Feb 23 2007

Offener Brief des Präsidiums an Dr. Annette Schavan, Bundesministerin für Bildung und Forschung

Die BAföG-Sätze anpassen

Sehr verehrte Frau Bundesministerin Schavan,

als Präsidium einer der größten deutschen Universitäten wenden wir uns heute an Sie anlässlich der Beratungen zur Novellierung des BAföG. Wir begrüßen Ihr Vorhaben, das Gesetz in vielen einzelnen Punkten zu verbessern. Die Tatsache jedoch, dass die BAföG-Sätze und die Freibeträge der Eltern seit dem Jahre 2001 nicht mehr erhöht wurden, gibt uns Anlass zu großer Sorge.

Mit den eingefrorenen BAföG-Sätzen und Eltern-Freibeträgen geben Sie – entgegen anderslautender Bekundungen – der Öffentlichkeit ein äußerst missverständliches Signal. Und Sie mindern die Glaubwürdigkeit der Erklärungen der Bundesregierung, der Bildung in Deutschland oberste Priorität einzuräumen. Der Anteil der BAföG-geförderten Studierenden an der Zahl aller Studierenden ist in den letzten Jahren kontinuierlich gesunken.

Die Lebenshaltungskosten sind von 2002 bis 2007 um durchschnittlich 1,77 % pro Jahr gestiegen. Da die BAföG-Sätze in diesem Zeitraum nicht erhöht wurden, verminderte sich der den geförderten Studierenden für ihren Lebensunterhalt zur Verfügung stehende Betrag um insgesamt 10,62 %. Bei einem Wachstum der Bruttogehälter um insgesamt 1,2 % im gleichen Zeitraum verengt sich der finanzielle Spielraum der geförderten Studierenden in besorgniserregender Weise. In dieser Situation die BAföG-Sätze beziehungsweise die Eltern-Freibeträge nicht zu erhöhen, bedeutet, jungen Menschen aus dem unteren Mittelstand und aus einkommensschwächeren Familien die Entscheidung für die Bildung und für ein Studium in erheblichem Maße zu erschweren.

Wir appellieren daher dringend an Sie, das BAföG noch einmal zu überdenken und entsprechend zu revidieren. Niemand darf aus finanziellen Gründen von einem Studium ausgeschlossen werden. Wir bitten Sie, zu Ihren eigenen Worten zu stehen, damit alle jungen Menschen in Deutschland ungeachtet ihrer finanziellen Möglichkeiten entsprechend ihrer Neigung und ihren Voraussetzungen das für sie geeignete Bildungsangebot wahrnehmen können. Dies entspricht nicht nur dem Gedanken von Chancengleichheit und sozialer Gerechtigkeit, sondern auch dem dringenden Interesse unserer Gesellschaft, dass kein Talent unter den jungen Menschen verloren geht.

Wir erlauben uns, diesen Brief auch dem Hessischen Ministerpräsidenten und Stellvertretenden Bundesvorsitzenden der CDU, Herrn Roland Koch, zuzuleiten zur Kenntnisnahme und mit der Bitte um Unterstützung.

Mit freundlichen Grüßen

Prof. Dr. Rudolf Steinberg, Präsident

Prof. Dr. Ingwer Ebsen, Vizepräsident
Prof. Dr. Andreas Gold, Vizepräsident
Prof. Dr. Werner Müller-Esterl, Vizepräsident
Prof. Dr. Horst Stöcker, Vizepräsident
Hans Georg Mockel, Kanzler