Jan 31 2009

Überraschendes Ergebnis bei der Verleihung des Goethe-Preises für wissenschafts- und hochschulpolitischen Journalismus am 30. Januar an der Goethe-Universität Frankfurt

Drei Preisträger, drei hochschulpolitische Akzente

Die heutige Verleihung des Goethe-Preises für wissenschafts- und hochschulpolitischen Journalismus an der Universität Frankfurt, der 2008 zum ersten Mal ausgeschrieben worden war, sorgt für eine Überraschung.

Der erste Preis (5000 Euro) geht nicht an einen Vertreter der meinungsbildenden überregionalen Print-Medien, sondern an den Südwestrundfunk (SWR) für das 55-minütige Feature „Goodbye Humboldt“ der Redakteurin Dr. Ruth Jakoby, das am 28. April 2007 im SWR ausgestrahlt wurde. Den zweiten Preis (2500 Euro) sprach die Jury aus namhaften unabhängigen Experten Dr. Tilmann Lahme von der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) für seinen Beitrag „Lesen ist kein Modul“ zu, der am 30. Oktober 2007 erschienen war. Den dritten Preis (1250 Euro) erhielt Jan-Martin Wiarda von der Wochenzeitung „Die Zeit“ für „Die fiese Formel“, den „Die Zeit“ am 20. September 2007 veröffentlicht hatte.

„Alle Preisträgerinnen und Preisträger haben hochschulpolitisch sensible Themen aufgegriffen und in herausragender und origineller Weise umgesetzt. Die Beiträge setzen im Sinne der Ausschreibung Maßstäbe, weil sie komplexe Sachverhalte, die mangels entsprechender Darstellungskompetenz oft im Verborgenen bleiben, stilistisch und inhaltlich beispielhaft einer breiten Öffentlichkeit zugänglich machen“, sagte der neue Präsident der Goethe-Universität, Prof. Werner Müller-Esterl, anlässlich der Preisverleihung. „Die Jury hat sich gewünscht, dass von diesem Preis auch ein starker hochschulpolitischer Akzent ausgeht. Diesem Wunsch kann ich mich nur anschließen.“

In ihrer Laudatio auf die erste Preisträgerin, Dr. Ruth Jakoby, lobte die Präsidentin der Deutschen Hochschulrektorenkonferenz (HRK), Prof. Margret Wintermantel, als Mitglied der Jury, dass die Autorin ein Thema von prinzipieller Bedeutung aufgegriffen habe: „Hochschulen befinden sich derzeit (...) in einem fundamentalen Wandel. (...) Der Beitrag von Frau Jacoby richtet den Fokus auf das Selbstverständnis der dabei sich entwickelnden „neuen“ Universitäten. Er macht klar, wie groß die Aufgabe ist, die Balance zwischen wichtigen Grundwerten der klassischen Universität und den Elementen des derzeit stattfindenden fundamentalen Reformprozesses zu finden. (...) Ich bin sehr froh, dass wir heute einen Preis für eine solche journalistische Leistung zu vergeben haben und ich freue mich, dass wir einen so ambitionierten Beitrag auszeichnen können.“

Dr. Wolfgang Heuser, Herausgeber der Deutschen Universitätszeitung und ebenfalls Mitglied der Jury, stellt in seiner Lobrede auf den zweiten Preisträger, Dr. Tilmann Lahme, fest: „Der von Dr. Tilmann Lahme eingereichte Artikel „Lesen ist kein Modul“ ist am 30. Oktober 2007 in der „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ als erster Text innerhalb einer vom Autor initiierten und redaktionell betreuten Serie „Der Bachelor im Test“ erschienen. Herrn Lahme geht es also hinsichtlich dieser Serie ganz besonders um Konkretisierung. Vor Ort, durch Besuche im Hörsaal oder Seminarraum, durch Gespräche mit Studierenden und Dozenten soll untersucht und verdeutlicht werden, was die Etablierung des Bachelors als grundlegendes Studium in Deutschland bedeutet. (...) Der Artikel zieht einen förmlich rein in den ungewohnt früh beginnenden und mit klaren Vorgaben ausstaffierten Alltag der jungen Germanistikstudierenden, wird sehr rasch konkret und gelangt immer wieder zu weitgehend ausgewogenen Urteilen: Tilmann Lahme vereinnahmt den Leser, ohne ihn zu bevormunden, er bettet ihn anfangs weich, bringt dann eine ausreichende Anzahl von Fakten, bleibt teils neutral, um dann auch wieder scharf zuzuspitzen.“

Der Beitrag des dritten Preisträgers, Jan-Martin Wiarda, analysiert die gravierenden Auswirkungen der so genannten Kapazitätsverordnung für die deutschen Universitäten und Hochschulen. Der Kommunikationswissenschaftler Prof. Ulrich Pätzold, der viele Jahre das Dortmunder Institut für Journalistik leitete, hob als Mitglied der Jury in seiner Laudatio hervor: „Wer meint, Wiardas Artikel sei eine Polemik, der irrt. In bester journalistischer Manier wird das Feld ausgeleuchtet, auf dem die „fiese Formel“ ihre Wirksamkeit entfaltet. (...) Damit sich Hochschulpolitik nicht mehr hinter Formeln verstecken kann, brauchen wir einen Journalismus, der sich vor allem auch mit den Feinheiten dieser Politik beschäftigt. Im Scheinwerferlicht der Öffentlichkeit geraten selbst eherne Formeln ins Wanken, werden Verfahrensabsurditäten transparent, für die am Ende keiner mehr einstehen will. Unser Preis an Jan-Martin Wiarda ist auch mit der Hoffnung verbunden, dass sein journalistischer Beitrag den Anfang des Endes dieser „fiesen Formel“ markiert.“


Biografische Angaben zu den PreisträgerInnen

Dr. Ruth Jakoby (Jg. 1957), verheiratet, 2 Kinder. 1975- 1982 Studium der Germanistik und Romanistik in Bonn, Montpellier und Tübingen. Promotion: “Das Feuilleton des Journal des Débats von 1814-1830”. (Narr Verlag, Tübingen, 1988). Nach dem Volontariat beim Südwestfunk (1986/87) zunächst freie Fernsehjournalistin u.a. für das deutsch-französische Magazin „Vis -à- Vis“. Einige Jahre Reporterin und Redakteurin in der Auslandsredaktion des Südwestfunkfernsehens. 1993 Wechsel zum Hörfunk. Nach der Fusion von SWF und SDR Redakteurin und Autorin bei der SWR2 Landeskulturredaktion Baden- Württemberg. Interessengebiete u.a. Literatur, Hochschulen und immer noch Frankreich.

Dr. Tilmann Lahme (Jg. 1974), verheiratet, drei Kinder , Studium der Fächer Geschichte, Germanistik und Philosophie in Kiel. Auslandssemester in Bern, wo er sich im Jahr 2000 erstmals mit dem Nachlass des Historikers Golo Mann beschäftigte. 1. Staatsexamen, später Promotion mit einer Dissertation über Golo Mann, die, zu einer Gesamtbiographie erweitert, nun, ebenso wie ein von ihm herausgegebener Golo-Mann-Essayband, im März 2009 im S. Fischer Verlag erscheint. Seit der Studienzeit journalistische Arbeit: zuerst vor allem für das Radio, als fester freier Mitarbeiter für Radio NORA, dann als freier Reporter für den Norddeutschen Rundfunk (Welle Nord). Nach einer dreimonatigen Hospitanz in der Literaturredaktion im Feuilleton der Frankfurter Allgemeinen Zeitung im Jahr 2006 erst Redakteurvertreter, dann vom 1. September 2006 bis zum 31. Oktober 2008 Redakteur im Feuilleton der FAZ.

Jan Martin Wiarda, seit 2004 Redakteur bei Zeit "Chancen", Studium der Politikwissenschaften, Kommunikationswissenschaften und Volkswirtschaft an der Ludwig-Maximilians-Universität, München und University Chapel Hill (USA), Absolvent der Deutschen Journalistenschule (DJS).