FRANKFURT. Das vergangene Jahrhundert kann als Jahrhundert der Sozialpolitik und des Sozialstaats charakterisiert werden, weil es auf lange Frist von einer Intensivierung der Sozialpolitik und einem Ausbau des Sozialstaats gekennzeichnet ist. Das Ergebnis dieser Entwicklung ist ein weithin anerkanntes Erfolgsmodell, das nun allerdings an Grenzen gestoßen scheint und verstärkter Kritik ausgesetzt wird. Sozialpolitik und die Tragfähigkeit des Sozialstaates werden im 21. Jahrhundert vor neue Herausforderungen gestellt, insbesondere wegen der Begleiterscheinungen von nachdrücklichen Globalisierungstendenzen, von struktureller Arbeitslosigkeit und von beschleunigten Alterungstendenzen der Bevölkerung. Moderne komplexe Gesellschaften können im Anschluss an den bisher beschrittenen Entwicklungspfad versuchen, neu entstandene Probleme durch die Umgestaltung ihrer Institutionen zu bewältigen. An den sozialstaatlichen Zielen der sozialen Sicherung für die breite Bevölkerung und der Existenzsicherung für die ärmeren Bevölkerungsgruppen werden kaum Abstriche vorgenommen, nicht zuletzt weil die Notwendigkeit der Aufrechterhaltung ge-sellschaftlichen Zusammenhalts gesehen wird. Aber die Mittel und Instrumente der Sozialpolitik – ihre Gestaltung und ihr Umfang – sind verstärkt in Diskussionen und in Spannungsfelder geraten, insbesondere im Hinblick auf gegensätzliche Ziel wie „Eigenverantwortung“ und „Solidarität“.
Am Fachbereich Gesellschaftswissenschaften, an dem immer auch sozialpolitische Themen behandelt wurden, hat sich jüngst der Forschungsschwerpunkt „Sozialstruktur und Sozialpolitik“ gebildet, der die vielfältigen Rückkopplungen zwischen gesellschaftlichen Entwicklungen und sozialpolitischen Aktivitäten zur Forschungsaufgabe macht. Sozialpolitik erscheint in ihren Funktionen für den Ausgleich und den Zusammenhalt der Gesellschaft unersetzlich. Unter den veränderten gesellschaftlichen Bedingungen sollte das Anliegen sein, Sozialpolitik und Sozialstaat so weiter zu entwickeln, dass sie zur Lösung der sich abzeichnenden Probleme beitragen können.
Vorträge jeweils montags 18 bis 20, Hörsaal H, Altes Hauptgebäude, gegenüber der historischen Aula, Campus Bockenheim, Mertonstr. 17. 60325 Frankfurt.
Kontakt: Wolfgang Glatzer (glatzer@soz.uni-frankfurt.de), Institut für Gesellschafts- und Politikanalyse, Schwerpunkt: Sozialstruktur und Sozialpolitik; Robert-Mayer-Str. 5; 60325 Frankfurt;
Tel.: 069/798-23584; Fax: 069/798-28026;
E-Mail: glatzer@soz.uni-frankfurt.de
P r o g r a m m:
24. April
Christine Hohmann-Dennhardt (Bundesverfassungsgericht
Karlsruhe): Gerechtigkeitsprobleme im Sozialstaat
8. Mai
Anthony B. Atkinson (Nuffield College, Oxford University): EU Social Policy in a Globalizing Context
22. Mai
Richard Hauser (Universität Frankfurt):
Alternativen einer Grundsicherung – soziale und ökonomische Aspekte
12. Juni
Ilona Ostner (Georg-August-Universität Göttingen):
Wohlfahrtspluralismus als gesellschaftspolitische Leitidee
26. Juni
John Stephens (University of North Carolina at Chapel Hill): Models of Welfare States in Europe and Abroad
10. Juli
Diether Döring (Akademie der Arbeit, Universität Frankfurt): Sozialstaat und Erwerbstätigkeit in Europa