Okt 12 2010

Jubiläumstagung „Transnationale Vergesellschaftungen“ vom 11. bis 15. Oktober 2010 wird in der Frankfurter Paulskirche eröffnet

Heute beginnt der Soziologiekongress

FRANKFURT. . „Wenn es erlaubt wäre, in einem für heutige Gewohnheiten sehr gemäßigten Reklame-Stil zu reden, so möchte ich meine Rede beginnen mit den Worten: ‚Der Soziologie gehört die Zukunft’. Ich begnüge mich aber, die Erwartung und Hoffnung auszusprechen: ‚Die Soziologie hat eine Zukunft’.“ Mit diesen Worten eröffnete Ferdinand Tönnies den „Ersten Deutschen Soziologentag“ – fast auf den Tag genau vor einhundert Jahren, am 20. Oktober 1910 in Frankfurt am Main. Tönnies war der erste Präsident der Deutschen Gesellschaft für Soziologie (DGS), die jetzt auch ihren Jubiläumskongress in Frankfurt ausrichtet. Noch bis zum Freitag diskutieren rund 3000 Soziologinnen und Soziologen an der Goethe-Universität über verschiedene Aspekte des Tagungsmottos „Transnationale Vergesellschaftungen“. Offiziell eröffnet der Kongress, der nun zum fünften Mal in Frankfurt stattfindet, heute (11. Oktober) um 17 Uhr in der Paulskirche. Hans-Georg Soeffner, aktueller DGS-Vorsitzender, spricht dann über nichts weniger als „Die Zukunft der Soziologie“.

Den zweiten Eröffnungsvortrag, nach Prof. Soeffner, hält Prof. Peter L. Berger zum Thema „Religion as a Transnational Force“. Der aus Österreich stammende US-amerikanische Wissenschaftler leitete rund 30 Jahre das von ihm gegründete „Institute for Culture, Religion and World Affairs“ an der Boston University. Berger gilt als der bedeutendste Vertreter der so genannten neueren Wissenssoziologie. Zusammen mit Prof. Thomas Luckmann, der eine Zeitlang in Frankfurt lehrte und ebenfalls an dem Kongress teilnimmt, verfasste er das Standardwerk „Die gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit“. Die einleitenden Grußworte bei der Eröffnungsveranstaltung in der Paulskirche halten der hessische Innenminister Boris Rhein, die Frankfurter Oberbürgermeisterin Petra Roth und Prof. Werner Müller-Esterl, Präsident der Goethe-Universität. Ebenfalls mit einem Grußwort vertreten ist Prof. Klaus Lichtblau, Sprecher der lokalen Vorbereitungsgruppe des Kongresses.

„Der Jubiläumskongress hebt sich als ‚Jahrhundertkongress‘ – nicht nur symbolisch – von den anderen Kongressen unserer Fachgesellschaft ab“, betont der DGS-Vorsitzende Hans-Georg Soeffner. In ihren Anfängen habe sich die DGS noch als Teil einer – wie Tönnies es nannte – „Weltgesellschaft“ gedacht. In der Folgezeit jedoch hätten Nationalismus, Nationalsozialismus, aber auch bundesrepublikanische Selbstgenügsamkeit und Europaorientierung die Selbstdeutungen, Perspektivierungen und Arbeitsschwerpunkte der DGS überformt. Auch angesichts einer zunehmenden Verschränkung von globalen und lokalen Entwicklungen zu einer „Weltgesellschaft im eigenen Land“ sieht Soeffner eine Hauptaufgabe des Kongresses darin, die bestehenden Theorieentwürfe, Begriffsinstrumentarien und Methoden zu überprüfen.

„Von Frankfurt und den Frankfurter Kongressen sind viele wichtige Impulse für die Soziologie ausgegangen“, sagt Klaus Lichtblau, der von lokaler Seite für die Tagung verantwortlich zeichnet. An der Goethe-Universität wurde 1919 der erste deutsche Lehrstuhl für Soziologie eingerichtet. Am 1924 gegründeten und 1951 wieder eröffneten Institut für Sozialforschung (IfS) wirkten Wissenschaftler wie Max Horkheimer, Theodor W. Adorno und Jürgen Habermas. Als ‚Frankfurter Schule’ haben Soziologen der Goethe-Universität die intellektuellen Debatten entscheidend mitgeprägt. „Ich bin mir sicher, dass auch mit dem derzeit erfolgenden Generationswechsel Frankfurter Soziologinnen und Soziologen erneut eine zentrale Rolle bei der Konsolidierung und Weiterentwicklung ihres Faches spielen werden“, so Lichtblau.

Der Jubiläumskongress will eine Reflexion über die Entwicklung des Fachs mit soziologischen Zeitdiagnosen verbinden. Neben Themen wie der weltweiten ökonomischen Vernetzung geht es um das Spannungsverhältnis zwischen regionaler, nationaler und globaler Identitätsbildung. Auch hier scheint Frankfurt Modellcharakter zu haben. „Frankfurt ist der ideale Ort, um transnationale Prozesse soziologisch zu untersuchen“, sagt Prof. Martina Löw, stellvertretende DGS-Vorsitzende und Stadtsoziologin an der TU Darmstadt. Trotz heterogener Bewohnerschaft würden die verschiedenen sozialen und ethnischen Gruppen ein gemeinsames Wir-Gefühl entwickeln. Martina Löw: „Die Stadt Frankfurt, deren Bürgerinnen und Bürger sich als modern und weltzugewandt verstehen, wirkt mit ihrer ganz eigenen Logik auf den Kongress ein und setzt ihm den Rahmen.“

Das Tagungsprogramm umfasst mehr als 100 Einzelveranstaltungen mit rund 600 Vorträgen. Gastländer sind Frankreich und die USA. Zum öffentlichen Rahmenprogramm gehört die groß angelegte Ausstellung „Soziologie in Frankfurt: 1910 - 2010“.

Pressekontakt: Bernd Frye und Stefanie Mielast, Tel: (069) 798-25342, Fax: (069) 798-25340, mielast@soz.uni-frankfurt.de; Programm: www.dgs2010.de

Akkreditierung ab dem 12. Oktober direkt am Presse- und Informationsstand im 1. Stock des Casino (Raum 1.801) auf dem Campus Westend, Tel: (069) 798-25342/-25343