Apr 4 2008

Ausstellung zum 100. Todestag von Charles Hallgarten

Ein Amerikaner in Frankfurt

FRANKFURT. Vor hundert Jahren starb der amerikanisch-jüdische Bankier Charles L. Hallgarten, ein bedeutender Stifter der Goethe-Universität und Frankfurter Philanthrop. Vom 10. April bis zum 6. Juni zeigt die Universitätsbibliothek Johann Christian Senckenberg deshalb eine Ausstellung über das Leben und Engagement dieses Pioniers der modernen Sozialfürsorge in Frankfurt am Main und Mäzens für die Wissenschaft, Kunst und Kultur.

Hallgarten entstammte einer jüdischen Familie aus Mainz und wuchs in New York auf. Sein Vater begründete das Bankhaus Hallgarten & Co., das mit der Finanzierung großer Bau- und Eisenbahnprojekte sehr erfolgreich war. Von 1877 bis zu seinem Tode 1908 lebte Hallgarten mit seiner Familie in Frankfurt und engagierte sich hier für soziale, kulturelle und wissenschaftliche Belange. Er stellte sein Vermögen und sein Organisationstalent in den Dienst der Wohltätigkeit und sorgte durch seine soziale Einstellung, seinen Arbeitseinsatz, seine internationalen Beziehungen sowie seine finanzielle Unterstützung nachhaltig für die Weiterentwicklung des Wohlfahrtswesens in Frankfurt. In über 40 Vereinen war er im Vorstand tätig. Hallgarten erwies sich als Pionier der Sozialfürsorge und des sozialen Wohnungsbaus. In der Ausstellung sind Beispiele seiner zahlreichen Projekte zu sehen, unter anderem zählte er zu den Mitbegründern der Aktienbaugesellschaft für kleine Wohnungen (AGB), die günstige Mietwohnungen errichtete, und schuf zahlreiche Einrichtungen für die Kinder- und Jugendhilfe. Der Kalmenhof in Idstein, 1888 als Einrichtung für geistig behinderte Kinder aller Konfessionen aus Frankfurt errichtet, dient noch heute als ein sozial-pädagogisches Zentrum für Jugendliche.

Im Bereich der Wissenschaft und Bildung setzte sich Hallgarten für den Ausbau des Volksbildungswesens ein, stiftete 1902 eine beträchtliche Summe für die Erweiterung der medizinischen Anstalten in Hinblick auf die künftige Universität und förderte die Senckenbergische Naturforschende Gesellschaft und das Freie Deutsche Hochstift. Großzügig unterstützte er die Frankfurter Universitätsbibliothek, unter anderem beim Aufbau einer Sammlung amerikanischer Literatur. Mit zahlreichen Spenden förderte er den Bestand der Judaica-Abteilung, die heute zu den größten ihrer Art weltweit zählt, und den umfassendsten Bestand an Literatur zu den Themen Judentum und Israel in Deutschland besitzt. Besonders erwähnenswert ist die Schenkung einer herausragenden Sammlung von Notendrucken jüdischer Synagogenmusik, aus der einzelne Werke zu sehen sind. Diese Sammlung ist in ihrem Umfang und ihrer Vielfalt einmalig und stellt heute, ergänzt durch historische Sekundärliteratur, den vielleicht wichtigsten Bestand an jüdischer Musikliteratur weltweit dar.

In seinen letzten Lebensjahren setzte sich Hallgarten verstärkt für den Kampf gegen den Antisemitismus ein. Seit 1903 war er Mitglied, dann Vizepräsident der internationalen jüdischen Hilfsorganisation Alliance Israelite Universelle mit Sitz in Paris. Die Gründung der Gesellschaft jüdischer Kunstdenkmäler 1897, die später zur Einrichtung eines Jüdischen Museums in Frankfurt führte, geht ebenfalls auf seine Initiative zurück. Hallgarten war weltoffen und liberal eingestellt und mit Friedrich Naumann befreundet. Dieser beurteilte ihn folgendermaßen: »Wenn nun Hallgarten nur für die Juden gesorgt hätte, so wäre dieses schon an sich ein Werk der Humanität gewesen; aber die Not des Judentums war für ihn nur der Übergang gewesen, um alle Menschheitsfragen praktischer Art überhaupt in Angriff zu nehmen. Er war über seine Konfession hinausgewachsen, ohne ihr untreu zu werden.« Thomas Mann hat Hallgarten in seinem Werk ›Königliche Hoheit‹ ein literarisches Denkmal gesetzt. Sein Enkel Ricky war eng mit Klaus und Erika Mann befreundet und verfasste gemeinsam mit Erika Kinderbücher, beziehungsweise illustrierte sie.

Die Ausstellung in der Universitätsbibliothek, die von der Judaica-Abteilung in Zusammenarbeit mit Historikern und dem Jüdischen Museum Frankfurt erstellt wurde, zeigt auch die Geschichte der Hallgartenschule, die nach seinem Tod nach ihm benannt wurde. Heute ist die Schule eine moderne Förderschule mit Beratungs- und Förderzentrum für den Frankfurter Nordosten. Zur Ausstellung erscheint ein gleichnamiger Katalog im Vittorio Klostermann Verlag.

Informationen:
Dr. Rachel Heuberger, Universitätsbibliothek Johann Christian Senckenberg, Campus Bockenheim, Bockenheimer Landstr. 134-138, 60325 Frankfurt. Tel: (069) 798-39665, r.heuberger@ub.uni-frankfurt.de

WEITERE INFORMATIONEN

10. April bis 6. Juni 2008

Ausstellung
Ein Amerikaner in Frankfurt am Main - Der Mäzen und Sozialreformer Charles Hallgarten (1838-1908)

Eröffnung: 9. April, 17 Uhr

Universitätsbibliothek
Johann Christian Senckenberg
Campus Bockenheim Bockenheimer Landstr. 134-138