Apr 16 2009

Wenn die Mutter in Deutschland arbeitet, muss die Großmutter die Kinder in Polen übernehmen – Tagung des Cornelia Goethe Centrums beschäftigt sich mit „globalen Betreuungsketten“ und ihren Folgen

Who cares? Migrantinnen als Haushaltshilfen

FRANKFURT. Wer sorgt für Kinder, Behinderte, ältere Menschen, die eine gewisse Zeit oder auf Dauer Hilfe im Alltag brauchen? Wer kauft ein, kocht, putzt, wenn die westeuropäischen Frauen zunehmend in den ersten Arbeitsmarkt integriert werden? Wer kümmert sich darum – und wen beschäftigt das? Who cares? Mit diesen Fragen beschäftigen sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler im Sommersemester während eines Konferenz und einer Vortragsreihe an der Goethe-Universität. Dazu die geschäftsführende Direktorin des Cornelia Goethe Centrums für Frauenstudien: „Dass irregulär beschäftige Migrantinnen Haushalts- und Pflegeaufgaben übernehmen, ist ein allerorten zu beobachtendes Phänomen, mit dem sich seit einer Zeit auch die Wissenschaft auseinandersetzt. Uns interessieren dabei besonders die Auswirkungen auf die Familienstrukturen in den Abgabeländern sowie die Legalisierungschancen in den Aufnahmeländern.“

An der Goethe-Universität laufen dazu inzwischen verschiedene Forschungsprojekte, so untersucht das Projekt „Landscapes of Care Drain“ die Migration ukrainischer Frauen nach Polen sowie polnischer Frauen nach Deutschland. Mit ihrem verdienten Geld unterstützen die Migrantinnen ihre eigenen Familien zu Hause. Es entstehen „Care Chains“, „globale Betreuungsketten“, in denen die eigenen Kinder der ausländischen Arbeitskräfte von den meist weiblichen Mitgliedern der eigenen Familien in den Herkunftsländern oder von Migrantinnen aus noch ärmeren Regionen der Welt betreut werden. Wie wirkt sich das auf deren Familien aus? Welche Konsequenzen hat der Zustrom von Migrantinnen für die Europäische Union und insbesondere für die Bundesrepublik?

Zum Auftakt findet am 23. und 24. April eine wissenschaftliche Konferenz auf dem Campus Westend, Casino, Raum 1.801 statt. Diese Veranstaltung wie die nachfolgenden Vorträge, die vom Cornelia Goethe Centrum organisiert werden, stehen auch Interessierten aus dem Rhein-Main-Gebiet offen. Die Konferenz bringt Wissenschaftlerinnen unterschiedlicher Disziplinen und Kontexte zusammen. Inspiriert ist die Tagung insbesondere durch die von Arlie Hochschild (University of Berkeley) angestoßenen brisanten Themen. Die bekannte amerikanische Autorin und Soziologin wird bei der Tagung mitdiskutieren und am 23. April um 18 Uhr den Abendvortrag halten; sie nimmt dabei die globale Bereitstellung von Dienstleistungen durch Frauen aus Ländern des globalen Südens an den Beispielen von Kindermädchen und Leihmüttern in den Blick. Die Vorträge und Diskussionen der Tagung werden teils in englischer, teils in deutscher Sprache gehalten.

Die weiteren Vorträge finden jeweils mittwochs zwischen 18 und 20 Uhr im IG-Farben-Haus, Eisenhower-Raum, statt: Dr. Kyoko Shinozaki (Frankfurt) „Citizenship dilemmas: opportunities and pitfalls in irregular Filipina migrants' religious practice“ (13. Mai); Dr. Norbert Cyrus (Oldenburg) „‘Intelligente Putzfrau sucht Arbeit‘ – Wie polnische Haushaltsarbeiterinnen sich auf dem informellen Arbeitsmarkt durchsetzen“ (27. Mai); Dr. Umut Erel (London) “Making new citizens: motherhood and migration” (17. Juni); Prof. Dr. Dr. Marina Calloni (Mailand) “Displaced love and situated care. Rethinking migration from a socio-philosophical perspective” (15. Juli).

Informationen: Prof. Ursula Apitzsch, Alexandra Nagel, Cornelia Goethe Centrum, Campus Bockenheim, Telefon (069) 798-23839, cgcentrum@soz.uni-frankfurt.de, Nagel@em.uni-frankfurt.de,