Okt 3 2006

Kommission beschließt Zeitplan zur Realisierung des Wollheim-Memorials

Ort des Gedenkens und der Information für Norbert Wollheim

FRANKFURT. Auf ihrer gestrigen Sitzung hat die Wollheim-Kommission einen Zeitplan zur Realisierung des Norbert-Wollheim-Memorials beschlossen. Voraussichtlich kann die Gestaltung des Memorials im Januar 2007 der Öffentlichkeit vorgestellt werden.

Im Jahre 2001 wurde das frühere IG Farben-Gebäude und der umgebende Park offiziell als Herzstück des neuen Campus Westend der Universität eingeweiht.

Der inzwischen verstorbene Holocaust-Überlebende und frühere Direktor der Conference on Jewish Material Claims against Germany Inc.-Office for Germany, Dr. Karl Brozik, ehemaliger Sprecher des Überlebendenbeirats des Fritz Bauer Instituts, forderte damals, durch eine Umbenennung des Grüneburgplatzes in Norbert Wollheim-Platz auf dem neu entstehenden Campus Westend an die Ermordeten des Konzentrationslagers Buna-Monowitz und an ihren Leidensgefährten Norbert Wollheim zu erinnern, der in der Nachkriegszeit als Erster vor einem deutschen Gericht von den IG Farben eine Entschädigung erstritten hatte.

Der damalige Direktor des Fritz Bauer Instituts, Prof. Micha Brumlik, griff diese Forderung auf und brachte sie an die Öffentlichkeit. Zahlreiche Überlebende des Konzentrationslagers Buna-Monowitz unterzeichneten 2004 anlässlich ihrer letzten offiziellen Versammlung im IG Hochhaus eine Resolution für die Einrichtung des Norbert Wollheim-Platzes. Die studentische Norbert Wollheim-Initiative konnte die internationale Unterstützung zahlreicher Persönlichkeiten und Institutionen - etwa des Zentralrats der Juden in Deutschland oder des Allgemeinen Studierendenausschusses (AStA) der Universität Frankfurt - für eine entsprechende Ehrung Norbert Wollheims gewinnen.

Die Gedenktafel am Eingang des IG Hochhauses erinnert an die Beteiligung des damals größten deutschen Konzerns an den unsäglichen Verbrechen der Nationalsozialisten. Mit dem geplanten Ort des Gedenkens soll das Andenken an die Opfer von „IG Auschwitz“ bewahrt und zugleich stellvertretend für alle eine herausragende Persönlichkeit geehrt werden.

Auf einstimmigen Beschluss des Senats der Johann Wolfgang Goethe-Universität vom 21. Dezember 2005 über die Schaffung eines „Ortes des Gedenkens und der Information Norbert Wollheim“ wurde vom Präsidenten die Norbert Wollheim-Kommission einberufen. Ihr gehören außer Vertretern der Universität und des Fritz Bauer Instituts an: Überlebende von Auschwitz-Birkenau und Buna-Monowitz, Vertreter der studentischen Norbert Wollheim-Initiative, der Conference on Jewish Material Claims against Germany Inc.-Office for Germany und des Hessischen Ministeriums für Wissenschaft und Kunst sowie der frühere Direktor des Museums für Moderne Kunst in Frankfurt am Main, Dr. Jean-Christophe Ammann als künstlerischer Berater.

Die Geschichte des IG Hochhauses Text der Gedenktafel am Portal

Die Geschichte des IG Hochhauses und der IG Farbenindustrie AG bildet den Kontext des „Ortes des Gedenkens und der Information Norbert Wollheim“. „Dieses Gebäude wurde nach den Plänen des Architekten Hans Poelzig in den Jahren 1928 bis 1931 für die Hauptverwaltung der IG Farbenindustrie AG errichtet. Als einer der damals größten Chemiekonzerne der Welt stellte diese Gesellschaft ihre wissenschaftlichen Erkenntnisse und Produktionstechniken zwischen 1933 und 1945 zunehmend in den Dienst des nationalsozialistischen Terrorregimes, der Kriegsvorbereitung und Kriegsführung. 1942 bis 1945 unterhielt die IG Farben zusammen mit der SS das Konzentrationslager Buna-Monowitz neben ihren Werken in Auschwitz. Von den Zehntausenden KZ-Häftlingen, die für den Konzern dort arbeiten mussten, wurden die meisten ermordet. Mit dem Gas Zyklon B , das eine mit der IG-Farben verbundene Gesellschaft vertrieb, wurden in den nationalsozialistischen Vernichtungslagern viele Hunderttausende von Menschen, vor allem Juden, umgebracht. Ab 1945 war das Gebäude Sitz der amerikanischen Militärregierung und des Hohen Kommissars für Deutschland. Am 19. September 1945 wurde hier die Gründung des Landes Groß-Hessen proklamiert. Von 1952 bis 1995 befand sich in dem Haus das Hauptquartier des V. Corps der US Army. Im Bewusstsein der Geschichte des Hauses hat es das Land Hessen 1996 für die Johann Wolfgang Goethe-Universität erworben. Künftig dient es der Lehre und Forschung.“

Dieser Text der Gedenktafel gruppiert sich um folgendes Zitat von Jean Améry: »Niemand kann aus der Geschichte seines Volkes austreten. Man soll und darf die Vergangenheit nicht „auf sich beruhen lassen“, weil sie sonst auferstehen und zu neuer Gegenwart werden könnte.« Jean Améry, 1975

Kontakt: Prof. Rudolf Steinberg, Präsident der Universität Frankfurt; Tel: 069 / 798 22232; E-Mail: praesident@uni-frankfurt.de