Jun 2 2010

Innovatives Lehrprojekt fördert Praxisorientierung und Interdisziplinarität in den Geisteswissenschaften

„Studiengalerie 1.377“ im IG Farben-Haus startet mit Videokunst

FRANKFURT. Mit der „Studiengalerie 1.357“ wird am Mittwoch (2. Juni) im IG Farben-Haus auf dem Campus Westend der erste Ausstellungsraum für die gemeinsame Arbeit universitärer Seminare mit Frankfurter Museen eröffnet. Bis zum Beginn des kommenden Jahres werden montags bis donnerstags zwischen 12 bis 17 Uhr Videos von international renommierten Videokünstler wie Walid Raad, Erik van Lieshout oder Adrian Paci gezeigt. Die Studiengalerie wurde von der Studiengruppe „Geschichtspolitik, Gedächtniskultur und Bildgebrauch“ eingerichtet, die im Wintersemester am Historischen Seminar gegründet wurde. Bei der Eröffnung (18 Uhr) werden Studierende der Geschichts- und Literaturwissenschaften sowie der Kunstgeschichte Einführungsreden halten.

Die Gruppe wurde von Bernhard Jussen, Leibniz-Preisträger und Professor für Mittelalterliche Geschichte am Historischen Seminar der Goethe-Universität, und Dr. Martin Engler, Kustos für Kunst nach 1945 im Städel Museum, initiiert. Das projektorientierte Lehrformat der Studiengruppen versammelt Studierende und Lehrende verschiedener Disziplinen zur längerfristigen gemeinsamen Arbeit. Das Projekt befasst sich mit dem bildlichen Umgang moderner Gesellschaften mit Geschichte. Im Fokus der Arbeit steht zunächst – in Zusammenarbeit mit dem Städel Museum – Verhandlungen von Geschichte und Erinnerung in zeitgenössischen Kunst.

Gefördert wird die Studiengalerie aus Mitteln zur Verbesserung der Qualität der Lehre, dazu Prof. Manfred Schubert-Zsilavecz, für die Lehre zuständiger Vizepräsident der Goethe-Universität: „In den Geisteswissenschaften geht es uns besonders darum, innovative Lehrformate anzustoßen, in denen die Studierenden lernen, wissenschaftliche Methoden auf praxisorientierte Projekte zu übertragen. Kooperationen – wie jetzt mit erfahrenen Partnern des Frankfurter Städel Museums – sind dabei besonders hilfreich.“ In der Studiengalerie werden sämtliche Arbeitsschritte entweder von Studierenden erledigt (z.B. Recherche, Wandtexte, Eröffnungsreden, Infoblatt, Flyer- und Pressetexte) oder mit Fachleuten in der Gruppe diskutiert (z.B. Plakatgestaltung, Ausstellungsarchitektur). Für die Präsentation der Videoarbeiten wurde der Ausstellungsraum einem musealen Raum nachempfunden. Mit der Studiengalerie und der längerfristigen gemeinsamen Arbeit einer Studiengruppe wird zunächst eine Schnittstelle geschaffen zwischen Universität und Museen, aber auch zwischen Wissenschaft und Öffentlichkeit.

Das erste Video, das in der Studiengalerie bis zum 15. Juli gezeigt, und von den Studierenden in erläuternden Texten kommentiert wird, stammt von dem Künstler Walid Raad und trägt den Titel „Hostage - The Bachar Tapes“ (2001, DVD, 18 Min.). Aus der Perspektive der libanesischen Geisel Souheil Bachar wird an die „Western hostage crisis“ im Libanon der 1980er-Jahre erinnert, die unter anderem im Zusammenhang mit der Iran-Contra-Affäre stand. Im Verlauf dieser Krise wurden auch fünf amerikanische Staatsbürger und ein Libanese gefangengenommen. Die Amerikaner, die zwischen 62 Tagen und sechs Jahren als Geiseln inhaftiert waren, fanden mit der Veröffentlichung ihrer Erfahrungen während der Gefangenschaft Eingang in das kollektive Gedächtnis. Die libanesische Geisel blieb namenlos und geriet in Vergessenheit. Walid Raads Video ist eine erinnerungspolitische Intervention, es gibt der Geisel einen Namen und eine Erinnerung. Historische Ereignisse und die Erinnerungen der libanesischen Geisel werden in einem Spannungsfeld zwischen Fiktion und Realität durch Bild-, Ton-, und Farbcollagen neu inszeniert.

Im Anschluss an Walid Raad folgen Erik van Lieshout, „Rotterdam-Rostock“ (2006, DVD, 17 Min.) ab 13. Oktober, Adrian Paci, „Turn on“ (2004, Video, 3:30 Min.) und „Centro di Permanenza temporanea” (2007, DVD, 5:30 Min.) ab 14. November und Hito Steyerl, „Journal No. 1 - An Artist's Impression” (2007, DVD, 21 Min.) ab 12. Januar 2011. Ab dem kommenden Semester wird es um das Werk des südafrikanischen Künstlers William Kentridge gehen, dessen Arbeiten unter anderem das südafrikanische Apartheidsregime zum Thema haben (Ausstellung im Sommersemester 2001). Informationen: Prof. Bernhard Jussen, Historisches Seminar, Campus Westend, Tel.: 069/798-32427, E-Mail: jussen@em.uni-frankfurt.de; Dr. Martin Engler, Sammlungsleiter für Kunst nach 1945 (Städel Museum) Tel.: 069/605098-210, E-Mail: engler@staedelmuseum.de

Pressekontakt (Städel Museum): Dorothea Apovnik (Leitung), Axel Braun (Pressesprecher), Städel Museum, Tel.: (069)-605098-234; presse@staedelmuseum.de; Download von druckfähigem Bildmaterial unter www.staedelmuseum.de