Jun 25 2009

Archivzentrum erwirbt das Testament von Johanna Schopenhauer für das Schopenhauer-Archiv

Johanna Schopenhauers Testament

FRANKFURT. Das Archivzentrum der Universitätsbibliothek Johann Christian Senckenberg hat das Testament von Johanna Schopenhauer aus dem Jahre 1830 erworben. Damit steht der internationalen Schopenhauer-Forschung ein weiteres wichtiges Dokument zur Geschichte der berühmten Familie aus dem 19. Jahrhundert zur Verfügung.

Das Testament wurde Anfang Juni von dem Antiquariat Susanne Koppel in Hamburg angekauft. Es belegt, dass die 1766 in Danzig geborene Schopenhauer, Mutter des berühmten Frankfurter Philosophen Arthur Schopenhauer (1788 bis 1860), ihre Tochter Adele (1797 bis 1848) als Alleinerbin eingesetzt hat. Das Dokument gibt zudem wertvolle Hinweise auf die schlechte wirtschaftliche Situation Johanna Schopenhauers. So sei sie „wohl überzeugt, dass sie [Adele] durch diese Erbschaft nicht entschädigt wird, für den Verlust den sie an ihrem meiner Verwaltung anvertrautem väterlichem Vermögen erlitten hat.“

Im Jahre 1819 geriet das Handelshaus Abraham Ludwig Muhl & Co., bei dem Johanna Schopenhauer ihr ganzes Vermögen angelegt hatte, in Zahlungsschwierigkeiten. Beim anschließenden Vergleich verlor Schopenhauer 70 Prozent ihres Vermögens. Ihr Sohn Arthur, der sich vorher den Anteil am väterlichen Erbe hatte auszahlen lassen, verweigerte die Unterstützung. Sie musste sich daraufhin selbst um ihre Einkünfte sorgen, und ihre Tätigkeit als Schriftstellerin wurde zu einer wichtigen Einkommensquelle: Schopenhauer veröffentlichte Reiseerzählungen, Romane und Novellen. Auf Adeles Drängen willigte Johanna ein, nach Bonn umzuziehen. Das Vorhaben scheiterte an den hohen Mieten in Bonn, daher zogen sie erst nach Unkel am Rhein, und verbrachten nur die Wintermonate in Bonn, bis sie 1832 ganzjährig dorthin übersiedelte. Johannas Gesundheit verschlechterte sich, worunter ihre schriftstellerische Tätigkeit litt und die finanzielle Situation sich weiter verschärfte. Kurz vor ihrem Tod im Jahre 1838 zog sie nach Jena, wo sie nach wenigen Wochen in Armut verstarb.

Das Testament vom 12. April 1830 mit der neuen Signatur ‚Schop XXVI, 43‘ ist sehr gut erhalten. Das Doppelblatt mit rotem Lacksiegel wurde handschriftlich verfasst. Die Seiten sind rechts bestoßen und haben eine Knickfalte. Im Absender wird „Johanna Henriette verwittwete Schopenhauer geborene Trosiener“ genannt. Mit dem Testament Johanna Schopenhauers hat das Archivzentrum – neben einer im Mai 2008 erworbenen Urkunde des Handelshauses Muhl & Co zu Schopenhauers Rente – ein weiteres zentrales Dokument zur wissenschaftlichen Untersuchung des schwierigen Verhältnisses von Arthur Schopenhauer zu seiner Mutter Johanna erworben. Das Testament und zahlreiche weitere originale Dokumente der Familie Schopenhauer können von montags bis freitags jeweils von 9.30 bis 16.30 Uhr nach Voranmeldung und im Rahmen der Benutzungsordnung eingehend untersucht werden.

Informationen Dr. Mathias Jehn, Leiter des Archivzentrums, Campus Bockenheim, Tel: (069) 798-39007, m.jehn@ub.uni-frankfurt.de