Nov 10 2009

Die Frankfurter Bürger-Universität in der zweiten November-Hälfte

20 Jahre Mauerfall und ein Leben für die Tiere

FRANKFURT. Die Goethe-Universität setzt im Wintersemester die erfolgreiche Frankfurter Bürger-Universität mit insgesamt 83 Veranstaltungen fort. Dabei bilden zwei eigens konzipierte Ringvorlesungen das ‚Herz‘ der populärwissenschaftlich orientierten Veranstaltungsreihe: zum einen die soziologische Serie ‚Wie wir wurden, wer wir sind – Deutsche Biografien‘, zum anderen die literatur- und kulturwissenschaftliche Reihe ‚Jahrestage - von der Varusschlacht bis zu Agenda 2010‘. Beide Reihen starteten im Oktober und werden in der ersten November-Hälfte mit folgenden Themen fortgesetzt:

Wie wir wurden, wer wir sind – Deutsche Biografien
23. November 2009
Dr. Viola Hildebrand-Schat: Joseph Beuys (1921-1986)
19.30 Uhr, Kunstgeschichtliche Bibliothek der Goethe-Universität, Senckenberganlage 31, 60325 Frankfurt. Eintritt frei

Kein anderer Künstler des 20. Jahrhunderts ist so umstritten wie Joseph Beuys. Die Meinungen zu seinem Werk und seinen Positionen zerfallen dabei in zwei radikal geschiedene Lager von Bewunderern, die Beuys als Genie sehen, und solchen, die ihn als Scharlatan rundweg ablehnen. Die Gründe dafür hat Beuys selbst motiviert, denn seine Arbeiten erweisen sich fast durchweg als wenig zugängig, und die Anhaltspunkte für Interpretationen bestehen überwiegend in vom Künstler selbst gelieferten Erklärungen. Von Anfang an legte es Beuys darauf an, ein Bild von sich als Künstler zu entwickeln, das sein Schaffen eher verdunkelte anstatt zu erhellen. Die kritische Auseinandersetzung wird so von Anfang an erschwert, wenn nicht sogar verhindert.

Doch wo verläuft bei Beuys die Grenze zwischen Werk und Nichtwerk? Wie wichtig war ihm die Mythisierung der eigenen Person einerseits, die ernsthafte Auseinandersetzung mit der Gesellschaft und ihrer Geschichte andererseits? Wie sehr bereitete Beuys bei seiner Werkgenese eigene Erfahrungen allgemeinen Erwartungen entsprechend auf und gestaltete sie zugleich zum gesellschaftlichen Affront?

Viola Hildebrand-Schat ist Habilitandin am Kunstgeschichtlichen Institut der Goethe-Universität und Expertin für zeitgenössische Kunst.

30. November 2009
Prof. Manfred Niekisch: Bernhard Grzimek (1909-1987)
19.30 Uhr, Zoo-Gesellschaftshaus, Zoo Frankfurt, Bernhard-Grzimek-Allee 1, 60316 Frankfurt. Eintritt frei

Sein „Guten Abend, liebe Freunde“ ist genauso unvergesslich wie seine Karikierung in Loriots ‚Steinlaus‘-Sketch. Bis heute ist Bernhard Grzimek, dessen Karriere als Tierarzt mit Spezialisierung auf Geflügel begann, der neben Brehm und Lorenz populärste Zoologe deutscher Sprache. Berühmt wurde er vor allem als Moderator der TV-Serie ‚Ein Platz für Tiere‘ im Hessischen Rundfunk, als Herausgeber der Enzyklopädie ‚Grzimeks Tierleben‘ und der Zeitschrift ‚Das Tier‘, als Mitbegründer des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) sowie als Autor des Dokumentarfilms ‚Serengeti darf nicht sterben‘, für den ihm 1959 der Oscar verliehen wurde. In Frankfurt hat Grzimek als Direktor des städtischen Zoos bis heute international gültige Maßstäbe in der Tierhaltung gesetzt.

Doch wie gelang es Grzimek, unter Ausnutzung des Massenmediums Fernsehen, eine ganze Generation Deutscher für den Arten- und Naturschutz zu sensibilisieren und bis heute anhaltende Bewegungen – wie die gegen die Massenkäfighaltung von Hühnern – zu forcieren? Wo ist Grzimeks Einfluss heute noch im Natur- und Artenschutz zu spüren, und welche seiner Ideen sind 2009 noch genauso aktuell wie früher?

Manfred Niekisch ist als Direktor des Zoo Frankfurt Nach-Nachfolger Bernhard Grzimeks und Universitätsprofessor für internationalen Naturschutz.

Jahrestage – von der Varusschlacht bis zur Agenda 2010
19. November 2009
20 Jahre Fall der Berliner Mauer
Dr. Jörg Metelmann & Antje Dombrowsky
Kapitan Andreevo. Geschichte einer Flucht – ein Dokumentarfilm
18.30 Uhr, Campus Westend, Hörsaal HZ 6, Hörsaalzentrum, Grüneburgplatz 1, 60323 Frankfurt. Eintritt frei

„Lasst Euch nicht zu Lumpen machen!“ Willy Brandts Appell an die DDR-Grenzer am 13. August 1961 ist ungehört verhallt. Fünf Jahre nach der Teilung Deutschlands kennen Heidemarie und Jürgen die Bedrohungen an der Mauer im eigenen Land. Sie wollen heiraten. Den Weg zueinander, von Leipzig nach Hamburg, planen sie via Bulgarien und Türkei. Sie ahnen nichts von den Prämien, die das DDR-Grenzregime den bulgarischen Genossen zahlt, wenn diese von Gewehrsalven durchsiebte Körper auf ihre Jeeps werfen. Nur zwei Prozent aller Fluchtversuche an dieser Grenze glücken. Kapitan Andreevo, die Kontrollstelle zwischen Ost und West, steht in diesem Film von Antje Dombrowsky und Jörg Metelmann für ein europäisches Kapitel, das von Fluchten und Grenzüberschreitungen handelt. Auf verschlungenen Pfaden fügt sich aus Interviews, aktuellem und historischem Filmmaterial, Tagebucheintragungen, Bildern und Musik die spannende Geschichte einer Flucht. Nah folgt die Handkamera den Gesichtern und erzählt über die Inkongruenz von Erlebtem, Erinnertem und Erzähltem, über die katalytische Wirkung vergangener Zeit. Nach der Vorführung stellen sich die Filmemacher den Fragen des Publikums.

Jörg Metelmann ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Center for Leadership and Values in Society am Institut für Betriebswirtschaft der Universität St. Gallen; die Berliner Filmemacherin Antje Dombrovsky studierte an der Hochschule für Film und Fernsehen ‚Konrad Wolf‘ in Potsdam-Babelsberg.

26. November 2009
200 Jahre Goethes Wahlverwandtschaften
Prof. Ethel Matala de Mazza:
Dämonische Allianzen. Wahlverwandtschaft mit Napoleon
18.30 Uhr, Campus Westend, Hörsaal HZ 6, Hörsaalzentrum, Grüneburgplatz 1, 60323 Frankfurt. Eintritt frei

Ein doppelter Ehebruch in der Phantasie und eine unglückliche Scheidungsgeschichte – das sind in Kürze die wenig weltbewegenden Geschehnisse, um die sich Goethes Wahlverwandtschaften zentrieren. Seltsam abwesend erscheinen die vielfachen Bedrängnisse, in die Preußen durch Napoleon und dessen rasanten Expansionismus geraten war. Mit Wahl und Verwandtschaft verknüpfen sich in Goethes Roman weder Bürgerrechte noch Solidaritäten unter Brüdern, sondern fatale Attraktionen, die erotische Bindungen ebenso unausweichlich machen wie chemische Reaktionen zwischen Kalkstein und Schwefelsäure. Das ‚Dämonische‘ dieser Anziehungskräfte vollzieht der Roman auch ästhetisch nach, indem er ein feines Netz von Vieldeutigkeiten aufspannt, in dem sich schließlich diejenigen verfangen, die von den Attitüden alter Feudalherren nicht lassen wollen. Vom Ancien Régime wird am Ende so wenig übrig sein wie im Preußen des Jahres 1809, das angesichts des ‚Dämons‘ Napoleon gar nicht anders kann, als sich zu reformieren.

Ethel Matala de Mazza, Professorin für Kulturtheorie und kulturwissenschaftliche Methoden an der Universität Konstanz, ist Expertin für die Verschränkung von Literaturästhetik und Kulturpolitik insbesondere der Zeit um 1800.

Weitere Veranstaltungen

16. November 2009
Prof Günter Rager (Freiburg/CH) und Prof. Michael von Brück (München)

Evolution
Im Rahmen der Templeton Research Lectures 2009/2010
18.15 Uhr, Campus Westend, Raum HZ 1, Hörsaalzentrum, Grüneburgplatz 1, 60323 Frankfurt am Main. Eintritt frei

17. November 2009
Prof Günter Rager (Freiburg/CH) und Prof. Michael von Brück (München)
Die Freiheit der Person
Im Rahmen der Templeton Research Lectures 2009/2010
18.15 Uhr, Campus Westend, Raum HZ 1, Hörsaalzentrum, Grüneburgplatz 1, 60323 Frankfurt am Main. Eintritt frei

18. November 2009
Dr. Viola Hildebrand-Schat
Die Modernität Picassos – ein Meilenstein in der Kunst
Im Rahmen der Ringvorlesung der Universität des 3. Lebensalters 14 Uhr, Campus Bockenheim,
Hörsaal H V, Hörsaalgebäude, Mertonstr. 17-21, 60325 Frankfurt. Eintritt frei

Prof. Luis Gutheinz SJ (Taipeh)
Protestantische Versuche einer kontextuellen Theologie
Im Rahmen der Gastprofessur ‚Theologie interkulturell‘
16.15 Uhr, Campus Westend, Raum 1.741b, Nebengebäude, Grüneburgplatz 1, 60323 Frankfurt. Eintritt frei

Prof. Avinoam Shalem (München/Florenz)
Gewänder anfertigen, Geschichten erzeugen
Thomas Becket in Fermo
Im Rahmen der Ringvorlesung ‚Das Mittelmeer als Kulturraum‘
18.15 Uhr, Campus Westend, Raum 411, IG-Hochhaus,
Grüneburgplatz 1, 60323 Frankfurt. Eintritt frei
20. November 2009
Dr. Astrid Jacobs
Von der Grüneburg über IG-Farben zur Universität
Campus-Führung.
16 Uhr, Campus Westend, Eingang IG-Hochhaus,
Grüneburgplatz 1, 60323 Frankfurt. Teilnahmegebühr 9 Euro

21. November 2009
Das Norbert Wollheim Memorial
Führung.
15 Uhr, Campus Westend, Norbert Wollheim-Pavillon, Grüneburgplatz 1, 60323 Frankfurt. Eintritt frei

24. November 2009
Prof. Stefan G. Schmid (Berlin)
Des Kaisers neue Kleider
Bemerkungen zum so genannten Antiochos III. im Louvre
Im Rahmen von ‚Neue Archäologische Funde und Forschungen‘
18.15 Uhr, Campus Westend, Raum 311, IG-Hochhaus, Grüneburgplatz 1, 60323 Frankfurt. Eintritt frei

25. November 2009
Prof. Frank Bernstein
Zur Pragmatik und Semantik kollektiven Vergessens in der Antike
Im Rahmen der Reihe ‚Hours in a Library‘
12.15 Uhr, Campus Westend, Raum 1.121 (Großer Lesesaal des Bibliothekszentrums Geisteswissenschaften), IG-Hochhaus,
Grüneburgplatz 1, 60323 Frankfurt. Eintritt frei

Dr. Stefan Alkier
Die Entmythologisierung des Christentums
Rudolf Bultmann und die existentielle Interpreta¬tion des neuen Testaments

Im Rahmen der Ringvorlesung der Universität des 3. Lebensalters 14 Uhr, Campus Bockenheim, Hörsaal H V, Hörsaalgebäude, Mertonstr. 17-21, 60325 Frankfurt. Eintritt frei Prof. Luis Gutheinz SJ (Taipeh)
Projekte der chinesisch-theologischen Werkstatt ‚Fu Jen Publications Association‘ Im Rahmen der Gastprofessur ‚Theologie interkulturell‘
16.15 Uhr, Campus Westend, Raum 1.741b, Nebengebäude, Grüneburgplatz 1, 60323 Frankfurt. Eintritt frei

Prof. Chantal Mouffe (London)
What is the gender of democratic normativity?
Im Rahmen der Ringvorlesung des Cornelia Goethe Centrums 18.15 Uhr, Campus Westend, Raum 1.314 (Eisenhower-Raum), IG-Hochhaus, Grüneburgplatz 1, 60323 Frankfurt. Eintritt frei

29. November 2009, 11 Uhr Vom Stellenwert der Worte
50 Jahre Stiftungsgastdozentur Poetik
Matinee im Sendesaal des Hessischen Rundfunks mit Durs Grünbein und Hans Magnus Enzensberger (mit Aufzeichnung für den Hörfunk)
11 Uhr, hr-Sendesaal, Bertramstraße 8, 60222 Frankfurt.

Dr. Ursula Mandel
Musik – Sirenen, Sänger, TänzerInnen
Themen-Führung durch die archäologische Abguss-Sammlung
11 Uhr, Campus Westend, Raum 7.511, IG-Hochhaus, Grüneburgplatz 1, 60323 Frankfurt. Eintritt frei

Informationen: Stephan M. Hübner, Pressereferent, Tel: (069) 798-23753, huebner@pvw.uni-frankfurt.de
Das Programmbroschüre zur ‚2. Frankfurter Bürger-Universität‘ kann kostenlos über die Abteilung Marketing und Kommunikation angefordert werden: Tel. 798-22472 oder k.wagner@vdv.uni-frankfurt.de