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Pressestelle Goethe-Universität

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Forschung

Nov 20 2015
15:53

Sonderforschungsbereich zur selektiven Autophagie unter Frankfurter Federführung bewilligt/ Kooperation mit der Universitätsmedizin Mainz

Zellerneuerung und zelluläre Qualitätskontrolle besser verstehen

FRANKFURT. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) fördert in den kommenden vier Jahren einen neuen Sonderforschungsbereich (SFB) zur selektiven Autophagie unter Federführung der Goethe-Universität mit insgesamt 11 Mio. Euro. Die selektive Autophagie ist ein wichtiger Abbauprozess, mit dem Zellen schädlichen Ballast und andere überflüssige Bestandteile entsorgen. Er trägt zur regelmäßigen Zellerneuerung und zur Qualitätskontrolle bei und schützt so vor Erkrankungen. Fehler in diesem System können die Entstehung von Krebs, Morbus Parkinson, Infektionskrankheiten und Entzündungsreaktionen befördern. Ziel des SFBs ist, die Autophagie auf molekularer und zellulärer Ebene besser zu verstehen. Die Forscher hoffen, diese Prozesse künftig gezielt mit Wirkstoffen beeinflussen zu können, um die Therapie von Erkrankungen zu verbessern.

Universitätspräsidentin Prof. Birgitta Wolff gratulierte:„Glückwunsch an Ivan Dikic und sein Team für diesen wichtigen Erfolg! Grundlagenforschung dieser Gruppe bildet eine vielversprechende Basis für die Entwicklung neuer, wirksamerer Therapien. Besonders freuen wir uns, dass wir diesen SFB auch in Zusammenarbeit mit der Uni Mainz, dem Mainzer Institut für Molekulare Biologie und dem Georg-Speyer Haus realisieren – ein weiteres Zeichen für die Vitalität unserer regionalen Kooperation.“

Die Autophagie findet sich in einfachen Organismen wie der Hefezelle bis hin zu komplexen Lebewesen wie dem Menschen. Über diesen Prozess werden beispielsweise verklumpte Proteine vernichtet, die zu schweren Schäden in Zellen und zum Zelluntergang führen können. Das ist bei zahlreichen neurodegenerativen Erkrankungen zu beobachten. Sogar ganze Zellorganellen können mit Hilfe der Autophagie abgebaut werden. Ebenso werden auf diesem Weg in die Zelle eingedrungene Viren oder Bakterien unschädlich gemacht. Die dabei zurück gewonnenen Bausteine kann die Zelle als Rohstoffe wieder verwerten, weshalb Autophagie auch eine Strategie ist, in Zeiten mangelnder Energiezufuhr zu überleben.

Die Autophagie ist ein hoch komplizierter, sehr exakt regulierter Prozess, der die konzertierte Aktion zahlreicher Mitspieler erfordert: Das abzubauende Substrat wird zunächst spezifisch erkannt und in Membranen zum sogenannten Autophagosomverpackt. Dieses fusioniert mit größeren Zellorganellen, den mit Verdaungsenzymen gefüllten Lysosomen, die dann die Ladung in die einzelnen Bausteine zerlegen.

„Erst in den vergangenen 10 Jahren wurde die enorme Bedeutung der Autophagie für die Gesundheit erkannt. Daraufhin sind die Forschungsaktivitäten zu diesem Thema weltweit rasant angestiegen“, erklärt Prof. Ivan Dikic, Sprecher des SFBs und Direktor des Instituts für Biochemie II an der Goethe-Universität. „Durch die Rekrutierung neuer Gruppenleiter ist es uns gelungen, Frankfurt zu einem Zentrum für Autophagie-Forschung auszubauen. Das ermöglicht uns nun, die vielen offenen Fragen anzugehen: Wodurch wird Autophagie ausgelöst? Woher ‚weiß‘ die Zelle, welche Bestandteile sie abbauen soll? Wie funktioniert die Abstimmung mit anderen zellulären Mechanismen?“

Bekannt ist mittlerweile, dass die Rolle der Autophagie stark vom zellulären Kontext abhängt: In gesunden Zellenverhindert sie die Entstehung von Krebszellen. Gleichzeitig nutzen Krebszellen jedoch die Autophagie zu ihren eigenen Gunsten aus, um Nährstoff-Engpässe, die durch schnelles Tumorwachstum entstehen, zu überstehen. Diesem komplexen Zusammenspiel sind die Wissenschaftler auf der Spur. Wenig erforscht ist auch die Wechselwirkung der Autophagie mit anderen Mechanismen wie dem zellulären Membrantransport (Endozytose), dem programmierten Zelltod (Apoptose) und dem Ubiquitin-System, das Proteine für den Abbau im Proteasom markiert.

In dem neuen SFB wollen die Forscher die Autophagie auf der Ebene von Molekülen, Zellen und Modell-Organismen studieren. Er ist das erste großangelegte Verbundprojekt zu dieser Thematik innerhalb Deutschlands und ermöglicht es den Frankfurter und Mainzer Forschern, sich in einem international sehr kompetitiven Feld zu positionieren. Erforderlich hierfür ist eine breite Aufstellung über viele Disziplinen, und so sind innerhalb des Netzwerkes Strukturbiologen ebenso vertreten wie Biochemiker, Zellbiologen und Mediziner aus der Klinik. Die gewonnenen Erkenntnisse zu den molekularen Mechanismen sollen direkt in Modellsystemen für menschliche Erkrankungen verwertet werden. 

Von der Goethe-Universität ist neben den Fachbereichen Biowissenschaften, Biochemie, Chemie und Pharmazie sowie Medizin auch das Buchmann Institut für Molekulare Lebenswissenschaften beteiligt. Kooperationspartner sind das Institut für Pathobiochemie an der Universitätsmedizin der Johannes-Gutenberg Universität Mainz (Prof. Dr. Christian Behl ist Vizesprecher des SFBs), das Georg-Speyer-Haus in Frankfurt und das Institut für Molekulare Biologie gGmbH, Mainz.

Informationen: Prof. Ivan Dikic, Institut für Biochemie II, Universitätsklinikum, Tel.: (069) 6301-5652, Ivan.Dikic@biochem2.de.

Personalia/Preise

Okt 20 2015
11:23

Der kroatische Biochemiker ist international bekannter Krebsforscher

Prof. Ivan Dikic in die Europäische Akademie gewählt

FRANKFURT.Die Academia Europaea hat den Frankfurter Biochemiker Prof. Ivan Dikic in ihre Reihen aufgenommen. Die 1988 gegründete Akademie wählte insgesamt 248 neue Mitglieder aus den Geistes- und Sozialwissenschaften, den Natur- und Lebenswissenschaften, der Mathematik, den Ingenieurwissenschaften und der Medizin. Ivan Dikic ist Direktor des Instituts für Biochemie 2 und Gründungsdirektor des Buchmann-Instituts für Molekulare Lebenswissenschaften an der Goethe-Universität. Der aus Kroatien stammende Forscher ist für seine Beiträge zur Krebsforschung mehrfach ausgezeichnet worden, unter anderem mit dem Deutschen Krebspreis (2010) und dem Leibniz-Preis (2013).

„Ich fühle mich durch die Wahl in die Academia Europaea geehrt und trage gern zu ihrem wissenschaftlichen Programm und ihren Bildungszielen bei“, so Dikic. Die Gesellschaft mit Sitz in London setzt sich unter anderem dafür ein, das Verständnis für die Wissenschaft in der Öffentlichkeit zu verbessern. Ivan Dikic ist bereits Mitglied der Deutschen Akademie der Wissenschaften Leopoldina, der Kroatischen Akademie für Medizinische Wissenschaften und der europäischen Wissenschaftsorganisation „European Molecular Biology Organization“(EMBO).

Informationen: Prof. Ivan Dikic, Institute für Biochemie 2, Universitätsklinikum, Tel.: (069) 6301-5652,Ivan.Dikic@biochem2.de

Forschung

Jun 3 2015
19:00

Frankfurter Wissenschaftler entdecken neuen molekularen Mechanismus, der Schädliches beseitigt – Defekte können neurodegenerative Krankheiten auslösen

Kontrollinstanz in der Zelle

FRANKFURT. Qualitätskontrolle ist wichtig – das gilt nicht nur für die Produktion von Waren, sondern auch für alle Prozesse des Lebens. Während ein Industriekonzern im Zweifelsfall jedoch eine großangelegte Rückrufaktion starten kann, um langfristige Schäden zu verhindern, sind Mängel in der Qualitätskontrolle für Zellen oftmals fatal. Das zeigt sich insbesondere bei neurodegenerativen Erkrankungen wie Alzheimer, Parkinson oder der amyotrophen Lateralsklerose (ALS), bei denen grundlegende Mechanismen der zellulären Qualitätskontrolle versagen.

Frankfurter Forschern um Ivan Dikic, Professor für Biochemie an der Goethe-Universität, ist es jetzt gelungen, molekulare Details zu entschlüsseln, die ein neues Verständnis zweier neuronaler Krankheitsbilder ermöglichen. Im Mittelpunkt steht dabei die „Autophagie“ als entscheidendes Element der zellulären Qualitätskontrolle. Autophagie heißt wörtlich übersetzt „Selbstfressen“. Dahinter verbirgt sich ein ausgeklügeltes System, bei dem zelluläre Abfälle spezifisch erkannt, in Membranen verpackt und entsorgt werden. Typischerweise handelt es sich dabei um schadhafte oder überzählige Proteine oder Zellorganellen, aber auch eindringende Pathogene wie Bakterien oder Viren können über diesen Weg beseitigt werden.
Das Team von Prof. Ivan Dikic hat nun gemeinsam mit Kollegen aus Jena, Aachen und den Niederlanden  einen neuen Autophagie-Rezeptor identifiziert, das sogenannte FAM134B Protein. In der heutigen Online-Ausgabe der renommierten Fachzeitschrift Nature berichten die Forscher, welche Rolle FAM134B bei der konstanten Erneuerung des endoplasmatischen Retikulums (ER), einem wichtigen Zellorganell, spielt. Es sorgt dafür, dass das ER abgebaut und entsorgungsgerecht verpackt wird, während andere Proteine den neuen Aufbau kontrollieren.

„Zu wenig FAM134B führt zu einer unkontrollierten Ausdehnung dieses Organells, was sehr schädlich für die Zelle ist“, erläutert Ivan Dikic. „Die Entdeckung von FAM134B als neuem Rezeptor ist per se schon ein Meilenstein. Richtig spannend wurde es jedoch, als wir die Verbindung zu einer seltenen neuronalen Erbkrankheit erkannten.“ Bei der hereditären sensorischen und autonomen Neuropathie vom Typ II (HSAN II) hatten die Partner aus der Humangenetik des Universitätsklinikums Jena, Privatdozent Ingo Kurth und Professor Christian Hübner, bereits 2009 nachgewiesen, dass mutiertes FAM134B das Absterben sensorischer Neuronen verursacht. Die genaue Funktion des FAM 134 B Proteins in der Nervenzelle blieb jedoch unklar.  HSAN II ist eine sehr seltene Erbkrankheit, bei der das Schmerz- und Temperaturempfinden und die Schweißbildung nicht richtig funktionieren. Betroffene Patienten verbrennen sich z.B. sehr leicht, weil sie die Hitze und die damit verbundenen Schmerzsignale nicht spüren können. Im Mausmodell ließ sich nun durch Mutation von FAM134B ein ähnliches Krankheitsbild erzeugen. „Das mutierte Protein kann nicht mehr als Rezeptor funktionieren. Mit unseren Studien sind wir den molekularen Ursachen dieser Erkrankung einen großen Schritt näher gekommen. Gleichzeitig zeigt sich hier, wie wichtig die Autophagie für die zelluläre Qualitätskontrolle ist und welche fatalen Folgen eine Fehlfunktion dieses Systems hat “, erläutert Dikic.

Seine Labore am Buchmann Institut für Molekulare Lebenswissenschaften (BMLS) und am Institut für Biochemie II (IBC II) waren erst kürzlich an einer weiteren bahnbrechenden Studie zu einer neurodegenerativen Erkrankung, der ALS, beteiligt. Typischerweise führt ALS durch den massiven Verlust motorischer Neuronen nach drei bis vier Jahren zum Tode. Obwohl ALS ebenfalls zu den seltenen Erkrankungen zählt, ist sie durch den Physiker und langjährigen Patienten Stephen Hawking sowie die Ice Bucket Challenge im vergangenen Jahr in der breiten Öffentlichkeit relativ bekannt.

Wie im Leitartikel der Mai-Ausgabe von Nature Neuroscience berichtet, ist es nun einem internationalen Team gelungen, die für ALS verantwortlichen Gene und Gendefekte besser zu verstehen. Die Wissenschaftler entdeckten, dass Mutationen in einem speziellen Enzym, der Tank-bindenden Kinase 1 (TBK1), in Familien mit ALS gehäuft auftreten. Das Dikic-Labor war insbesondere an der Aufklärung der Funktion von TBK1 beteiligt und konnte zeigen, dass die in Patienten gefundenen Mutationen die Interaktion von TBK1 mit dem Autophagie-Rezeptor Optineurin unterbrechen. Optineurin ist beispielweise an der Beseitigung verklumpter Proteine und der Abwehr bakterieller Infektionen beteiligt. Ko-autor Dr. Benjamin Richter kommentiert: „Für mich als Mediziner, der in der Grundlagenforschung arbeitet, ist faszinierend, wie wir hier durch eine gemeinsame, interdisziplinäre Anstrengung einen wichtigen Beitrag zur Aufklärung der pathophysiologischen Ursachen einer neuronalen Erkrankung leisten konnten.“  „Beide Studien zeigen in beispielloser Weise, wie sich aus einzelnen Erkenntnissen übergreifende Konzepte ableiten lassen“, betont Ivan Dikic. Wenn die zelluläre Qualitätskontrolle in Neuronen langfristig versage, seien die Folgen für den Gesamtorganismus fatal. „Als zentraler Mechanismus der zellulären Qualitätskontrolle hat sich hier die Autophagie herauskristallisiert. Auf der molekularen Ebene sind jedoch vollkommen unterschiedliche Bereiche betroffen“, so Dikic.  

Ivan Dikic (49) forscht seit 2002 an der Goethe-Universität Frankfurt am Main, seit 2009 leitet er das Institut für Biochemie II am Universitätsklinikum und war als erster Wissenschaftlicher Direktor entscheidend am Aufbau des Buchmann Instituts für Molekulare Lebenswissenschaften auf dem Campus Riedberg beteiligt. Der gebürtige Kroate hat Medizin in Zagreb studiert, gefolgt von einer naturwissenschaftlichen Promotion an der Universität von New York und dem Aufbau seiner ersten eigenständigen Forschungsgruppe am Ludwig Institut für Krebsforschung in Uppsala (Schweden). Er erhielt 2013 mit dem Leibniz-Preis der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) den renommiertesten deutschen Wissenschaftspreis. Darüber hinaus wurde er mit zahlreichen weiteren Auszeichnungen geehrt, unter anderem dem Ernst Jung-Preis für Medizin (2013), dem William C. Rose Award der Amerikanischen Fachgesellschaft für Biochemie und Molekularbiologie (2013) und dem Deutschen Krebspreis (2010). Er ist Mitglied der Fachgesellschaften Leopoldina und EMBO,  hat 2010 einen Advanced Investigator Grant des Europäischen Forschungsrates (ERC) eingeworben und ist Sprecher des LOEWE-Schwerpunktes Ubiquitin-Netzwerke, in dessen Rahmen Teile der nun publizierten Arbeiten angefertigt wurden.

Bild zum Download finden Sie unter: www.uni-frankfurt.de/55863443

Publikationen:

A. Khaminets et al.: Regulation of endoplasmic reticulum turnover by selective autophagy. Nature, doi: 10.1038/nature14498, Advance Online Publication (AOP): http://www.nature.com/nature,

A. Freischmidt et al.: Haploinsufficiency of TBK1 causes familial ALS and fronto-temporal dementia Natur Neuroscience, Nature Neuroscience
18,
631–636
(2015),
doi:10.1038/nn.4000, http://www.nature.com/neuro/journal/v18/n5/full/nn.4000.html

Kontakt: Prof. Ivan Dikic, Goethe-Universität Frankfurt, Telefon 069 6301 5964,
Email: dikic@biochem2.uni-frankfurt.de