Jul 19 2006

„Pro Geisteswissenschaften“ wählt Frankfurter Theologen und sein Buchprojekt zur Religionsphilosophie aus

Zeit und Muße für das "opus magnum"

FRANKFURT. Endlich Zeit und Muße für das „opus magnum“, das wünschen sich viele Geisteswissenschaftler, die in den Universitätsalltag eingespannt sind - für den Frankfurter Theologen Prof. Dr. Dr. h.c. Hermann Deuser geht dieser Wunsch nun in Erfüllung: Ab Wintersemester 2006/07 kann er sich zwei Jahre lang in seine Studierstube und in Bibliotheken zurückziehen, befreit von Lehrverpflichtungen recherchieren, schreiben und sein seit fünf Jahren geplantes Grundlagenwerk zur Religionsphilosophie vollenden. Finanziert wird die Freistellung und Vertretung im Fachbereich Evangelische Theologie im ersten Jahr durch eine Forschungsprofessur (Fellow) am Max-Weber-Kolleg der Universität Erfurt und im zweiten Jahr aus dem neuen Förderprogramm „Pro Geisteswissenschaften“, in das bundesweit nur neun Wissenschaftler aufgenommen wurden.

„Schon seit Jahren treibt mich die Idee um, die großen Traditionen der europäischen Religionsphilosophie mit ihren aktuellen Bezügen darzustellen“, so der 60-jährige Theologe, der seit 1997 an der Universität lehrt und der seit 1999 auch dem Direktorium des Instituts für religionsphilosophische Forschung (IRF) angehört. Und der Zeitpunkt ist gut gewählt: „Die öffentliche, internatio­nale und interdisziplinäre Wiederentdeckung des Themas Religion führt in den deutschen Philosophien und Theologien zu einer Renaissance der Religionsphilosophie. Es geht dabei wesentlich um die Fragen, wie die europäische Aufklärung kritisch, destruktiv oder konstruktiv mit Religion umgegangen ist, wie wir heute daran produktiv anknüpfen können oder warum dieser Tradition mit guten Gründen auf der Basis der philosophischen und theologischen Entwicklungen des 20./21. Jahrhunderts auch widersprochen werden muss,“ ergänzt Deuser. Der Theologe wird auch die Wechselwirkungen von christlicher Religion mit anderen Weltreligionen beleuchten, wie sie gegenwärtig sowohl in der amerikanischen Religionsphilosophie als auch im internationalen Horizont der Religionsforschung zur Prüfbedingung der Dialogfähigkeit avancieren. Während es im englischsprachigen Bereich Serien von religionsphilosophischen Handbüchern, Lexika und Sammelwerken gibt, ist dieses Themenfeld in Deutschland immer noch eher vernachlässigt.

Die „Opus magnum“-Förderung kommt gleichzeitig jungen Wissenschaftlern zugute, die wie die langjährige Mitarbeiterin im Fachgebiet Systematische Theologie/Religionsphilosophie, Privatdozentin Dr. Gesche Linde, die Vertretung einer Professur übernehmen und sich wissenschaftlich weiter qualifizieren können, ohne dass den Universitäten zusätzliche Kosten entstehen. „Ich werde in dieser Zeit vor allem auch meine Forschungsarbeiten zur Semiotik von Charles S. Peirce und zum amerikanischen Pragmatismus intensivieren“, so Dr. Gesche Linde.

Die Initiative „Pro Geisteswissenschaften“, die von der Fritz Thyssen Stiftung und VolkswagenStiftung gemeinsam getragen wird, hat 17 Förderungen über insgesamt 4,6 Mio. Euro ausgesprochen. Die Initiative umfasst drei Komponenten - darunter die Dilthey-Fellowships für den hoch qualifizierten wissenschaftlichen Nachwuchs sowie „opus magnum“ als Freistellungsangebot für herausragende Forscher, die ein größeres wissenschaftliches Werk verfassen wollen. Die ersten acht Dilthey-Fellowships und die ersten neun „Opus-Magnum“-Förderungen wurden nun ausgesprochen: Der Theologe Prof. Dr. Hermann Deuser von der Universität Frankfurt und der Marburger Kunsthistoriker Prof. Dr. Ingo Herklotz sind die einzigen hessischen Wissenschaftler unter den Auserwählten.

Hintergrund der Initiative ist die wachsende Bedeutung der Geisteswissenschaften für eine immer komplexer werdende Wissensgesellschaft im zusammenwachsenden Europa. „Entsprechend brauchen sie neue, langfristig angelegte Freiräume und Handlungsmöglichkeiten, um fundamentale Fragen angemessen beantworten zu können“, sagt Dr. Wilhelm Krull, Generalsekretär der VolkswagenStiftung. Dabei sind inhaltliche Innovation und strukturelle Reformfähigkeit gefordert. „Eben jenen Wissenschaften neue Räume zu öffnen, war im Jahr 2005 Anlass, die Initiative ‚Pro Geisteswissenschaften’ auf den Weg zu bringen“, erklärt Jürgen Chr. Regge, Vorstand der Fritz Thyssen Stiftung.

Nähere Informationen: Prof. Dr. Hermann Deuser und Privatdozentin Dr. Gesche Linde, Fachbereich Evangelische Theologie, Telefon 069/709-32944, E-Mail: h.deuser@em.uni-frankfurt.de ; gesche.linde@gmx.de