Feb 27 2008

Präsentation der ersten Stele

EINLADUNG ZUM MEDIEN-TERMIN: Ort des Gedenkens und der Information Norbert Wollheim

FRANKFURT. Die Realisierung des Norbert-Wollheim-Memorials auf dem Campus Westend der Johann Wolfgang Goethe-Universität nimmt zunehmend konkretere Gestalt an. Seitdem wir Ihnen im Frühjahr 2007 das Grundkonzept der Gedenkstätte vorstellen konnten, hat das Team rund um den ausführenden Künstler Prof. Heiner Blum (Hochschule für Gestaltung Offenbach) beständig an der Realisierung der aufwändigen Gedenkstelen gearbeitet, die ab Herbst 2008 gemeinsam mit einem Informationspavillon den ›Ort des Gedenkens und der Information Norbert Wollheim‹ bilden sollen. Zur Vorstellung der ersten Stele laden Sie das Hessische Ministerium für Wissenschaft und Kunst sowie die Universität Frankfurt ein zu einem Medientermin

am: Montag, dem 3. März 2008, um 17 Uhr,
Ort: Campus Westend, IG Hochhaus
Eisenhower-Raum (Raum 1.314) Grüneburgplatz 1, 60323 Frankfurt.

Universitätspräsident Prof. Rudolf Steinberg, Staatssekretär Prof. Alexander Lorz als Vertreter des Hessischen Ministeriums für Wissenschaft und Kunst, Überlebende von Auschwitz-Monowitz und Auschwitz-Birkenau, der künstlerische Berater der Kommission, Prof. Jean-Christophe Ammann, sowie Prof. Heiner Blum, werden Sie an diesem Tag nicht nur über den künstlerischen Aspekt, sondern auch über weitere aktuelle Entwicklungen und den künftigen Verlauf des Projektes informieren.

Teilen Sie uns bitte bis Freitag, den 1. März, E-Mail: s.huebner@vdv.uni-frankfurt.de, mit, ob wir mit Ihrer Teilnahme rechnen dürfen. Über Ihr Kommen freuen wir uns sehr.

Mit freundlichen Grüßen

Stephan M. Hübner
Pressereferent

Hintergrund-Informationen

Im Jahre 2001 wurden das frühere IG Farben-Gebäude und der umgebende Park offiziell als Herzstück des neuen Campus Westend der Universität eingeweiht. Der inzwischen verstorbene Holocaust-Überlebende und frühere Direktor der Conference on Jewish Material Claims against Germany Inc. - Office for Germany, Dr. Karl Brozik, ehemaliger Sprecher des Überlebendenbeirats des Fritz Bauer Instituts, forderte damals, durch eine Umbenennung des Grüneburgplatzes in Norbert Wollheim-Platz auf dem neu entstehenden Campus Westend an die Ermordeten des Konzentrationslagers Buna-Monowitz und an ihren Leidensgefährten Norbert Wollheim zu erinnern. Wollheim hatte in der Nachkriegszeit als erster vor einem deutschen Gericht eine Entschädigung von der IG Farben erstritten.

Der damalige Direktor des Fritz Bauer Instituts, Prof. Micha Brumlik, griff diese Forderung auf und brachte sie an die Öffentlichkeit. Zahlreiche Überlebende des Konzentrationslagers Buna-Monowitz unterzeichneten 2004 anlässlich ihrer letzten offiziellen Versammlung im IG Hochhaus eine Resolution für die Einrichtung des Norbert Wollheim-Platzes. Die Initiative Studierender im IG Farben-Gebäude konnte die internationale Unterstützung zahlreicher Persönlichkeiten und Institutionen - etwa des Zentralrats der Juden in Deutschland oder des Allgemeinen Studierendenausschusses (AStA) der Universität Frankfurt - für eine entsprechende Ehrung Norbert Wollheims gewinnen.

Die Gedenktafel am Eingang des IG Farben-Gebäudes erinnert an die Beteiligung des damals größten deutschen Konzerns an den unsäglichen Verbrechen der Nationalsozialisten. Mit dem geplanten Ort des Gedenkens soll das Andenken an die Opfer von ›IG Auschwitz‹ bewahrt und zugleich stellvertretend für alle eine herausragende Persönlichkeit geehrt werden.

Auf einstimmigen Beschluss des Senats der Johann Wolfgang Goethe-Universität vom 21. Dezember 2005 über die Schaffung eines ›Ortes des Gedenkens und der Information Norbert Wollheim‹ wurde vom Präsidenten die Norbert Wollheim-Kommission einberufen. Ihr gehören außer Vertretern der Universität und des Fritz Bauer Instituts an: Überlebende von Auschwitz-Birkenau und Buna-Monowitz, Vertreter der Initiative Studierender im IG-Farben-Gebäude, der Conference on Jewish Material Claims against Germany Inc. - Office for Germany und des Hessischen Ministeriums für Wissenschaft und Kunst sowie der frühere Direktor des Museums für Moderne Kunst in Frankfurt am Main, Dr. Jean-Christophe Ammann als künstlerischer Berater.

Die Geschichte des IG Farben-Gebäudes
Text der Gedenktafel am Portal

Die Geschichte des IG Farben-Gebäudes und der IG Farbenindustrie AG bildet den Kontext des „Ortes des Gedenkens und der Information Norbert Wollheim“. „Dieses Gebäude wurde nach den Plänen des Architekten Hans Poelzig in den Jahren 1928 bis 1931 für die Hauptverwaltung der IG Farbenindustrie AG errichtet. Als einer der damals größten Chemiekonzerne der Welt stellte diese Gesellschaft ihre wissenschaftlichen Erkenntnisse und Produktionstechniken zwischen 1933 und 1945 zunehmend in den Dienst des nationalsozialistischen Terrorregimes, der Kriegsvorbereitung und Kriegsführung. 1942 bis 1945 unterhielt die IG Farben zusammen mit der SS das Konzentrationslager Buna-Monowitz http://www.auschwitz.org.pl/html/de/historia_KL/monowice_ok.html neben ihren Werken in Auschwitz. Von den Zehntausenden KZ-Häftlingen, die für den Konzern dort arbeiten mussten, wurden die meisten ermordet. Mit dem Gas Zyklon B http://www.shoa.de/zyklon_b.html, das eine mit der IG-Farben verbundene Gesellschaft vertrieb, wurden in den nationalsozialistischen Vernichtungslagern viele Hunderttausende von Menschen, vor allem Juden, umgebracht. Ab 1945 war das Gebäude Sitz der amerikanischen Militärregierung und des Hohen Kommissars für Deutschland. Am 19. September 1945 wurde hier die Gründung des Landes Groß-Hessen proklamiert. Von 1952 bis 1995 befand sich in dem Haus das Hauptquartier des V. Corps der US Army. Im Bewusstsein der Geschichte des Hauses hat es das Land Hessen 1996 für die Johann Wolfgang Goethe-Universität erworben.“ Seitdem dient es der Lehre und Forschung.

Dieser Text der Gedenktafel gruppiert sich um folgendes Zitat von Jean Améry: “Niemand kann aus der Geschichte seines Volkes austreten. Man soll und darf die Vergangenheit nicht 'auf sich beruhen lassen', weil sie sonst auferstehen und zu neuer Gegenwart werden könnte.“
Jean Améry, 1975

Norbert Wollheim war zeit seines Lebens ein selbstloser Helfer. Nach der Machtübergabe an die Nationalsozialisten musste er sein Studium abbrechen. Seit seiner Jugend war er in jüdischen Organisationen ehrenamtlich engagiert, unter den Bedingungen der Diktatur organisierte er die Rettung jüdischer Kindern und begleitete Kindertransporte bis nach Großbritannien. Später organisierte er die berufliche Ausbildung für jüdische Jugendliche, um ihnen eine Chance für die Emigration zu schaffen. Wollheim schlug Angebote aus, sich selbst zu retten, um seiner Familie und anderen Menschen weiter helfen zu können. Im Frühjahr 1943 wurde er mit seiner Frau und seinem zweijährigen Sohn nach Auschwitz deportiert. Dort wurde seine Familie mit dem Gas ermordet, welches von einem mit der IG Farben verbundenen Unternehmen hergestellt wurde. Wollheim selbst wurde im KZ-Lager Auschwitz-Monowitz ('IG Auschwitz') zu Sklavenarbeit unter unmenschlichen Bedingungen gezwungen.

Gerade noch dem Grauen des Holocaust entkommen, engagierte sich Wollheim in den frühen Nachkriegsjahren unermüdlich, seinen Leidensgenossen zu helfen. Er übernahm eine Schlüsselrolle beim Neuaufbau des jüdischen Gemeindelebens in Deutschland. Er leitete die nach dem Krieg neu gegründete jüdische Gemeinde in Lübeck und war in dieser Funktion Mitbegründer des Zentralkomitees der Juden in der Britischen Zone und später einer der Initiatoren und Gründungsmitglied des Zentralrates der Juden in Deutschland. Wollheim half auf diese Weise mit, dass die Hoffnung auf jüdisches Leben nach der Shoah in Deutschland wieder möglich wurde. Er setzte sich für die Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem neuen Staat Israel ein.

In seinem Engagement für Menschlichkeit und Gerechtigkeit blieb Norbert Wollheim unermüdlich. Er legte Zeugnis ab in verschiedenen Prozessen, so zum Beispiel in dem Nürnberger Kriegsverbrecher Prozess gegen die Verantwortlichen von IG Farben oder in dem Prozess gegen Veit Harlan, den Regisseur von 'Jud Süß', dem berüchtigten antisemitischen Hetzfilm der Nazis. Besondere Bedeutung kam seiner Klage gegen IG Farben zu, mit der er den ersten erfolgreichen Musterprozess zur Entschädigung ehemaliger Sklavenarbeiter anstieß. Seinem unerschütterlichen Bemühen verdankten mehrere Tausend Überlebende eine Entschädigungszahlung. Von seiner Emigration in die USA im Jahr 1951 bis zu seinem Tode blieb er ein wachsamer Beobachter der Entwicklung in Deutschland, er war aktiv in Organisationen der Überlebenden und nahm teil an Verhandlungen mit der Regierung des wiedervereinigten Deutschland zur Etablierung eines Härtefonds für jüdische Verfolgte, die an früheren Entschädigungs-gesetzen nicht teilhaben konnten. Dr. Karl Brozik nannte seinen verstorbenen Freund Norbert Wollheim „ein Vorbild in seinem Engagement für Menschlichkeit und Gerechtigkeit“.

Auch in der historischen Dauerausstellung zur Geschichte des IG Farben-Hauses im Hauptgebäude wird auf einer Tafel an Norbert Wollheim erinnert.