Okt 6 2010

Ursprüngliche Art der Zellatmung bei säurebildenden Bakterien entdeckt

Von der Ursuppe zum oxidativen Stress

FRANKFURT. Die Essigsäure bildenden Bakterien gehören nach Ansicht vieler Forscher zu den ersten Lebewesen auf der Erde. Sie besiedelten den Planeten lange bevor es Sauerstoff zum Atmen gab. Ihre Energie beziehen die Bakterien aus der Umwandlung von Kohlendioxid, das sie mithilfe von Wasserstoff zu aktivierter Essigsäure reduzieren. Doch an welcher Stelle dieses biochemisch gut erforschten Prozesses wird Energie frei? Frankfurter Biowissenschaftlern ist es gelungen, dieses Rätsel zu lösen. In der Membran von Acetobacterium woodii fanden sie ein Enzym, das Natrium-Ionen gegen ein Energiegefälle aus der Zelle befördert. Die Natrium-Ionen gelangen über eine „Turbine“ in der Zellmembran (ATP-Synthase) ins Zellinnere zurück. Bei der Passage wird Energie in Form von ATP frei.

„Die Entdeckung dieses neuen Typs von Elektronentransport getriebener Membranpumpe, die Ferredoxin:NAD-Oxidoreduktase, könnte nicht nur ein Archaetyp für heutige Elektronen-Transportpumpen sein, wie wir sie in Mitochondrien finden“, erklärt Prof. Volker Müller, der die Ergebnisse gemeinsam mit seiner Doktorandin Eva Biegel in der aktuellen Ausgabe der „Proceedings of the National Academy of Sciences“ veröffentlichte. „Diese Pumpe erklärt auch die Lebensweise sehr vieler anderer Mikroorganismen“, so Müller. Es verwundere daher nicht, dass die dafür kodierenden Gene in den Genomen von über 100 verschiedenen Prokaryoten gefunden werden. Viele von ihnen leben in strikter Abwesenheit von Sauerstoff und es ist wahrscheinlich, dass die Ferredoxin:NAD-Oxidoreduktase, kurz Fno, dort ebenfalls zur Energiekonservierung dient.

Fno kommt auch in Bakterien vor, die an der Luft leben. Ihre zelluläre Funktion dort ist noch unverstanden. „Wir gehen davon aus, dass die Turbine dort in die andere Richtung läuft, und die elektrochemische Energie über der Membran nutzt, um Elektronen gegen das Energiegefälle zu pumpen“, vermutet Eva Biegel. Dies ist beispielsweise der Fall bei der Stickstofffixierung oder der Sensierung von oxidativem Stress, beide Funktionen benötigen ebenfalls Fno.

Der biochemische Prozess im Einzelnen: Wasserstoff wird über das Enzym Hydrogenase oxidiert und die Elektronen werden auf das Protein Ferredoxin übertragen. Beide enthalten Eisen und Schwefel, Elemente, die in der Ursuppe zur Genüge vorhanden waren. Das reduzierte Ferredoxin ist der Brennstoff für eine membrangebundene Turbine, die Ferredoxin:NAD-Oxidoreduktase (Fno). Dieses Enzym überträgt, wiederum über Eisen-Schwefel-Zentren, die Elektronen auf den Akzeptor NAD+, und von dort fließen die Elektronen in das Zellinnere zur CO2-Fixierung. Die Fno-Turbine nutzt die Energie der „bergab“, also mit dem Energiegefälle fließenden Elektronen, um Natriumionen aus dem Zellinneren „bergauf“, nach außen zu pumpen. Die Natriumionen fließen dann wieder bergab durch eine andere Turbine, die ATP-Synthase, die die dabei freiwerdende Energie nutzt, um ATP zu generieren.

Publikation: Eva Biegel, Volker Müller: Bacterial Na+-translocating ferredoxin: NAD+ oxidoreductase, in: PNAS Early Edition. www.pnas.org/cgi/doi/10.1073/pnas.1010318107

Eine schematische Darstellung des Prozesses finden Sie im rechten Downloadbereich.

Beschreibung:
Der Fno-Komplex des anaeroben Bakteriums Acetobacterium woodii. Elektronen aus der Wasserstoff- oder Pyruvatoxidation werden auf den löslichen Elektronenüberträger Ferredoxin übertragen, der an den Fno-Komplex andockt und dort seine Elektronen abgibt. Über Eisen-Schwefel-Zentren und Flavine werden die Elektronen durch den Komplex hindurch zu einer zweiten Andockstation transportiert. An dieser wartet der lösliche Elektronenakzeptor NAD, der dann reduziert wird, ins Cytoplasma abdissoziert und die Elektronen in die Reduktion von Caffeat oder die CO2-Fixierung steckt. Die Energie, die beim „bergabtransport“ (exergon) der Elektronen frei wird, wird genutzt, um Natriumionen aus der Zelle zu pumpen. Dadurch entsteht eine „energetisierte“ Membran (ein elektrochemisches Ionenpotential über der Membran), das dann die Synthese von ATP treibt. Die Natur der Fno-Pumpe ist noch nicht zweifelsfrei aufgeklärt, jedoch gibt es viele Hinweise darauf, dass sie identisch mit dem sogenannten Rnf-Komplex ist, der in den Genomen sehr vieler unterschiedlicher Bakterienarten kodiert ist.

Informationen: Prof. Volker Müller, Molekulare Mikrobiologie und Bioenergetik, Campus Riedberg, Tel.: (069) 798-29507; VMueller@bio.uni-frankfurt.de.