Jan 19 2005

Unwort des Jahres zum 14. Mal gewählt / ‚Begrüßungszentren’ und ‚Luftverschmutzungsrechte’ folgen auf den Plätzen.

‚Humankapital’ ist Unwort 2004

FRANKFURT. Zum 14. Mal seit 1991 ist das ‚Unwort des Jahres’ gewählt worden. Für 2004 entschied sich die Unwort-Jury für den Begriff ‚Humankapital’. Der Gebrauch dieses Wortes aus der Wirtschaftsfachsprache breite sich zunehmend auch in nichtfachlichen Bereichen aus und fördere damit die zunehmend ökonomische Bewertung aller denkbaren Lebensbezüge, wovon auch die aktuelle Politik immer mehr beeinflusst werde. ‚Humankapital’ degradiere nicht nur Arbeitskräfte in Betrieben, sondern Menschen überhaupt zu nur noch ökonomisch interessanten Größen. Bereits 1998 hat die Jury ‚Humankapital’ als Umschreibung für die Aufzucht von Kindern gerügt. Aktueller Anlass sei die Aufnahme des Begriffs in eine offizielle Erklärung der EU, die damit die „Fähigkeiten und Fertigkeiten sowie das Wissen, das in Personen verkörpert ist“ definiert (August 2004).

An zweiter Stelle rügt die Unwort-Jury die sprachliche Verniedlichung von Auffanglagern für afrikanische Flüchtlinge als ‚Begrüßungszentren’ durch Bundesinnenminister Otto Schily. Diese Wortbildung sei kongenial zu dem schon offiziellen Namen ‚Ausreisezentrum’ für Abschiebehaftanstalten.

Nicht nur als ökologisches Unding kritisiert die Jury an dritter Stelle ‚Luftverschmutzungsrechte’. Vielmehr trüge auch das Wort dazu bei, ‚Treibhausgasemissionen’ für unbedenklich zu halten, weil ihr Handel rechtlich geregelt wird.

Zeitgleich mit der Verkündung des ‚Unworts des Jahres’ gibt die Börse Düsseldorf das ‚Börsen-Unwort 2004’ bekannt. Es lautet ‚Seitwärtsbewegung’, womit die Nicht-veränderung der Marktsituation (vgl. ‚Nullwachstum’) sprachlich dynamisiert wird (s. Anlage).

Diesmal hatten sich 2.162 Einsenderinnen und Einsender aus Westeuropa und den USA mit 1.218 verschiedenen Vorschlägen beteiligt.

Der Jury für das Unwort des Jahres 2004 gehörten an die vier ständigen Mitglieder Prof. Dr. Margot Heinemann (Görlitz-Zittau), Prof. Dr. Rudolf Hoberg (Wiesbaden), Prof. Dr. Nina Janich (Darmstadt) und der Sprecher der Jury, Prof. Dr. Horst Dieter Schlosser (Frankfurt a.M.). Die beiden Vertreter der Sprachpraxis waren diesmal der Schriftsteller Volker Braun (Berlin) und der Vizepräsident der Sächsischen Akademie der Schönen Künste, Dr. Friedrich Dieckmann (Dresden).

Kontakt: Prof. Horst Dieter Schlosser, Fachbereich Neuere Philolo-gien, Telefon 069/798-32673 oder -32674, Fax: 069/798-32675; E-Mail: schlosser@lingua.uni-frankfurt.de, Internet: www.unwortdesjahres.org