird in der Forschung von den »Konjunkturen der Höflichkeit«, von ihren Schicksalen, von ihrer Dynamik gesprochen. Es sei in der Frühen Neuzeit um ›Changing Codes‹(Anna Bryson), um ›The End of Conduct‹ (Barbara Correll), um ›The Emergence of Polite Society‹ (Philip Carter), um ›The Fortunes of the Courtier‹ (Peter Burke) gegangen. Höflichkeit wird so zu einem Gegenstand der gegenwärtig vieldiskutierten ›Kulturgeschichte des Politischen‹. Sie stellt sich als eine - tendenziell universalistische - Verkehrsform dar für den Umgang mit unterschiedlichen Menschen, Sprachen und sozialen Kulturen und, so lässt sich sagen, sie zielt auf Vermittlung, auf Kommunikation, auch Selbstrepräsentation. Sie findet sich gerade auch in Auseinandersetzungen zwischen alten und neuen politischen Trägergruppen eingebunden. In solche Konzeptualisierungen und Ansprüche waren die Geschlechter in unterschiedlicher Weise einbezogen. Vielfach galten gerade Frauen als die Hüterinnen der guten Umgangsformen. Die Affektkontrolle schien bei ihnen in sicherer Hand.

Höflichkeit ist schon seit längerem ein Thema vieler Disziplinen: der Historie ebenso wie der Kultur- und Literaturwissenschaften, der Pädagogik, der Renaissanceforschung und der Rechtswissenschaft. Es fehlt aber bislang eine Verständigung dieser unterschiedlichen Fächer über den Gegenstand. Hierzu möchte die Konferenz beitragen.

Gefördert wird die Tagung von der Deutschen Forschungsgemeinschaft, der Vereinigung von Freunden und Förderern der Johann Wolfgang Goethe-Universität, Historiae Faveo und der Sponholz-Stiftung.

Die Konferenz ist öffentlich. Gebühren werden nicht erhoben. Eine Anmeldung ist nicht erforderlich, aber erwünscht.

Informationen: Dr. Gisela Engel, Institut für England- und Amerikastudien. Tel: (069) 798-32382, g.engel@em.uni-frankfurt.de

Prof. Brita Rang, Institut für England- und Amerikastudien. Tel: (069) 798-32382, rang@em.uni-frankfurt.de

Prof. Susanne Scholz, Institut für England- und Amerikastudien. Tel: (069) 798-32382, s.scholz@em.uni-frankfurt.de

Prof. Johannes Süßmann, Institut für England- und Amerikastudien. 60323 Frankfurt. Tel: (069) 798-32382, suessmann@em.uni-frankfurt.de

Postadresse in allen Fällen: Campus Westend, Grüneburgplatz 1, 60323 Frankfurt.

WEITERE INFORMATIONEN

Konjunkturen der Höflichkeit
Internationale und interdisziplinäre Tagung

Wann?
13. bis 15. März 2008, ganztags

Wo?
Campus Westend
Nebengebäude, Raum 1.741a
(13. März)
IG-Hochhaus, Eisenhower-Raum, Raum 1.314; (14. und 15. März)
Grüneburgplatz 1, 60323 Frankfurt