Okt 26 2010

Holländer setzt sich mit einem verzerrten, stereotypen Bild der jüngeren deutschen Geschichte auseinander

„Rotterdam – Rostock“ – Beitrag des Videokünstler van Lieshout in der Studiengalerie 1.357

FRANKFURT. Eine Arbeit des holländischen Videokünstlers Erik van Lieshout zeigt die im Sommersemester eröffnete Studiengalerie 1.357 ab dem 27. Oktober auf dem Campus Westend. Die Vernissage findet um 20 Uhr im Rahmen der Semestereröffnung des Forschungszentrums für Historische Geisteswissenschaften im IG-Farben-Haus statt. Sie schließt sich an einen Vortrag des Wiener Kulturwissenschaftlers Prof. Dr. Helmut Lethen an. Der Vortrag mit dem Titel „’Die historische Konstellation hat mehr aus uns herausgeholt als drin war!’ Ein Rückblick auf die Verwerfungen der Biographie in den 60er und 70er Jahren“ beginnt um 18 Uhr im Raum IG 411.

Die Studiengalerie 1.357 präsentiert regelmäßig die Arbeitsergebnisse der seit drei Semestern bestehenden Studiengruppe „Geschichtspolitik, Gedächtniskultur und Bildgebrauch“. Studierende und Lehrende verschiedener Fachrichtungen diskutieren in der Studiengruppe über den bildlichen Umgang mit Geschichte und Erinnerung. Im Fokus steht derzeit – in Zusammenarbeit mit dem Städel Museum – zeitgenössische Videokunst. Nach der sehr gut besuchten ersten Ausstellung der Studiengalerie mit einem Film des libanesischen Künstlers Walid Raad folgt nun Erik van Lieshouts 2006 entstandener Film „Rotterdam-Rostock“.

Der Film zeigt ein Kaleidoskop verschiedenster Eindrücke, die der 1968 geborene Künstler bei einer Fahrradtour durch Deutschland gesammelt hat. Alltägliche Szenen wechseln mit Ausnahmesituationen, Gespräche mit „ganz normalen Bürgern“ folgen auf Begegnungen mit Angehörigen sozialer Randgruppen, idyllische Landschaftsaufnahmen werden mit grauen Hochhaussiedlungen kontrastiert. Ein zentrales Thema des Films sind politische Äußerungen und ihre historischen Bezüge. Provokativ wird der Zuschauer mit Klischees, Grenzüberschreitungen, Peinlichkeiten und individuellen Befindlichkeiten konfrontiert; die Unterscheidung zwischen Satire und Realität bleibt dabei vielfach unklar. Gerade das Wechselspiel von unfreiwillig komischen, beinah grotesken Momentaufnahmen und politisch aktuellen Themen macht den Reiz des Films aus. Er setzt sich aus der subjektiven Perspektive des Künstlers mit einem verzerrten, stereotypen Bild der jüngeren deutschen Geschichte auseinander.

Die Präsentationen der Studiengalerie werden auf Basis der Diskussionen in der Studiengruppe erarbeitet. In Zusammenarbeit mit den Lehrenden verfassen die Studierenden Ausstellungstexte, erstellen Plakate und Pressemeldungen, organisieren die Eröffnungen und halten die kurzen Einführungsvorträge. Auf diese Weise lernen sie die Grundlagen des „Ausstellungsmachens“ kennen und können fachspezifisches Wissen mit kuratorischen Fragestellungen und praktischen Kenntnissen verbinden.

Erik van Lieshouts Film „Rotterdam-Rostock“ (2006, DVD, Loop, 17 Min.) wird bis zum 9. Dezember immer montags bis donnerstags zwischen 12 bis 17 Uhr zu sehen sein. Im Anschluss folgt Adrian Pacis „Turn on“ (2004, Video, 3:30 Min).

Informationen: Dr. Martin Engler, Sammlungsleiter für Kunst nach 1945 am Städel Museum, Tel.: 069/605098210, engler@staedelmuseum.de; Prof. Dr. Bernhard Jussen, Historisches Seminar, Campus Westend, 069/798-32427, jussen@em.uni-frankfurt.de