Mai 30 2005

Stiftungsgastprofessur Deutsche Bank beschäftigt sich mit China

Vom ‚Reich der Mitte’ zum neuen Zentrum Asiens?

FRANKFURT. China ist in den Medien heutzutage omniprä-sent und steht vor allem als potentielle neue wirtschaftliche oder politische Weltmacht im Zentrum der Diskussion. Die Vorlesungsreihe beschäftigt sich mit den Auswirkungen dieser Neupositionierung Chinas auf seine Nachbarländer und die südostasiatische Region. China als ehemals selbsternanntes ‚Reich der Mitte’ spielt bei den aktuellen Transformationsprozessen in der Region für seine Nachbarländer eine zentrale Rolle: als kultureller und politischer Bezugspunkt, als histo-risch gewachsene Leitkultur aber auch als Konkurrenz und potentielle Bedrohung.

Im Rahmen der Stiftungsgastprofessur der Deutschen Bank gestaltet das Interdisziplinäre Zentrum für Ostasienforschung (IZO, in Gründung) die interdisziplinäre Vorlesungsreihe zu Chinas neuer Rolle in Ost- und Südostasien. International re-nommierte Experten aus der Sinologie, der Japanologie und den Südostasienwissenschaften setzen sich mit dem Themen-bereich aus unterschiedlichen Perspektiven auseinander. Der Ambivalenz innerasiatischer Beziehungen wird in der Vorlesungsreihe dabei aus historischer und gegenwartsbezogener Perspektive nachgegangen. Die Vorträge richten sich nicht nur an Fachpublikum; sie werden jeweils im Rahmen eines Seminars am darauf folgenden Tag vertieft.

Vor allem in Abgrenzung zum ‚alten Konfuziusladen’ fand zu Anfang des 20. Jahrhunderts in Asien eine verstärkte Rezepti-on moderner, staatspolitischer Theorien statt. Diese stellten die Grundlagen für die Ausbildung der spezifischen politisch-kulturellen Systeme der einzelnen Länder dar, und führten im Falle Chinas zum viel zitierten ‚Sozialismus chinesischer Aus-prägung’. Diesem Prozess widmet sich der Vortrag von Arif Dirlik, University of Oregon, dessen vielfältige Studien zur Rezeption des Marxismus in China seit Jahrzehnten einschlägig geblieben sind.

Leo Suryadinata, Senior Research Fellow am Institute of Southeast Asian Studies, Singapore, wird in seinem Vortrag darstellen, dass China und Südostasien historisch keineswegs klar gegeneinander abgrenzbare geopolitische Einheiten darstellen. Vielmehr hat gerade Festland-Südostasien mit China in kultureller Beziehung sehr viele Gemeinsamkeiten. Auch die Kontakte zwischen Insel-Südostasien und China sind sehr in-tensiv: Besonders deutlich zeigt dies die starke, teils Jahrhunderte alte Präsenz chinesischstämmiger Minoritäten über Fest-land-Südostasien hinaus, vor allem in Malaysia, Brunei, in Indonesien und auf den Philippinen.

Die vielfältigen Vernetzungen in Ost- und Südostasien bewirken auch eine Transformation der kulturellen Landschaft Chinas, wie der Themenbereich zur Japanisierung der chinesi-schen und koreanischen Pop-Kultur zeigen wird. Prof. Iwabu-chi Koichi (Waseda University) wirft die Frage auf, warum und vor welchem Hintergrund japanische populärkulturelle und künstlerische Produkte wie Fernsehserien, Filme, Comics, Cha-raktergoods, Avantgardemode und Musik in Asien auf so große Akzeptanz treffen.

Die Nachhaltigkeit historisch gewachsener transnationalen Beziehungen und Netzwerke und ihre Auswirkungen auf Chi-nas heutige Politik und Wirtschaft ist Gegenstand des Beitrags zu chinesischen Eliten und dem so genannten ‚China Circle’ mit Taiwan, Hongkong und Singapur. Denn mit der raschen ökonomischen Entwicklung Chinas ist eine neue Unternehmerschicht entstanden, die ein Motor der marktwirtschaftlichen Transformation und der Integration in den Weltmarkt ist. In welch vielfältigen Beziehungen die neuen Wirtschaftseliten mit auslandschinesischen ‚business networks’ stehen, damit beschäftigt sich der Vortrag von Prof. You-tien Hsing (UCLA, Berkeley), die sich in zahlreichen Forschungsarbeiten mit öko-nomischen Netzwerkstrukturen im asiatischen Raum beschäftigt hat.

Programm

12. Mai, 18 Uhr
Arif Dirlik, Knight Professor of Social Science, Professor of History an Anthropology im Bereich Modern China an der University of Oregon: ’Modernity and Revolution in Eastern Asia: Chinese Socialism in Re-gional Perspective’ Seminar am 13. Mai: ‚Chinese Marxism: Whence and Whither?, mit Prof. Arif Dirlik und PD Dr. Boy Lüthje, Institut für Sozialforschung, Frankfurt

2. Juni, 18 Uhr
Leo Suryadinata, Senio Research Fellow, Institute of Southeast Asian Studies, Singapore: Chinese Migration in Southeast Asia: Past and Present Seminar am 3. Juni: ‘Southeast Asian government policies towards ethnic Chinese’, mit Dr. Leo Suryadinata und Prof. Bernd Nothofer, Südostasienwissenschaften, Frankfurt

23. Juni, 18 Uhr
Iwabuchi Kôichi, Professor an der School of International Liberal Studies, Waseda University, Tokyo ’Cool Japan, Korean Wave and Sinocization next? Pop-Culture Criss-crossing in East Asia’ Seminar am 24. Juni: ‘The (Im)possibility of Translational Dialogue Through Pop-Culture’, mit Prof. Iwabuchi Kôichi und Prof. Lisette Gebhardt, Japanologie, Frankfurt

30. Juni, 18 Uhr
You-Tien Hsing, Associate Professor am Department of Geography, University of California Berkeley ’An Economic Elite on its Path to a New Ruling Class? China's new entrepreneurs and the ‘China Circle’ Seminar am 1. Juli: mit Dr. You-Tien Hsing und Prof. Wilhelm Schumm, Institut für Sozialforschung, Frankfurt

Die Reihe wird vom Interdisziplinären Zentrum für Ostasienstudien der Universität organisiert; die Veranstaltungen finden jeweils im Casino, Raum 1.801, Campus Westend, Grüneburgplatz1, 60323 Frankfurt, statt.

Kontakt: Jun.Prof. Dr. Natascha Gentz; Sinologie; Senkcnebrganlag 31; 60325 Frankfurt; Tel.: 069 798 23288; E-Mail: gentz@em.uni-frankfurt.de