Mai 10 2008

Lernen von Mikroorganismen unter extremen Bedingungen/Bakterienmelken für Hautcremes

Manche mögen´s salzig

FRANKFURT. Sie leben in tiefen Gesteinsschichten, ohne Licht und Sauerstoff an heißen Quellen der Tiefsee. Andere bevorzugen die eisigen Temperaturen der Polargebiete oder kochende Schwefelsäure: Mikroorganismen, die unter extremen Bedingungen leben, gehören zu den ältesten Lebewesen auf unserem Planeten und mancher Forscher glaubt, sie könnten auch ein Modell für außerirdisches Leben sein. In der neuen Ausgabe von „Forschung Frankfurt“ erklärt der Mikrobiologe Prof. Volker Müller die Anpassungsstrategien der erfinderischen Überlebenskünstler und zeigt auf, wie der Mensch daraus lernen kann, sich vor Hautalterung durch Hitze, Trockenheit und Frost zu schützen.

Während die meisten extremophilen Mikroorganismen erst in jüngster Zeit entdeckt wurden, sind die salzliebenden (halophilen) Mikroben, auf die Müller unter anderem spezialisiert ist, schon seit etwa 100 Jahren bekannt. Seinerzeit wurden die ersten Mikroorganismen aus Salzlaken und gesalzenen Lebensmitteln wie Sauerkraut isoliert und beschrieben. Ihr Wirken war aber schon zu biblischen Zeiten bekannt, denn vermutlich waren Carotinoide halophiler Archäen verantwortlich für die blutigen Wasser des Nils, eine der Plagen Ägyptens. Sie produzieren einen rötlichen Farbstoff, das Carotin, das auch heute noch das Wasser in Salzgewinnungsanlagen und manchen Meeresfisch rötlich erscheinen lässt.

Eine der wichtigsten Fragen für die Grundlagenforschung ist, wie die halophilen Mikroorganismen mit dem Salzstress zurecht kommen. Denn Salz trocknet Zellen aus: Um das Konzentrationsgefälle zur Umgebung auszugleichen, diffundiert Zellflüssigkeit nach außen, biochemische Prozesse verlangsamen sich, und schließlich stirbt die Zelle. Wie die Arbeitsgruppe von Volker Müller herausgefunden hat, schützen sich methanbildende halophile Archaebakterien (Archäen) vor dem Austrocknen, indem sie die Verbindung N-Acetyl-b-Lysin in molaren Konzentrationen in ihrem Zellinneren anreichern. Wie die Zellen sich an verschiedene Salzkonzentrationen anpassen, haben die Forscher kürzlich an dem Methan bildenden Archäon Methanoarcina mazei auf genetischer Ebene entschlüsselt. Die Frankfurter Gruppe ist eine der wenigen weltweit, die diese Mikroorganismen im Labor handhaben und genetisch manipulieren können. Da Sauerstoff für M. mazei tödlich ist, sind Experimente nur in speziellen Zelten unter einer Stickstoffatmosphäre möglich. Darüber hinaus hat die Arbeitsgruppe um Volker Müller kürzlich auch die Biosynthese der Solute Ectoin, Prolin und Glutamat und dessen Regulation in einem Vetreter der halophilen Bakterien aufgeklärt.

Einige der gelösten Stoffe (Solute), mit denen sich halophile Mikroorganismen vor Salzstress, Hitze, Trockenheit oder Einfrieren schützen, haben inzwischen das Interesse der Kosmetikbranche erweckt. Durch das Verfahren des „Bakterienmelkens“ wird beispielsweise Ectoin gewonnen und in Feuchtigkeitscremes verwendet. Es hat nicht nur eine schützende Funktion, sondern auch erstaunliche, teilweise noch nicht verstandene Wirkungen auf das hauteigenene Immunsystem.

Informationen:
Prof. Volker Müller, Tel. 069/798-29507; VMueller@bio.uni-frankfurt.de, http://cgi.server.uni-frankfurt.de/fb15/mueller/, Molekulare Mikrobiologie und Bioenergetik, Campus Riedberg, Universität Frankfurt.