Nov 3 2008

Universität eröffnet Gedenkort im Park des IG-Hochhauses auf dem Campus Westend

Norbert Wollheim Memorial

FRANKFURT. Im Park des IG-Hochhauses, Sitz des früheren IG Farben-Konzerns, auf dem Campus Westend der Frankfurter Goethe-Universität ist am heutigen Sonntag das Norbert Wollheim Memorial eröffnet worden. Das von dem Künstler Heiner Blum gestaltete Memorial verbindet das Gedenken mit Informationen über die persönlichen Lebenswege der Opfer des IG Farben-eigenen Konzentrationslagers Buna/Monowitz, über den IG Farben-Konzern und über die Geschichte der Entschädigung seit 1945. Benannt ist es nach Norbert Wollheim, Überlebender des KZ Buna/Monowitz, der den Chemiekonzern 1951 in einem Musterprozess erfolgreich auf Entschädigung verklagte.

»Das Norbert Wollheim Memorial ist ein Ort der Erinnerung, der Forschung und der Information«, sagte Universitätspräsident Prof. Rudolf Steinberg in seiner Begrüßungsrede vor mehreren Hundert geladenen und zahllosen weiteren Gästen im Festsaal der Goethe-Universität, darunter einer Delegation von über 50 Buna/Monowitz-Überlebenden aus aller Welt. »Mit diesem dreifachen Auftrag hat die Universität, so glaube ich, eine adäquate Form gefunden, die Erinnerung an die Opfer des von der IG Farben betriebenen KZ Buna-Monowitz wach zu halten und die Auseinandersetzung mit der Geschichte ihres Standortes, dem IG Farben Haus, fortzusetzen.«

Staatsministerin Silke Lautenschläger dankte besonders den beteiligten Überlebenden für ihre Arbeit an dem Projekt: »Sie haben sich der schmerzhaften Erinnerung an ihre unvorstellbaren Leiden gestellt, um das Erinnern für kommende Generationen möglich zu machen. Insbesondere das nachhaltige Engagement der Studierenden in der Wollheim-Kommission zeigt, dass ihre Anstrengung auf fruchtbaren Boden gefallen ist. Das Norbert Wollheim Memorial verdanken wir einer großen Bürgerbewegung aus Überlebenden der IG Auschwitz, Studierenden der Goethe-Universität, Wissenschaftlern sowie Mäzenen und Sponsoren. Diese Generationen und Länder umspannende Bürgerbewegung gegen das Vergessen ist für mich ein Lehrstück in Sachen Demokratie.« »Das Memorial umfasst einerseits einen Informationspavillon zur Geschichte der IG Auschwitz, andererseits 13 aufwändig gearbeitete Bildtafeln im umgebenden Park, die Opfer der IG Auschwitz vor der Deportation abbilden«, erläuterte der Offenbacher Künstler Heiner Blum. Er hatte das Memorial, das von den Überlebenden der IG Auschwitz sowie den Holocaust-Überlebenden Dr. Karl Brozik sel. A., Trude Simonsohn und Prof. Arno Lustiger angeregt worden war, entworfen. Ergänzt werden Pavillon und Bildtafeln durch ein internationales Forschungsprojekt zur Geschichte der IG Farben, der IG Auschwitz und der Entschädigung der Opfer, ein Dokumentationsprojekt mit Überlebenden-Interviews sowie ein pädagogisches Begleitprogramm. »Das IG Farben-Haus ist ein Ort, an dem Verwaltungsangestellte eines Chemiekonzerns gearbeitet haben. Die Frage nach der Verantwortung dieser Personen für die Verbrechen des nationalsozialistischen Deutschlands führt in die Nachgeschichte des Holocaust. Die Website des Memorial bietet als Einstieg für Interessierte und als Materialsammlung für wissenschaftliches Arbeiten eine Grundlage für die Beschäftigung mit den Themen, die sich mit dem Stichwort IG Farben verbinden: Die Prozesse gegen NS-Verbrecher, die langjährige Auseinandersetzung um Entschädigung, aber auch die persönlichen Erinnerungen der Überlebenden«, so der Direktor des Fritz Bauer Instituts, Prof. Raphael Gross, unter dessen Federführung das wissenschaftliche und pädagogische Begleitprogramm erarbeitet wurde.

Saul Kagan, Excecutive Vice President emerit. der Claims Conference, ging in seiner Rede vor allem auf die Person Wollheims ein: »Mit Norbert Wollheim wird eine vielschichtige jüdische Persönlichkeit geehrt, die sich um die Entschädigung ehemaliger Sklaven- und Zwangsarbeiter in hohem Maße verdient gemacht hat. Sein Name steht stellvertretend für all jene, die für das NS-Regime Sklaven- und Zwangsarbeit leisten mussten. Mit dem Präzedenzfall der erfolgreichen Klage Norbert Wollheims gegen die IG Farben konnte die Claims Conference in den 50er und 60er Jahren Entschädigungsvereinbarungen mit deutschen Großunternehmen treffen. In der Folge erhielten beinahe 15.000 Personen in aller Welt Einmalzahlungen, zu einem Zeitpunkt als eine staatliche Anerkennung und Entschädigung von NS-Zwangsarbeit auf unabsehbare Zeit verschoben schien. Auch bei der Verteilung dieser Mittel hat Norbert Wollheim auf das Engste mit der Claims Conference zusammengearbeitet. Als Mitglied des Verhandlungskomitees der Claims Conference war er lange Jahre an den Verhandlungen der Organisation mit der Bundesregierung beteiligt.«

Albert Kimmelstiel, ein Überlebender von Buna/Monowitz und naher Freund Norbert Wollheims, sagte: »Norbert Wollheim war ein Kämpfer für Gerechtigkeit. Sein erfolgreicher Kampf vor den deutschen Gerichten bedeutete einen ungeheuer wichtigen Schritt für die Anerkennung des Leids, das wir als Arbeitssklaven der IG Farben in Buna/Monowitz erdulden mussten.«

Das Norbert Wollheim Memorial ist ab sofort täglich von 8 bis 18 Uhr für alle interessierten Bürgerinnen und Bürger zugänglich.

Informationen: Gottfried Kößler, Fritz Bauer Institut, Campus Westend, Tel: (069) 798-32232, g.koessler@fritz-bauer-institut.de