Nov 18 2006

Ehrendoktorwürde des Fachbereichs Rechtswissenschaft für Dr. Burkhard Hirsch

Mehr Einsatz für die Menschenwürde

FRANKFURT. Die Öffentlichkeit soll sich mehr an der verfassungsrechtlichen und politischen Entwicklung der Europäischen Union beteiligen. Dies forderte heute Dr. Burkhard Hirsch, Vizepräsident a. D. des Deutschen Bundestages, anlässlich der Entgegennahme der Ehrendoktorwürde des Fachbereichs Rechtswissenschaft. Zudem erwartet Hirsch vom Bundesverfassungsgericht mehr Mut, im Kollisionsfall gegen Gemeinschaftsrecht vorzugehen - zugunsten der Grund- und Menschenrechte des Einzelnen.

In seiner Laudatio bezeichnete Prof. Peter-Alexis Albrecht den prominenten Juristen als „einen überparteilich unnachgiebigen und kämpferischen Verfechter strikter Rechtsstaatlichkeit“ und würdigte sein juristisches wie politisches Lebenswerk:

„Mit der vorgeschlagenen Verleihung an Dr. Burkhard Hirsch ehrt der Fachbereich das herausragende rechtsstaatliche Engagement eines einflussreichen Juristen, der jenseits des politischen Alltags in wissenschaftlicher, rechts- und gesellschaftspolitischer Hinsicht ein beispielhaftes differenziertes juristisches Lebenswerk geschaffen hat. Die Gesamtheit seines Oeuvres, seine zahlreichen juristischen Diskussionsbeiträge und seine öffentlichen Reden und Vorträge kennzeichnen diesen jüngsten Ehrendoktor des Fachbereichs. Das wissenschaftliche Profil von Burkhard Hirsch ist bestimmt durch das souverän begründete Bestehen auf der machtbegrenzenden Tradition des Grundgesetzes.“

Mit dem Frankfurter Fachbereich Rechtswissenschaft verbinde den prinzipien- und freiheitsorientierten Burkhard Hirsch das gemeinsame Engagement, den Rechtsstaat in wissenschaftlicher und rechtspraktischer Hinsicht zu schützen und dafür dauerhaft öffentlich zu werben.

Hirsch selbst hob in seiner Antwort mit dem Titel „Schutz der Grundrechte im ´Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts`“, das engere Zusammenwachsen der Europäischen Union als wichtiges Ziel hervor. Jedoch beklagte er auch, dass „die Wirkungsweise und Mechanismen der europäischen Gremien den meisten Bürgern nicht bekannt seien, von ihnen nicht verstanden werden und sie darum auch nicht besonders interessieren - so lange sie von ihren Entscheidungen nicht unmittelbar persönlich berührt werden.“

Hirsch forderte, ein „neuer Verfassungsvertrag sollte die Zuständigkeiten der Gemeinschaft klar definieren, jede verbindliche Gesetzgebung an eine Mitentscheidung des Europäischen Parlamentes binden und die neue Verfassung in jedem Mitgliedsland einer Volksabstimmung unterwerfen. Dabei sollte es der Entscheidung jedes einzelnen souveränen Verfassungsgebers überlassen bleiben, ob ein Vorbehalt hinsichtlich der nationalen Verfassungsgerichtsbarkeit im Sinne einer unbedingten Mindestgarantie entsprechend dem Art. 17 EMRK [Europäische Menschenrechtskonvention, Anm. d. Red.] gegenüber allen Entscheidungen der Unionsorgane gemacht wird oder nicht. Schließlich sollte Europa nicht länger zögern, der Europäischen Menschenrechtskonvention beizutreten.“

Dean Spielmann, Richter am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR), thematisierte im Anschluss die Rechtsprechung des EGMR bezüglich des Europäischen Gemeinschafts- und Unionsrechts. Aus seiner Sicht stellt die Konkurrenz unterschiedlicher Rechtswerke zwischen Europäischer Gemeinschaft und dem Europarat ein europäisches Problem besonderer Art dar. Ein weiteres Problem sieht Spielmann in der fehlenden Mitgliedschaft der EG selbst in der EMRK. Insgesamt plädierte Spielmann für eine strikte Wahrung des Prinzips richterlicher Unabhängigkeit auch auf europäischer Ebene.

Verleihung der Ehrendoktorwürde an Dr. Burkhard Hirsch

Grußwort
• Prof. Regina Ogorek
Dekanin des Fachbereichs Rechtswissenschaft

Laudatio
• Prof. Peter-Alexis Albrecht
Fachbereich Rechtswissenschaft Johann Wolfgang Goethe-Universität

Vortrag
• Dr. Dr. h. c. Burkhard Hirsch
„Schutz der Grundrechte im ´Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts`“

Co-Referat
• Dean Spielmann
Richter am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, Straßburg



Burkhard Hirsch

  • geboren 1930 in Magdeburg
  • 1961: Beendigung des Studiums der Rechts- und Staatswissen- schaften; Promotion zum Dr. jur.
  • 1964: Zulassung als Rechtsanwalt in Düsseldorf
  • 1972: Burkhard Hirsch wird Mitglied des Deutschen Bundestages
  • 1975: Innenminister in Nordrhein-Westfalen
  • 1994 - 98: Vizepräsident des Deutschen Bundestages
  • 1995: Rücktritt vom Posten als innenpolitischer Sprecher aus Protest gegen die Einführung des „Großen Lauschangriffs“
  • 1986 - 2000: Vizepräsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft


Kontakt: Prof. Dr. Peter-Alexis Albrecht; Professur für Kriminologie und Strafrecht, Fachbereich Rechtswissenschaft; Campus Bockenheim, Senckenberganlage 31, 60325 Frankfurt Tel.: 069 - 798 22436; Telefax: 069 - 798 28430; E-Mail: P.A.Albrecht@jur.uni-frankfurt.de.