Jun 29 2010

Vortrag über das Leitbild des Vaters in der frühen Bundesrepublik am 5. Juli 2010 am Forschungskolleg Humanwissenschaften der Goethe-Universität

Wie Vati die Demokratie lernte

FRANKFURT/BAD HOMBURG. Das Ende der Nazidiktatur blieb nicht ohne Auswirkungen auf die Stellung des Mannes in der Familie. Die Suche nach neuen Formen der Vaterschaft bildete ein Leitmotiv der frühbundesrepublikanischen Debatte über das Verhältnis von Demokratie und Autorität. In der Rede vom „demokratischen Vater“ experimentierten die Westdeutschen mit einem Lebensgefühl, das es ihnen erlaubte, die Nachkriegsdemokratie nicht nur als Schicksal, sondern als Chance zu begreifen. Diese Aspekte beleuchtet der Historiker Prof. Till van Rahden von der Université de Montréal in seinem öffentlichen Vortrag „Das Lächeln der Verfassungsrichterin - Das Ende des Patriarchats und die Suche nach Demokratie in der frühen Bundesrepublik“ am Montag, 5. Juli, um 18.00 Uhr im Forschungskolleg Humanwissenschaften der Goethe-Universität, Am Wingertsberg 4, 61348 Bad Homburg.

Der Wandel in der politischen Kultur der frühen Bundesrepublik wurde durch die Rechtsprechung flankiert. Im Juli 1959 erklärte das Bundesverfassungsgericht den sogenannten „väterlichen Stichentscheid“, wonach dem Vater die letztendliche Entscheidungsgewalt in der Familie zugesprochen wurde. für verfassungswidrig. Damit verwarf es zwei Paragraphen des Gleichberechtigungsgesetzes von 1957, in denen sich ein patriarchalisches Verständnis elterlicher Autorität niedergeschlagen hatte. Diese Entscheidung war ein Meilenstein auf dem Weg zur Gleichberechtigung von Müttern und Vätern. Die Argumentation des Gerichts entsprach einem damals verbreiteten Bedürfnis, Autorität in der Familie nicht mehr als ein natürliches Vorrecht des Vaters zu interpretieren.

Till van Rahden forscht in diesen Wochen auf Einladung des Frankfurter Exzellenzclusters „Die Herausbildung normativer Ordnungen“ als Fellow am Forschungskolleg Humanwissenschaften. Sein Forschungspartner ist Prof. Andreas Fahrmeir, Historiker an der Goethe-Universität und Angehöriger des Clusters. Fahrmeir übernimmt auch die Einführung und Moderation beim Vortrag seines Fachkollegen. Die interessierte Öffentlichkeit ist herzlich willkommen. Um Anmeldung wird gebeten.

Till van Rahden ist Professor für Geschichte und Inhaber des Canada Research Chair in German and European Studies an der Université de Montréal. Gegenwärtig befasst er sich vorrangig mit dem Wandel von demokratischen Leitbildern in der Bundesrepublik Deutschland. Zu seinen jüngsten Publikationen zählen „Demokratie im Schatten der Gewalt. Geschichten des Privaten im deutschen Nachkrieg“ (hg. mit D. Fulda, S. Hoffmann und D. Herzog, erscheint 2010 im Wallstein Verlag) sowie „Jews and other Germans. Civil Society, Religious Diversity and Urban Politics in Breslau, 1860 to 1925” (University of Wisconsin Press 2008).

Andreas Fahrmeir ist Professor für Neuere Geschichte mit dem Schwerpunkt 19. Jahrhundert an der Goethe-Universität und Prinicipal Investigator des sozial-und geisteswissenschaftlichen Forschungsverbundes „Die Herausbildung normativer Ordnungen“. Demnächst erscheint sein Buch „Revolutionen und Reformen. Europa 1789 - 1850“ als erster Band der neuen Reihe „Geschichte Europas“ im C.H. Beck Verlag.

Anmeldung: Andreas Reichhardt, Tel: (06172) 13977-16, Fax: (06172) 13977-39, a.reichhardt@forschungskolleg-humanwissenschaften.de

Informationen: Bernd Frye, Tel: (06172)13977-14, frye@forschungskolleg-humanwissenschaften.de