Apr 16 2010

Öffentliche Ringvorlesung des Instituts für Studien der Kultur und Religion des Islam

Wie viel Islam verträgt Europa?

FRANKFURT. Kontroverse Themen stehen auf der Agenda der sechsten Ringvorlesungen zur Islamforschung im europäischen Kontext, die das Institut für Studien der Kultur und Religion des Islam an der Goethe-Universität in diesem Sommersemester veranstaltet: Wie viel Islam verträgt Europa? Einbürgerung des Islam: Gefahr, Schicksal oder Chance für Europa? Die öffentlichen Vorträge mit anschließender Diskussion finden jeweils dienstags zwischen 18 und 20 Uhr im Hörsaalzentrum (HZ 6) auf dem Campus Westend statt. Zum Auftakt spricht am 20. April der Tübinger Religions- und Islamwissenschaftler Prof. Stefan Schreiner. Sein Thema „Was lehrt uns die Geschichte? Islamische Geschichte in Europa und Erfahrungen der Koexistenz“.

Die aktuelle öffentliche Debatte erscheint konträr und zuweilen auch unversöhnlich. Einerseits bemühen sich Mehrheitsgesellschaft und Muslime, den Islam heimisch werden zu lassen, Stichwort: „Einbürgerung des Islam“. Andererseits werden Stimmen lauter und Initiativen attraktiver, die die Gefahr einer schleichenden Islamisierung sehen und für ein Verbot von Minaretten oder Kopftuch plädieren. „In einigen muslimischen Kreisen stößt dieses unverbesserliche Negieren wiederum die Frage nach der Vereinbarkeit eines islamischen und gleichzeitig europäischen Lebens nur noch stärker an“, so Ertugrul Sahin, Wissenschaftlicher Mitarbeiter des Instituts, der gemeinsam mit Prof. Ömer Özsoy die Veranstaltung organisiert.

Die mögliche Variationsbreite des Themas scheint unbegrenzt: Auch die Umkehrung der Frage „Wie viel Europa verträgt der Islam?“ ist Bestandteil von Diskussionen unter Muslimen. Wo sind beispielsweise die Grenzen der Anpassung, wenn es um das Thema Kopftuch geht? Dazu Sahin: „So wird aus ‚Wie viel Differenz verträgt Europa?‘ die Frage ‚Wie viel Anpassung verträgt die islamische Identität‘. Die muslimische Diskussion bewegt sich in diesem Diskursfeld der Mehrheitsgesellschaft, muss aber deutlich ausgeweitet werden.“

Die Vorlesungsreihe geht mit ihrem Anliegen weiter. Sie verbindet Diskussionen aktueller Entwicklungen mit wissenschaftlicher Forschung und Lehre und schafft gleichzeitig ein Forum zur Diskussion. „Das Frankfurter Modell auf dem Wege der Etablierung einer islamischen Theologie versucht den klassischen islamischen Disziplinenkanon mit geistes- und sozialwissenschaftlichen Fragestellungen zu konfrontieren, um sich notwendige Diskussionsfelder zu vergegenwärtigen und den Kanon auf Europa bezogen zu kontextualisieren“, erläutert der Leiter des Instituts für Studien der Kultur und Religion des Islam, Prof. Özsoy. Dabei sollen insbesondere den Studierenden die tatsächlichen gesellschaftlichen Problemfelder sowie die methodologischen und theoretischen Herausforderungen durch interdisziplinäre kritische Fragestellungen nahe gebracht werden. „Wir haben unsere vortragenden Gäste aus verschiedenen Disziplinen gebeten, richtungsweisende Thesen zu formulieren und Denkanstöße zu weiteren Forschungen zu geben.“

Die Ringvorlesung in diesem Sommersemester wird sich der Problematik aus dem europäischen Blickwinkel widmen: „Fähigkeit und Willen Europas sowie die Kapazität seiner gesellschaftlichen, politischen und juristischen Strukturen, die die Integration und Partizipation der Muslime und des Islam zulassen und gewährleisten sollen, werden zur Disposition stehen,“ ergänzt Sahin. Die zweite Dimension der Frage “Wie viel Europa verträgt der Islam?“ wird in der Ringvorlesung im Sommersemester 2011 thematisiert. Die Beiträge der Ringvorlesung sollen zum Schluss in einem Band veröffentlicht werden.

Termin und Themen im Überblick:

• 20. April: Was lehrt uns die Geschichte? Islamische Geschichte in Europa und Erfahrungen der Koexistenz. Prof. Stefan Schreiner (Tübingen)

• 11. Mai: Möglichkeiten und Grenzen der offenen Gesellschaft und die Partizipation des Islam in westlichen Demokratien, Prof. Otto Kallscheuer (Sardinien/Berlin)

• 18. Mai: Vom christlichen Abendland zum abrahamitischen Europa. Wie sich das Islambild verändert? Dr. Jürgen Micksch (Frankfurt)

• 25. Mai: Vom unwandelbaren Orientalen – Zur literarischen Verfestigung von Vorurteilen über die muslimische Welt in Reiseberichten des 19. Jahrhunderts und deren Implikationen für die gegenwärtige Debatte um den Islam in Europa. Dr. Bekim Agai (Halle)

• 1. Juni: Gewalt- und Konfliktverträglichkeit Europas. Wieviel „politischen Islam“ verträgt Europa? Prof. Werner Ruf (Kassel)

• 8. Juni: Wieviel „Scharia“ verträgt das europäische Rechtssystem? Konflikte und Lösungen im säkularen Rechtsstaat. Prof. Mathias Rohe (Erlangen)

• 15. Juni: Wieviel Islam verträgt das europäische Selbstverständnis? Europäische Religionssemantiken und der Islam in der deutschen Staats- und Verwaltungspolitik. Dr. Nikola Tietze (Hamburg)

• 22. Juni: Alte und neue Minderheiten in Deutschland zwischen Emanzipation und Exotisierung: Juden und Muslime im Vergleich. Dr. Achim Rohde (Braunschweig)

• 29. Juni: Islamophobie oder schleichende Islamisierung Europas? Prof. Peter Heine (Berlin)

• 6. Juli: Muslimischer Zugang zu Medien und mediale Wahrnehmung des Islam. Jörg Lau, Die Zeit

Informationen: Ertugrul Sahin, Institut für Studien der Kultur und Religion des Islam, Campus Bockenheim, Tel: (069) 798- 33362 oder -32752, Sahin@em.uni-frankfurt.de;