Sep 12 2009

Frankfurt steigert seine Bedeutung als Ort der bundesdeutschen Kultur- und Wissenschaftsgeschichte

Habermas überlässt sein Archiv der Goethe-Universität

FRANKFURT. Das umfangreiche Archiv eines der bedeutendsten deutschen Philosophen der Gegenwart wird langfristig in Frankfurt seinen Platz finden: Prof. Jürgen Habermas hat diese Absicht jetzt in einem Schreiben an den Präsidenten der Goethe-Universität zum Ausdruck gebracht. Damit hat Habermas erneut – wie bereits aus Anlass seines 80. Geburtstags im Juni – seine Verbundenheit mit Frankfurt als intellektuellem Zentrum und mit „seiner“ Universität bekräftigt. Bis zu seiner Emeritierung 1994 lehrte und forschte er in Frankfurt und war richtungsweisend für eine Generation von jungen Geisteswissenschaftlern, die heute die Inhalte des Exzellenzclusters „Die Herausbildung normativer Ordnungen“ mitprägen.

Gemeinsam mit den Nachlässen anderer großer Autoren der Frankfurter Schule – wie Horkheimer, Adorno, Mitscherlich, Marcuse und Löwenthal – die sich in der Frankfurter Universitätsbibliothek und im Institut für Sozialforschung befinden, kann ein einzigartiges Ensemble Frankfurter Wissenschaftsgeschichte und bundesrepublikanischer Geistesgeschichte heranwachsen. Uni-Präsident Prof. Werner Müller-Esterl zeigte sich über Habermas’ Angebot hoch erfreut: „Ich bin froh und stolz, dass mit der in Aussicht gestellten Übernahme dieses Archivs die große Tradition der Frankfurter Schule auch auf diesem Weg in Stadt und Universität weiter wirken wird.“ Gleichzeitig sieht Müller-Esterl sich in seinen Bemühungen bestätigt, auch die Suhrkamp-Archive in Frankfurt zu erhalten. „Die Goethe-Universität hat die einmalige Chance, sich als der Ort deutscher Kulturgeschichte und ihrer von Frankfurt ausgehenden Weltgeltung in die Wissenschaftsgeschichte einzuschreiben.“ Durch die 2002 vertraglich vereinbarte, außerordentlich erfolgreiche Erschließung des Peter-Suhrkamp-Archives verfüge die Goethe-Universität über eine herausragende Expertise, um Habermas bedeutende Sammlung in verantwortungsvoller und zugleich öffentlichkeitswirksamer Weise zu betreuen.

Das Habermas-Archiv, das der Philosoph der Universität als ‚Vorlass‘ übergeben will und das sich zu großen Teilen in seinem Starnberger Haus befindet, umfasst unter anderem, soweit erhalten, Entwürfe und Manuskripte seiner mehr als 50 Bücher sowie Korrespondenzen mit Wissenschaftlern. Die Archivalien sollen in den kommenden Jahren systematisch wissenschaftlich aufbereitet werden. „Dies wird in enger Kooperation mit der Erschließung der bereits übernommenen Gelehrtennachlässe der Frankfurter Schule geschehen“, verweist Müller-Esterl auf die umfassenden wissenschaftlichen Erfahrungen, die die Universitätsbibliothek Johann Christian Senckenberg bereits in den vergangenen Jahren auf diesem Feld erworben hat.

Auch räumlich wird die Goethe-Universität optimale Unterbringungsmöglichkeiten für den Vorlass bieten. Das neue Archivzentrum, das unter anderem die Nachlässe der Autoren der Frankfurter Schule sowie das Schopenhauer-Archiv beherbergen wird und auch für das Suhrkamp- und Insel-Archiv vorgesehen ist, wird in Zukunft neue Akzente setzen: Es bildet einen wichtigen Baustein im Neubaukomplex der Universitätsbibliothek, der bis 2014 auf dem Campus Westend entstehen wird. „Damit bieten wir beste Voraussetzungen für eine lebendige interdisziplinäre Forschung und Lehre. Mit Ausstellungen, Lesungen und Symposien werden wir auch die Frankfurter Bürger ansprechen. Dass hier großes Interesse besteht, zeigen die enorme Resonanz auf die Werkschau zum 80. Geburtstag von Habermas in der Nationalbibliothek, aber auch auf die Hauslesungen, die das von der Goethe-Universität betriebene Suhrkamp-Archiv regelmäßig veranstaltet“, betont Müller-Esterl.

Informationen Prof. Werner Müller-Esterl, Präsident der Goethe-Universität, Tel.: (069) 798-22232, praesident@uni-frankfurt.de