Apr 14 2005

Ludwig Edingers 150. Geburtstag / Sein Wirken hat Maßstäbe gesetzt

Pionier der Hirnforschung

FRANKFURT. Das Neurologische Institut (Edinger-Institut) der Universität würdigte heute im Rahmen eines Akademischen Festaktes seinen Gründer und Namensgeber Ludwig Edinger anlässlich seines 150. Geburtstags.

In Anwesenheit des Staatssekretärs im Hessischen Ministerium für Wissenschaft und Kunst, Prof. Dr. Joachim-Felix Leonhard und Stadtrat Dr. Bernd Nordhoff wies Vizepräsident Prof. Jürgen Bereiter-Hahn auf die Verantwortung der Universität hin, das Erbe ihrer Stifter jüdischen Glaubens, dem sie ganz wesentlich ihre Gründung verdankt, zu sichern und zu pflegen. Die Edinger-Stiftung war während der Nazizeit arisiert worden und der ursprüngliche Zustand erst im Jahre 1993 wieder hergestellt worden.

Staatssekretär Prof. Dr. Joachim-Felix Leonhard würdigte neben den wissenschaftlichen Entdeckungen Edingers insbesondere sein Engagement für die Stiftung und das Neurologische Institut. „Der Gedanke der ‚Hilfe zur Selbsthilfe’ spielte in Edingers Leben eine maßgebliche Rolle. Die Hessische Landesregierung dankt der Ludwig Edinger-Stiftung für ihre wegweisenden Leistungen und wird sich bemühen, die Grundlagenforschung am renommierten Neurologischen Institut nach besten Kräften zu unterstützen“, so Leonhard.

Das Neurologische Institut ist das größte Institut für Neuropathologie in Hessen. Sein Ziel ist es, erklärte Prof. Plate als Geschäftsführender Direktor, „in den nächsten zehn Jahren eine Stammzelltherapie für neurologische Erkrankungen wie Schlaganfall, Parkinson oder Tumoren des Zentralnervensystems zu entwickeln.“

Kulturdezernent Nordhoff ging auf die kulturelle und sozialpolitische Bedeutung des Ehepaares Ludwig und Anna Edinger für die Frankfurter Stadtgeschichte ein. Der 1930 denominierte Edinger-Weg wurde im Jahre 2004 erneut vergeben und wird zwischen den Straßen ‚Am Gründhof’ und der ‚Duisburger Strasse’ bzw. der ‚Walther vom Rath-Straße’ verlaufen.

Einen besonderen Charakter erhielt die Feier durch die Teilnahme zahlreicher Angehöriger, die aus dem In- und Ausland, unter anderem den USA, Israel, England und der Schweiz, anreisten und sich hier teilweise zum ersten Mal (wieder-)sahen. Als Vertreter der Familie, die von den Nationalsozialisten als Juden verfolgt wurden, sprach Ludwig Edingers Neffe, Lewis Edinger, emeritierter Professor für Politik an der Columbia Universität in New York; Frau Professor Christiane Edinger von der Musikhochschule Lübeck umrahmte den Festakt musikalisch auf der Violine.

Dr. Gerald Kreft, Soziologe und Medizinhistoriker am Neurologischen Institut, stellte anhand zahlreicher Bilder Leben und Werk Ludwig Edingers sowie die Geschichte seines Neurologischen Institutes vor. Seinen Zeitgenossen erschien Edinger als „größte Autorität der vergleichenden Neurologie“ – heute gilt er als Begründer der modernen Neuroanatomie. ‚Neurologisches Institut’ stand damals noch nicht – wie heute gebräuchlich – für eine Neurologische Klinik, sondern für eine „Arbeitsstätte zur Erforschung des Nervensystems auf den verschiedensten Wegen“, also jenem interdisziplinären Zusammenhang, der heute mit dem Begriff Neurowissenschaft bzw. Neuroscience bezeichnet wird.

Zu Edingers Zeit bestand sein Institut aus einer ver- gleichend-neuroanatomischen, einer neuropatholo- gischen sowie ab 1918 aus einer neuropsychologischen Abteilung. An diese interdisziplinäre Tradition Ludwig Edingers knüpft das geplante Neurowissenschaftliche Zentrum an.

Kontakt: Dr. Gerald Kreft; Neurologisches Institut (Edinger-Institut) Deutschordenstraße 46; 60528 Frankfurt; Telefon: (0 69) 9 67 69-7 46 Telefax: (0 69) 67 94 87; E-Mail: g.kreft@em.uni-frankfurt.de
Ludwig Edinger
Biographische Daten

13.4.1855: Ludwig Edinger wird in Worms als ältestes von fünf Kindern des jüdischen Ehepaares Marcus und Julie Edinger geboren. Der Vater ist Textilfabrikant und demokratischer Abgeordneter im Landtag von Hessen-Darmstadt, die Mutter Tochter eines bedeutenden Karlsruher Arztes.

1872-1877: Studium der Medizin in Heidelberg und Straßburg

1877-1882: Assistenzarzt; 1881 Habilitation für Innere Medizin in Gießen.

1882-1883: Der wiederaufflammende Antisemitismus zerstört Edingers Hoffnungen auf eine akademische Karriere. Aus Paris, wo ihm ein Posten angeboten wird, kehrt er zurück, um „der Heimat nicht verloren zu gehen“.

1883: Niederlassung in Frankfurt am Main als einer der ersten „Spezialisten für Nervenkrankheiten“ in Deutschland.

1885: Berufung des ebenfalls vom Antisemitismus betroffenen Pathologen Carl Weigert an die Senckenbergische Anatomie in Frankfurt am Main, wo Edinger einen Arbeitsplatz erhält. Hier entsteht das Neurologische Institut.

1886: Heirat mit Anna Goldschmidt, der Tochter einer in Frankfurt alteingesessenen jüdischen Bankiersfamilie. 1906 tritt Anna Edinger ein Millionenerbe an.

1907: Neueröffnung des Neurologi schen Instituts im Neubau der Senckenbergischen Pathologie am Sachsenhäuser Mainufer.

1912: Ludwig Edinger gehört zu den Unterzeichnern des Stiftungsvertrages der Frankfurter Universität.

1914: Ludwig Edinger wird erster Ordinarius für Neurologie in Deutschland.

1917: Ludwig Edingers begründet die Ludwig Edinger-Stiftung, die den Unterhalt des Neurologischen Instituts dauerhaft sicherstellen soll. Heute ist das Institut innerhalb des Fachbereichs Medizin ein „Institut besonderer Rechtsnatur“.

26.1.1918: Ludwig Edinger stirbt an Herzversagen