Okt 2 2010

4. Frankfurter Bürger-Universität startet mit 106 Veranstaltungen ins Wintersemester

Gerechtes und Klassisches

Zum mittlerweile vierten Mal lädt die Goethe-Universität im Wintersemester 2010/2011 zur Frankfurter Bürger-Universität ein. Insgesamt 106 öffentliche Veranstaltungen – unter anderem Vorlesungen, Ausstellungen, Führungen, Konzerte und Filmabende – stehen zwischen dem 5. Oktober 2010 und dem 19. März 2011 auf dem Programm von Hessens größter Hochschule. Dreh- und Angelpunkt der Bürgeruniversität sind im kommenden Semester zwei groß angelegte Ringvorlesungen, eine über den Begriff des Klassischen und eine über das Phänomen der Gerechtigkeit.

Zum Thema „Was heißt Gerechtigkeit heute?“ lädt die Universität gemeinsam mit der Frankfurter Rundschau in deren Depot in Sachsenhausen ein; die inhaltliche Gestaltung der Reihe oblag vor allem den Wissenschaftlern des Exzellenzclusters „Die Herausbildung Normativer Ordnungen“ der Hochschule. „Im Rahmen der Reihe sollen das Gerechtigkeitsverständnis unserer Gesellschaft aus interdisziplinärer Perspektive kritisch hinterfragt und Hypothesen für die Zukunft gewagt werden“, erklärt Universitätspräsident Prof. Werner Müller-Esterl. „Dabei unterstützen uns renommierte Wissenschaftler aus den eigenen Reihen, darunter Axel Honneth, Klaus Günther und Rainer Forst, aber auch zahlreiche Persönlichkeiten unserer Stadt. So freue ich mich besonders auf Tom Koenigs, auf Bürgermeisterin Jutta Ebeling, Kulturdezernent Felix Semmelroth und unsere Alumna und Hochschulrätin, Umweltdezernentin Manuela Rottmann.“ Die Schirmherrschaft der Reihe, wie auch der übrigen Veranstaltungen der Bürger-Universität übernimmt erneut die Frankfurter Oberbürgermeisterin Petra Roth. „Das Phänomen Gerechtigkeit begegnet uns in fast jeder Situation des Alltags, und die Auseinandersetzung mit ihm ist nicht selten auch eine intellektuelle. So liegt es nahe, dass sich das intellektuelle Epizentrum unserer Stadt, die Goethe-Universität, in ihren Bürgervorlesungen dieses Themas annimmt“, so Roth, die auch Vorsitzende des Stiftungskuratoriums der Goethe-Universität ist. Unter anderem gefalle ihr besonders, dass es neben Vortragsabenden auch zahlreiche Diskussionsrunden geben werde. Dies trage hoffentlich dazu bei, dass sich Stadt und Universität wieder ein Stückchen mehr miteinander verzahnten und Anstöße für die weitere Entwicklung Frankfurts gegeben würden.

Hingegen verarbeiten die Vorlesungen zum zunächst vielleicht abstrakt anmutenden Terminus „Das Klassische“ die Zugänge, die Kulturwissenschaftler unterschiedlichster Provenienz zu diesem Thema haben, darunter Archäologen, Althistoriker, Philosophen und Musikwissenschaftler. Die Veranstalter Prof. Hans Bernsdorff (Institut für Klassische Philologie) und Prof. Robert Seidel (Institut für Deutsche Literatur und ihre Didaktik) haben für diese Staffel der Goethe-Vorlesungen ausschließlich Kolleginnen und Kollegen der Goethe-Universität engagiert, so dass dem Publikum zugleich ein Einblick in aktuelle Frankfurter Forschungszusammenhänge eröffnet wird.

„Im Sinne der Vernetzung von Stadt und Region war es uns wichtig, bei der Durchführung der einzelnen Veranstaltungen auch wieder Kooperationen mit anderen Frankfurter Institutionen zu suchen“, ergänzte Universitäts-Pressereferent Stephan Hübner, der die Bürger-Universität von Seiten der Abteilung Marketing und Kommunikation der Universität betreut. So beteiligten beispielsweise an der Gerechtigkeits-Reihe auch Vertreter des Deutschen Bundestags, der Stadt Frankfurt am Main, des Museums der Weltkulturen, des Schauspiel Frankfurt, des Caritasverbands Frankfurt, des Frankfurter Jugendrings, der Carlo-Mierendorff-Schule sowie der Internatsschule Schloss Hansenberg in Geisenheim.

Erneut werden die Veranstaltungen der Bürger-Universität in einem eigenen Programmheft zusammengefasst, das an zahlreichen Stellen Frankfurts kostenlos ausliegt und auch über die Universität bezogen werden kann. „Neben den Vorlesungen zur Gerechtigkeit und zum Begriff des Klassischen sind in ihm noch viele weitere Veranstaltungen zusammengefasst, die bei den Bürgern aus Stadt und Region auf Interesse stoßen dürften“, erläutert Hübner. Als Beispiele nannte er die Poetikvorlesungen von Ulrich Peltzer und die ebenfalls vom Exzellenzcluster „Die Herausbildung Normativer Ordnungen“ verantwortete Ringvorlesung „The Nature of Normativity“ im Rahmen der 25. Stiftungsgastprofessur der Deutsche Bank AG. Kulturelle Höhepunkte versprächen die Konzerte der Frankfurter Universitätsmusik zu werden, außerdem die Konzerte im Rahmen des Symposiums „Expressionismus heute“ im November, zu denen unter anderem Künstler der Ensemble Modern Akademie, die Sopranistin Hedwig Fassbender sowie der Pianist Nicholas Hodges erwartet werden.

Was heißt Gerechtigkeit heute?

Fast scheint es, als hätte die Gerechtigkeit den Wettbewerb gewonnen, welches Gut denn als oberstes Gut der Gesellschaft zu gelten habe. Dabei begegnet uns Gerechtigkeit als ein Ideal, auf das sich verschiedene und auch widerstreitende Akteure berufen, in unterschiedlichsten Bereichen. Beispielsweise begründen wohl ausnahmslos alle, die sich an der Diskussion über die Reform des Sozialstaats beteiligen, ihre gegensätzlichen Positionen – ob für Umbau, Abbau oder Ausbau – mit dem Verweis auf Gebote der Gerechtigkeit. Urteile über das, was gerecht ist, fällen wir meist intuitiv, etwa wenn wir sagen, dass in der Gesellschaft − im Bildungssystem oder auf dem Arbeitsmarkt − Chancengleichheit herrschen sollte oder dass Leistung sich lohnen soll. Zugleich zeigt uns die Gerechtigkeitstheorie, wie unterschiedlich Begründung und Ausrichtung ausfallen können. Eine grundsätzliche Annäherung daran, was politische und soziale Gerechtigkeit heißt, kann als Maßstab und Orientierung für viele aktuelle Diskussionen dienen. Auch gilt es auf den verschiedenen Feldern – von der Bildungs- und Arbeitsgerechtigkeit bis zur Umweltgerechtigkeit, von der Internationalen Gerechtigkeit bis zur Generationengerechtigkeit – immer wieder die verschiedenen Ansprüche gegeneinander abzuwägen. Die Reihe „Was heißt Gerechtigkeit heute?“ versucht auf diesen Feldern, prinzipielle Erwägungen mit praktischen Erörterungen und lokalen Bezügen zu verbinden. Für den mit veranstaltenden Exzellenzcluster „Die Herausbildung normativer Ordnungen“ gehören Fragen der Gerechtigkeit zu den zentralen Forschungsgegenständen. Im Fokus stehen nicht zuletzt die gegenwärtigen Konflikte um die Herausbildung einer neuen globalen Ordnung, die sich zu einem großen Teil aus dem Verlangen der Menschen nach Gerechtigkeit speisen. Auch dabei spielen die vielfältigen und oftmals konträren Überzeugungen der beteiligten Konfliktparteien von einer gerechten Ordnung und deren Rechtfertigung eine maßgebliche Rolle. Eine Terminübersicht finden Sie hier.

Das Klassische
Erfolg und Problematik eines Paradigmas in Literatur, Kunst, Musik und Wissenschaft (3. Frankfurter Goethe-Vorlesungen)


Die Veranstaltungsreihe wendet sich aus interdisziplinärer Perspektive und mit Blick auf ein breiteres wissenschaftlich interessiertes Publikum dem Phänomen des Klassischen in Literatur, Kunst, Musik und Wissenschaft zu. Im Zentrum der Vorträge stehen Fragen der Normativität und Kanonbildung, der Epochenkonstitution, der Problematisierung geläufiger kultureller Konzepte usw. Die behandelten Gegenstände und Problemkomplexe entstammen unterschiedlichen Epochen und (National-)Kulturen, exemplarische Fallstudien wechseln mit übergreifenden Problemaufrissen ab. Ein besonderes Gewicht wird naturgemäß auf Rezeptions- und Transferphänomene gelegt, wie sie das berühmte Diktum der Frau Rat Goethe ironisierend anklingen lässt, die von Frankfurt aus ihrem Sohn die Prophezeiung mitgab: „… und du und Schiller ihr seid hernach Classische Schrieftsteller – wie Horaz Lifi us – Ovid u wie sie alle heißen … was werden alsdann die Professoren Euch zergliedern – auslegen – und der Jugend einpleuen.“

Die einzelnen Vorlesungen basieren jeweils auf denjenigen theoretischen und methodischen Konzepten, die für die Vortragenden in ihrer täglichen Forschungsarbeit leitend sind. Auf diese Weise werden nicht nur Klassik-Studien von Archäologen, Altphilologen, Orientalisten, Althistorikern, Philosophen, Romanisten, Anglisten, Germanisten, Kunsthistorikern und Musikwissenschaftlern präsentiert, zugleich wird an einem prominenten Paradigma – eben dem Klassikbegriff – auch die Vielzahl möglicher Zugänge in den Geisteswissenschaften sichtbar. Eine Terminübersicht finden Sie hier.