FRANKFURT. Kinder werden aktuell entweder als zu fördernde oder als gefährdete Menschen wahrgenommen. Tatsächlich haben in den letzten 20 Jahren Entwicklungsbeeinträchtigungen im Kindesalter stark zugenommen und neue Störungsbilder wie Aufmerksamkeitsprobleme oder motorische Defizite und die dazugehörigen Diagnoseinstrumente sind entstanden. Immer weniger Kinder scheinen sich aus sich heraus normal zu entwickeln. Die Möglichkeiten, aber auch die Verpflichtung zur Prävention und Förderung dieser Auffälligkeiten wächst gleichzeitig.
Die Phänomene verweisen einerseits auf zunehmend komplexer werdende Anforderungen an die Kinder, aber auch an deren Eltern. Sie zeigen aber auch, dass sich die Diskurse um Normalität sowie die für Diagnose, Prävention, Beratung, Therapie in die Pflicht genommenen Institutionen und Personen, aber auch die Bildungsinstitutionen allgemein gewandelt haben.
In der Veranstaltungsreihe wird die Frage aufgeworfen, wie Normalität und Abweichung kindlicher Entwicklung hergestellt wird und das Paradigma „normaler“ Entwicklung im Kontext von Familienerziehung, Schule, Gesundheitsberichterstattung, außerschulischer Förderung, Kindervorsorgeuntersuchungen und Gesundheitserziehung kritisch beleuchtet. An der Schnittstelle zwischen Erziehungswissenschaft, sozialwissenschaftlicher Kindheitsforschung, Disability Studies sowie Wissens- und Medizinsoziologie wird analysiert, wie die heterogene Entwicklung der Kinder mit den gegenläufigen Praktiken der Standardisierung zusammenspielt.
P R O G R A M M
Schwerpunkt I: Kulturelle und soziale Konstruktionen normaler Entwicklung und kindlicher Körper
7.11.2006 Prof. Helga Kelle/Dr. Anja Tervooren (Frankfurt)
Einführung in die Veranstaltungsreihe:
„Normale“ kindliche Entwicklung als kulturelles und gesundheitspolitisches Projekt
14.11.2006 Prof. Jürgen Link (Essen):
Zum diskursanalytischen Konzept des Normalismus.
Am Beispiel der flexiblen Normalitätsgrenze
Schwerpunkt II: Sorge(n) der Eltern
21.11.2006 Prof. Beatrice Hungerland (Magdeburg-Stendal):
Die elterliche Sorge. Kindliche Entwicklung als gesellschaftliche Norm und Leistung
28.11.2006 Dr. Jeni Harden (Edinburgh):
How Children and their Families Construct and Negotiate Risk and the 'Healthy Body'
Schwerpunkt III: Diagnosen von „gestörter“ Entwicklung
5.12.2006 Prof. Doris Bühler-Niederberger (Wuppertal):
Legasthenie. Diskurse um ein Phänomen revisited
12.12.2006 Dr. Johanna Mierendorff (Halle):
Armut als Entwicklungsrisiko?
Schwerpunkt IV: Erziehung und Normalität: Historische
Dimensionen
9.01.2007 Dr. Elisabeth von Stechow (Gießen):
Zur Geschichte der Normalisierung der Kindheit
16.01.2007 Prof. Annette Stroß (Vechta):
Gesundheitserziehung in der Schule
Schwerpunkt V: Praxisanalytische Perspektiven: Zur Ambivalenz von Förderung und Vorsorge
23.01.2007 Dr. Brigitte Kottmann (Bielefeld):
Die Praxis der Feststellung von sonderpädagogischem Förderbedarf. Risikofaktoren Geschlecht, Migration und Armut
30.01.2007 Sabine Bollig/Marion Ott (Frankfurt):
Entwicklung auf dem Prüfstand - zum praktischen „Management von Normalität“ in entwicklungsdiagnostischen Kinderuntersuchungen. Eine ethnographische Studie
Jeweils dienstags, 18 bis 20 Uhr; Raum 904, AfE-Turm; Campus Bockenheim, Senckenberganlage 13-17, 60325 Frankfurt
Kontakt: Prof. Helga Kelle; Tel.: 069/798-23713, Fax: 069/798-28017,
E-Mail: h.kelle@em.uni-frankfurt.de
Dr. Anja Tervooren; Tel.: 069/798-23712, Fax: 069/798-22593,
E-Mail: a.tervooren@em.uni-frankfurt.de; Institut für Pädagogik der Elementar- und Primarstufe, Fachbereich Erziehungswissenschaften, Campus Bockenheim; Senckenberganlage 13-17; 60325 Frankfurt