Jan 19 2005

Begründung des Verwaltungsgerichts für Untersagung der Pressekonferenz liegt vor.

Fall Protsch: Weiteres Vorgehen geklärt

FRANKFURT. Die Universität Frankfurt musste am vergangenen Freitag, dem 14. Januar 2005, eine Pressekonferenz kurzfristig absagen, in der die Medien über die Ergebnisse der Arbeit der Kommission zum Umgang mit wissenschaftlichem Fehlverhalten im Fall Protsch und die sich daraus für die Universität ergebenden Konsequenzen unterrichtet werden sollten.

Grund war eine einstweilige Anordnung des Verwaltungsgerichtes Frankfurt am Main auf Antrag von Herrn Protsch im Wortlaut: „Den Antragsgegnern wird untersagt, den Ab-schlussbericht der Kommission zum Umgang mit wissenschaftlichem Fehlverhalten vor dem 04.02.2005 in einer Pressekonferenz, Pressemitteilung oder sonst öffentlich darzustellen und zu verbreiten.“

Am Nachmittag des 17. Januar 2005 traf die Begründung des Beschlusses vom Verwaltungsgericht Frankfurt bei der Universität Frankfurt ein: Anders als die Kommission und die Universität hält das Verwaltungsgericht das Untersuchungsverfahren für noch nicht abgeschlossen, solange die Herrn Protsch bis zum 4. Februar 2005 eingeräumte Frist zur Stellungnahme nicht abgelaufen sei. Vor Ende des Verfahrens dürfe über dessen Ergebnis zum Schutz des Betroffenen nicht öffentlich berichtet werden. Universität und Kommission dagegen betrachteten das Untersuchungsverfahren unter Wahrung der Rechte des Beschuldigten als abgeschlossen.

Die Chronologie der Kommissionsarbeit verdeutlicht die Problematik: Am 10. Januar 2005 übermittelte die autonome Kommission zum Umgang mit wissenschaftlichem Fehlverhalten dem Präsidenten der Universität den Abschlussbericht über ihre seit August 2004 andauernden Untersuchungen im Fall Protsch. Innerhalb dieser Untersuchungen hatte die Kommission Herrn Protsch umfassend informiert, ihm mehrfach die Gelegenheit zu Anhörungen gegeben und ihn zu Sitzungen eingeladen. So wurde Herr Protsch schon zu Beginn der Arbeit der Kommission mit Schreiben vom 19. August 2004 über die zu untersuchenden Vorwürfe unterrichtet und um Stellungnahme gebeten. Am 6. September 2004 äußerte er sich schriftlich zu den Vorwürfen. Auch wurde er am 12. November 2004 eingeladen, zusammen mit einer Person seiner Wahl vor der Kommission zu erscheinen, um sich zu den erhobenen Vorwürfen zu äußern. Er ist zu diesem Termin nicht erschienen. Daraufhin wurde er vom Vorsitzenden der Kommission nochmals vergeblich aufgefordert, einen Termin im Dezember 2004 bzw. im Januar 2005 zu vereinbaren. Obwohl nach Auffassung der Kommission Protsch keinen Anspruch auf Akteneinsicht hatte, da sie nicht im Rahmen eines förmlichen Verwaltungs-verfahrens tätig war, wurde dem Anwalt von Herrn Protsch auf dessen Bitte am 27. Dezember 2004 Einsicht in die Unterlagen der Kommission gewährt. Diese Möglichkeit zur Akteneinsicht wurde vom Anwalt von Herrn Protsch am 4. Januar 2005 wahrgenommen. Eine Äußerung von Herrn Protsch erfolgte nicht.

Damit war die Kommission der Meinung, dem Anhörungsrecht von Herrn Protsch ausreichend Rechnung getragen zu haben und übermittelte dem Präsidenten ihren Abschlussbericht mit der Bitte um Information der Öffentlichkeit. Präsident Steinberg stellte den Bericht unverzüglich Herrn Protsch mit der Bitte um Stellungnahme bis zum 4. Februar 2004 zu, da der Bericht durch den Präsidenten in die laufenden Ermittlungsverfahren (staatsanwaltliches Ermittlungsverfahren; Disziplinarverfahren) eingeführt werden sollte. In diesem Zusammenhang wurde Herrn Protsch, aus Fürsorgeerwägungen des Präsidenten geleitet, eine weitere Möglichkeit der Stellungnahme eingeräumt.

Mit seiner Auffassung betritt das Verwaltungsgericht juristisches Neuland. Da die Verfahren zum Umgang mit wissenschaftlichem Fehlverhalten jedoch entgegen einer Empfehlung des Bundesverwaltungsgerichts in einem Urteil vom 11. Dezember 1996 gesetzlich nicht geregelt sind und es bisher keine Präzendensfälle in der Praxis oder der Rechtsprechung gibt, entschied sich das Verwaltungsgericht Frankfurt, §22 Abs.5 der Hessischen Disziplinarordnung entsprechend anzuwenden. Diese Norm findet unmittelbar nur innerhalb des Disziplinarverfahrens Anwendung. Das hier zu beurteilende Verfahren ist unzweifelhaft nicht Teil des Disziplinarverfahrens.

Nach Aussage von Universitätspräsident Prof. Dr. jur. Rudolf Steinberg definiere das Verwaltungsgericht eine – wie bei neuen rechtlichen Problemen nicht selten der Fall – neue Regel für einen bisher noch weitgehend ungeregelten juristischen Bereich. Im Kern gehe es um unterschiedliche juristische Auffassungen darüber, wie das Verfahren der Kommission zum Umgang mit wissenschaftlichem Fehlverhalten gestaltet werden müsse. Der Präsident begrüßt, dass die Arbeit der Kommission im Beschluss des Verwaltungsgerichts unter Verweis auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts ebenso wie die Absicht der Veröffentlichung des Berichts ausdrücklich bestätigt werde. Er sieht im übrigen die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) in ihren „Empfehlungen der Kommission >Selbstkon-trolle in der Wissenschaft<“ aus dem Jahre 1998 bestätigt. Diese hatte unter Empfehlung 8 auf die Problematik hingewiesen, dass gerichtliche Auseinandersetzungen in Fällen wissenschaftlichen Fehlverhaltens zu neuen und schwierigen Rechtsfragen führten.

Das weitere Vorgehen der Universität wird deshalb wie folgt aussehen: Der Präsident wird die Stellungnahme von Herrn Protsch bis zum 4. Februar 2005 abwarten. Danach wird das Präsidium der Universität zu einer neuen Pressekonferenz einladen, um der Kommission Gelegenheit zur Darstellung ihrer Untersuchungsergebnisse zu geben und das weitere Vorgehen der Universität zu erläutern.

Kontakt: Prof. Rudolf Steinberg, Präsident der Universität Frankfurt; Tel: 069 / 798 22232; E-Mail: praesident@uni-frankfurt.de