Mai 15 2009

Goethe-Universität startet gemeinsames Forschungsprojekt mit der Ludwig-Maximilians-Universität München

Chancen und Grenzen bildungspolitischer Reformen

FRANKFURT. Eine neue Kooperation in den Erziehungswissenschaften der Goethe-Universität und der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München erfasst erstmals die tatsächliche Orientierungskraft des Lebenslangen Lernens in unterschiedlichen pädagogischen Berufsgruppen. Die zentrale Frage: Wie sind pädagogische Praktiker dazu zu motivieren, das Lebenslange Lernen umzusetzen? Bisher ist unklar, ob und inwieweit für Pädagogen des Erziehungs- und Bildungswesens von der Maxime des Lebenslangen Lernen faktisch eine Orientierungskraft ausgeht und in welcher Weise sich diese in Gestalt bereits bewährter Kooperationsformen niederschlägt. Gleichfalls unbekannt ist, wie sich die Formel des Lebenslangen Lernens auf das Berufswissen und die berufliche Identitätsformation verschiedener Gruppen auswirkt.

Etwa 1.400 ErzieherInnen, Sozialpädagogische AssistentInnen, Lehrkräfte unterschiedlicher Schulformen und des Zweiten Bildungsweges, in der Erwachsenenbildung und der außerschulischen Jugendbildung Beschäftige sowie Lehrkräfte an Hochschulen sollen dazu befragt werden: Welche Varianten der bildungsbereichsübergreifenden Zusammenarbeit sie bereits realisieren, welche diesbezüglichen Lücken aus ihrer Sicht existieren und welche Faktoren eine segmentübergreifende Kooperation fördern beziehungsweise behindern. An dem Projekt ‚Pädagogische Erwerbsarbeit im System des lebenslangen Lernens. Berufliche Selbstbeschreibungen und wechselseitige Funktions- und Aufgabenzuschreibungen’ beteiligen sich das Frankfurter Institut für Sozialpädagogik und Erwachsenenbildung sowie der Lehrstuhl für Allgemeine Pädagogik und Bildungsforschung der LMU; finanziert wird das Vorhaben durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG).

Vor dem Hintergrund der voranschreitenden Institutionalisierung des lebenslangen Lernens führen Kindergärten und Schulen, Einrichtungen der Erwachsenenbildung und der betrieblichen Bildung sowie Hochschulen und Universitäten in den letzten Jahren verstärkt Projekte zur bildungsbereichsübergreifenden Kooperation (zum Beispiel ‚Lernende Regionen’) durch. In der öffentlichen Diskussion wird angeregt, die Ausbildung von ErzieherInnen mit der der GrundschullehrerInnen zu verzahnen. Viele Universitäten – so auch die Goethe-Universität und die LMU – öffnen an einigen Tagen im Jahr ihre Vorlesungssäle für Kinder und Schüler, Senioren bieten sich als Erzählpaten in Kindertagesstätten an.

In Deutschland und in anderen europäischen Ländern werden neue Organisationen gegründet, die Einrichtungen aus verschiedenen Bereichen des Bildungssystems zusammenführen (Beispiel: die Gründung von acht ‚Zentren des Lebenslangen Lernens’ in Hessen). Bundesweit, so auch in Bayern wurden in Lernenden Regionen (EU- und BMBF-finanziert) Bildungsinstitutionen vernetzt und zur Kooperation angeregt. Mit diesen Maßnahmen ist vielfach die Absicht verbunden, der oft kritisierten Tendenz zur ‚Versäulung’ im Bildungswesen entgegenzuwirken und die Bildungskarrieren stärker auf die biographisch gelagerten Interessen der Zielgruppen abzustimmen. Die Bildungseinrichtungen und die Bildungspolitik bauen ihre Reformanstrengungen auf dem Prinzip des Lebenslangen Lernens auf; sie unterstellen dabei, dass diese Maxime auch im Berufsfeld auf breite Akzeptanz stößt. Empirische Hintergrundinformationen über die tatsächliche Orientierungskraft der Einheitsformel ‚Lebenslangen Lernen’ liegen jedoch nicht vor.

Übrigens: Für die Untersuchung suchen die Wissenschaftler noch interessierte Pädagogen aller Bildungsbereiche aus den Landkreisen Waldeck-Frankenberg und Bad Tölz sowie aus den Städten Kassel und München, die bereit sind einen Fragebogen zu beantworten. Des Weiteren gesucht werden aus den entsprechenden Regionen TeilnehmerInnen für Gruppendiskussionen, die über ihre pädagogische Tätigkeit und ihr berufliches Selbstverständnis berichten. Das Projekt soll einen Beitrag zur Machbarkeit, also zu den Chancen und Grenzen bildungspolitischer Reformen liefern und den Zusammenhang zwischen individuellen beruflichen Einstellungsmustern und kollektiv geteilten Selbstbeschreibungen von einschlägigen pädagogischen Berufsgruppen erfassen.

Informationen zur Teilnahme:

Prof. Dieter Nittel und Dr. Julia Schütz, Institut für Sozialpädagogik und Erwachsenenbildung, Campus Bockenheim, Tel: (069) 798-22211 oder
(040) 285717134, nittel@em.uni-frankfurt.de / j.schuetz@em.uni-frankfurt.de Prof. Rudolf Tippelt und Andrea Reupold, Lehrstuhl für Allgemeine Pädagogik und Bildungsforschung, Tel: (089) 2180-4822, tippelt@edu.uni-muenchen.de / reupold@lmu.de