Experiment widerspricht Theorie schwerer Atomkerne

Angeregte Kernzustände doch nicht statistisch verteilt?

Veröffentlicht am: Mittwoch, 04. April 2012, 16:14 Uhr (008)

Seit Jahrzehnten ist die Ansicht etabliert, dass energetisch angeregte Zustände der Atomkerne schwerer Elemente rein statistischen Gesetzen folgen. Aus dieser Sichtweise lässt sich ableiten, dass sich die Eigenschaften dieser angeregten Zustände, wie ihr Abstand voneinander, im Mittel nur sehr langsam als Funktion der Anregungsenergie ändern. Neue Messungen am Los Alamos Neutron Science Center (LANSCE), an denen auch Prof. René Reifarth vom Institut für Angewandte Physik der Goethe Universität beteiligt war, stellen diese Ansicht nun in Frage.

In dem Experiment wurden die angeregten Zustände des Isotops Samarium-148 untersucht, dessen Atomkern aus 62 Protonen und 86 Neutronen besteht. Um hoch angeregte Zustände dieses Isotops zu produzieren, bestrahlten Physiker Samarium-147 (62 Protonen und 85 Neutronen) mit Neutronen. In sehr kurzen Pulsen werden am LANSCE Neutronen in einem weiten Energiebereich erzeugt. Deren Wechselwirkung mit der Samarium-147 Probe wurde in einer Entfernung von 20 Metern mit dem Detector for Advanced Neutron Capture Experiments (DANCE) untersucht. Fängt Samarium-147 ein Neutron ein, entsteht Samarium-148 in einem hoch angeregten Zustand, der durch Emission einer Reihe von Photonen die überschüssige Energie wieder abgibt. DANCE besteht aus 160 Einzeldetektoren, die die Probe vollständig umschließen, und erlaubt somit den Nachweis dieser emittierten Photonen. Es stellte sich heraus, dass sich die Eigenschaften der erzeugten angeregten Zustände unerwartet stark als Funktion der Neutronenenergie -und damit der Anregungsenergie des Samarium-148- ändern.

Dies widerspricht etablierten Theorien über die Eigenschaften von Atomkernen, die die Grundlage für die Vorhersage von Kerneigenschaften in verschiedenen anderen Bereichen, wie z.B. der nuklearen Astrophysik, bilden. Eine Verbesserung dieser Theorien verspricht daher Auswirkungen auf weite Bereiche der kernphysikalischen Grundlagen- und angewandten Physik.

Publikation: P. E. Koehler, R. Reifarth et al: Abrupt change in radiation-width distribution for 147Sm neutron resonances, in Physical Review Letters, http://prl.aps.org/abstract/PRL/v108/i14/e142502

 
Bildtext: Rene Reifarth während der Montage des aus 160 Einzelkristallen bestehenden DANCE Detektors.